,, Das Kapital " von Marr*).

I.

So lange es Kapitalisten und Arbeiter in der Welt giebt, ist kein Buch erschienen, welches für die Arbeiter von solcher Wichtigkeit wäre wie das vorliegende. Das Verhältniß von Kapital und Arbeit, die Angel, um die sich unser ganzes heu­tiges Gesellschaftssystem dreht, ist hier zum ersten Mal wissen schaftlich entwickelt, und das mit einer Gründlichkeit und Schärfe wie sie nur einem Deutschen möglich war. Werthvoll wie die Schriften eines Owen, Saint- Simon , Fourier sind und bleiben werden, erst einem Deutschen war es vorbes halten, die Höhe zu erklimmen, von der aus das ganze Ge biet der modernen sozialen Verhältnisse klar und übersichtlich daliegt, wie die niederen Berglandschaften vor dem Zuschauer, der auf der höchsten Kuppe steht.

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Die bisherige politische Dekonomie lehrt uns, daß die Arbeit die Quelle alles Reichthums und das Maß aller Werthe ist, so daß zwei Gegenstände, deren Erzeugung dieselbe Arbeitszeit gekostet hat, auch denselben Werth besigen, und, da durchschnittlich nur gleiche Werthe unter sich austauschbar sind, auch gegen einander ausgetauscht werden müssen. Gleichzeitig lehrt sie aber, daß eine Art aufgespeicherter Arbeit eristirt, welche sie Kapital nennt; daß dieß Kapital durch die in ihm enthaltenen Hülfsquellen die Produktivität der lebendigen Arbeit ins Hundert und Tausendfache steigert, und dafür eine gewisse Vergütung in Anspruch nimmt, welche man Profit oder Gewinn nennt. Wie wir Alle wissen, stellt sich dieß in der Wirklichkeit so, daß die Profite der aufgespeicherten, todten Arbeit immer massenhafter, die Kapitalien der Kapitalisten immer folossaler werden, während der Lohn der lebendigen Arbeit immer ge­ringer, die Masse der bloß von Arbeitslohn lebenden Arbeiter immer zahlreicher und ärmer wird. Wie ist dieser Widerspruch zu lösen? Wie kann ein Profit für den Kapitalisten übrig bleiben, wenn der Arbeiter den vollen Werth der Arbeit erseßt erhält, den er seinem Produkt zusetzt? Und da nur gleiche Werthe ausgetauscht werden, so sollte dieß doch der Fall sein. Andererseits, wie können gleiche Werthe ausgetauscht werden, wie kann der Arbeiter den vollen Werth seines Produkts er­halten, wenn, wie von vielen Dekonomen zugegeben wird, dieses Produkt zwischen ihm und dem Kapitalisten getheilt wird? Die bisherige Dekonomie steht vor diesem Widerspruch rathlos da, schreibt oder stottert verlegene, nichtssagende Redensarten. Selbst die bisherigen sozialistischen Kritiker der Dekonomie find nicht im Stande gewesen, mehr zu thun, als den Widerspruch hervorzuheben; gelöst hat ihn keiner, bis Mary jezt endlich den Entstehungsprozeß dieses Profits bis auf seine Geburts stätte verfolgt und damit alles klar gemacht hat.

Bei der Entwickelung des Kapitals geht Marr von der einfachen, notorisch vorliegenden Thatsache aus, daß die Kapi­

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ebensowenig einen Mehrwerth liefern, wie der Austausch vo einem Silberthaler gegen dreißig Silbergröschen und der Wie dereintausch der Scheidemünze gegen den Silberthaler, wobe man nicht reicher und nicht ärmer wird. Der Mehrwerth fann aber ebensowenig daraus entstehen, daß die Verkäufe die Waaren über ihren Werth verkaufen, oder die Käufer fi unter ihrem Werth kaufen, weil Jeder der Reihe nach bald Käufer, bald Verkäufer ist und sich dieß also wieder ausglich Ebensowenig fann es daher kommen, daß die Käufer und Verkäufer sich gegenseitig übervortheilen, denn dieß würd keinen neuen oder Mehrwerth schaffen, sondern nur das vor handene Kapital anders zwischen den Kapitalisten vertheilen Trotzdem daß der Kapitalist die Waaren zu ihrem Werth fauf und zu ihrem Werth verkauft, zieht er mehr Werth heraus, al er hineinwarf. Wie geht dieß zu?

Der Kapitalist findet unter den gegenwärtigen gesellschaft lichen Verhältnissen auf dem Waarenmarkt eine Waare welche die eigenthümliche Beschaffenheit hat, daß ihr Ver brauch eine Quelle von neuem Werth, Schöpfung neuen Werthes ist, und diese Waare ist die Arbeits fraft.

Was ist der Werth der Arbeitskraft? Der Werth jede Waare wird gemessen durch die zu ihrer Herstellung erforder liche Arbeit. Die Arbeitskraft eristirt in der Gestalt des leben digen Arbeiters, der zu seiner Eristenz, sowie zur Erhaltung feiner Familie, welche die Fortdauer der Arbeitskraft auch nad seinem Tode sichert, einer bestimmten Summe von Lebens mitteln bedarf. Die zur Hervorbringung dieser Lebensmittel nöthige Arbeitszeit stellt also den Werth der Arbeitskraft dat Der Kapitalist zahlt ihn wöchentlich, und kauft dafür den G brauch der Wochenarbeit des Arbeiters. So weit werden die Herren Dekonomen so ziemlich mit uns über den Werth d Arbeitskraft einverstanden sein.

Mitt

Der Kapitalist stellt seinen Arbeiter nun an die Arbeit In einer bestimmten Zeit wird der Arbeiter so viel Arbeit g liefert haben, als in seinem Wochenlohn repräsentirt war Gefeßt, der Wochenlohn eines Arbeiters repräsentire drei Ar beitstage, so hat der Arbeiter, der Montags anfängt, am woch Abend dem Kapitalisten den vollen Werth des ge zahlten Lohnes ersetzt. zahlten Lohnes ersetzt. Hört er dann aber auf zu at gekauft, und der Arbeiter muß die drei letzten Wochentage beiten? Keineswegs. Der Kapitalist hat seine Wochen arbeit noch arbeiten. noch arbeiten. Diese Mehrarbeit des Arbeiters, über die zur Erseßung seines Lohnes nöthige Zeit hinaus, ist die Anschwellung des Kapitals. Quelle des Mehrwerths, des Profits, der stets wachsenden

auch

der Arbeiter in drei Tagen den Lohn wieder herausarbeite Man sage nicht, es sei eine willkürliche Annahme, daß pitalisten arbeite. Ob er gerade drei Tage braucht, um den den er erhalten hat, und die übrigen drei Tage für den Ra talisten ihr Kapital durch Austausch verwerthen: sie kaufen Lohn zu ersetzen, oder zwei, oder vier, ist allerdings hier ganj Waare für ihr Geld und verkaufen sie nachher für mehr Geld gleichgiltig und wechselt auch nach den Umständen; aber die als sie ihnen gekostet hat. 3. B. ein Kapitalist kauft Baum Hauptsache ist die, daß der Kapitalist neben der Arbeit, die wolle für 1000 Thaler und verkauft sie wieder zu 1100 Thlr., bezahlt, auch noch Arbeit herausschlägt, die er nicht bezahlt

,, verdient" also 100 Thlr. Diesen Ueberschuß von 100 Thlr. über das ursprüngliche Kapital nennt Mary Mehrwerth. Woraus entsteht dieser Mehrwerth. Nach der Annahme der Dekonomen werden nur gleiche Werthe ausgetauscht, und dieß ist auf dem Gebiet der abstrakten Theorie auch richtig. Der Einkauf von Baumwolle und ihr Wiederverkauf kann also

*) Das Kapital, Kritik der politischen Dekonomie, von Karl Marr. Erster Band: Der Produktionsprozeß des Kapitals. Hamburg , D. Meißner 1867.

und das ist keine willkürliche Annahme, denn an dem

Tage

wo der Kapitalist auf die Dauer nur noch so viel Arbeit aud dem Arbeiter herausbekäme, wie er ihm im Lohn bezahlt, dem Tage würde er seine Werkstatt zuschließen, da ihm sein ganzer Profit in die Brüche ginge.

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Hier haben wir die Lösung aller jener Widersprüche. Dit Entstehung des Mehrwerthe( wovon der Profit des Kavitalinien einen bedeutenden Theil bildet) ist nun ganz klar und natür Werth ist weit geringer als derjenige, welchen der Kapitalist

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