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fich in der Theorie recht gut ausnimmt, aber in der Praxis mit rührender Regelmäßigkeit dazu führt, daß die linke Hand" unthätig bleibt, und der rechten Hand" durch eine stärkere Faust ,, der Griff des Degens" entwunden wird. Andere wollen aus dem Munde des Kaisers auch die folgende Aeußerung ge­hört haben: Man sagt, ich altere, aber vielleicht bald werde ich durch einen Hauptschlag( coup d'éclat) beweisen, daß dem anders ist." Ginen Hauptschlag" braucht das Kaiserthum. Aber gegen wen soll er gerichtet werden? Die Neue Freie Presse" glaubt Aufschlüsse geben zu fönnen. Sie schreibt: Beranlaßt durch die jüngsten Maßregeln der russischen Re­gierung hat das Tuillerien kabinet zu erkennen gegeben, es möchte demnächst mit den Unterzeichnern der Verträge D von 1815 in Erwägung zieben, ob und welche gemeinsamen Schritte angesichts der das König reich Polen   vernichtenden Akte einzuschlagen sein dürften. Nach den Erfahrungen im legten Polenaufstande experimentirt man in Paris   schwerlich abermals mit einem Streiche ins Wasser, sondern ist entschlossen, den Streit, den man beginnt, auch auszufechten. Dann darf die russisch- preu­[ Bische Allianz als festgekittet und die Gefahr einer allgemeinen continentalen Berwicklung als flagrant angesehen werden." Daß der Streich, wenn die Mittheilung der N. Fr. Pr. begründet ist, zunächst Preußen treffen würde, haben wir be­reits früher nachgewiesen.

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Bei Chalons   sollen dieses Jahr, statt eines, zwei Lager gebildet werden, und die Truppenbewegungen dahin haben bereits begonnen. Db die Berliner   Officiösen das auch für ein friedliches Symptom" halten?

Ueber die Gesundheit des Kaisers laufen die bedenklichsten Gerüchte um; er soll an einer Herzkrankheit leiden, die viel­D leicht erst nach langer Zeit, vielleicht aber auch sehr bald" sei­nen Tod bewirken fann! Unsicher wie der Körperzustand ded Herrschers, ist der politische Zustand des Landes. Hier wie da läßt die Krankheit jeden Moment eine Katastrophe erwar ten; nur daß die Katastrophe in dem einen Fall der Tod, in dem andern das Leben wäre.

Die Auflehnung gegen das Militärgesez dauern fort. Auch in Grenoble   Rubestörungen.

In den belgischen Kohlendistrikten wüthet ein Arbeiter aufstand. Die Bergleute stellten die Arbeit ein, weil ihnen die Löhne nicht genügen. Soldaten wurden gegen sie geschickt, und in verschiedenen Kämpfen sind Dußende von Arbeitern nieder­gemegelt worden. Noch ist die Ruhe" nicht hergestellt. Den Bewunderern des, Musterstaats" Belgien   werden jetzt wohl die Schuppen von den Augen fallen.

Auch in Genf   erhebt die Arbeiterfrage drohend das Haupt. Die Bauhandwerker fordern Berkürzung der Arbeitszeit von 12 auf 10 Stunden und eine Lohnerhöhung. Die Meister wollen nicht mit ihnen unterhandeln und rufen die Hülfe der Staats­Man scheint es auf eine Heßjagd gegen die Inter  nationale Arbeiterassoziation abgesehen zu haben, die ohne jeden Grund für den Strike verantwortlich gemacht und in der nie­derträchtigsten Weise allen europäischen   Polizeien denunzirt wird.

macht an.

Laut Berichten aus Madrid   nehmen in Spanien   die Hungerunruhen so zu, daß die Regierung mit dem Gedanken umgeht, im ganzen Lande den Belagerungszustand zu ver­künden.

Nach einem unterseeischen Telegramm aus New- York  wurde am Montag das gerichtliche Verfahren gegen Johnson bor dem Senat begonnen. General Butler eröffnete die An­flage, und das Anklagefomite übergab Beweisstücke gegen den Präsidenten.

Geehrter Herr Redakteur,

Das bekannteste der russischen Mitglieder des permanentem zu Bern   tagenden Friedenskomite's ist privatim von einem sei­ner deutschen   Kollegen aufgefordert worden, auf meinen in Nr. 5 u. 6 Ihrer Zeitung abgedruckten Artikel ,, Russische   po­litische Flüchtlinge in Westeuropa  " zu antworten. Bis heute ist diese Aufforderung erfolglos geblieben.

In dem so eben erschienenen französischen ,, Kolokol" vom 1. April steht, bei Gelegenheit eines Zankes zwischen der Be­tersburger Börsenzeitung   und Herrn Herzen zu lesen, wie folgt: Das polnische Volk hat nichts gemein mit ,, uns Russen."

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Fünfzehn Jahre lang hat Herr Herzen aber die Polen  lieben Brüder" genannt.

Ferner:

,, Lieber Börsenredner, Sie sagen, daß, was ich( Herzen) , treibe, dem Vaterlande zum Schaden gereicht? ,, Das können Sie sagen zu einer Zeit, wenn der französi ..sche ,, Kolokol", durch seinen russischen Charakter, durch ,, feine Propaganda, uns die Wuthausbrüche vorurtheils­,, voller Menschen in Frankreich   und die gemeinen Flüche ,, und Schimpfwörter des deutschen   Scriblergesindele( les , jurons vulgaires de la scribaille allemande) zuzieht!?" Das ist die einzige Antwort auf meinen Artikel, die mir bis jeßt zu Gesichte gekommen. Ich halte es für meine Pflicht, Sie darauf aufmerksam zu machen, welchem., gemeinen Scribler". - nach Ansicht der russischen Kosacken- Vorposten in der Schweiz  Sie Ihre Spalten geöffnet haben. Obgleich Sie mich be­reits zwanzig Jahre gekannt, so darf ich wohl jezt erst, nach obiger über mich ergossenen russischen Beleuchtung annehmen, daß Ihnen die Augen über denjenigen Ihrer Mitarbeiter auf­gegangen sind, der sich zeichnet

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London  , den 31. März 1868.

S. B.

Aus Waldenburg schreibt man uns: Kürzlich beab­sichtigten die hiesigen Webergesellen eine Versammlung abzu­halten, um über die Frage klar zu werden, ob man über die Krankenkasse, welche jetzt unter Vormundschaft der Weberinnung steht, das Selbstverwaltungsrecht beanspruchen wolle, das be­fanntlich nach der neuen Gewerbegejeß- Novelle den Arbeitern zusteht. Die Ausführung dieser Absicht ist uns aber vereitelt worden, indem der hiesige Bürgermeister Funkhänel die Er laubniß verweigerte ,,, weil die Webergesellen meist junge, un­mündige Leute wären, die sich bei ihren Quartalen meist zü­gellos betragen hätten". Auch halte er die Sache für zu früh, man möge in 14 Tagen oder drei Wochen wieder anfragen. Sei bis dahin die Gewerbegesegnovelle noch nicht da, dann würde er vielleicht" eine solche Versammlung gestatten, jedoch keinesfalls ohne Zuziehung des Obermeisters, und er seinerseits werde auch Jemand hinschicken, der bei der gering­sten unzulässigkeit die Versammlung auflöse und die strengsten Maßregeln ergreife."

( Wir rathen den Waldenburger Arbeitern sich durch keine Hindernisse abschrecken zu lassen. Eine Versammlung zu ver­bieten, dazu hat der dortige Bürgermeister kein Recht, er muß dieselbe gestatten, wenn sie mindestens 24 Stunden vor­her mit Angabe der Zeit, Tagesordnung, des Locals und des Namens des Einberufers schriftlich angezeigt wird. Von gnä diger Genehmigung des Bürgermeisters ist keine Rede, die einfache Anzeige genügt. Ebensowenig kann der Bür­germeister verlangen, daß der Obermeister eingeladen wird. Ist die Versammlung nur für Gesellen einberufen, so können die Einladenden dem Obermeister gerade so gut die Thür wei­