len Kopf erhoben, sanft und schweigsam. Ich fühlte, wie sie ruhig und zufrieden wurde in meiner Nähe. Eines Morgens ankerten wir in PiräuS . Lilian verließ mit mir das Schiff, wir wanderten durch den Hafen, stiegen auf zur Akro-, polis, gingen unten in der Stadt durch die Säulenreihen des ZeuStempels— und verspäteten uns ein wenig. Als wir zurückkehr- ten, fanden wir Arthur» in einem erschreckenden Zustand, er hatte einen Schmerzanfall erlitten, der schlimmer war, als alle früheren. Der Anfall ging vorbei, doch er ließ Arthuro verzweifelter.zurück, als er je gewesen war, sein Antlitz schien grau und ausgehöhlt, seine Augen versanken in braunvioletten Schatten. Ich war tief erregt von seiner Qual und Erschöpfung. An diesem Tag widerstand ich feinen Bitten nicht mehr. Unklar schwebte auch Lilians kleines, schmerzliches Lächeln vor meinen Augen, dieses Lächeln, das immer wieder müde erstarb, weil es nicht leben durfte. Ich reichte Arthuro den Revolver. „Ich danke Dir, mein Freund!" sagte er Und schob die Waffe unter seine Decke.„Behalte dies zu meinem Andenken!" fuhr er fort, griff in seine Brusttasche und gab mir feine Zigarettendose.„Für treue Dienste!" fagie er und lachte dazu. Wir reicht«» einander die Hand. „Ich werde mich Deiner Frau anneh
men!" versprach ich. Er sah mich stumm an, dann lachte er wieder kurz und hart. Ich wandte mich ab u»»d wollte mich entfernen. Doch in diesem Augenblick betrat Lilian die Kajüte, das schimmernde Haar leicht vom Wind verweht, die Wangen gerötet von der Seeluft. Mit ihrem sanften Lächeln ging sie an mir vorbei und neigte sich zu ihrem Mann. „Geht es Dir besser, Arthuro?" fragte sie freundlich. „Ja!" erwiderte er mit klarer Stimme und glühenden Augen— plötzlich sah er aus wie zur Zeit seiner Gesundheit, wenn er scharffichtig und überlegen seine raschen Ent- schlüsse faßte. Dann hob er den Arm— ein Schuß knallte. Doch nicht er, der Gelähmte, Hoffnungslose sank zurück— sondern Lilian, die zarte, schöne, blühende, die Frau, die ich liebte. „Das, Forsini", sagte der Kapitän mit harter Stimme,„das ist die Geschichte dieser Dose. Die Geschichte eines Narren, der helfen wollte." „Kapitän", stammelte der junge Offizier. Doch der Kapitän wandte sich ab und entfernte sich eilig. Der Tag war erloschen, Schatten umhüllten das Deck und das Meer — und kurz nachher erblickte der Offizier die Silhouette des Kapitäns— wenig dunkler nig:, als das Dunkel des Abends— unbeweglich und fremd auf der Kommandobrücke.
Gutes in Künsten verlangt Ihr? Seid Ihr denn würdig deS Guten, das nur der ewige Krieg gegen Euch selber erze»»gt? Das vaterländische Jntereffe... ist überhaupt nur für unreife Rationen wichtig. ES ist ein armseliges, kleinliches Ideal, für eine Ration zu schreiben; in einem philosophischen Geist ist diese Grenze durchaus unerträglich. Dieser kann bei einer so wandelbaren, zufälligen und willkürlichen Form der Menschheit (und was ist die wichtigste Ration anderes?), bei einem Fragmente nicht stille stehen. Das revoltante Glück der Mittelmäßigkeit in unseren Zeiten, die Rohigkeit auf der einen Seite und die verächtliche Schlaffheit auf der anderen, erfüllen mich mit einem so herzlichen Ekel vor unserem deutschen Publikum... An Leichen und Gemälden, werden ihre Sentenzen vollstreckt, und das Grab selbst ist keine Zuflucht vor ihrem entsetzlichen Arme. Die Vermessenheit ihrer Urteilssprüche kann nur von der Unmenschlichkeit übertroffen werden,^ womit sie dieselben vollstreckt... l» Vielleicht rätst Du mir an zu schweigen, aber ich glaube, daß man bei solchen Anlässen nicht indolent und. untätig bleiben darf. Hätte jeder freigesinnte Kopf, geschwiegen, so wäre nie ein Schritt zu unserer Verbesserung geschehen. Es gibt Zeiten, wo man öffentlich sprechen muß... Freunde, bedenkt Euch wohl, die tiefere, kühnere Wahrheit laut zu sagen: sogleich stellt man sie Euch auf den Kopf! Haben Sie vielleicht noch eine Zeitung? (Luise in Kabale und Liebe .) Worauf mein Auge stößt, begegnen mir fremde Gesichter, wie Gespenster hohl und ver
zerrt. Wen ich anrdf«, zittert wie ein Ergriffener und flüchtet sich in die dichteste Nacht, diese gräßliche Herberge des bösen Gewiffens. Was man antwortet, ist ein halber heimlicher Laut, der auf bebender Zunge noch ängstlich zweifelt, ob er auch kecklich entwischen darf. Ich weiß nicht, was hier Grauenvolles geschmiedet wird.. (Leonore in FieSco .) Alles in Deutschland hat sich in Prosa und Versen verschlimmert. Philosophen verderben die Sprache, Poeten die Logik, und mit dem Menschenverstand kommt man durchs Leben nicht mehr. Edler Freund! Wo öffnet sich dem Frieden, Wo der Freiheit sich ein Zufluchtsort? Das Jahrhundert-ist im Sturm geschieden. Und das neue öffnet sich mit Mord. Zwo gewalt'ge Rationen ringen um der Welt alleinigen Besitz; Aller Länder Freiheit zu verschlingen, Schwingen sie den Dreizack und den Blitz. Ansprache an den Führer: Sehet, Ihr habt das Leben von Tausenden an der Spitze Eures Fingers, und von diesen Tausenden habt Ihr neunhundert neunundneunzig elend gemacht. Euch fehlt zu einem Nero nur das römische Reich, und nur Peru zu einem Pizarro. Nun, glaubt Ihr wohl, Gott würde es. zugeben, daß ein einziger Mensch in seiner Welt wie ein Wüterich hause und das Oberste zu unterst kehrt? Glaubt Ihr wohl, diese neün- hundert neunundneunzig seien nur zum Verderben, und zu Puppen Eures satanischen Spieles da? O glaubt das nicht! Er wird jede Minute, die Ihr ihnen getötet, jede Freude, die Ihr ihnen vergiftet, jede Vollkommenheit, die Ihr ihnen versperrt habt, von Euch fordern dereinst...(Räuber.) (Auswahl von W. V.)
Problematische Verbrechen Ganz Belgien steht unter dem Eindruck eines seltsamen, größter Auffehen erregenden Kriminalfalles: Einem angesehenen.,'Universitätsprofessor wird zur. Last gelegt, in Gift- mordprozefsen, denen er als gerichtlicher Sachverständiger für Toxikologie zugezogen worden war, wissentlich falsche Gutachten erstattet zu haben, um— vermutlich aus sadistischen Beweggründen— völlig unschuldige Menschen in- Unglück zu stürzen. So unerhört dieser Fall auch ist, kann er in seiner Art doch nicht als einzig dastehend angesprochen werden. Die Kriminalgeschichte kennt vielmehr«ine ganze Reihe ähnlicher Verbrechen, denen jedes logische Motiv ermangelte und deren sich nicht selten ebenso hochstehende wie angesehene Personen schuldig machten. Aerzte und Kriminalpsychologen pflegen in derartigen Fällen von„Doppelexistenzen" zu sprechen, wobei betont werden muß, daß diese die Wissenschaft auch heute noch vor manches Rätsel stellen. Diese Tatsache war denn auch die Veranlassung, daß erst vor wenigen Wochen die Pariser Medizinische Akademie zum Zwecke des Studiums und der Erforschung der sogenannten Doppelexistenzen ein eigenes Institut ins Leben gerufen hat. Bor einigen Jahren versetzte eine Anzahl verbrecherischer Anschläge die Einwohner der norditalienischen Stadt Verona in höchste Erregung: verschiedenen Leuten waren im Wege der Post Pakete mit Höllenmaschinen zugesendet worden, die unter den Empfängern vierzehn Todesopfer gefordert hatten. Gleichzeitig wurden mehrere Selbstmordversuche gemeldet, die von Personen auf Grund ihnen zugegangener Schmäh» und Drohbriefe verübt worden waren. Die Polizei stand vor einem Rätsel, vermochte jedoch, indem sie sich eines in der Kriminalgeschichte noch nicht dagewesenen Mittels bediente, in verhältnismäßig kurzer Zeit in das den Fall umhüllende Dunkel Licht zu bringen: ausgehend von der Annahme, daß es. sich nur um eine mit den gesellschaftlichen Verhältnissen der Stadt wohlvertraute Person handeln könne, ließ sie sich von sämtlichen Einwohnern Schriftproben geben. Und bereits wenige Tage später hatte man die Gewißheit, daß als Täter kein anderer in Betracht komme als der Musikprofeffor Silvio Mario Merrisei— einer der angesehensten und wohlhabendsten Bürger Veronas! Bemerkenswert ist, was der Professor— er befindet sich heute in einer Irrenanstalt— über die Beweggründe zu seinen Untaten dem Untersuchungsrichter gegenüber erklärte:„Ich bin glücklich", sagte er,„daß Sie mich endlich gefaßt haben. Sie befreien mich von einem Druck, der seit Jahren auf mir lastet. Bon einer unheilbaren Krankheit erfaßt,, habe ich der Menschheit unauslöschlichen Haß gelobt. Tagsüber hatte ich hundert Freunde,— aber deS Nachts! Da richtete ich meine Postbomben her und schrieb Drohbriefe. Ich bemühte mich nach Kräften, Böses zu' wirken. Streit in glückliche Familien zu tragen. Unschuldige zu denunzieren oder zu — morden. Nun endlich bin ich erlöst!" Ein zweiter derartiger Fall, der wegen der gleichfalls„über jeglichen Verdacht erhabenen" Person des Verbrechers größte Sensation hervorrief, dürfte noch in allgemeiner Erinnerung sein: Es ist etwa zwei Jahre her, daß im Staate New Jersey , USA , wiederholt Frauen überfallen und auf unmenschliche Weise gemordet wurden. Die Polizei stellte Erhebungen an, bot ihren gesamten Apparat auf und ließ nichts un- versucht, um dem Täter auf die Spur zu kom«