Demokratisches Wochenblatt.

Organ der deutschen Volkspartei. Beilage zu No. 12.

Die Wahlversammlungen der Volkspartei in Mainz und Darmstadt

som nicht am 15. und 16. März.

Bei dem Antheil unserer Reichstagsabgeordneten Bebel und Liebknecht an diesen Versammlungen, wird es unseren Lesern lieb sein, Ausführlicheres über die dortigen Kämpfe ge­gen die Kandidaten der Nationalliberalen zum Zollparlament zu erfahren. Wir lassen daher die Berichte der Frankfurter Beitung" vom 17. und 18. März folgen. Sie schreibt:

Mainz , 15. März. Nachdem die nationalliberalen Ge­meinderäthe die Verweigerung der Fruchthalle zu einer gemein samen Bolksversammlung durchgesezt hatten, erhielt das Wahl­comitee der demokratischen Partei endlich mit Mühe die Er­laubniß, im Akademiesaale eine Versammlung abhalten zu dürfen, zu der auf heute Nachmittag alle Wähler ohne Partei unterschied eingeladen waren. Die Partei Bamberger, anstatt von dieser Einladung Gebrauch zu machen, zog es vor, in der Actien- Brauerei zu derselben Stunde, da sie ja jetzt vor dem Erscheinen ihrer Gegner sicher war, eine zweite Versammlung anzuberaumen. So tagten denn heute Nachmittag zwei große Bolksversammlungen in unserer Stadt, von denen die im Schlosse von circa 1800, die in der Actienbrau erei von 1200 Personen besucht sein mochte, indeß muß her vorgehoben werden, daß viele Hunderte, als sie im Akademie saale keinen Raum mehr fanden, sich in die Bamberger 'sche Bersammlung begaben. An der Seitens des demokratischen Wahlcomitees berufenen Versammlung nahmen die in Arbei­terangelegenheiten auf einer Reise begriffenen Reichstagsabge ordneten Bebel und Liebknecht Theil. Dr. Dechsner eröffnete dieselbe, indem er die Bedeutung der bevorstehenden Wahlen schilderte und mit schlagenden Worten das ganze Elend unserer Zeit charakterisirte. Er wies darauf hin, wie der preußische Cäsarismus dem ffranzösischen gegenüberstehe und wie die wachsenden Militärstaaten zum entmenschenden Racen­fampf führen müßten. Nachdem Dr. Schmiß zum Vorfißen den ernannt war, ertheilte dieser das Wort an Dr. Dumont, den Candidaten der demokratischen Partei. Derselbe entwickelte in klarer Weise die Grundsäße, welche die demokratische Partei leiten und die in dem Wahlaufruf derselben niedergelegt sind. Er hob hervor, wie der vornehmste Zweck des Zollparlamente der sei, Geld zu schaffen für die Zwecke des Milita rismus; er erinnerte an die Preisgebung Luxemburgs, an die Ausstoßung Deutsch - Desterreichs und die drohende Zerreißung Schleswigs . Er wolle auch die Einheit, aber nicht die Ein­heit der Casernen;- nicht die Concentrirung der Militärmacht in einer sand gereiche dem Vaterland zum Heil, sondern die einmüthige Geltendmachung des Volkswillens. Hierauf nahm,

mit lebhaftem Zuruf bewillkommnet, A. Bebel aus Leipzig das Wort und gab, oft vom Bravo der Anwesenden unter­brochen, eine scharfe Kritik der Norddeutschen Bundesverfassung und betonte hierbei, wie es vor Allem die Schuld der Natio­nalliberalen sei, daß dieselbe auch nicht den mäßigsten Anfor­derungen des Volkes entspreche. Er warnte deßhalb davor, einen Mann zu wählen, der wie Bamberger von jenen Ver räthern am Rechte des Volkes empfohlen werde. Nach ihm sprach Liebknecht. Derselbe betonte, wie es sich bei den Wahlen vor allem darum handele, Protest abzulegen gegen das Bismarck 'sche Regime, das der Redner einer vernichtenden Kritik unterwarf. Er wandte sich an die Arbeiter und for derte dieselben auf, sich diesem Protest einmüthig anzuschließen, denn gerade sie seien es, die den Druck des Militarismus am meisten fühlten. Er schloß mit der Aufforderung an das de mokratische Mainz, nicht durch die Wahl eines doppelt Fahnen­flüchtigen die Erklärung abzugeben, daß es freiwillig die Un­freiheit auf sich nehmen wolle. Nach einigen Schlußworten des Borsigenden, in denen er zum zahlreichen Erscheinen an der Wahlurne aufforderte, trennte sich die Versammlung in sichtlich gehobener Stimmung. Unterdessen hatte auch Bamberger in der Actienbrauerei eine lange Rede gehalten, in der er u. A. die Beschuldigung, ein Ueberläufer zu sein, mit dem Wiz zu entfräften suchte, daß er insofern ein Ueber­läufer sei, als ihm, wenn sein Herz voll sei, der Mund über­laufe. Statt des so oft von ihm zerfleischten Bundestages zog er es ties Mal vor, sich an Desterreich schadlos zu halten und verstieg sich dabei zu dem Ausruf: Sollen wir uns an Desterreich anschließen, das unseren Robert Blum erschossen hat?" Daß Niemand in der Versammlung die Gegenfrage auf­warf: Sollen wir uns an Preußen anschließen, das unsern Trüßschler erschossen hat?" charakterisirt dieselbe genugsam und kann man sich nicht wundern, wenn Bamberger dort schließlich als Candidat proclamirt wurde.

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Darmstadt , 17. März. Eine Versammlung der demo­tratischen Partei in Darmstadt und zwar eine so zahlreiche Versammlung, wie sie Darmstadt seit langer Zeit nicht gesehen hatte, wer hätte das noch vor kurzer Zeit für möglich gehal ten? Die demokratische Partei ist hier nicht organisirt, sie hat seit langer Zeit kein Lebenszeichen von sich gegeben und besißt erst seit kurzer Zeit ein Organ in der Presse. Herr Mez hat gestern in Rüsselsheim gesagt, die demokratische Partei wage es gar nicht, in Darmstadt eine Bersammlung abzu­halten." Ein glänzenderes Dementi hätte Herr Meß fast nicht erhalten können. Wie wohl überall so hat es sich auch hier gezeigt, daß die große Mehrheit des Volkes des nationallibe ralen Parteitreibens müde ist. Ueber 800 Bürger füllten den großen Ritsert'schen Saal. Die Abgeordneten Dumont und