Beilage zum Demokr. Wochenblatt No. 8.
Zur Bergarbeiterfrage.
Ein Wort über das Verhältniß der Bergarbeiter zu ihren sogenannten Knappschaftskassen, von einem Bergarbeiter.
Auf den Werken des Zwickauer Kohlenrayons bestehen Knappschaftstassen, aus denen der Bergarbeiter in Fällen der Erkrankung und der Invalidität, in Todesfällen beziehentlich seine ihm überlebende Familie Unterstüßung erhält.
Diese Knappschaftskassen werden gebildet und forterhalten 1) durch Beiträge der Knappen, denen dieselben lohntäglich oder monatlich vom Lohn verkürzt und zur Kasse verrechnet werden, 2) durch die Beiträge der Vereine, welche die Hälfte von dem einzuzahlen haben, was vom sämmtlichen Arbeiterpersonal gesteuert wird.
Seit Abfassung dieser noch jezt bestehenden Knappschaftsstatuten ist eine geraume Zeit verflossen und in ihr eine solche Veränderung der örtlichen und persönlichen Verhältnisse, namentlich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eingetreten, daß eine Reform dieser Statuten dringend nothwendig ist, eine solche auch schon seit vielen Jahren von den Arbeitern angestrebt, und sogar von den Vereinen den Gruben- Verwaltungen empfohlen worden ist. Allein leider sind die Anstrengungen der Arbeiter bisher vergeblich gewesen, indem die Herren Beamten stets Widerstand geleistet haben und die Bestrebungen ihrer Arbeiter zu vereiteln wußten; und sind die Arbeiter durch dieses Gebahren zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Beamten blos deßhalb manchmal auf die Sache mit eingingen, um sich den Schein zu geben, als läge ihnen das Wohl ihrer Arbeiter wirklich am Herzen. Der Grund dieser Handlungsweise mag wohl hauptsächlich darin zu suchen sein, daß die noch jetzt bestehen den Statuten den Beamten willkührliche Gewalt in die Hände geben, so daß sie jeden Fall zum Nachtheile der Arbeiter beliebig drehen und wenden können. Auch ist in diesen Statuten dem Arbeiter für seine hohen Einzahlungen nicht die geringste Garantie geboten; er mag viele Jahre in die Kasse gesteuert haben, die geringste Mißliebigkeit reicht hin, ihn zu entlassen und ihn aller Ansprüche an die Kasse für sich und seine Familie für verlustig zu er flären. Es sollen hier nicht alle Uebelstände aufgezählt werden, vielleicht findet sich später noch Gelegenheit dazu; doch so viel läßt sich sagen, daß das ganze Knappschaftskassenwesen nicht auf einer gerechten Grundlage beruht. Es ist nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet: wir Bergarbeiter sind, den Anmaßungen unserer Vorgeseßten gegenüber, förmlich außer dem Gesez gestellt; denn wo soll der Bergarbeiter die Behörde suchen, die ihm zu seinem Recht ver hilft? Wo findet er einen Anwalt, der ihm seine Rechte vertritt? Und seitdem die königl. Kreisdirektion zu Zwickau nicht mehr in bergmännischen Dingen und Streitfragen entscheidet, sondern das königl. Oberbergamt zu Freiberg , sind die rechtlichen Zustände der Bergarbeiter nur um so mißlicher ge
worden.
Durch die Beiträge, welche die Vereine zur Knappschaftskasse zahlen, haben sich dieselben das Recht angemast, einfeitig absolut zu oftroviren, und haben sich Ueber schreitungen zu Schulden kommen lassen, die nicht gerechtfertigt werden können. Die Personale wollen sich dem gegenüber nur ihre Rechte wahren, sie sind der festen Ueberzeu
gung, daß sie den Vereinen gegenüber, hinsichtlich dieser Angelegenheit, mindestens*) als ein gleicher Faktor zu betrachten sind, denn wer Pflichten hat, muß ja auch selbstver ständlich Rechte haben.
Das Mißtrauen, das unter den Tausenden von Bergarbeitern durch und durch gedrungen ist, wird nicht eher beseitigt werden können, als bis man den gerechten Forderungen derselben Rechnung getragen hat, d. h. die noch jetzt bestehenden Statuten müssen beseitigt werden und an deren Stelle andere treten, die den Verhältnissen mehr angepaßt und dem Wohle der Arbeiter entsprechend sind. Aber diese Statuten dürfen nicht einseitig von den Vereinen resp. von deren Verwaltungen verfaßt werden. Ein solcher Entwurf muß dem Personal erst als Vorlage unterbreitet und mit ihm durchberathen werden, damit die Arbeiter Gelegenheit haben, sich darüber auszusprechen**).
Schon viele Jahre haben sich die Bergarbeiter mit der Frage beschäftigt, warum wohl die Vereine oder deren Verwaltungen eine solche Handlungsweise gegen ihre Arbeiter festhalten? und sind zu dem Schluß gelangt, daß die Vereine durch Ansammlung und Anhäufung des Knappschaftskassenkapitals sebstsüchtige 3wede ver folgen. Und in diesen Voraussetzungen wird man nur noch bestärkt, wenn man Einsicht in die Statuten nimmt. Da steht unter Andern: die Arbeiter können wegen Mangel an Arbeit abgelegt( entlassen) werden; nun kommt doch voraussichtlich einmal eine Zeit, wo die Arbeit auf den einzelnen Werken immer weniger wird und zuleßt auf Null herabsinkt. Da nun wohlweislich die Arbeiter einzeln entlassen werden, und nach dem Statut der Einzelne kein Eigenthumsrecht an der Kasse hat, so hat das enorme Kassenvermögen dann weiter keine Verpflichtung, als die Invaliden, Wittwen und Waisen zu versorgen; dazu gehn aber die Zinsen, die das Capital wirft, nicht auf, und diese dürftigen Almosen werden in einem Zeitraum von 12-15 Jahren ihr Ende erreichen. Wem fällt nachher das Vermögen zu? Dem Verein, denn er ist nur noch der einzige Faktor, das Personal ist nicht mehr da!
Was die jüngste Anstrengung der Bergarbeiter betrifft, alle Kassen in Eine zu verschmelzen, so mußte dieses für Jeden, der irgend das Verhältniß genau kannte, von Anfang an als ein todtgebornes Kind erscheinen. Uebrigens wurde durch dieses Project die Gegenpartei gerade an der Seite angegriffen, wo sie am stärksten ist. Die Verwaltungen haben sich uns immer nur feindselig gezeigt, und daß sie an Macht und Kraft nicht gering zu schäßen sind, wird jeder Bernünftige einsehen. So mächtigen Feinden gegenüber kann man nicht mit Einem Sprung ans Ziel kommen.
Wollen die Bergarbeiter ihre Aufgabe lösen, so müssen. sie das Uebel an der Wurzel faffen. Die jetzt bestehende Verfassung, so grundschlecht sie auch ist, besteht doch allein zu Recht, und die Gewerkschaften( oder Vereine) haben daher ganz Recht, wenn sie sagen ,,, das Vorgehen des Allgemeinen
*) Die Vereine, welche ein Dritttheil zur Kasse steuern, dürfen bei der Kassenverwaltung höchstens ein Drittel der Stimmen haben. Das Beste wäre, die Vereine ganz aus den Kassen zu entfernen. Anm. d. Red.
**) Warum entwerfen die Arbeiter nicht eine Vorlage? A. d. R.