Front ist nicht nur durch Natur und Kunst sehr fest, sondern sogar, da er ziemlich weit in den fremden Westen hineinvagt, zum offensiven( angriffsweisen) Vorgehen sehr geeignet. Ganz anders aber verhält es sich mit dem südlichen Theil unserer Westfront. Arkolay sagt darüber:

,, Hier vereinigt sich Alles so unglücklich zu unserm Nach theil, daß die Franzosen blind sein müßten, wenn sie nicht diesen Abschnitt als denjenigen erkennen wollten, auf den sie sich bei einem Kriege mit Deutschland   unbedenklich und mit ihrer Hauptmacht zu werfen haben. Die Dinge liegen hier für Frank­ reich   so einfach, find so mit den Händen zu greifen, daß selbst ein 14jähriger Eleve der Kriegsschule zu St. Cyr   sie zu erkennen vermag. Hier ist das deutsche Brett am dünnsten; hier muß und wird Frankreich   den strategischen Bohrer ansetzen. Es ist gar nicht nöthig, daß dasselbe hierbei aus Vorsicht erst den feinern Bohrer gebraucht; es kann ohne Umstände und ohne alle Gefahr für sich gleich mit dem Grobbohrer beginnen! Wenn es damit kräftig drauf drückt, so werden wir sehen, daß sogleich die Splitter nach allen Seiten fliegen..

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Die Chancen Frankreichs   nach dieser Richtung sind: 1) Hier kann es den geraden, direkten Stoß mit großen Mas­sen führen, wobei es in fürzerer Zeit zu einem gewissen Vor­sprung fommt. 2) Das Festungssystem Süddeutschlands   ist, Frankreich   gegenüber, sehr mangelhaft. 3) Der deutsche Süden bildet nach der Zersprengung des Bundes und nach dem Aus­scheiden Desterreichs aus Deutschland   militärisch eine ebenso ungenügende und schwache Vormauer, als er seit den Erreig­nissen des Jahres 1866 und bei den notorisch lebhaften Anti­pathien eines großen Theiles der Bevölkerung Süddeutschlands  gegen Preußen nun ein fast ebenso werthvolles politisches Ob­jeft für Frankreich   bildet, wie die annectirten Länder im Norden."

Ausgiebigen Schutz für seine Weſtgrenze kann Süd­ deutschland   nicht von Preußen sondern einzig von Oesterreich  erwarten. In dieser Beziehung argumentirt der Verfasser also:

,, Desterreich beherrscht anch nach seinem Austritt aus dem Bunde Südwestdeutschland   in strategischer Beziehung vollstän= diger und gründlicher, als Preußen manche ihm theilweise so­gar jetzt einverleibte Gebiete Norddeutschlands strategisch be­herrscht. Und das will viel sagen! Die Ursachen sind haupt­sächlich: 1) daß Norddeutschland ein gemeinsamer großer Strom, eine strategische Pulsader fehlt, wie sie Süddeutsch­ land   in der Donau   besitzt; 2) daß Preußen geographisch ein höchst schlottrig gegliederter, unkompafter Staat mit überwie gend( zu drei Viertheilen) fünstlichen Grenzen ist; 3) daß es deshalb und wegen seiner Lage( die See mit in Betracht ge­zogen) für äußerste europäische   Eventualitäten fast gar nicht als rückenfrei gelten kann.

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,, Die strategische Beherrschung Süddeutschlands   durch Dester reich geht so weit, daß es nicht einmal möglich ist, Ersteres mit der Front nach Frankreich   zu vertheidigen, wenn Dester­reich dies nicht gestatten will! Dasselbe braucht eine solche Vertheidigung nicht einmal mit den Waffen zu verhindern. Es genügt vollständig, wenn es erklärt, daß es dieselbe eben - nicht wünscht! Was Baiern, Württemberg, Baden und Hessen   etwa allein gegen Frankreich   aufbringen, ist gerade ge­nug, um sich damit anständig zurückziehen zu können. Ohne Hilfe Oesterreichs   oder Preußens ist für diesen Fall Südwestdeutschland   ein kläglich verlorener Posten. Die preu­Die preu Bische Hilfe aber kann nur Desterreich bewilligen! Die südwestdeutsche Front ist in ihrem ganzen Rücken und zum Theil auch in der linken Flanke schon aus ziemlicher Nähe ganz von den Ländermassen Desterreichs umfaßt, dergestalt, daß jedes dort gegen Frankreich   aufgestellte Heer seine Stellung augenblicklich verlassen und sich nordwärts railliren muß, da fern Desterreich Miene macht, es als ein feindliches Heer zu betrachten.

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,, Gegen diefen Nachtheil der südwestlichen Front( der che­

Berantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht. ( Redaktion: Brauftr. 11).

dem nicht vorhanden war, der nur eine böse Frucht vom Hi nauswerfen Desterreichs aus Deutschland   ist) schüßt keine Trup­penstärke. Auch wenn Preußen im Stande wäre, Süddeutsch­ land   mit 200,000 Mann zu decken, würden 80,000 Mann Desterreicher, die, Gewehr bei Fuß, in Tyrol und Voralberg  stehen, sogar ohne irgendwelche Kriegserklärung gegen Preußen, lediglich in zweideutiger, beobachtender Haltung, mehr wie hin­reichen, die ganze preußisch- süddeutsche Aufstellung von links her bis tief nach Schwaben   und Franken   hinein strategisch zurückzudrücken oder umzubiegen. Die gerade Aufstellung gegen Frankreich   könnte gar nicht genommen werden. Man müßte, dieser Demonstration gegenüber, von Süden her das halbe Baden  , das halbe Württemberg   und einen Theil von Baiern  sogleich preisgeben. Das westliche Thor wäre also zur vollen Hälfte offen. Von einem Verschließen desselben könnte gar keine Rede sein.

,, So und nicht anders ist der militärische Schutz beschaffen, den Preußen Süddeutschland   gewähren kann!"

Mit Recht schließt Arkolay hieraus, daß Süddeutschland  seine militärische Lage durch den, Desterreich und Frankreich  herausfordernden Anschluß an den Nordbund nur ver schlechtert.

Arkolay nimmt nun den Fall eines Krieges zwischen Frankreich   und dem Nordbund( nebst den süddeutschen Contin­genten) an und läßt dabei ersteres nur 450-500,000 Manu, legteren dagegen 800,000 haben. Von den letzteren braucht Preußen gegen die französische oder französisch- dänische Flotte zur Bewachung seiner langen Küsten mindestens 200,000 Mann, und 100,000 zur Verwahrung der annektirten Länder. Bleiben 500,000.

,, Jetzt kommt die Stellung gegen Desterreich an die Reihe. Desterreich kann bei einem so großartigen Krieg nicht schlafen. Es muß, um nicht möglicherweise von den Ereig nissen überrumpelt zu werden, an der schlesischen, der sächsischen und der bayrischen Grenze entsprechende Observationscorps Posto fassen lassen. Es stehen in Desterreichs Nähe 1 Mil­lion Bewaffneter gegen einander: da jind 200,000 Mann beobachtende Desterreicher eher zu wenig wie zu viel.

,, Aber diese 200,000 Mann Desterreicher könnten eines Tages plöglich Ordre zum Vormarsch und zur Betheiligung am Kriege bekommen. Ihr nächstes Absehen könnte Rache für Königgräß sein. Die Observation könnte also zur Invasion werden!!!

,, Dieser Gefahr vorzubeugen, theilen Preußen und seine Verbündeten weitere 200,000 Mann ab, welche jenen Defter reichern nöthigenfalls die Spize bieten können.

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Somit verbleiben Preußen und seinen Alliirten noch 300,000 Mann gegen mindestens 400,000 Fran zosen. Ist Desterreich so gütig, seine Observationstruppen um 100 bis 200,000 Mann zu vermehren( was es als Großmacht, tros Rußland   und Italien  , kann), so vermin dert sich die Effectivstärke der Preußen und seiner Verbündeten gegen die Franzosen um eben so viel. Dann verbietet sich eigentlich eine Vertheidigung unserer Weſtgrenzen ganz von selbst, und ist der Serieg entschieden, noch ehe es im Felde zum Schlagen kommt!!!

,, Das beweist einfach, daß ohne Desterreichs aus drückliche Beihilfe Preußen und seine Verbündeten gegen Frankreich   nicht einmal Preußen und den Nord­bund, geschweige denn Süddeutschland  , mit einem Funten von Aussicht auf Erfolg vertheidigen können!"

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Verlag: F. Thiele.

} Leipzig.{ Expedition: Petersfiraße 18,