Demokratisches Wochenblatt.

Organ der deutschen   Volkspartei und des Verbands deutscher Arbeitervereine.

No. 19.

Leipzig, den 8. Mai.

1869.

Das Blatt erscheint jeden Sonnabend. Abonnementspreis vierteljährlich bei allen deutschen   Postanstalten sowie hier am Platze ein­schließlich Bringerlohn 12 Ngr.; einzelne Nummern 1 Ngr. Abonnements für Leipzig   nimmt entgegen Herr G. Richter, Peterssteinweg 7, Leipziger Consumverein, Üniversitätsstraße, und die Erpedition d. Blattes in der Wohnung des Herrn A. Bebel, Petersstraße 18. Für Dresden   Filialexpedition( interimistisch) M. Hendel, Wallstraße 10. Agent in London   für England, Indien  , China  , Japan  , Australien  , Südamerika   2c. die deutsche   Buchhandlung von Franz Thimm, 24 Brook Street, Grosvenor Square, London  . Agent für London  : A. Duensing, Foreign Bookseller, Librarian and Newsagent, 8, Little Newport Street, Leicester Square, W. C.  

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Inhalt: Bolitische Uebersicht. Ein gefährlicher Irrthum. Zur Gewerbe- Ordnungs- Debatte. Aus Desterreich. Der erste Verbandstag der Sächsischen Consumvereine( Fortsetzung). Bücherschau. Vororts- und Arbeiter- Angelegenheiten. Brüssel, Zürich  , Berlin  , Weimar  , Kaiserslautern  , Darmstadt  , Wildenfels  , Waldenburg  , Leipzig  . Arbeitsvermittlung.  -Anzeigen. Beilage: Noch einmal die Kasseler Lehrerversammlung. Die Arbeiter- Massenversammlung in New- Yorf am 23. März 1869.

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Politische Uebersicht.

Die Enthüllungen des österreichischen Generalstabsbe­richts waren ein Stoß ins Herz" des Großpreußenthums, - das zeigt das verzweifelte Wuth- und Schmerzgeschrei der Bird'schen Preffe. Der Schlag hat so gut gesessen, daß die Soldschreiber nichts andres zu erwidern wissen, als die rreichische Regierung sei auf unehrliche Weise in den Besitz der famosen Depesche über den Landhunger des ritterlichen" Königs gelangt. Es ist die alte Geschichte vom Balken und Splitter, realpolitisch modernisirt. Länder- nehmen war in der Ordnung, und ein Blatt Papier" annektiren ist ein Berbrechen. Uebrigens hat die österreichische Regierung nach den neuesten Nachrichten die Note Bismarcks an Goltz weder durch Bestechung, noch durch einen glücklichen Fang während Kriegs in ihren Besitz gebracht, sondern das Aktenstück bon der französischen   Regierung empfangen. Das verschlimmert allerdings die Sache für Preußen. Es ist ein " Symptom sehr ernster Art", um uns der Worte des Grafen Bismerd zu bedienen, und wir dürfen erwarten, daß der Schleier, der die Verhandlungen von Biarritz   noch bedeckt, dem­nächst gelüftet wird, und das Versprechen des ,, ritterlichen" deut­schen Königs: ,, ich werde nicht dulden, daß ein Fuß breit deutschen   Landes verloren geht", seinen praktischsten und dra­stischsten Commentar erhält.

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fertigen könnte. Ein neuer Beweis, daß in einem despotischen Staat die Volksvertretung reine Spielerei ist. Gäbe es in Preußen eine wirkliche Volksvertretung, so würde die Polizei Solches nicht wagen; gäbe es in Preußen wirkliche Volfsver­treter, sie würden von der Polizei Solches nicht dulden. Ebenso gut wie die preußische Polizei jest Hrn. Fritz Mende   einge­sperrt hat, kann sie gelegentlich jeden mißliebigen Abgeordneten, der es sich beikommen läßt, öffentlich zu reden, nach Numero  Sicher zu bringen, ohne daß ein Hahn darnach kräht. Daß aber Hr. Frizz Mende auf diese Weise die Vorzüge des ,, Ein­ heitsstaats  ", für den er glüht, an seiner Person illustriren muß, das ist der Humor von der Geschichte. Und der für Humor empfängliche Hr. Bundeskanzler fand die Sache neu­lich, als sie im Reichstag zur Sprache kam, so spaßig, daß er fast einen Lachkrampf bekommen hätte. Boshafte Zungen ver­sichern allerdings, das gräfliche Lachen sei etwas zu gewaltsam gewesen, um ganz natürlich zu sein, und sie meinen, der Hr. Graf hätte weniger laut gelacht, wenn der österreichische Ge­neralstabsbericht nicht wäre. Es ist wahr, jener Spartaner, dem der gestohlene Fuchs unter dem Mantel die Bruſt zer­fleischte, lachte sehr laut, bis er ohnmächtig zusammenfant, und den Gefährten der Grund seiner geräuschvollen Lustigkeit klar wurde.

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Professor Esmarch in Kiel  , der berühmte Kriegschirurg, sagte jüngst in einer zu Hamburg   gehaltenen Rede über die freiwillige Hülfe auf den Schlachtfeldern":" Thatsache ist, daß von den 2 Millionen Thalern, die von Vereinen während des

preußisch- österreichischen Kriegs' an Geld und Utensilien gesam­melt wurden, ein großer Theil in den Depots unbenuẞt ge= blieben und ein noch größerer auf unerklärliche Weise verschwunden ist". Die preußischen Blätter, die sich so tugendhaft an die Brust schlugen, wenn von den Unterschla= gungen in Destereich die Rede war, werden nun wohl etwas bescheidenere Saiten aufziehen, denn die Richtigkeit des von

Immerfort neue Steuern! ist Nordbunds- Losung. Zu der bereits vor dem Reichstag" befindlichen Brannt weinsteuer, und dem angekündigten halben Dutzend Gas-, Petroleum-, Wechselstempel, Zuckersteuer und streiten. Erhöhung der Rübensteuer soll eine Steuer auf die

nicht angekündigt, aber doch halbamtlich. Von weiteren Steuern wird gemunkelt; das Dußend muß doch voll sein. Wenn nun Reichstag oder Zollparlament sich auch ein oder ein paar mal auf die Hinterfüße stellen, und Nein sagen sollten, wäre immerhin für eine genügende Zahl neuer Steuern gesorgt. der Reichstag hat sich bisher nicht dazu verstanden, von sei­

Esmarch Gesagten wagt kein Regierungsblatt zu be­

Eine Verordnung des österreichischen Gesammtministe­

riums hebt den am 10. Oktober des vorigen Jahres über Prag   und andere Theile Böhmens   verhängten Belagerungszu­ſtand wieder auf; und halbamtlich wird mitgetheilt, für alle in jener Zeit für sogenannte politische und Breß= Ver­gehen erkannte Strafen werde demnächst eine bedingungs­und ausnahmslose Amnestie erfolgen. Hätte man den Bela­gerungszustand nicht verhängt, und den Czechen von Anfang an so versöhnliche Gesinnungen entgegengetragen wie jetzt, so wäre dieses pater peccavi( Bater! ich habe gefehlt!) nicht nö­gefangenen Mitgliedes zu fordern,*) obgleich gegen dasselbe thig gewesen und der ,, Ausgleich" mit Böhmen   längst eine voll­

Fris Mende ist noch immer in Untersuchungshaft, und

durchaus nichts vorliegt, was eine so strenge Maaßregel recht­

endete Thatsache.

Am 26. April hielt der gesetzgebende Körper Frank­ reichs   der jedoch gleich dem norddeutschen Reichstag keine

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*) Nachträgliche Bemerkung. Auf einen Wink Bismarcks haben die reichs Nationalliberalen sich zu einer ,, That" ermannt und schließlich doch für die Gesetze zu geben, sondern höchstens vorzuschlagen hat Freilassung Mende's gestimmt und dieselbe durchgesetzt. So wäre denn

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midbar im Dunkel des befannten Boudoirs- und 24. ds. Mts. ausgeschrieben.

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den 23.

Der Wahlkampf wird von