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mit ihren Wahlgesetzbeschlüssen unsere Gouvernementalen". Mögen sie zusehen, wie sie sich beiderseits damit betten.

Wir Demokraten müssen dermalen wohl über uns ergehen lassen, was die Mißgriffe der Einen wie der Andern über uns bringen. Aber nichts soll uns ein Wort der Zustimmung entlocken. Wir werden gerechterweise anerkennen, daß die Beseitigung des Bezirks- und Berufszwanges sowie die indirekten Wahlen eine wesentlich freiere Bewegung gestatten, nämlich denen, welche nach dem neuen Gefeße überhaupt mit den Wahlen zu thun haben werden. Wir wollen es diesen nicht verargen, von ihrem Standpunkt aus, ihre ,, liberalen Errungenschaften" zu preisen. Für die Demokratie ist nichts errungen. Sie hat nur den Herrn gewechselt, und wessen sie sich von dem neuen Herrn versehen darf, das haben die Fürsprecher der neube­rufenen Klasse in der Kammer gezeigt. Doch getrost sie wird auch mit diesen fertig werden! stuct

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Auswanderung und Bürgerrecht.

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Unter den Vorlagen, die der Bestätigung des gegenwär tig versammelten Reichstage harren, befindet sich auch der Bertrag zwischen dem Norddeutschen Bund und der Union Nordamerikas über die Staatsangehörigkeit der Eingewander­ten. Wir erwarten natürlich keinen Augenblick, diesen mehr als bedenklichen Vertrag von dem Reichstage abgelehnt zu sehen. Indessen halten wir es für unsere Pflicht, zu einer richtigen Würdigung und Kenntniß des Vertrages um so mehr das Wort an dieser Stelle zu ergreifen, als bei dem bis zur Unerträglichkeit gesteigerten Druck, den der preußische Militaris­mus auf ganz Deutschland ausübt, die Auswanderung und ihre Folgen zu den wichtigsten Angelegenheiten gehören.

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Seit 1866 giebt es für Alles, was in Preußen geschieht und nicht geschieht, nur noch ein Maß das Militärmas. Dieses Maß ist auch das einzig richtige für die Beurtheilung des Vertrages zwischen dem Norddeutschen Bunde und den Bereinigten Staaten. Den Schwerpunkt des Vertrages bildet die Militärpflichtigkeit der Angehörigen des Norddeutschen Bundes und hiervon ausgehend, sucht er die Auswanderung wesentlicher bisheriger Vortheile zu berauben. Er dehnt fer­her, Preußens Centralgewalt stärkend, den Auslieferungsvertrag vom 16. Juni 1852 durch Artikel 3 auf den ganzen Nord­deutschen Bund aus. Alle Vortheile des Vertrages fallen Breußen zu, alle Nachtheile sind auf Seiten der Vereinigten Staaten

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Bisher galt in der Union das Gefeß, daß jeder Einwan derer nach Ablauf von fünf Jahren von dem Tage an gerech net, wo er die Erklärung abgab, Nordamerikanischer Bürger

werden zu wollen, diese Eigenschaft auch erhielt. Von da an fonnte er darauf rechnen, daß ihn die Regierung der Vereinig ten Staaten als ihren Bürger betrachtete und dem Auslande gegenüber in allen Fällen nachdrücklich vertrat. Wir haben solche Fälle in jüngster Zeit mehrere erlebt, namentlich als zu dem legten allgemeinen deutschen Schüßenfeste in Bremen auch einige Breußen herübergekommen waren, die ihrer Militärpflicht

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in Echutz genommen dürfe, wenn er nach Erwerbung des Bürgerrechts noch weitete fünf Jahre ununterbrochen in der nordamerikanischen Union sich aufgehalten habe. Für den Auswanderer alfo, der das Glück gehabt hat, unter dem schwarz­weiß- rothen Banner geboren worden zu sein, gehören fortan nicht fünf, sondern zehn Jahre dazu, um dem Norddeutschen Bunde gegenüber das amerikanische Bürgerrecht zu erwerben. Aber selbst dann ist dieses Bürgerrecht fein vollwichtiges und wird es überhaupt nie. Denn Artifel 2 bestimmt: no ,, Ein naturalisirter Angehöriger des einen Theils soll bei etwaiger Rückkehr in das Gebiet des andern Theiles wegen einer nach den dortigen Gesezen mit Strafe bedrohten Hand­lung, welche er vor seiner Auswanderung verübt hat, zur Untersuchung und Strafe gezogen werden können, sofern nicht nach den bezüglichen Geseßen seines ursprünglichen Vaterlan­des Verjährung eingetreten ist."

genügt, inzwischen aber das nordamerikanische Bürger­ihre alte Heimath besuchten, wurden sie von den preußischen techt erworben hatten. Als diese Personen von Bremen aus Behörden gefangen gefeßt. Aber das kräftige Eintreten der Bereinigten Staaten- Regierung für sie bewirkte ihre Freilassung und Straflosigkeit. Der erste Artikel des Vertrages bestimmt nun, daß der Einwanderer in Amerika erst dann von dem Norddeutschen Bunde als Bürger der Vereinigten Staaten be trachtet werden solle und folglich von der Union erst dann

In diesem Artikel liegt die eigentliche Spiße des Vertrags offen zu Tage. Nach den preußischen Geseßen giebt es nur zwei krafwürdige Handlungen, welche nie verjähren: den Mord und die Nichterfüllung der Militärpflicht, indem man sich entwe­der vor Eintritt in das stehende Heer ohne Erlaubniß der Regierung aus dem Lande entfernt, oder aus dem Heere de­fertirt. Um einen Mörder aber zur Verantwortung zu ziehen, ist Art. 2 wahrlich nicht in den Vertrag aufgenommen wor den. Denn für alle schweren Verbrechen bestand bereits seit dem 16. Juni 1852 zwischen Preußen, sowie einer großen Zahl deutscher Staaten und der Nordamerikanischen Union ein Auslieferungsvertrag, und dieser wird auch im Art. 3 aus­drücklich als fernerhin zu Recht bestehend angeführt. Es bleibt also für die Bestimmung des Art. 2 nur der Fall übrig, daß Jemand die Freiheit der Vereinigten Staaten der Norddeutschen Bundesuniform vorziehen sollte. In Preußen hat dieser Fall bekanntlich nie zu den Seltenheiten gehört, und da Preußen seit 1866 nur noch den einen Staatsgrundfaß kennt, Solda­ten zu haben, und diesen Grundsaß zur Seele des Norddeuts schen Bundes gemacht hat, so ist dort an feine Verminderung solcher Fälle zu denken, während in den annectirten und Trabanten- Staaten die Auswanderung aus dieser Ursache wach­sen muß. Die Auswanderung muß aber um so mehr zunch­men, als der Gäsarismus in Preußen und Frankreich durch die fortwährende Kriegsdrohung, die er in sich schließt, nicht nur die Erwerbsquellen im Vaterlande verstopft, sondern auch den Militairpflichtigen fortwährend in der Furcht erhält, plöz­lich aus seinen Erwerbsverhältnissen herausgerissen zu werden, um seine gesunden Glieder und sein Leben für rein dynastische Zwecke zu Markt zu tragen. Man wird einwenden, daß sich ja der Militärpflichtige, um dem Blizstrahl des Artikel 2 zu entgehen, einen Auswanderungspaß geben lassen könne. Aber ein solcher Baß wird vor Ableistung der Dienstpflicht im stehen­den Heere nicht ertheilt. Da nun Niemand Lust haben wird, sich wegen der Flucht vor der Uniform durch seine Rückkehr einer harten Strafe auszuseßen und noch nachträglich der Militärpflicht zu genügen, so bedeutet Artikel 2 des Vertrages für alle Diese nichts anderes als ewige Verbannung aus dem Vaterlande.

Aber der Vertrag raubt dem amerikanischen Bürgerrechte noch eine seiner schönsten Eigenschaften. Einmal erworben, war es für ewige Zeiten, für Kind und Kindeskinder gültig. Der in der Union naturalisirte Deutsche verliert aber nach Art. 4 sein Bürgerrecht wieder, wenn er sich zwei Jahre lang in den norddeutschen Bundesstaaten aufhält, ohne daß er zuvor die Absicht zu erkennen gegeben hat, nach Amerika zurückzukehren. Diesem Uebelstand fann freilich durch eine rechtzeitige Erklä rung vorgebeugt werden, oder indem man vor Ablauf der