Rußland mit Krieg zu überziehen, ein Gefeß erließ, wonach russisches Gut in neutralen Schiffen nicht mit Beschlag be­legt werden durfte, und ein anderes, welches den Engländern gestattete, mit dem: Feinde Handel zu treiben. Diese freund­liche Gesinnung des britischen   Kabinets, an dessen Spize da­mals Lord Palmerston   stand, ist um so beachtenswerther, als Rußland   nichts an England verkauft, was dieses nicht aus anderen Ländern billiger beziehen könnte, wenn nicht seine Diplomatie Rußland   hülfe, die Fruchtbarkeit der preußischen Ostseeprovinz, Polens  , der Türkei  , Ungarns   und der Donau­fürstenthümer herabzudrücken. Angesichts jener beiden Verord nungen wird es denn doch schwer fein, noch heute behaupten zu wollen, daß es England im Krimfriege Ernst war, der Pforte beizustehen und Rußland   zu demüthigen. Während sich die englische Flotte in der Ostsee   lächerlich und verächtlich machte, verknallte man sein Pulver im Schwarzen Meere vor einer Festung, die absolut keine strategische Bedeutung hatte. Denn Sebastopol   vertheidigte gar nichts; sondern war nur ein Depot für den Krieg im Kaukasus  . Rußland   war denn auch durch die Erstürmung des Malakoff so gründlich gedemüthigt, daß man füglich sagen kann: von diesem Tage an datire seine unbeschränkte Herrschaft über das Schwarze Meer  , trotz des Pa­riser Friedensvertrages, welcher bestimmte, daß dieses Gewässer fortan für neutral gelten und feine Nation mehr als eine be­stimmte Anzahl von Kriegsschiffen dort halten sollte. Rußland  fümmerte sich aber so wenig darum, daß es alle türkischen Handelsschiffe auf dem Schwarzen Meere wegnahm, welche den Kaukasiern Salz, Pulver und was sie sonst bedurften, zuführten. Die europäischen   Mächte regten sich nicht. England hielt dasselbe Benehmen ein, wie im Jahre 1837, wo Rußland ein englisches Handelsschiff, welches den noch nicht unterjochten Völkern des Kaukasus   Lebensmittel u. s. w. zuführen wollte, auf dem Schwarzen Meere wegnahm, ohne daß sich die englische Regierung gemäßigt sah, Rußland   zur Entschädigung des ver­legten Schiffeeigenthümers oder gar zur Genugthuung für die nicht minder verlegte Ehre Großbritanniens   anzuhalten. Nach dem aber Lord Palmerston   diese glänzenden Beweise geliefert, daß ihm weder das Eigenthum englischer Staatsbürger, noch die Ehre der Nation etwas gelten, wo es sich darum handelt, Rußland   gefällig zu sein, wen kann es noch erstaunen, daß die englische Regierung taub blieb, als die letzten freien Stämme des Kaukasus  , die Rußland   aushungerte, wie es die preußischen Ostseeprovinzen aushungert, in London   durch eine Gesandtschaft um Beistand flehten? Im Frühjahr 1864 mußten auch sie sich in die Gewalt Rußlands   ergeben.

Napoleon I.   hat prophezeit, daß mit dem Falle Polens  das Vorrücken Rußlands   gegen Indien   beginnen werde. Diese Beissagung ist eingetroffen und zwar genau auf dem Wege, welchen das Testament Peters d. G. in dem auf die Türkei  und Asien   bezüglichen Art. 9 angiebt. Die vollendete Grobe­rung des Kaukasus machte es Rußland möglich, Polen   vollends in den Staub zu treten sie ist ein weiterer Schritt zur Ver­nichtung der Türkei  , indem sie Rußland   zum Herrn von Klein asien macht, und mit ihr ist das natürliche Bollwerk gefallen, welches Rußland   bisher von dem Eindringen in Asien   abhielt. Wie lange noch, und England erndtet in Indien   die Früchte der Politik, die Lord Palmerston   ausstreute, indem er dazu beitrug, die Türkei   zu schwächen und das Schwarze Meer   und Circassien   in den Besitz Rußlands   zu bringen. Gegenwärtig arbeitet Rußland   an der Annexion von Central- Asien. In Kurzem wird es dort Englands Nachbar sein, bereit, im Falle eines neuen Aufstandes in Indien  , erst England Beistand zu leisten und dann an seine Stelle zu treten. Seit länger als hundert Jahren führt Rußland   Kriege mit der Türkei   und mit

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Persien, und während mehr oder weniger alle europäischen  Mächte der Vorwurf trifft, den Absichten Rußlands   auf die Türkei   Vorschub geleistet zu haben, ist es der Politik des Pe­tersburger Kabinets in den letzten Jahren gelungen, England in seine Kriege mit Persien  , diesem Polen   des Orients, hinein­zuziehen.

Man wird schwerlich die Ursachen einer solchen Politik Englands in der Kurzsichtigkeit des Lord Palmerston   finden dürfen. Das hieße denn doch zu gering von seinen staats­männischen Fähigkeiten denken. Wenn man aber die Grund­saglosigkeit, welche seine halbhundertjährige Verwalung fenn­zeichnet, ins Auge faßt, so gewinnen die Inzichten an mora­lischer Kraft, daß die Triebfeder des Lords Dankbarkeit gegen Rußland   dafür war, daß es ihn freigebigst vor finanziellem Ruin in Folge des Spiels rettete. Die damals in London  lebende Gräfin Lieven war die Mittelsperson. Sie segte als russische   Agentin in England das Werk fort, von dem Pozzo di Borgo 1842 durch den Tod abberufen wurde. Dieser Cor­fifaner war 1803 auf Englands Empfehlung in den russischen Staatsdienst gezogen worden und wurde später russischer Ge­sandter, wofür er bis an sein Lebensende eine Pension bezog. Es ist deutlich, welch ein vortreffliches Mittel für die Politik Rußlands   ein solcher Mann abgeben mußte. Ein ähnliches Werkzeug war der preußische Gelehrte Klaproth, welcher von Alexander I.   nach Rußland   berufen wurde und 1835 in Paris  als preußischer Pensionär starb, nachdem er unter dem Vor­wande, den Druck eines chinesischen Werke zu überwachen, 1811 eine Zeit lang in Berlin   gelebt hatte. Das chinesische Buch erschien nie. Klaproth war unter dem Vorwande eines Streites mit dem Kaiser aus Rußland   geflohen, und einige Zeit später bot er den Regierungen Englands und Frankreichs   Dokumente an, welche die Absichten Rußlands   auf eine Invasion in Ost­indien enthüllten. Aber Rußland   war damals noch ganz außer Stande, eine derartige Absicht auszuführen, und die unschäd­lichen Enthüllungen hatten keinen weiteren Zweck, als Klaproth's russenfeindliche Gesinnung zu dokumentiren. Einmal als Feind Rußlands   beglaubigt, leistete er dem Kabinet von St. Peters­ burg   in der europäischen   Presse die wesentlichsten Dienste, unter Anderm durch seine Reisen im Kaukasus  ", und als es im Jahre 1828 mit Persien   zum Kriege tam, gelang es seinen Journalartikeln, die Aufmerksamkeit Europas   und vor allem Englands über die russischen   Zwecke vollkommen in Schlaf zu wiegen. Heute braucht Rußland   für solche Dienste nicht mehr bloß Ausländer. Sie werden auch von russischen, angeblich politischen Flüchtlingen versehen, handelt es sich doch gegenwärtig darum, die Demokratie Europas   über Rußland   zu verblenden.

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Ein republikanisches Manifest.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Die Republik  . Manifest der revolutionären Demokratie. An die Republikaner. Bürger! Wir wohnen seit 16 Jahren einem in der Geschichte der Nationen einzigen Schauspiele bei. Das von Bonaparte regierte Frankreich   erträgt, ohne sich zu beklagen und ohne sich zu vertheidigen, die Demüthigung und das Joch, welche dieser Elende ihm auferlegt. Und dies angesichts der civilisirten Na­tionen, inmitten der allgemeinen Aufregung! Ungeachtet dessen giebt es heute in Frankreich   mehr Republikaner als jemals. Wer wird also eine fräftige aber nothwendige Initiative er­greifen? Wer wird das mit dem Blute der Republikaner   ge­sättigte Scheusal niederwerfen? Wer wird im allgemeinen In­teresse den Muth haben, die verschiedenen und zerstreuten Gle­mente der kämpfenden Demokratie zu sammeln, ein kompaktes