Demokratisches Wochenblatt.

Organ der deutschen   Volkspartei und des Verbands deutscher Arbeitervereine.

No. 23.

Leipzig, den 5. Juni.

1869.

Das Blatt erscheint jeden Sonnabend. Abonnementspreis vierteljährlich bei allen deutschen   Postanstalten sowie hier am Platze ein­schließlich Bringerlohn 12 Ngr.; einzelne Nummern 1 Ngr. Abonnements für Leipzig   nimmt entgegen Herr G. Richter, Peterssteinweg 7, Leipziger Consumverein, Üniversitätsstraße, und die Erpedition d. Blattes in der Wohnung des Herrn A. Bebel, Petersstraße 18. Für Dresden   Filialexpedition( interimistisch) M. Sendel, Wallstraße 10. Agent in London   für England, Indien  , China  , Japan  , Aujiralien, Südamerika   2c. die deutsche   Buchhandlung von Franz Thimm, 24 Brook Street, Grosvenor Square, London  . Agent für London  : A. Duensing, Foreign Bookseller, Librarian and Newsagent, 8, Little Newport Street, Leicester Square, W. C.

wahlen 2c.

Inhalt: Politische Uebersicht. Die sächsischen Landtags Bororts- und Arbeiter- Angelegenheiten. Aufruf der Leipziger   Zimmergesellen. Aufruf des Comités der Jut. Schuh­macher- Gewerksgenossenschaft. An die Baugewerksgenossen aller Staa­Zürich, Pforzheim  , Nürnberg  , Berlin  , Dresden  , Eisenberg  , Leipzig  . Briefkasten. Anzeige. Beilage: Aufruf der Internationalen Manufaktur Gewerksgenossenschaft. Weiße Sklaven. Bücherschau.

ten.

Politische Uebersicht.

Der Absolutismus  , in welche Form er sich auch hüllen möge, ist in unserer, ihrem ganzen Grundzug nach demokrati­schen Zeit gleichbedeutend mit Gewaltherrschaft; nur durch Ge­walt kann er aufrecht erhalten werden und die verkörperte Ge­walt sind die stehenden Heere. Darum ist der Militaris­mus unzertrennlich von dem Absolutismus: man blicke nach Frankreich  , Rußland  , Preußen in allen despotischen Staaten derselbe widerliche Soldatenkultus, derselbe bürger­feindliche Kafernengeist. Und obgleich ein preußischer General die Behauptung aufgestellt hat, der Soldat sei produktiv", so beweist doch die Geschichte der Gegenwart, daß es keinen zehren­deren Krebsschaden, keine das Mark der Völker methodischer aussaugende Einrichtung giebt, als die stehenden Heere. Wie die Seuchen dem Krieg, wie das Verbrechen der Noth, so folgt mit unwandelbarer Logik dem Militarismus die Volksver­armung, das Defizit, der Staatsbankerott. In Frankreich   und Rußland   sind diese Folgen seit Jahrzehnten zu Tage getreten: der dritte der großen Militärstaaten, Preußen, schien lange eine Ausnahme machen zu wollen. Die bewun­dernswürdige Geschicklichkeit, mit der in Preußen Alles dem Militarismus untergeordnet und angepaßt wurde, die oft gradezu tnickerhafte Sparsamkeit auf allen anderen Gebieten, der mehr oder weniger volksthümliche Charakter der Landwehr und darum ihre vergleichungsweise Billigkeit- dies alles trug dazu bei, die preußischen Finanzen auf lange dem allgemeinen Fluch des Militarismus zu entziehen. Jedoch mit dem Jahre 1866 tam der Wendepunkt. Nachdem die Landwehr vermittelst der soge

nannten Militärreorganisation zu einem Anhängsel des stehen­den Heeres herabgewürdigt und in ein willenloses Werkzeug der Regierung umgeschaffen war, führte Graf Bismard den be=

gesinnten, für die deutsche Einheit, wie die Preußisch gesinnten sagen. Der Schlag gelang, so weit solche Schläge gelingen fönnen für den Augenblick. Preußen siegte, und

die Besiegten hatten den preußischen Staatsschatz mit Kriegs­fontributionen zu füllen. Der Nordbund begann somit un­ter den für einen Militärbund, was er ja ist, günstigsten

Bedingungen.

Wohlan, erst dritthalb Jahre sind verstrichen, und schon ist der Nord bund bauferott; oder, um es genauer auszu

gewöhnliche, schon aufs höchste angespannte Besteuerung nicht zu deckendes Defizit, während die Vasallenstaaten, die zum Theil 1866 schwere Striegskontributionen an Preußen zu bezahlen hatten, sich sämmtlich des geordnetsten Finanzwesens erfreuen, und nur durch den Bund mit Preußen in den Strudel des ge­meinsamen Bankerotts hineingerissen werden.

Das Alles steht, schwarz auf weiß, in Ziffern, die gleich Soldaten aufmarschirt sind, in der jüngst veröffentlichten Denkschrift des preußischen Finanzministers.

Jm Jahr 1867, heißt es darin, trat das Defizit hervor mit der Summe von 577,000 Thlr.; daß es sich nicht höher stellte, verdankte man lediglich den 3,232,000 Thlrn. die aus den noch nicht ausgesaugten annektirten Ländern ge- zogen wurden. Für das Jahr 1866 ergab sich dann ein, eigent­liches Defizit" von 9,863,437 Thlen. Wie dieses Defizit, welchem Betrage an nachträglich für das Jahr 1868 an den Norddeutschen Bund   zu zahlenden Matrikularbeiträgen noch etwa 2,100,000 Thlr. hinzutreten, zu decken sein wird, muß weiterer Erwägung vorbehalten bleiben." Also ein Defizit von 12 Millionen! Und für 1869 und 1870 ein ähnliches

Defizit in sichere Aussicht gestellt!

Um das Defizit zu decken, schlägt Hr. von der Heydt, der preußische Finanzminister, unter den 8 schon bekannten ,, neuen Steuern"( Branntweinsteuer( 2,531,300 Thlr.), Biersteuer ( 1,250,000 Thlr.), Gassteuer( 425,000 Thlr.), Wechselstempel­steuer, Börsensteuer( beide zusammen 2,260,000 Thlr.), Petro­leumſtener( 308,000), 3uderfteuer( 539,000 Thlr.) und Quit­tungsstempelsteuer( 800,000 Thlr.) noch eine neunte Steuer eine Steuer von 10 Prozent auf die Eisen­bahnbillette mit muthmaßlichem Ertrage von 3,154,450 Thlrn. vor. In Allem sollen die 9 vorgeschlagenen' Steuern 11,268,000 Thlr. jährlich einbringen. Davon würden auf Preußen Million fallen, was ,, allerdings nicht vollständig zur Deckung des Defizits ausreichen, aber immerhin die Mittel gewähren würde, den Staatshaushalt mit einem knappen Etat ohne wesentlichen Nachtheil für das Land weiter zu führen."

Zur Charakteristik des Nordbundes sei noch bemerkt, daß das Gesammtbudget für 1868 75,790,000 Thlr. beträgt, wo­von 74,976,000 Thlr. auf das Militär und die Marine tom­

men; und daß das Budget für das laufende Jahr auf 77,700,000 festgesetzt ist, wovon 76,400,000 Thlr. für Armee und Flotte! Da sage noch Einer, der Militarismus sei nicht die Seele des Norddeutschen Sonderbundes!

Bezeichnend ist, daß in der Denkschrift des Finanzministers von dem Militärbudget, der Wurzel des Uebels, mit kei= ner Silbe die Rede ist, und daß auch die Nationalliberalen in der Steuer- Debatte des Militärbudgets mit keiner Silbe erwähnt haben. Im Haus des Erhenkten spricht man nicht vom Strick, sagt das Sprichwort. Ein Redner der

brücken, der Hauptstaat des Nordbunds, Preußen, das 1866 Fortschrittspartei, Hr. Löwe( von Calwe), wies allerdings auf

die Kriegskontributionen einfackte, hat ein wachsendes, durch die Beschneidung des Militärbudgets, als das einzige Heilmittel,