3. Beilage zum Demokratischen Wochenblatt Nr. 32.
Eine sozialdemokratische Arbeiterversamm: Böhmens zu ziehen. Doch als das preußische Bolt Bulver gerochen
Nach der Neuen Frankfurter Zeitung.*)
In Zobel's Bierhalle fand heute Vormittags eine Volksversammlung der sozialdemokratischen Partei statt, zu der sich Tausende von Theilnehmern eingefunden. Gegenstand der Tagesordnung war: Bericht über den Stand der sozial- demokratischen Bewegung in Deutschland und Desterreich. Hr. Hartung, der die Verſammlung eröffnete, wies darauf hin, daß die sozialdemokratische Bewegung sich in Deutschland schon früher Bahn gebrochen und ungeachtet der Zwistigkeiten in der Partei stetig an Ausdehnung gewonnen. Der bevorstehende Congreß in Eisenach werde den bisher geübten Intriguen die Spitze abbrechen und eine einheitliche sozialdemokratische Bartei schaffen. Redner theilt nun mit, daß Hr. Wilhelm Liebknecht aus Leipzig in der Versammlung anwesend sei und über die Entwickelung der sozialdemokratischen Bewegung in Deutschland das Wort ergreifen werde.( Stürmischer Beifall.)
Die Versammlung wählte hierauf Hrn. Schen zum Vorsitzenden, nachdem Hartung dieses Amt abgelehnt. Zum Schriftführer wurde Hr. Dorsch bestimmt.
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Herr Liebknecht betritt als erster Redner die Tribüne, von stürmischen Hochrufen empfangen. ,, Arbeiter Wiens" begann er ,, ich bin stolz auf Ihren Empfang und fühle mich glücklich in Ihrer Mitte; ich überbringe Ihnen den Gruß der deutschen Sozial- Demokraten, die gleich mir mit Freude die österreichische Arbeiterbewegung verfolgen, die seit 12 Jahren meteorgleich hier aufgestiegen, ihren Glanz nach Deutsch land hinüberwirst!" Redner beginnt nun mit der Entstehung der sozialdemokratischen Bewegung in Deutschland , mit dem Auftreten Lassalle's im Jahre 1863. Lassalle habe diese Bewegung nicht gemacht, sie war bor ihm in Frankreich , England und hatte auch unter den Arbeitern und Schriftstellern Deutschlands ihre Vertreter. Allein Lassalle gebührt das Verdienst nach der Contrerevolution, welche der 1848er Revolution folgte, die Initiative ergriffen zu haben. Er gründete den allgemeinen deutschen Arbeiterverein. In dem Moment, als sich die Arbeiterbewegung zu ent wickeln begann, starb Lassalle . Sein Tod hatte Zwiespalt in der Partei zur Folge.
Redner fömmt nun auf die Gründung des Parteiorgans, der Sozial- Demokrat" in Berlin , zu sprechen.„ Der Gründer dieses Organs, Hr. v. Schweißer, wurde bald dem Programme untreu, nicht blos auf sozialem sondern auch auf politischem Gebiete in schärfster Form die Grundsätze der Sozial- Demokratie zu vertreten. Die preußische Regierung wollte die Arbeiterbewegung als Wertzeug für die Knechtung des Staates benutzen, und der„ Sozial- Demokat" brachte Artikel im Sinne Bismard's anstatt, wie es die Parteigenossen verlangten, entschieden vorzugehen gegen die annexionistische, antinationale und antidemokratische Politit Bismarcks. Herr v. Schweizer hatte sein Ehrenwort gebrochen. In Folge dessen traten Marx, Engels, Herwegh und ich von der Redaktion zurück; die Einigkeit der Partei war unge= achtet aller unserer Bemühungen, sie au recht zu erhalten, durch Schweiher zerstört." Nedner erzählt nun von seinen kämpfen gegen Schweitzer, bei weichen dieser sich des Schutzes der preußischen Polizei zu erfreuen hatte. Er referirte über seine Verbindung mit Bebel , dem Präsidenten des Verbands deutscher Arbeitervereine und über einen weiteren Vereinigungsversuch mit Hrn. v. Schweizer . 1868 versprochen, auf der Generalversammlung seines Vereins das Programm der internationalen Arbeiterassoziation zur Annahme vorzulegen, Verbands zu Nürnberg das internationale Programm angenommen war, jedoch nicht that. Als aber auf dem Vereinstage des Bebel 'schen Arbeitervereins erfolgte, so daß nun tein Hinderniß der Einigung mehr bestand, da erneuerte Hr. v. Schweitzer im„ Sozial- Demotrat" seine Angriffe auf uns und das Nürnberger Programm, und wir mußten neuerdings, wenn auch mit großem Widerstreben, den Kampf mit Hrn. v. Schweitzer aufnehmen. Ich sage mit Widerstreben, denn dieser Kampf mußte schuimme Leidenschaften erwecken. Das war aber gerade die Absicht Schweiger's. Aehnlich wie Bismarc Preußen in den Krieg von 1866 rip, um die innere freiheitliche Bewegung im Lande zu unterdrücken, so hetzte Schweitzer seine Anhänger in den Kampf gegen uns, um die entstehende Reformbewegung im Allg. deutschen Arbeiterverein zu ersticken.
was er
,, Schweitzer hat im Frühjahr
reich und Preußen. Das gesammte preußische Volt protesiirte laut gegen diesen Krieg. Allein traft der Schulregulative, nach welcher in Preußen jedes Kino vom sechsten Jahre an zum föniglich preußischen Unterthan dressirt und kraft der Militärverfassung, durch welche fast die Hälfte der männlichen Bevölkerung zu willentojen Maschinenmenschen herangedrillt wird, gelang es Bismard, das preußische Volf auf die Schlachtfelder
stehende Bericht ziemlich lückenha't ist, wird in nächster Zeit ein wortgeDa die Rede Liebknechts vielfach entſtellt und auch der nachtreuer und die ganzen Berhandlungen umfassender Bericht veröffentlicht
merden.
hatte, vergaß es seinen Protest. Das ist ja der Fluch des Kriegs, daß er ,, die Bestie im Menschen" entfesselt. Im Kampfe erwachte die Leidenschaft, sie gewann die Oberhand über den Verstand. Preußen wurde hiefür schwer gestraft. Aus den blutgetränkten Feldern Sadowa's erwuchs für Desterreich Freiheit, für Preußen Armuth, Knechtschaft, Schmach nach Innen und Außen!( Unruhe im Hintergrunde des Saales. Eine Stimme: Es sind ein paar Herren da, die die Rede nicht anhören können!" Stürmische Rufe: Hinaus mit ihnen!)
Vorsitzender: Wenn diese Herren die Rede nicht anhören fönnten, so würden sie sich ja von selbst entfernen müssen, da sie aber hier bleiben, ist dies der beste Beweis, daß sie die Rede anhören können. ( Heiterleit.)
Liebknecht: Arbeiter Wiens! Man hat mir erzählt, daß es in Wien Leute gebe, die für Bismarck's Politit schwärmen. Ich hielt dies für ein Märchen. Sollte es teines sein?( Bravo.) So wie sich in diesem Kriege Bruderstämme in Haß zerfleischten, so erregte auch der Kampf mit Schweitzer unter den Arbeitern Leidenschaft, Haß, böses Blut und erschwerte die Einigung der Partei. Jm März d. J. fand die Generalversammlung des allgemeinen deutschen Arbeitervereins in Elber feld statt. Ich erklärte, ich werde dort mit Bebel erscheinen und be= weisen, daß Schweißer die Spaltung in der Partei hervorgerufen, daß er für Bismarck arbeite. Wir hielten unser Wort, begründeten unsere Anklage und Schweißer war feige genug auszuweichen. Zum Bruch innerhalb des Algemeinen Deutschen Arbeitervereins kam es damals noch nicht. Schweitzer vereinigte sich bald darauf mit der Gräfin Hatzfeldt , um jede Reform des Vereins illusorisch zu machen. Das alte Bereinsstatut, welches er wiederherstellte, gab ihm eine diktatorische Ge walt, eine solche Organisation ist nicht zu bessern, sie mußte zerstört werden. Alles, was Verstand, gepaart mit Erlich eit besaß, trat aus dem Vereine aus; dieser zählt nur wenige Mitglieder mehr, und Hr. Schweitzer unterließ es anzugeben, mit wie viel Stimmen er in der letzten Versammlung gewählt wurde. Die gegenwärtige Stärke der organisirten sozialdemokratischen Partei ist ungefähr: Der Berband der deutschen Arbeitervereine zählt 10,000-12,000 Mitglieder, 5000-6000 Mitglieder sind aus dem allgemeinen deutschen Arbeitervereine ausgetreten; in der Schweiz haben sich uns 2000 angeschlossen und die Arbeiter Wiens, Desterreichs halten ebenfalls zu uns.( Auscitige Zustimmung.) Die Arbeiter aller Länder führen einen gemeinsamen Kampf; doch en Schlag, der die Arbeiter Amerikas , Belgiens , Frankreichs trifft, berührt die Arbeiter Desterreichs nicht so hart, wie der Schlag, der die Arbeiter Deutschlands trifft. Denn die Arbeiter Desterreichs gehören zum deutschen Arbeiterverbande. Die jetzige Ausschließung Desterreichs aus Deutsch land ist nur eine provisorische, vorübergehende. Desterreich muz wieder zu Deutschland zurückkehren, aber nicht zu dem Deutschland Bismarck's, sondern zu einem freien, auf demofratischer Grundlage gecinten. Die Einheit fann nur im freien Deutschland erstehen, ein geeinigtes freies Deutschland heißt der Sturz Bismard's und seiner Politik. Mit den österreichischen Arbeitern stehen wir nicht im internationalen, sondern im nationalen Verhältnise; wir können uns nicht organisiren ohne ste. Die Gesetze verbieten den direkten Anschluß an die internationale Assoziation. Allein um Jdeen Eingang zu verschaffen, bedarf es keiner Organisation, welche die rohe Hand der Polizei greifen kann. Ideen sind zollfrei.( Bravo.) Redner theilt nun mit, daß am 6. Juli in Braunschweig der Beschluß gefaßt wurde, für Anfang August den Congreß nach Eisenach einzuberufen, dessen Hauptaufgabe darin bestehen soll, eine Organisation für die gesammte sozial- demokratische Deutschlands Partei festzusetzen. Er lade hiermit die österreichischen Arbeiter ein und hoffe, daß sie Delegirte zum Congreffe entfenden werden.
Der Polizeicommiär macht aufmerksam, daß dies bereits die Tagesordnung überschreite.
Liebknecht: Ich werde soeben aufmerksam gemacht, daß dies nicht zur Tagesordnung gehöre, ich muß mich daher beschränten, Ihnen den Man Beschluß mitzutheilen und meinen Auftrag Sie einzuladen. wird am Congreffe die Vereinigung zu hintertreiben suchen. Herr v. Schweizer schickt Delegirte hin, um Störungen zu verursachen. Gut! Wir werden uns nicht beirren lassen. Wir gehen unsern eignen Weg. Wer nicht mit uns gehen will, der esse mit Schweitzer die Brofamen vom Tische des preußischen Ho es und drücke die Hand des Bruders des Königs von Preußen!*)( Heiterfeit.) Uebrigens glaube ich gar nicht, daß Herr v. Schweizer die eigentliche Absicht hat, uns zu überrumpeln, sonst würde er es nicht 4 Wochen vorher fagen; er kennt die preußische Polizer genau, besser als ein Demokrat sie fennen soll, und glaubt die Polizei fei überall so wie in Preußen, wo sie unbeschadet des bestehenden Vereinsrechtes bei voraussichtlichen Ruhestörungen eine Versammlung verbieten kann. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß er durch die angedrohten Rubestörungen das Verbot des Congresses erwirken will. Allein hier macht Herr v. Schweißer die Rechnung ohne den Wirth. In dem Heinen Thüringen da herrschen ganz eigenthüntliche Zustände. Dort giebt es gar kein Vereinsgesetz. Man versammelt sich eben wie man will!( Große Heiterkeit.) Das Volk ist dabei glücklich und es kommen
*) Des Prinzen Albrecht ,, lönigl. Hoheit".