Nr. 49 Unterhaltungsbeilage 1937 Der Freier vor dem Tor DerKadi: Das ist«in schwerer Streit, Abdullah ihn Ali und Omar ibn Hussein. Wie soll ich Recht von Unrecht scheiden, wenn der eigentliche Schuldige nicht vor Gericht steht- Abdullah: Mirza, der Halunke D e r K a d i: Nein, der Augenblick, in dem die Augen Mirza» und DjamilehS ein­ander zum ersten Mal begegneten. Abdullah: Straf ihn, den Schuldigen, wer immer eS ist! Last ihm die Hand abhauen! Ich will wieder Frieden haben in"meinem Hause. Wenn dieser Lümmel vor dem Tore nicht bald verschwindet, werden noch Karawanen aus Aegypten   und Persien   vor mein HauS ziehen, um den standhaften Liebhaber zu bewundern und mich zu verlachen. Omar: Bis dahin wird Mirza tot fein, mein Sohn, mein einzige» Kindl Abdullah: Datz er nur schon tot wäre, begraben und vergessen. D e r K a d i: Das hättest du nicht sagen sollen, Abdullah. Nun wohl, ich will euren' Streit schlichten, so gut ich es kann. Du, Ab­dullah, klagst Omar an, datz- er die Schuld ani Tode{eines Sohnes Mirza auf dein Haupt lädt, indem er e» unterlätzt, ihn von deiner Schwelle zu vertreiben. Du, Omar, behauptest, du habest versucht, Mirza zu vertreiben, es.sei dir nicht gelungen und deine Macht als Vater fei zu Ende. Ich mache euch einen Vorschlag zur Ver­söhnung. Abdullah:. Versöhnung? Strafe! Seine rechte Hand soll abgehauen werden! Der K.a d i: Wird dadurch die Schuld am Tode Mirza» von dir genommen, Abdullah? Nun, siehst du. Also überlege dir, was du sprichst. Die Schuld am Tode Mirza» fällt auf dich, wenn er vor deinem Hause, auf deinem Grund und Boden, stirbt. A b d u l l a h: So ist e», weisester aller Richter. D e r K a d i: Deine Seele ist aber rein von aller Schuld und geht ein in» Parodie», wenn das Stück Boden vor deiner Schwelle, auf dem Mirza stirbt, nicht dir gehört? Abdullah: Hm. Ar. Latz mich nach­denken. Es wird wohl so sein, wenn du e» sagst- D e r K a d i: Dann verkaufe da» Stück Boden vor deiner Schwelle. ' Abdullah: Verkaufen? Wer kauft ein schmales Stück Boden, drei Ellen breit, neun Ellen lang, vor einem Hause, das nicht ihm ge­hört? Wa» sollte der Käufer damit beginnen? Es beackern? Einen Brunnen graben? Wozu? D e r K a d i: Dann verschenke da» Stück Grund. Abdullah: Verschenken? Ich soll mei­nen Grund und Boden verschenken, weil ein Lump darauf liegt? D e r K adi: Es geht um das Heil deiner Seele, Abdullah! Du hast Schiffe auf allen Meeren imd Karawanen in allen Wüsten. Du hast Güter vor der Stadt, Häuser imd Kanf- Eine dramatische Legende laden. Kannst du nicht ein Stückchen Boden ent­behren, drei Ellen breit und neun Ellen lang? Abdullah: Ich verschenke nicht». Wenn ich erst anfange, etwa» zu verschenken, bin ich in drei Tagen ein Bettler. D e rL ad i: Dann kann ich dir nicht hel­fen. Dann nimm die Last auf deine Schultern und trage sie, bis du zur Rechenschaft gezogen wirst.' Abdullah: Hm. Verschenken. Wem soll ich denn da» Stück Boden schenken? D e r K a d i: Es steht geschrieben: wer in Ueberflnst besitzt, soll dem Rennten der Armen von seinem Gute schenken. der Armen? Die Blinden   vom Basar, die Aus- der Armen? Die Blinden   vom Bazar, die Aus­sätzigen vor dem Stadttor, alle werden zu mir kommen und das Stück Grund verlangen. Ich will mich nicht mit ihnen herumschlagen. D e r K a d i: Ich nehme dir diese Sorge» ab, Abdullah. Versprichst di», dich meinem Spruch zu fügen? Abdullah: Ich bin-ein Mann von Ehre, ich verspreche eS, so wahr mir Allah  » Sonne leuchtet. D e r K a d i: Dann zeichne auf, Schrei­ber: Der Grund vor dem Hause Abdullahs ibn Ali, des Kaufmanns, geht heute in der Breite von drei Ellen und in der Länge von neim Ellen in den Besitz Omars ibn Hussein», des Melonen­händlers, über. Abdullah: Was? Der Dieb, der Lump bekommt den Boden? Er ist der Aermste der Armen? Sieh, wie augefressen er ist, sein Ge­sicht glänzt vor Fett D e r K a d i: Wer ist ärmer, al» ein Vater, der sein Kind sterben sieht und ihm nicht helfen kann? Da dein Herz hart bleibt, kann kein Arzt der Welt Mirza vor dem Tode retten. Der blinde Bettler am Htratzenrand ist reich gegen Omar! A b d u ll a h: Rein, weiser Richter, das ist... nein, ich bin ein geduldiger Mensch DerKadi: Und ein ehrenhafter Rann, der sein Wort hält, nicht wahr, Abdullah? Abdullah: Ja, aber dann kann ich ja mein Hans nicht verlaffen, wenn Omar es mir verbietet? Wenn er eine- Tages aus den Gedan­ken verfällt, auf dem Stück Boden zu bauen? Darf er das, nach dem Gesetze? D e r K a d i: Gewitz, das darf er. Abdullah: Das darf er? Und wie hoch» darf er bauen? D e r K a d i: So hoch er will. Der ganze Staun» über dem Grundstück gehört ihm, bis zu den Sternen. Omar: Als ich mit Mirza sprach, vor einer Weile, bat er mich, ihm ein Grabmal zu errichten, wenn er stürbe. Es solle höher sein al» da» Minarett der Moschee zu Bagdad  . Wo anders sollte ich sein Grabmal errichten als auf dem Fleck Erde  , auf dem er gestorben ist? Meine Hände werden nicht ruhen, ehe ich genug Geld verdient hab«, um den Bau zu vollführen. Abdull a h: Ein Grabmal vor meiner (Schilift) Tür? So hoch wie das Minarett der Moschee zu Bagdad  ? Dann kann ich ja nicht au» dem Tor treten? Darm bin ich ja ein Gefangener in mei« nem eigenen Hause? D e r K a d i: Dein HauS hat viele Mau­ern. Lab eine zweite Tür durchbrech m, und du bist aller Sorgen enthoben. Abdullah: Ich soll mein eigenes Hau» wie ein Dieb durch eine Hinterpforte verlaffen? Das kann kein Mensch von mir fordern. Ich, der angesehenste, der reichste Mann in der Stadt! Wenn Omar das Grabmal baut, lasse ich e» niederreitzenl D e r K a d i: Dann mutzt du deine recht« Hand auf den Henkersblock legen, Abdullah! Wenn du auch nur einen Stein des Grabmal» anrührst, das Omar auf seinen Grund errichtet, bist du ein Dieb! Abdullah: Ich ein Dieb! Haha! Ich kouune her, diesen Schurken anzuklagen, wegen eines Diebstahls, den er an mir beging, und nun bin ich ein Dieb! DerKadi: Wie lange, sagtest du, Ab­dullah, hat Mirza keine Speise zu sich genom­men?, Omar: Drei Tage, weiser Richter. Er ist schon ganz schwach. Seine Hände zittern» sein« Augen fallen zu. Drei Tage und drei Rächte ohne einen Schluck Wafferl Rette mein Kind, Richter! Mirza ist ein ,guter Sohn, er kann kein Tier leiden sehen, er hat ein dreibeinige» Lamm rnrch Hause gebracht, das der Wölf angefallen hatte in der Wüste... D e r K a d i: Drei Tage und drei Rächt« ohne einen Trunk Wafferl Dann wird e» Zeit, datz du dich entscheidest, Abdullah: Abdullah: WaS willst du noch von mir? Ich habe ein Stück meines Boden» her­gegeben, ich habe ein Stück Fleisch aus meinem Leib geschnitten, um ein« Schuld von m»r abzu­wehren, die ein verliebter Narr, ein Nichtswür­diger,«in Tagedieb mir aufbürden will. Willst du mir auch noch die Lust nel^nen, die ich atme? DerKadi: Niemand will dir etwas Böses antun, Abdullah. Du kannst^ weun Mirza tot ist, ja das Stück Boden wieder von Omar zurückkaufen. Abdullah: Zurückkäufen? Mein eigenes Gut von diesem Bettler zurückkaufen? Omar: Du erregst dich ganz unnütz, Ab­dullah. Ich werde nie das heilige Stück Grund verkaufen, auf dem mein Kind seinen letzten Atemzug getan hat. Ich bin zwar inu ein armer Melonenhändler auS dem Basar, ich habe weder Schiffe mit Gewürzen noch Karawanen mit Teppichen, aber ich. liebe meinen Sohn. Das Mausoleum meines Sohnes vor deinem Hau» soll dich bis zum letzten Tag deines Lebens daran erinnern, datz du ein Mörder bist! « bdullah: Ein Mörder? Ich? Darf mich Omar einen Mörder nennen, Weiser Rich- ter? Steht das im Gesetze? D e r K a d i: Es steht nicht im Gesetz, datz e» verboten wäre Was nicht Verboien ist, ist erlaubt, sagt der Prophet.