Nr. 43 Unterhaltungsbeilage 1937 Yolanthes Liebestod Meine Freundin heißt. Uolanthe. Mit U bitte, nicht zu vergeffen. Sie ist ein sehr hübsche- Mädchen, das bestreiten sogar ihre besten Freundinnen nicht. Aber sie ist auch ein sehr kapriziöser Persönchen. Run, wenn man Uolanthe heißt(mit 8 bitt«, wie gesagt), so hat man vielleicht«ine kleine Veranlagung dazu, vielleicht sogar eine gewisse Berechtigung. Denn wenn man schon diesen minniglich-romantischen Namen führt, mutz man sich doch kn etwas von den alltäglichen Doras, Minnas und Annas unterscheiden. Ein solcher Name verpflichtet. Ich habe mich allmählich an Uolanthes Kaprizen gewöhnt, ich bin eben sehr gelehrig. Man könnte, wenn man ganz ehrlich sein will, Wohl auch sagen: es blieb mir nichts anderes übrig. Als ich heute ihr Zimmer betrat, lag st« auf dem Diwan, und ihre schönen Augen standen voller Dränen. WaS hast du, Uo?" fragte ich voller zärt­licher Besorgnis. Sie rümpfte das fein« Näschen.Du weißt. Lieber, ich kann diese Kokottenkosenamen nicht leiden." Ich küßte entschuldigend ihre rosalackfar­benen Fingerspitzen.Was, liebe Uolanthe fehlt dir?" Sie seufzte und wandte mir ihr schönes Antlitz zu. Liefer Weltschmerz lagert« auf ihren Zügen. Sie legte die Arme um meinen Nacken und zog mich zu sich herab. .^Liebst du mich?" fragte sie mit chrer tie­fen Greta-Garbo -Stimme. Du weißt es", antwortete ich schlicht. Ehrlich? Tief?" Ich nickte schweigend. Bei einer solchen Frage ist immer eine gewiffe Vorsicht geboten. Sie nahm meinen Kopf zwischen ihre Hände und sah mir tief in die Augen.Und wärest du bereit zu einem Opfer, zu einem sehr großen Opfer...?" Aha, schoß es mir durch den Kopf; eine neue Laune, irgendeine extravagante Idee! Was wird sie mir borzuschlagen haben? Ich war auf alles gefaßt. Rur jetzt nicht mit einer Ba­nalität antworten, das kann sie maßlos erzür­nen. Also erwiderte ich mit der stoischen Ruhe eines alten SiouxhäuptlingS: »Ich bin!" Sie richtete sich auf und, indem sie mit einem leeren Blick in die Zimmerecke starrte, sagte sie dumpf:Ich will sterben!" Da haben wirs: meine Uolanthe hatte einen ihrer kritischen Tage erster Ordnung! Es hätte das wußte ich genau gar keinen Zweck gehabt, jetzt zu fragen: warum? Ich be­wahrte also meine indianische Kaltblütigkeit und senkte schweigend den Kopf. ,Ind welches Opfer, Liebste", nahm ich, als daS Schweigen beklemmend wurde, wieder das Wort,welches Opfer soll ich dir bringen?" Du wirst mit mir sterben!" Darauf, mutz ich gestehen, war ich nun nicht vorbereitet gewesen. Ich, kämpfte mit dem brennenden Wunsch, sie z« fragen, was sie so plötzlich zu diesem fürchterlichen Entschluß ge- ttieben habe, aber ich wußte ja im voraus, daß es zwecklos wäre. Nichts, nicht di« glühendste Beredtsamkeit wäre imstande, sie von ihrem bizarren Gedanken abzubringen. Schnell ergriff ich ihre Hände und rief mit dem Brustton vollster Ueberzeugung:Gut, ich bin bereit!" Um die Wahrheit zu sagen: ich bildete mir «kn, daß meine widerspruchslose, schnelle Bereit­willigkeit, sie mit echt weiblicher Logik von ihrem Vorhaben abstehen lasten würde. Aber Uolanthe schien meine Gedanken er­raten zu haben, sie schüttelte den Kopf.Es ist mir ernst, furchtbarer Ernst", sagte sie feierlich. Ich errötete wie ein ertappter Schuljunge. Selbstverständlich", beeitte ich mich zu ver­sichern,selbstverständlich Liebste, und wann, hast du gedacht, daß...?" Sogleich." Ich machte noch einen schüchternen Versuch mit der Philosophie.Du hast ganz recht, Uo- lanthe, schon die alten Inder oder waren es die Aegypter? haben den Tod höher geschätzt als das Leben. Ja, sie haben sogar den Tod als den eigentlichen Anfang des Lebens betrachtet. Das irdische Leben galt ihnen mehr als ein« Art Prüfung, und so.. Ich verstummte unter chrem abgrundtiefen Blick.Schweige", sagte sie ernst mit gerunzel­ten Brauen. Gewiß, gewiß", stotterte ich,«in bißchen verwirrt von der Feierlichkeit ihres Tones. Eine Pause entstand. Darf ich fragen", Hub ich schließlich an, bist du dir schon einig über die Art, wie wir..." Sie zuckte ungeduldig die Achseln. ,Lch überlaste das dir." Eine Hoffnung blitzte in mir auf. ,Za, Liebe, wenn du auf sofortige Ausführung deines Planes bestehst, so fehlen uns doch die nötigen Requisiten. Ich habe nicht einmal meinen Brow­ning bei mir. Oder wollen wir, wie der alte Seneca ..." Ich machte eine eindrucksvolle Geste über die Pulsader. Sie zuckte leicht zusammen. Oder", ich ließ meine Augen im Zimmer umherschweifen,vielleicht könnttn wir mit jenem malaischen Kris, der dort an der Wand hängt, Harakiri machen...?" Uolanthe schauderte ich bemerkte es mit Genugtuung. Ich wünsch« in Schönheit zu sterben" sagte sie. Aha, also mit Weinlaub im Haar oder so-.. Man soll nicht sagen, der gute alte Henrik Ibsen wäre aus der Mode. Hedda Gabler ist noch immer das Ideal kapriziöser Frauen. Aller­dings sind nur wenige so konsequent wie die nordisch« Generalstochter. Gut, Wie wäre es mit Opium?" Sie verzog voller Ekel die Lippen.Es verursacht mir Uebelkeit." Wieviel Veronaltabletten hast du noch?" erkundigte ich mich sachlich. »Ich glaube, drei oder vier." Genügt nicht für uns beide." Sie klopfte ungeduldig mit den Füßchen den Boden. .Laß mich einen Augenblick nachdenken. Liebste", bat ich schmeichelnd. Meine Gedanken waren jetzt nur darauf gerichtet, Zeit zu gewinnen. Aber wiederum schien sie mich zu durchschauen. Machen wir ein Ende", sagte sie plötzlich und mit sttenger Stimme,ich ahnte bereit-, daß du feige Ausflüchte suchen würdest. Aber ich habe dein Wort, mein Lieber, und ich halte mich daran.Hier", sie entnahm ihrem Täschchen einen schmalen Gegenstand, ein zierliche- Etui mit fein ziseliertem Deckel.Hier, diese Radel wird un- einen schnellen schmerzlosen Tod geben. Sie stammt au- dem berühmten Gift­schränkchen der Lukrezia Borgia. Ich habe sie bet meinem letzten Besuch in Florenz von einem Antiquitätenhändler erworben." DaS war Uolanthe, extravagant wie noch nie! Ich mutz ehrlich bekennen, mix wurde ein wenig schwül. Einen scheuen Blick warf ich auf die haardünne Nadelspitze; zum Teufel, eS war eine scheußliche Situation. So unbefangen wie möglich fragte ich:Willst du mir fünf Minu­ten Zeit geben, um einige Abschiedsbriefe zu schreiben?" Sie sah mich mit einem prüfenden Mick an. Dort im Nebenzimmer findest du alles." Gleich darauf fügte sie mit eisiger Stimm« hin­zu:Aber bemühe dich nicht mit dem Telephon, ich habe die Leitung vorhin durchschnitten." Etwas bestürzt, erhob ich mich. Ich erwarte dich im Schlafzimmer, Lie­ber", rief sie mir noch zu und gab mir einen ihrer süßen Blicke, die mir das Blut zum Her­zen trieb. Ein paar Takte ausTristan un- Isolde" fielen mir ein:Isoldes Liebestod". Ja, aber warum Uolanthe- Liebe-tod? Wir waren doch gar nicht in süß-seliger Schuldverstrickunq wie daS todtraurige irische Liebespaar! Ich öffnete gedankenverloren die Tür zum Nebenzimmer. Eine Gestalt huschte hinter die Porttere. Wer ist da?" fragte ich scharf. Es kam keine Antwort. Mit einem Satz war ich hinter dem Vorhang und packte mit har­tem Griff einen schlotternden Menschen. Ich zerrte ihn in die Mitte des Zimmers.Ma­machen Sie hier?" herrschte ich ihn an. Er sah mich mit scheuen Hundeaugen an und senkte den Kopf. Schnell ttat ich an ihn heran und griff in sein« Rocktasche ein Revolver lag in meiner Hand. Aha", sagte ich,so einer sind Sie, ein Einbrecher,«in Mörder vielleicht.. Er hiB den Blick.Nein, Herr, nein.«» ich bin... ich habe..." (Schluß folgt.),