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wird. Wir betrachten nämlich die Religion als Privat- und Gewissenssache. Nach diesem Grundsatze haben sich daher die Religionslehrer oder Priester weder in Schul - noch in Ge­ meinde - oder Staatsangelegenheiten zu mischen und können nur von solchen einzelnen Individuen bezahlt und unterhalten wer­werden, welche speziell für sich religiöse Belehrung haben wollen.

,, Wie bereits im Eingange gesagt worden ist, erstreben wir somit den wahrhaft demokratischen Voltsstaat, welchem nach Beseitigung der stehenden Heere und anderer kostspieliger Ein­richtungen auch die Aufgabe zufallen wird, durch Förderung des freien Associationswesens dem Arbeiter allmälig den vollen Ertrag für seine Arbeit zu sichern. Bis zur Erreichung dieses Ziels werden wir eine gesetzliche Nor­mirung der Arbeitszeit zu bewirken suchen.

für Freiheit begeisterten Partei vereinigen, welche im Stande punkt in dieser Frage hier genauer entwickeln, da das Wort sei, den reactionären Machinationen bevorrechteter Stände die ,, Religionsfreiheit" sehr häufig von den Klerikalen mißbraucht Spitze zu bieten, und welche mächtig genug sei, um den Staat des Absolutismus oder des noch schlimmeren Scheinconstitu= tionalismus in einen demokratischen Volksstaat umzuge­stalten. Eine solche Partei konnte sich nach den heutigen gesell­schaftlichen Verhältnissen nur aus dem Arbeiterstande, aus der besitzlosen und politisch rechtlosen Klasse bilden. Wir waren daher bemüht, die Massen des österreichischen Volkes aufzuklä= ren und sie jenem politischen Indifferentismus zu entreißen, wel­cher in unserer Zeit den Bestand eines Staates gefährdet. Seitdem haben wir alle wichtigen, die Interessen des öfter­reichischen Volkes berührenden Fragen öffentlich diskutirt. Un sere Partei hat zuerst in Volksversammlungen die völlige Be­seitigung des Konkordats verlangt, und später waren wir wieder die Ersten, welche öffentlich protestirten, als päpstliche Allofutionen und bischöfliche Hirtenbriefe Mißachtung gegen frei­heitliche Institutionen predigten. Wir haben zu verschiedenen Dalen ausdrücklich erklärt, daß wir bereit seien, die Regierung zu stützen, wenn sie auf der Bahn des Fortschritts und der Freiheit muthig vorwärts schreite. Indem wir endlich den internationalen Charakter der Arbeiterbewegung stets auf das Entschiedenste hervorkehrten, hatten wir der Regierung für den Fall, daß sie wirklich eine freisinnige sein wollte- Gele­genheit gegeben, gestützt auf die gewaltige Macht der Arbeiter die nationalen und volksfeindlichen Bestrebungen des mit dem Klerus verbundenen Adels wirksam zu bekämpfen.

,, Aber die Regierung ließ sich zu unserem aufrichtigen Bedauern nur dazu bestimmen, die demokratische Volksbewegung fortwährend zu hemmen, und die von ihr beeinflußten Zeitungen und Preßagenten waren bis auf den heutigen Tag bestrebt, dieselbe in der öffentlichen Meinung zu diskreditiven. Man it soweit gegangen, uns als Werkzeuge freiheitsfeindlicher Regierungen des Auslandes zu bezeichnen, während diese doch offensichtlich eine Agitation, wie die unsrige, fürchten mußten. ,, Wir haben nun unsere seitherige Stellung den anderen

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Barteien gegenüber genügend erörtert, wir fügen nur noch hinzu, daß wir auch für die Folge mit eherner Konsequenz dieser Stellung verharren werden und gehen jetzt zur Ent­wicklung unseres Programms über.

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,, Dies unser Programm. Wir werden an der Verwirk­lichung desselben nach Kräften arbeiten, hoffen aber auch, daß unsere Parteigenossen Alles aufbieten werden, um unser Wirken zu fördern! Die Redaktion." Möge dem neuen Organ der Sozialdemokratie die ver= diente Unterstützung zu Theil werden!

Wien , den 9. April. Das erste Stiftungsfest un= seres Arbeiter- Bildungsvereins am 3. April in Schwen­ders Kolloseum ist großartig gefeiert worden, und herrlich ver­laufen. Tausende von Mitgliedern mit ihren Damen und Gästen waren anwesend. Unter den letzteren befanden sich Deputationen anderer österreichischer Arbeiter- Vereine, Vertreter der Wiener Studentenschaft und des Bürgerthums. Während des Festes liefen zahlreiche Telegramme ein aus den meisten österreichischen Orten, wo Arbeiter- Vereine bestehen, auch aus Leipzig vom Arbeiter Bildungs- Vereine. Die verschiedenen Säle des Festlokals waren prächtig dekorirt, namentlich der sogenannte Amorjaal. Die Wände desselben waren unter an­deren mit den Namen sämmlicher social- demokratischen Arbeiter= vereine Oesterreichs geschmückt; wir zählten deren nahe an 30, die sämmtlich in dem Zeitraum von kaum einem Jahr ent­standen sind. Musikaufführungen wurden an drei verschiedenen Orten abgehalten: im Frohsinnssaal von der Kapelle des In­fanterieregiments Erzherzog Leopold, im Amorfaale von der Kapelle des Musikdirektors Ziehrer und im Harmoniesaale hatte man das Musikquartett der Gebrüder Lorenz und ein Zither- Conzert von Heimeyer. Auch der Gesangverein des Bereins erntete für seine braven Leistungen unter Direktion Professor Striber's großen Beifall. Festreden wurden zwei gehalten und zwar von H. Hartung im Amorsaale und von K. Groß in der Frohsinnshalle.

,, Bereits in dem Zirkulare an unsere Freunde und Partei­genossen haben wir erklärt, daß das auf dem 9. Wiener 9. Wiener Arbeitertag beschlossene Programm auch das Programm dieses Blattes ist. Hiernach werden wir unverbrüchlich an der For= derung des allgemeinen direkten Wahlrechtes für alle Bertretungskörper festhalten; wir werden ferner alle jene Freiheiten zu erfämpfen suchen, welche die Vorbedingung für nen richtigen Gebrauch dieses Rechtes sind. Hierzu gehören insbesondere das unbeschränkte Vereins- und Versamm­lungsrecht, die unbedingte Preßfreiheit und das Koalitionsrecht der Arbeiter. Wir werden die Besei­tigung der stehenden Heere, welche eine Gefahr für den Frieden, die Freiheit und die Wohlfahrt der Völker sind, und zum Schuße gegen äußere und innere Feinde die Einführung allgemeinen Volksbewaffnung verlangen. Wir wer= weiterhin die Nothwendigkeit der Abschaffung aller in­diretten Steuern und die Einführung einer einzigen pro­gressiven Einkommensteuer betonen. Wir werden nachweisen,

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Die Aufführung eines Theaterstücks und ein allgemeiner Ball schlossen die Feier, die aufs Neue bewiesen hat, wie mächtig die sozialdemokratischen Ideen unter den Arbeitern Oesterreichs Verbreitung gefunden haben.

Erwähnt sei noch, daß es großen Jubel erregte, als wäh rend des Festes Student Magnit auftrat und sich zu den fozial- demokratischen Ideen bekannte. Er erklärte unter an derm, die Wiener Studentenschaft werde ihren alten Ruf zu bewahren wissen. Wie ihre studentischen Vorkämpfer des Jah= res 1848 feien auch sie bereit, wenn die Stunde schlage, für die Freiheit zu kämpfen und zu sterben." Er schloß seine Rede unter stürmischem Jubel mit einem Hoch auf die Verbrü=

derung zwischen Studenten und Arbeitern.

daß eine richtige Umgestaltung des gesammten Unter­richtswesens nur dadurch erzielt werden kann, daß vermit= telft des unentgeltlichen und obligatorischen Unterrichts jedem Einzelnen die vollkommenste Entwickelung seiner Anlagen auf allen Gebieten und bis zu allen Graden ermöglicht wird. Parteiprogramm verlangt schließlich noch die voll­ftändige Religionsfreiheit. Wir wollen unsern Stand nicht um öffentliche Dinge und das letzte Fünftel schwimmt

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( Andere Burschen" find die Wiener Studenten, wie ihre Norddeutschen Collegen; vier Fünftel der letzteren kümmern sich gar

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