w diary

Josef Weehsberg:

Salon zur ,, Schönen Straße"

Alles in China ist primitiver, dabei aber| Methoden ihrer westlichen Schwestern, sie weiß| Schnurrbärte und Schnurrbartbinden trugen. bernünftiger und zweckmäßiger eingerichtet als nicht, was das Make up " der Amerikanerin Dann kommt die Krönung der Arbeit: das bei uns. Wenn eine Chinesin ein neues Kleid nen bedeutet. Sie ist zufrieden, wenn eine der 3opfflechten. Das ist teine profane Handlung oder einen Stoff kaufen will, muß sie nicht schwarzgekleideten Frisierdamen sie in die Ar- wie bei uns in Europa . Der Zopf wird nach durch alle Teile der Stadt von einem Geschäft beit nimmt. Eine nach unseren Begriffen pri-| ganz bestimmten Regeln geflochten, die ein zum anderen laufen, und ihre Zeit verschwen- mitive Arbeit. Die Chinesin weiß nichts von den Bunftgeheimnis sind und streng gehütet werden. den.( ,, Shopping" nennt man bei uns in Modefrisuren Amerikas und Europas , von Mag man auch noch so nahe herankommen, man Europa diese Zeitverschwendung). Sie geht in ,, Madonnenrollen" ,,, Dauerivellen", von Eton- errät sie doch nicht. Die jüngeren Mädchen tras die Kleiderstraße oder in die Seidenstraße. Hier findet sie ein Geschäft neben dem ande ren, die ganze Straße besteht nur aus Kleider- und Seiden­läden, wenn sie hier nicht fin­det, was ihr gefällt, so findet fie es überhaupt nicht mehr, denn in den anderen Teilen der Stadt gibt es keine Seiden­geschäfte mehr. Sucht sie ein Kochgefäß oder einen Topf, so geht sie in die Töpferstraße, den Reis kauft sie in der Reis­straße. So war es schon vor tausend Jahren in China , so ist es heute, so wird es auch in hundert Jahren noch sein, denn China ist schwerfällig und kon­servativ. Was macht aber die Chinesin, wenn sie ihre Eins täufe beendigt hat, wenn sie aus der Arbeit kommt, wenn sie eine Stunde Zeit hat? Sie geht in die ,, Schöne Straße" in die Straße also, in der man Schönheit verkauft.| schnitt und Abendfrisuren. Sie weiß nichts von Welch erstaunlicher Anblick! Da sißen in dem komplizierten Haaraufbau der japanischen Tangen Reihen die chinesischen Frauen in ihren Geishas, von dem Bleichen und Färben der schwarzen Seidenblusen und Hosen, entlang Haare.( Die jungen chinesischen Tarigirls von den Häuserfassaden sißen sie und warten. War- Hongkong und Schanghai , die man in den Tanz­ten, bis eine der einheimischen Künstlerinnen sie hallen und Bars findet, wissen das alles sehr in die Arbeit nimmt und schön macht". Schön wohl und sie sind genau so modern frisiert, wie machen bedeutet nicht Massage, Schminken, die Girls in Eurova, aber sie gehen nicht in die Augenbrauen- Rasieren oder Wimpern- Einsetzen. ,, Schöne Straße", sondern zum japanischen In China ist man bescheidener als in Europa . oder amerikanischen Friseur, der ihnen an Hand Schön machen bedeutet: frisieren. der neuesten Modejournale die gewünschte modernste Frisur macht. Aber das sind ja Aus­nahmen, die nicht mehr zu China gehören.)

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Salon zur ,, Schönen Straße"

Die ärmste Chinesin wird sich die wenigen Tents vom Munde absparen, um sich womöglich alle Tage frisieren zu lassen. Schön frisiert sein heißt: schön, elegant, mondän sein wenn man dieses Wort überhaupt anwenden darf. Es ist der einzige Lurus der armen chinesischen Frau, fie fennt nichts von den raffinierten

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An einem Herbsttag

gen den Zopf auf dem Rücken, so wie in der guten alten chinesischen Zeit", die älteren Frauen lassen sich ihn auf dem Hinterkopf zusammenlegen. Das alles wird langsam, sorgs fältig, mit chinesischer Bedäch tigkeit getan, es geht nicht fo hastig zu wie bei unseren Fris seuren in Europa , wenn schon andere Kunden warten. Sollen sie nur warten! Und fie warten geduldig: kein ner böses Auf- die- Uhr- blicken, keine Unruhe. In China gibt es keine Eile. In China haben alle Zeit. Die Stunden, die man in der ,, Schönen Straße" verbringt, sind doch die schönsten des gan zen Tages. Man trifft Freun dinnen und man hat einander so viel zu erzählen! Frau Lu­Tsching hat scho. wieder ein neues Paar Sandalen, es ist unglaublich, was für Lurrs sie treibt, woher sie es nur hat? Und Frau Wong­Fuen hat heute morgens mit ihrem Reishänoler einen ärgerlichen Auftritt gehabt. Und der älteste Sohn ist seit drei Tagen wieder nicht nach Hause gekommen, der schlimme Bengel... Und Frau Lu- Sun- Vuen feufzt. Sie haben es gut, Sie haben wenigstens Söhne! Aber ich mit meinen ungeratenen Töchtern, die nichts anderes im Kopf haben als die Männer, noch dazu die weißen!...

Photo Josef Wechsberg

Die Unterhaltung also ist, wie man hört, in der Schönen Straße" von Hongkong oder Nanking dieselbe wie in den großen Friseurs In der Schönen Straße ist man primitiv. sal ns voh London, Paris , New York , Prag oder Das Haar wird eingebunden und sorgsam durch- Zürich auch wenn hier nur Zöpfe geflochten gefämmt, die ,, Patientinnen " bekommen straffe werden, während man dort komplizierte Wellen­Bänder um den Kopf, die sie selbst halten frisuren macht. müssen, so wie seinerzeit die Männer, als sie noch

stillen Sommersonntagnachmittagen erzählen fie| einander von ihrem Schicksal.

Es ist ein kleiner Park, der hinter hohen Jetzt aber ist es Herbst geworden. Die Mauern versteckt ist, so daß nur Ortskundige Menschen schweigen und schauen wehmutsvoll zu ihm finden. In seiner ruhigen Lage, mit den den zur Erde niedertänzelnden Blättern nach. liebevoll gepflegten Blumenbeeten, den gehart- Sie schauen auf die Pracht der Astern, als woll­ten wegen und den Bänken in den lauschigen ten sie ihren Anblick ganz in sich aufnehmen Gebüschecken, hat er so garnichts gemeinsam für die langen, freudlosen Wintermonate. mit den öffentlichen Parkanlagen. Er ist eher wie ein Biergarten, und wer in ihm weilt, fühlt sich beinahe so heimisch wie im eigenen

Garten hinter seinem Hause.

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( Nachdruck verboten.)

..Er war ein großer Diplomat", fügte er bewundernd hinzu.

Ich erzähle in einigen Worten meiner Ges fährtin von dem glanzvollen Diplomaten der wilhelminischen Aera, von seinem grenzenlofen Ehrgeiz und seiner maßlofen Eitelkeit. Bon seiner Gewohnheit, seine Reden während des

Ankleidens vor dem Spiegel einzustudieren, so daß er eines Tages auf der Treppe hörte, wie sein Kammerdiener seine Rede, die er in einigen Tagen am Hofe zu halten hatte, im Gesinde­zimmer dem jubelnden Personal genau im

Wortlaut und Tonfall vordeklamierte.

Noch immer blitt so etwas wie Schalt in den Augen des Greises. Man kann sich vor­stellen, daß er in jungen Jahren zu allen Streis

Ein alter, peinlich korrekt gekleideter Herr fißt mit uns auf einer Bank. Er sitzt da, schwei­gend und in sich gefehrt, wie es alte Leute tun. oder in sich Das macht es wohl, daß die Besucher die- Man weiß nicht, ob er um sich ses Partes einander seltsam wesensverwand: lauscht. Und schließlich fängt er zu sprechen an. erscheinen. Denn sie alle wollen hier nicht allein Er erzählt uns dieses und jenes, stellt allge­Ruhe und Entspannung gewinnen, sondern sich meine Betrachtungen an, und als wolle er in ihm auch ein Stück ersehntes Leben vorzu- damit sagen, daß es ihn ja alles nichts mehr täuschen: einen sorglosen Lebensabend angehe nennt er uns sein Alter: Ich bin Ihnen gehört habe", ruft meine Gefährtin ihm einem eigenen, liebevoll gepflegten Garten, achtundsiebzig..." neckend an das schwerhörige Ohr.., Was vielleicht nur einen Ferienaufenthalt in der Er erzählt aus seinem Leben. Ich war denn?!" fragt er in der trotzigen Art eines freien Natur. So kommt es, daß die Menschen Kammerdiener des Fürsten Bülow Seine Menschen, der gewohnt ist, Rede und Antivort hier persönlicher miteinander verkehren und| leise zitternde Hand greift in die Tasche und zu stehen. Sie berichtete ihm das Gehörte und augänglicher als sonst im Leben sind. Sie holt 3tvei vergilbte Photographien hervor... Das fragte ihn: Wer war denn das. he?" grüßen einander wie alte Bekannte, und an bin ich!" sagt er stolz. Und das ist der Fürst!"| ,, Na, ich!" erividert er, als handle es sich um

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