Demokratisches Wochenblatt.

No. 8.

Organ der deutschen Volkspartei.

Leipzig , den 22. Februar.

1868.

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Inhalt: Politische Uebersicht. Die Einführung der alten österreichischen Finanzwirthschaft in Sachsen . Aus Desterreich. Fort mit den Bismarcks!" Die Wiederherstellung Polens . Republikanisches Manifest. - Zur Bergarbeiterfrage. Weiße Sklaven.

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Politische Uebersicht.

Die schwarzen Punkte" mehren sich am politischen Hori­zont, der ein immer gewitterhafteres Ansehen gewinnt. Einen

zu leisten, die nach meiner Ueberzeugung dem preußischen und dem deutschen Vaterlande zum Unheil gereicht. ( Große Unruhe rechts.) Ich werde daher gegen das Etatsgesez stimmen."

Jacoby war der Einzige, der Nein sagte. Die ..Fortschrittspartei" stimmte wie Ein Mann für das Budget, und erklärte damit aufs Neue, daß sie die Politif der Regierung zwar im Einzelnen mißbilligt, aber im Ganzen gutheißt. Wir möchten wissen, ob die

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Abgeordneten Virchow und Duncker, denen noch hier und stimmung zugegen waren. Jedenfalls ist es jetzt an Ja da eine demokratische Gesinnung zugetraut wird, bei der Ab­lich, wie wir erwarteten, wohl gehütet hat, ihn wegen seiner coby, mit der Fortschrittspartei" zu brechen, die sich natür neulichen Rede zur Berantwortung zu ziehen." Ein längeres Vertuschen des Zwiespalte wäre der Würde der Demokratie Preußens ebenso nachtheilig, als ihren Interessen.

recht ominösen Punkt bildet die Hannoversche Legion". Sie befindet sich ruhig in Frankreich , und da die preußische Regierung es nicht wagt, von Frankreich die Entfernung der­felben zu fordern, macht sie ihrem Aerger gegen Desterreich Luft, das den Legionären die zur Ueberfiedelung nöthigen Bässe geliefert hat. Herr von Beust schiebt die Schuld auf untergeordnete Polizeibeamte", und mit dieser diplomatischen Ausrede muß man in Berlin vorlieb nehmen. Noch eine andere ,, Han­noversche Legion" verursacht der preußischen Regierung etwelche Kopfschmerzen: wir meinen die drei Tausend Hannoveraner, die trotz aller nordbündlerischen Polizeichikanen nach Hiezing gereist sind, um dem König von Hannover und dessen Gemahlin zur silbernen Hochzeit Glück zu wünschen, und aus dem Mund des Königs zu hören, daß er an eine baldige Rückkehr nach Hannover glaubt. Durch Phrasen von Partikularismus" tommt man über die Bedeutung der Demonstration nicht hin­weg. Die Männer, welche jest in hießing auf Besuch sind, wollen nicht Preußisch sein, und sie vertreten mindestens 90 Prozent der Hannover 'schen Bevölkerung. Und diese Nieder­ sachsen sind ein zäher Volksstamm, der die bekannte staaten­bildende" Berdauungskraft noch hart auf die Probe stellen wird. Wenn Herr Stieber, der preußische Polizei- Ehrenmann, hanglosen Weise, und suchte, das heifle Gebiet der innern Po­

welcher als ungeladener Gast die ,, Legion" begleitet, einen wahr­heitsgetreuen Bericht an seine Gönner schickt, wird er ihnen Manches gar unliebsame zu melden haben. Oder soll er etwa nur eine Verschwörung entdecken"?

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Am Samstag stimmte das Preußische Abgeordneten haus über das Budget ab. Jacoby begründete sein Nein

mit den Worten:

Ich habe an der Berathung über die einzelnen Etatspofitionen nicht Theil genommen, weil von vornherein der Entschluß bei mir feststand, das ganze Etatsgeseß zu verwerfen. Schon im Jahre 1864 erklärte ich, so lange das jezige Ministerium die Staatsgeschäfte leitet, werde ich dem Budget meine Zustimmung versagen.( Unruhe rechts.) Das Urtheil, das ich damals über das herrschende System aussprach, ist durch die kriegerischen Erfolge des Ministeriums ebensowenig, wie durch die diplomatischen und parlamentarischen Siege desselben er­schüttert worden. Heute, wie damals kann ich mich nicht dazu ver stehen, durch Geldbewilligungen irgend einer Art einer Politik Vorschub

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Vor den Wahlmännern des dritten Berliner Wahlbezirks erstatteten am Mittwoch die Abgeordneten Virchow und Schulze einen Rechenschaftsbericht. Herr Virchow gestand das Fiasko der Fortschrittspartei" ein, klagte aber das., Volk" an, welches feine genügende politische Bildung besiße, und so schlecht gewählt habe", d. h. keine Fortschrittsleute. Schade nur, daß er über die Frage hinweghüpfte, ob das Volk so schlecht" gwählt haben würde, wenn die Fortschrittspartei" mard 'schen Bolitik verlodt hätte. Mag sein, daß das Bolk" ihre Pflicht gethan, und es nicht in den Sumpf der Bis­nicht genug ,, politische Bildung" besitzt, aber es hat wenigstens politische Logif bewiesen, mehr als seine Führer". Herr Schulze sprach in einer, selbst bei ihm auffallend zusammen­

litik vermeidend, die Leidenschaften gegen Frankreich zu ent­flammen. Sein chauvinistischer Erguß wird vom Grafen Bis mard huldvollst vermerkt worden sein.

Letzterer ist noch in Berlin . Er scheint sich überzeugt zu haben, daß für seine Krankheit eine Luftveränderung nicht nothwendig ist, ja bei der etwas rauhen politischen Atmosphäre sogar geradezu schädlich sein könnte. Außerdem sind die re­bellischen Junker wieder zu Kreuz gekrochen.-

Bon verschiedenen Eeiten wird behauptet, aus den schle sischen Festungen würden Geschüße und Munition nach den rheinischen Festungen gebracht. Wir glauben das nicht. In Berlin wird man nicht so naiv sein, sich einzubilden, daß. Preußen im Fall eines Kriegs bloß von Westen her be­droht sei.

Es ist kein Faden so fein gesponnen, er kommt doch