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gerechtigkeiten, denen das gattzische Volk zum Opfer fällt, ist ge- t brochen. Den polnischen und ruthenischen Arbeitern und Bauern" sind in Daszynski und Kozakiewicz zwei unerschrockene und furch l- bare Anwälte erstanden. Die offiziöse Presse des Grafen Badeni. die ein förmliches Jubelgeheul über den Sieg der Klerikalen in Wien angestimmt hat, versucht heute vergebens durch schlecht gelungene Späßchen den armen Badeni in seiner schlechten Laune zu trösten. Einen der ältesten und bewährtesten Kämpfer der polnischen Sozial- demokratie hat das Volk von Lemberg zu seinem Vertreter erwählt. Seit zwei Jahrzehnten steht Kozakiewicz in den vordersten Reihen des furcht- baren Kampfes, den das polnische Proletariat zu führen hat. Nicht nur in Galizien , auch in Preußisch- und in Russisch-Polen hat er an der Bewegung theilgenommen. Er hat die liebende Sorgfalt der Preußen und Russen wie der stammesgenössischen Schlachzizen für Recht und Freiheit im polnischen Volke niehrfach am eigenen Leibe erfahren, er kennt die Kerker und Gendarmen und die übrigen Ordnungseinrichtungen aller drei Vaterländer des polnischen Volkes. Die polnischen Sozialdemokraten Galiziens haben sich in dem Wahlkampf überaus wacker gehalten. Sie haben im ganzen Lande die Saat der sozialistischen Ideen gestreut. Nicht nur die beiden großen Siege in Lemberg und Krakau find Zeugniß davon, sondern ebenso sehr die großen Minoritäten, die sie selbst in fast rein länd- lichen Gebieten auf ihre Kandidaten zn vereinigen vermocht haben. Zehntausende polnischer Bauern habe» in ihnen die einzige» zweisel- losen und unerschütterlichen Verfechter des Rechts und der Freiheit aller Bedrückten erkannt. Und als die einzigen zuverlässige» Träger der Freiheit und des Kampfes gegen die Gewaltherrschaft der Schlachzizen hat sie auch ihr Verhalten bei den Stichwahlen be- wahrt. Das der österreichischen Regierung nahestehende Wiener Fremdenblatt" findet sich mit der Thatsache in aller Gemüthsruhe ab und sagt, es Hab« einen der Zwecke der neuen Wahlreform ge- bildet, auch in Oesterreich die Sozialdemokratie auf das große legale Kampsesterrain, auf den parlamentarischen Boden zu leiten, um einerseits dem Sozialismus Gelegenheit zu bieten, seine Wünsche und seine Beschwerde» vorzubringen, andererseits aber auch den Sozialis- »ms der erziehlichen Wirksamkeit des Parlamentarismus zu unter- werfen. Schweiz . Bern , 16. März. Der Nationalrath ratifizirte die beiden Znsatzvereinbarungen zu der internationalen Konvention betreffend den Schutz des literarischen und künstlerischen Ur- heb er rechtes, forderte aber gleichzeitig den Bundesrath auf. der gegenwärtigen Tendenz« ufeinenzuweitgehenden Schutz entgegenzutreten. Frankreich . PariS , IS. März. Die Kammer nahm gestern den Marty- scheu Antrag über die Regulirung ihres Programms mit 294 gegen 242 Stimmen an. Demnach werden in Zukunft die Montags-, Dienstags- und Donnerstagssitzungen der Diskussion der Anträge mrd Gesetzesvorlagen, die Freitagssitzungen derjenigen der Arbeitergesetze und die Sonnabende den Interpellationen gewidmet fein. Demgegenüber ist die Tagesordnung der nächsten Woche intereffant, auf welcher mit Ausnahme des Freitags, wo über die Arbeitsnachweis- Bureaus verhandelt wird, ausschließlich Jnter- pellationen stehen, nämlich morgen diejenigen über Kreta , Dienstag die Interpellation Binder über den elektrischen Train in den Champs-Elysöes, Donnerstag die Interpellation Viviani über die Geheimhaltung der gerichtlichen Untersuchungen und deren Mißbräuch«, und Eonnabend die Interpellation Mirman über die Auflösung des Gymnasiallehrer-Vereins. Gegen Ende der Sitzung wurde noch über die Interpellation der E o z i a l i st e n Basly und Lamendin diskutirt, welche von der Verimnderung der Visitationen zur Sicherheit der Bergleute in den B e r g w e r k e n des Pas de CalaiS -Departements handelten. Basly sprach hierbei über die Miß- bräuche in den Bergwerken und den Druck, der bei den Delegirten- wählen auf die Arbeiter ausgeübt werde. Bautenminister Tarrel antwortete, die Verminderung der Visitationen rühre daher, daß sich die Zahl der Gruben vermehrt habe. A» und für sich seien sie nicht weniger geworden. Was die Delegirtenwahlen betreffe, habe der Minister Schritte gethan, um die Stimmsreiheit zu sichern. Die Kammer ertheilte ihm hierauf das Vertrauensvotum. Paris , 16. März. Die Reden, welche Pointcars und Dechanel gestern in Nogent hielten, gelten allgemein als Programmreden für die Regierung, deren Mimsterpräsident Pointcars allem Anschein nach iverden dürfte. Die Opposition wird im neuen Panama -Prozeß abermals gegen das Kabinet Meline Sturm laufen. PariS, 16. März. In der Arton-Angelegenheit ist demJournal" zufolge eine entscheidende Wendung eingetreten, die Untersuchung betreffs der vier Parlamentarier sei abgeschlossen. PariS , 18. März.La pötite repubtique" schreibt: Seit dem gestrigen Votum der Kainmer gehört Frankreich sich nicht mehr selbst, denn daS republikani sche Frankreich sei die Annektion deS ZariSmuS geworden und habe sich durch Hanotaux in daS Fahrwasser des hohenzollernschen und Habs« burgischen Imperialismus lenken lassen. In Dijon fand am 14. März eine Volksabstimmung über die Aufhebung des Oktroi(der Schlacht- und Mahlsteuer) statt. Der sozialistische Gemeinderath dieser Stadt hatte vorgeschlagen, die 1 299 990 Frks. Oktroistenern durch 128 Zuschlagscentime auf die Staatssteuer zu ersetzen. Die Abstimmung ergab auf 16 847 Wähler und 2312 Abstimmende 2976Ja" und 669Nein". Italien . Das Wahlprogramm der Sozialisten, dessen wir bereits erwähnten, steht vollständig auf dem Boden des internationalen Parteiprogramms der Sozialdemokratie.Das Endziel der Partei: Der Gemeinbesitz an den Arbeits Mitteln und die sozialistische Organisation der Arbeit und Produktion, läßt sich so sagt der Wahlaufruf nicht durch Amerika . Washington , 16. März. Präsident Mae ttinley sandte heute Nachmittag an die für heute einberufene außerordentliche Session des Kongresses eine B o t s ch a f t, in der er sagt, es stehe fest, daß die laufenden Ausgaben größer als die Ein- »ahmen seien, trotz der unbeschränkt zu Gebote stehenden Mittel. Die Vereinigten Staaten böten das bemerkenswerthe Schauspiel, daß sie ihre Staatsschuld vergrößerten, indem sie Geld borgten, um die gewöhnlichen Ausgaben zu decken, wie sie selbst einer sparsamen und vorsichtigen Verwaltung obläge». Der Präsident führte sodann ziffernmäßig die Unterschiede zwischen der Zunahme der Staats- einkünste gegenüber den Ausgaben während der Jahre der repnbli- kanische» Verwaltung und demSteigen der Ausgaben über die Einkünste unter deniokratischer Verwaltung an. Der gesummte Fehlbetrag für die drei Jahre und acht Monate, die mit dem 1. März 1896 zu Ende gegangen feie», betrage 186 961 589 Dollars. Bei der Erhöhung der Zolleinkünste sollten die Zölle auf fremde Er- Zeugnisse in der Weise erhoben werden, daß der einheimische Markt soweit als möglich für die heimischen Produzenten erhalten bleibe, daß das Wachsthum der Industrie neu belebt, der Acker- bau unterstützt und ermuthigt, der einheimische und aus- wärtige Handel gefördert, die Entwicklung des Bergbaues unterstützt werde und der Arbeit angemessene Löhne gesichert werden, zn denen Geschicklichkeit und Erwerbsfleiß berechtigt seien. Die gebiete- rische Forderung der Stunde sei die prompte Einführung eines Tarifgesetzes, welches reichliche Ein- künfte gewähre. Der Präsident bittet den Kongreß zum Schluß dringend, sein ganzes Bestreben darauf zu richten, ein solches Gesetz anzunehmen, bevor er ander« Geschäfte erledige. Das wichtigste Kampfmittel ist jetzt der Stimmzettel. Als Mindest- Programm und Forderungen der unmittelbaren Gegenwart werden. folgende Punkte aufgestellt: Verwerfung aller Kolonialpolitik! Fort aus Afrika ! Und fort mit dem Militarismus! Behauptung und Vermehrung der verfassungsmäßigen Freiheiten; allgemeines gleiches und direktes Wahlrecht für die Bolljährigen beider Geschlechter; wirkliche Volkssouveränetät auch in internationalen Dingen; alleinige und progressiv steigende Besteuerung der Besitzenden; allgemeiner »»entgeltlicher Unterricht. Schutz der arbeitenden Frauen und Kinder, Unfallcntschädigung, Kranken- und Altersversicherung für die Arbeiter." Der Aufruf, welcher mit den Worten schließt:Vorwärts an die Urnen im Namen des Sozialismus", wendet sich ausdrücklich außer an die Fabrik- und Landarbeiter auch an die anderen vom Versinken in das Proletariat bedrohten Schichten und an die von Liebe zur Gerechtigkeit und Gesittung beseelten An gehörigen der anderen Klassen. Der Aufruf, der in alle» Wahlkreisen Italiens verbreitet wird, hat eine außerordentlich günstige Aufnahme bei den Volksmassen gefunden; und allgemein, auch von den gegnerischen Zeitungen. wird eine starke Zunahme der sozialistischen Stimmen erwartet. Die glänzenden Erfolge der österreichischen Genosse» arbeiten den italienischen Genossen in die Hände, sporne» sie zu verdoppelten An- strengungen an, und sichern ihnen gröbere Erfolge, als sie ohne die österreichischen Siege hätten erhoffe» könnten. So zeigt sich auch an diesem Beispiele recht schlagend die Jnter Nationalität der Arbeiterbewegung und des Sozialismus. Türkei . Konstantinopel , 16. März. In einem griechischen Kaffeehaus« wurde ein türkischer Osfizier von zwei griechischen Seeleuten er- stochen. Neichskag« 192. Sitzung vom 16. März 1897. 2 U h r. Am Tische deS Bundesraths: von Bötticher, von Marschall. Eingegangen ist die Handwerker-Vorlage. Auf der Tagesordnung steht zunächst die erst« Berathung des Auslieferungsvertrages zwischen dem Reiche und den Niederlanden. Abg. Spahn(Z) hält«S für angemessen, den Vertrag ohne besondere Kommissionsberathung anzunehmen. Abg. v. Marqnardfcn(natl.) schließt sich diesen Aus sührungen an. Abg. v. lvnchka fl.) empfiehlt ebenfalls die Annahme der Vorlage. Damit schließt die erste Berathung. Der Vertrag wird in zweiter Berathung unverändert genehmigt, nachdem noch Abg. Stadthageu(Soz.) ausgeführt hatte, daß Nr. 21 des Artikel 1, welche vom Widerstande oder thätlichen Angriff der Schiffsman» schaft gegen den Schiffsführer oder«inen anderen Vorgesetzten handelt. zuiinklar gefaßt sei. Eine Kommissionsberathung hätte keinen Zweck, weil der Vertrag im ganzen nur angenommen oder abgelehnt werden könne. Es folgt die erste Berathung deS Gesetze? über das Aus- wanderungswesen. Direktor im Auswärtigen Amt Reichardt : Die Regierungen sind sich lehr klar darüber, daß sie nicht die Auswanderung an sich bekämpfen müssen, sonder» nur die Gründe der Auswanderung. Es soll nur verhütet werden, daß eine mißbräuchliche Einwirkung aus die Ent- schließung des Einzelnen ausgeübt werde. Es kommt d rauf an, Handhaben zu schaffen, um eine nationale Auswanderungspolitik zu ermöglichen; aber in Paragraphen laßt sich eine solche nationale Auswaiideriingspolilik nicht fassen. Die Leitung der Auswanderung nach den Schutzgebieten kann auch gefördert werden, und es wird dafür sogar, wenn alle Verhältnisse geregelt find, ein loyales Werben gestattet fein. Wir erheben nicht den Anspruch, daß die Vorlage unabänderlich ist. Abg. Hasse(natl.) beantragt die Verweisung der Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern. Jetzt liegt endlich eine Vor läge vor und beschränkt sich auf das nothwendigst« Maß. Das andere soll der weiteren Gesetzgebung überlassen werden. ES ist dankbar zu begrüßen, daß der Entwurf den alldeutschen kolonial politischen Wünschen gerecht w'ld. Diese Bewegung wird nicht durch das Jnlereffe für das Reich absorbirt. sondern sie nimmt auch Rücksicht auf die deutschen Auswanderer im Auslande. Heute versteht man unter Kolonialpolitik nur dasjenige, was sich aus die Schutzgebiete bezieht. Seit 1378 aber besteht eine Bewegung, die sich mit der vorliegenden Frage, mit der Regelung deS Aus- wanderungSwesens beschäftigt. Es ist erfreulich, daß die Regierung die Auswanderung an sich nicht mehr bekämpft; sie hat in ihrem Entwurf« 1892 den entgegengesetzten Standpunkt vertreten, indem sie«in Aufgcbotsverfahren mit allen möglichen polizeilichen Chikanen vorschlug. Wenn die AuSwanderungsfreiheit bestehen bleiben soll, dann müssen wir für die Auswanderer mehr sorgen als bisher, namentlich auch bezüglich der Auskunstsertheilung für Auswanderer. Dazu würde allerdings eine starke Vermehrung unserer Beruss- konsulate nothwendig sein. Angesichts der geographischen Verhältnisse Süd- und Westdeutschlands wird man daraus Rücksicht nehmen müssen, daß nicht blos unsere deutschen Häfen die Auswanderung befördern, sondern auch die belgischen und niederländischen Häfen Man wird dasür sorgen müssen, daß die deutschen Häfen nicht das Monopol erhalten. Für die Agenten muß auch eine reichsgesetzliche Regelung vorgenommen und nicht alles der Landesgesetzgebung über- lassen werden. Bisher hatte das Reich als seine Organe nur die Reichskommissarien, die bei den Landes-Polizeibehörden als Kläger auszutreten hatte». Man sollte den Versuch machen, die Sache jetzt umgekehrt zu gestalten und die Reichskommissarien»ur oberen In- stanz zu machen. Abg. Spahn(Z.) schließt sich dem Antrage der Kommissions- berathung an; Redner weist darauf hin, daß verschiedene über seeische Staaten die Einwanderung erschweren, sodaß sehr viele Leute zurückwandern niüssen. Es wird dafür gesorgt werden müfsen, daß nicht Leute auswandern, deren Rückwanderung mit Sicherheit zn erwarten ist. Mit polizeilichen Maßregeln kann man der Aus- Wanderung nicht entgegentreten; sie ist«ine Massen erscheinung, die nicht verhindert werden kann. Wir sind mit einer Regelung des Auswanderungswefens einverstanden; ob aber der vor geschlagene Weg der Konzessionirung der Agenten richtig ist, muß ich dahin gestellt sein lassen. Es ist befremdlich, daß in der Vorlage etwas fehlt, was in dem Kapp'schen Entwurf schon enthalten war, daß namentlich derjenige, welcher Personen bei sich aufnimmt, alle Bor- kehrnnge» zum Schutze der Gesundheit und Sittlichkeit treffen muß. Was dem Logiswirth recht ist, sollte dem Rheder, der die Aus wanderer auf seinem Schiffe befördert, billig sein. Abg. v.«uchka(k.) hält ebenfalls eine Kommissionsberathung für nothwendig. Wünschenswerth wäre es, die Auswanderung in unsere Kolonien zu lenken. Damit beschäftigt sich der Entwurf noch nicht; es wird aber auch in absehbarer Zeit zu einer solchen Förderung der Auswanderung noch nicht kommen können; es sei aber schon vorgesehen, daß für Kolonialgesellschaften von der Forderung des§ B abgesehen werden kann, daß die Beförderer von Auswanderern vor ihrer Konzessionirung den Nachweis führen müssen, daß ihnen die dazu geeigneten eigenen Schiffe zur Verfügung stehen. Auf die Einzelheiten dieses Gesetzes einzugehen wird Sache der Kommission sein. Abg. Frese(frs. Vg.): ES sind schlimme Dinge nicht vor- gekommen, welche es bedauern ließen, daß wir ein Auswanderungs- gesetz noch nicht gehabt haben. Die Vorlage will die Handhabe schaffen für eine wirthschaftlich« und nationale, zielbewußte Aus- wanderungspolitik. Dieses Ziel soll erreicht werden durch Ablenkung der Auswanderer von ungeeigneten und Hinlenkung zn geeigneten Gebieten, wo der deutsche Einwanderer auch der deutschen Land- wirthschaft keine Konkurrenz macht. Es soll wohl gar dafür gesorgt werden, daß die Auswanderer im Auslande nur Maaren deutscher Provenienz für ihre Bedürfnisse verbrauchen. Auch die Förderung der Auswanderung nach den deutschen Kolonien ist beabsichtigt. Die Reichsgesetzgebmig sollte sich nur auf Schutz und Fürsorg« für die Auswanderer beschränken. Die Uebernahme weiterer Auf-, sequenzen im Gefolg« haben würde, schließlich' komm« ma. gaben legt dem Reiche ein« Verantwortung auf, die eS nicht ragen kann. Die Einschränkung der Auswanderungsfreiheit wurde chließlich für das Reich von mißlichem Erfolge begleUet ein. Wenn der Auswanderung Hemmnisse entgegengestellt werden, so wird dadurch nur die deutsche Rhederei geschädigt; denn die Auswanderer werden dann einfach die ausländischen Hafen aufsuchen. Der sachverständig- Beirath ist eine problematische Em- richtung. Schließlich wird der Reichskanzler doch ohne Anhörung des Beiraths seine Entscheidung fällen. Zum theil ist dw Beforde- rung von Auswanderern mit der Güterausfuhr verbunden, und dieser Güterverkehr verfolgt seine bestimmten Bahnen, und es muß dafür gesorgt werden, daß diesen Rheder» die Beförderung der AuZlvanderer zugestanden werde und nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen wieder genommen werden kann. Abg. Barth(frs. Vg.): Es wird nicht möglich sein, der Aus- Wanderung solche Direktiven zu geben, daß die Auswanderer vor Schaden bewahrt werden. Damit würde das Reich eine viel zu große Verantwortung auf sich nehmen. Trotz seiner Kolonien schickt England seine meisten Auswanderer nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika , weil sie dort annähernd die alten Lebens- bedingungen wiederfinden. Die Absicht, daß man die Aus- Wanderung von einer Stelle weg und an eine andere ableUen will, erfüllt mich gegen die Vorlage mit großem Mißtrauen. Bedenklich ist deshalb auch die Konzessionirung, die jeden Augenblick aufgehoben oder beschränkt werden kann. Dadurch kann jedes Unter- nehmen schwer geschädigt werden. Auch die Agenten sind vollständig der Verwaltungswillkür ausgesetzt. Alle diese Dinge müssen in der Spezial- disknssion eingehend erörtert werden. Verwahrung muß aber da- gegen eingelegt werden, daß indirekt ein Monopol für die deutsche Schifffahrt durchgeführt werden soll. Das von Cleveland abgelehnte Einwanderungsgesetz dürfte wieder vorgelegt und schließlich an- genommen werden und das deutsche Vorgehen dürste die JingoeS verleiten, unseren Schiffen immer mehr Schivicrigkeiten zu bereiten. Was sind denn Auswanderer? Der Grundbegriff der Auswanderer sollte gesetzlich festgelegt werden. Man sollte sich an dem Börsen- gesetze ein Beispiel nehmen. Ein Börsengesetz ist erlassen worden und trotzdem weiß niemand, was eine Börse ist. Abg. Förster-Neustettin(Reformp.): An der Klarstellung des BegriffesAuswanderer" wird das Gesetz wohl nicht scheitern. Die Vorlage kommt viel zu spät, aber nicht unzeitgemäß. Der Vorredner und seine Fraktionsgenossen haben erheblich übertrieben und Fol- gerungen aus den Vorschriften gezogen, die durchaus nicht noth« wendig sind. Nach Südamerika , nach Ostasrika und nach Südafrika muß die Auswanderung gelenkt, von Nordamerika muß sie grund- sätzlich abgelenkt werden. Direktor im Auswärtigen Amt Reichardt : Mit Rücksicht auf die bevorstehenden KonunissionSberathungen versage ich mir, auf die Einzelheiten der Bemerkungen der Borredner einzugehen. Daraus wird die Vorlage einer Kommission von LI Mitgliedern überwiesen. Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch. 1 Uhr(Anträge, darunter An« trag v. Kardorfs wegen Aenderung der Bäckereiverordnung). PÄrlTnrenksurtpflies« Die sozialdemokratische Fraktion erörterte in ihrer letzten Sitzung auch die Vorgänge im Orient. Man einigt« sich in der Art Stellung zu nehmen, daß daS Selbstbestimmungsrecht der Kretenfer anerkannt und gegen jede gewaltsame Einmengung Deutsch - lands Protest erhoben wird. Zum Handelsgesetzbuch haben die sozialdemokratischen Kommissionsmilglieder beantragt, dem Artikel 1 des Einführungs« gesetzes folgenden Zusatz zn geben: Der sechste Abschnitt des ersten Buches deS Handelsgesetzbuchs (bezieht sich auf die Verhältniffe der Handelsgehilsen und-Lehrlinge sKündiaungsfrist, Konkurrenzklausel, soziale Verpflichtungen in bezug auf Wohn- und Schlasräume Arbeitszeitj) tritt am 1. Januar 1893 in kraft." Ferner dem Reichstage folgende Resolution zur Annahme zu empfehlen: Der Reichs- tag wolle beschließen, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, für die nächst« Session die Vorlegung eines Gesetzentwurfes zur Regelung der Betriebsverhältniffe im Handelsgewerbe zu veranlassen, wonach 1. Handlungsgehilfen und-Lehrlinge nicht länger als täg- lich zehn Stunden, und nicht in der Zeit von acht Uhr abends bis sechs Uhr morgens beschäftigt werden dürfen; 2. zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Prinzipale,» einer- seits und Handlungsgehilsen und-Lehrlingen andererseits kauf- männische Schiedsgerichte nach Art der Gewerbegerichte errichtet werden; 8. die Gewerbe-Jnspektion auf das Handelsgewerbe ausgedehnt, und die Beaufsichtigung besonderen Handelsinspektoren übertragen wird. Als Redner fttr die Handwerkervorlaae sind seitens unserer Fraktion die Abgeordnelen Grillenberger und Bock bestimmt worden. Budgetkommissio«. Berathung de? außerordentlichen Marine- Etats. Die Forderungen unter Titel 1 und 2 für Beschaffung von Geschützen, Munition w. für Hafen- und Küstenbesestigungen in Summa 859 999 M. werden bewilligt. Für die Verstärkung der Hafenbefestigimg von Kiel werden als erste Rate 1 Million Mark gefordert, die Gesammtfordcrung beläuft sich aus 5 259 999 M. Der Referent ist durch seine vorjährige Reise nach Kiel in Gemeinschaft mit dem Korreferenten von der Nothwendigkeit der Verstärkung der Befestigungen überzeugt und beantragt die Bewilligung der Forderung. Nach einigen Erläuterungen vom Regierungstisch wird dem Antrag gemäß beschlossen. Titel 4 und 5, Echlußraten im Gesammlbetrag von 1938 999 M. werden bewilligt. Ebenso wird bewilligt die erste Bauräte für daS schon eine Reihe von Jahren vergebens geforderte große Trockendock a»f der Werft in Kiel mit 1 Million Mark. Die Gesammtkosten sind auf 8 599 999 M. veran- schlagt. Durch die Neubewilligungen werden über 11 Millionen Mark auf künftige Etats übernommen. Die außerordentlichen Etatsforderm�en sind damit erledigt und wird zur Berathung des ordentlichen Etats übergegangen. In den Verhandlungen fällt auf, daß der Staatssekretär Holl- mann zwar zugegen ist, aber im Gegensatz zu den früheren Sitzungen, sich schweigsam verhält und alle an die Marinekommissio» gerichteten Fragen oder gegen dieselbe erhobenen Einwände durch seine Kommissäre beantworten läßt. Der Jndienftstellnngsplan wird bewilligt, ebenso die Einnahmen. Unter Titel I der Ausgaben wird eine neue Forderung: Dienst- zulage für den kommnndirenden General 18 999 M. bewilligt. Die folgenden Titel und Kapitel werden ohne Debatte beivilligt. Bei Kapitel 59, Seelsorge und Garniso» schulen bringt Abg. L i» g e n s. wie üblich, Beschwerden an wegen ungenügender Seelsorge für die katholischen Mannschaften. Der Besuch des Gottesdienstes sei un- genügend und die Offiziere gingen mit schlechtem Beispiel voran. Er schildert weiter die kirchlichen Zustände in Wilhelmshaven , die nach seiner Meinung nnerträglich seien, ebenso. in Kuxhaven und Helgoland; er verlangt Bau katholischer Kirchen und zahlreichere Anstellung katholischer Geistlicher. Er beantragt eine Resolution, durch welche die Anstellung eines neuen katholischen Geistliche» und der Bau von katholischen Garnisonkirchen in Wilhelmshaven und Kuxhaven gefordert wird. Abg. Prinz v. Arenberg spricht sich in gleicher Richtung wie der Vorredner ans. Die Klage» des Abg. L in a e n S werden durch den Regierungskommissar B c h r e n s in ausführlicher Rede widerlegt. Von den Geistlichen der Marine seien keine Beschwerden über vorhandene Mißstände erHobe» worden. Abg. L i n g e n s nimmt noch einmal das Wort, begegnet aber allgemeiner Unruhe. Abg. Gras v. R o o n erklärt sich gegen dieÄnträge LingenS. Graf v. Posado wLky erklärt, finanzielle Bedenken seie» nicht vorhanden, um den Wünschen entgegenzukommen. Abg. Bebel erklärt sich für volle Sonntags- ruhe der Marinemannschaften und volle Freiheit an Sonn- und Feiertagen, die Kirche zu besuchen, erklärt sich aber gegen j.-de» Zwang der darauf ausgeübt wird. Im weiteren erklärt er sth gegen den Antrag ans Kirchenbmilcn, der unabsehbare Km,