war es endlich gelungen, die Bewilligung der Polizeibehörde zu einer Versammlung zu erhalten. Obwohl die Eröffnung der Bersammlung auf 8 Uhr festgesetzt war, so rückten doch schon nach 6 Uhr zahlreiche Arbeiterschaaren in die Versamm lungslokalitäten ein. Ihre Haltung, ihre Physiognomien erinnerten unwillkürlich an die Freiligrath'schen Worte:
,, Wir sind die Macht, wir hämmern jung Das alte morsche Ding, den Staat,
Die wir von Gottes Zorne sind
Bis jetzt das Proletariat."
Gegen 7 Uhr war der große Zobel'sche Saal und die anstoBende noch geräumigere Sängerhalle überfüllt.„ Alles stand so dicht gedrängt an einander," berichtet heute das„ Wiener Tagblatt" ,, daß das Wort, es hätte kein Apfel zu Boden fallen können, sich bewahrheitet hätte." Gegen 8000 Personen mochten um 8 Uhr in den beiden Sälen anwesend sein. Biele Tausende, und über 2000 fring, Lerchenfeld,
Vereinsrecht. Im Anschlusse an die Resolutionen des deutschen Volksvereine vom 26. März 1868 erflärt die Volksversammlung: 1. die Geseze von 15. November 1867, Nr. 134 und 135 R. G. B.), gewähren das durch den Artikel 12 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezem ber 1867, Nr. 142 R. G. B., den österreichischen Bür gern zugesicherte Recht, sich zu versammeln und Vereine zu bilden", nicht; es sind daher jene Geseze„, ale eine Regelung der Ausübung dieser Rechte" als solcher nicht anzusehen; 2. vielmehr sind das unumschränkte Vereins und Versammlungsrecht, sowie das Coalitionsrecht der Arbeiter unerläßliche Bedingungen eines wahrhaften Rechtsstaates.
Wahlrecht. 1. Die Volksversammlung erklärt das allge meine Wahlrecht als das Grundprinzip der Demokratie und als ein unerläßliches Kampfmittel des Volkes. 2. Die Volksversammlung erblickt in der Einführung dis refter Wahlen und in der Erweiterung des jetzt bestes henden Wahlrechtes ein dem Ziele naher führendes zu geständniß.
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Diese Resolutionen wurden nach einer längeren Debatte einstimmig angenommen und zugleich beschlossen, dieselben dem Reichsrathe mitzutheilen und zwar in Form einer Petition, für welche in der ganzen Monarchie Unterschriften gesammelt werden sollen. Das Comite wurde mit der Ausführung be auftragt. Eine Geldsammlung zum Zwecke der Deckung der entstehenden Ausgaben( Lokalmiethe, Druckkosten) hatte Hofrath von Strohbach ebenfalls verboten, weil er vielleicht glaubte, dadurch die Versammlung unmöglich zu machen. Um 10 Uhr war die Versammlung zu Ende, aber der Jubel über ihre glänzenden Verlauf nahm erst seinen Anfang. Es lebe die Sozialdemokratie! Hoch Tauschinsky! Hoch Oberwinder und Hartung! Diese Rufe verstummten selbst noch nicht auf der Straße. Ein großer Theil der Anwesenden verblieb bis in die späte Nacht in der Sängerhalle, darunter auch die Ge meinderäthe Steudel und Dr. Schrank. Der erstere nahm diesem geselligen Zusammensein Gelegenheit, seine Freude über die errungenen Erfolge auszusprechen. Er sagte u. A.:,,30 kann Ihnen in meinem und meiner Freunde Namen versichern, daß wir stets bereit sein werden, für die Sache, welche heute hier vertreten worden ist, einzustehen und nöthigenfalls auch mit unserem Leben." Die gestrige Versammlung wird voraussichtlich in gewissen Kreisen der Hauptstadt einen außer ordentlichen Eindruck machen. Man wird einsehen, daß un sere demokratische Volksbewegung nicht mehr durch Polizei maßregeln zurückgedämmt werden kann."
unter nahe an 1500 Nordbahnarbeiter, nner aus den entlegenen Bezirken Ottaergrund und Leopoldstadt konnten feinen Zutritt mehr erhal n. Wenige Minuten nach 8 Uhr wurde die Versammlung durch Herrn Dr. Tauschinsky, den Ob mann des Comite's, eröffnet und derselbe auch nach einer furzen Begrüßungsrede durch Acclamation zum Vorsitzenden erwählt. Der erste Gegenstand der Tagesordnung betraf den Bericht des Comite's über seine seitherige Thätigkeit. Nachdem Dr. Metall die Schwierigkeiten geschildert, welche sich der Einberufung einer Versammlung entgegengestellt, sollte Hartung über die Thätigkeit der Parteidelegirten auf dem Nürnberger Arbeiterkongresse und Oberwinder, hieran anschließend, über die Versammlung der deutschen Volkspartei in Stuttgart und die dermalige Stellung der Parteien in Deutschland referiren. Da die genannten Herren Comitemitglieder sind und als solche nach Nürnberg gesandt worden waren, so gehörten ihre Referate selbstverständlich zum Berichte des Comite's. Nichtsdesto. weniger duldete derjenige Polizeifommissär( es waren nämlich mehrere da), welcher sich seinen Plaz neben dem Vorsitzenden gewählt hatte, die erwähnte Berichterstattung nicht, weil dieselbe nicht speziell bei der Behörde angemeldet sei(!). Auch im Laufe der weiteren Verhandlungen ließ der Herr Commissär die Redner öfters unterbrechen, obwohl man sich streng an die Tagesordnung hielt, und selbst die eraltirtesten Arbeiterredner sich diesmal in den Schranken der Mäßigung hielten. Mehrmals äußerte die Versammlung lebhaft ihren Unwillen über diese Unterbrechungen; aber ein Wort des Vorsitzenden genügte, um die Massen wieder zu beruhigen und die scheinbar erwünschte Gelegenheit, die Versammlung zu schließen, wurde nicht geboten. Bezüglich des zweiten Bunftes der Tagesordnung: ,, Allgemeine Erläuterung des sozial- demokratischen Programms", hatte schon Polizeidirektor von Strohbach erklärt, daß über den Passus Selbstbestimmungsrecht der Völker " nicht gesprochen werden dürfe. Der Herr Hofrath fürchtete wohl eine Kundgebung zu Gunsten der Czechen. Nach Erledigung dieses Gegenstandes der Tagesordnung legte das Comite in Bezug auf die drei ersten Punkte des Programms der Versammlung fol gende Resolutionen vor:
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Segnungen des Militarismus. In Algerien find binnen letzten 12 Monate fünfmalhunderttausend Menschen, ein Fünftel der Gesammtbevölkerung, dem Hunger legen; und das in einem Lande, das einst die Kornfammer des alten Rom war! Freilich, damals hatte man noch keine Ahnung von dem modernen Militärstaat, der die fruchtbarsten Länder zu ruiniren versteht.
Preßfreiheit. In Erwägung, daß die Presse durch die auf ihr lastenden gesetzlichen Beschränkungen ihren Werth als Mittel zur Bolfsbildung verliert, daß sie ferner durch die Kautionen, Stempelsteuern u. s. w. ein Monopol des Kapitals zu werden droht: erklärt die Versammlung vom 26. Oktober 1868 die absolute Preßfreiheit für eine unerläßliche Bedingung des wahrhaften Rechtsstaates. Verantwortlicher Redacteur: W. Liebknecht. Redaktion: Braustraße 11.
Leipzig.
*) Reichs- Gesez- Buch.
Druck und Verlag: E. W. Vollrath. Expedition: Petersstraße 18.
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