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und geht nicht in die Versammlung. Uebrigens enthielt sein Brief die Versicherung, daß er stets zu finden sein werde, wo man mit Ernst, Anstand und Würde über die große Arbeiterfrage verhandle. Die Agitation in Hamburg und Altona macht für uns Fortschritte; schon kommen 42 Exemplare des Parteiorgans nach beiden Städten.
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Braunschweig , 11. August. Gestern Abend ist der Vorort der Partei, als man die Delegirten zum Congreß noch in Eisenach wußte und auch unsern H. Ehlers fern wähnte, von den Schweitzerlingen Lübkert aus Berlin und Wolff aus Hamburg überfallen worden. Leider sind die braunschweiger Arbeiter fein Futter mehr für solche Wölfe, welche denn auch wie begossene Pudel abziehen mußten. Unsere Arbeiter wollen die Bemerkung gemacht haben, daß das alte Sprüch wort von den Wölfen in Schafskleidern hier gerade umgekehrt zutreffe. Ausführlicherer Bericht folgt. C Lüdecke.
Braunschweig , den 14. August. Bei seinem Hiersein erklärte Herr Lübkert gauz offen, daß die Reisegelder für die 9 Agitatoren, welche neulich zur Berherrlichung des, der Kasse 100 Thir. vorgestreckt habenden(?) Herren von Schweitzer in die Welt hinausgeschickt wurden, aus der Verbandskasse entnommen worden seien.
Also hierfür hat jener herrliche Diktator diese Kassenorganisation geschaffen nicht aber um gewissermaßen für die einzelnen Gewerkschaftskaffen eine Rückversicherung zu haben.
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Nun, wer noch ferner Luft hat, sich so um sein Geld auf Nimmerwiedersehen beschwindeln zu lassen, dem steht das offen, Herr von Schweitzer spielt ja seine Rolle weiter. Man kann ihn in Berlin nicht entbehren.
Wem es dagegen ernstlich um die Emanzipation des vierten Standes zu thun ist, der stelle sich mit den Holzarbeitern auf den Boden der internationalen Vereinigung der Gewerkschaften.
Berlin , den 18. Auguft. Der Demokratische Arbeiterverein" nahm in seiner gestrigen Sitzung die Berichterstattung seines Deiegirten, Herrn Metzner, entgegen, wobei ihn Herr Aron, der auch von anderer Seite delegirt war, unterstützte.
Nachdem dieselben über die Vorgänge der Vorversammlung( den gescheiterten Standalversuch) berichtet, einige Vorwürfe, die unsrer Partei und einzelnen Mitgliedern derselben von den Schweitzerianern gemacht find, zurückgewiesen, sowie die hauptsächlichsten Beschlüsse bez. der Orga= nisation und das Programm beleuchtet hatten, wurde denselben für ihr Wirken und Verhalten auf dem Congreffe die vollste Zustimmung der Versammlung ausgesprochen. Sobald das vollständige Protokoll vorliegt, soll die Reorganisation des Vereins auf Grund der CongreßVorlage statt haben, unter welcher Reserve auch von anderer Seite ( den früber gewesenen Mitgliedern des Allgemeinen deutschen Arbeiter Vereins ) der Anschluß an den demo.ratischen Arbeiterverein in Aussicht gestellt werde.
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Magdeburg , 15. Aug. Kaum war ich am Mittwoch früh 3 Uhr in Magdeburg angekommen, als auch schon ein Telegramm von Staß furt anlangte:„ Mittwoch Abend Versammlung, Klein aus Elberfeld , Brauer aus Hamburg bier, unbedingt kommen." So unlieb es mir auch war, kaum zu Hause zu sein und wieder nach Staßfurt zu müssen,
so setzte ich mich doch nach Tische auf die Bahn und fuhr hinüber. Jch traf mur Klein aus Elberfeld , der, sichtlich überrascht, beim Eintritt in den Saal zu mir sagte: Was wollen Sie, ich habe nur eine Mitgliederversammlung der Gewerkschaften zusammenberufen, da dürfen Sie nicht sprechen." Jch antwortete ihm gebührend. Die Versammlung wurde eröffnet und wählte mich zu ihrem Vorsitzenden; ich ertheilte Klein das Wort, und nachdem er ein Stück auswendig gelernten Agi= tationsvortrag gehalten, gab er einen lügenhaften Bericht über den Congreß, und verlangte, die Hand- und Fabrikarbeiter sollten ihn als ihren Präsidenten anerkennen, und alle Abgefallenen, wie Bremer und Bolling, zurückweisen. Jetzt ergriff ich das Wort und widerlegte den ganzen schamlosen Schwindel und Lügenbrei es dauerte nicht lange, so rief die ganze Versammlung: Klein ist ein Lügner! Klein herunter, wir wollen mit ihm nichts zu thun haben! Klein, der noch eine Vertheidigung für Herrn Schweitzer und sich anbringen wollte, wurde überfchricen und ausgepfiffen. Nachdem ich die Ruhe wieder hergestellt hatte, beschloß die Versammlung, 1500 Mann start, sich der sozial- demokratischen Arbeiterpartei anzuschließen. Nach wiederholten Hochrufen auf das Resultat des Congresses der sozial- demokratischen Arbeiterpartei wurde die Versammlung um 1 Uhr Nachts geschlossen. Klein wird an Staßfurt noch lange denken. ,, Klein ist ein Lügner!"
Am Donnerstag traf ich wieder in Mageburg ein, aber siehe ,,, Wolf und Bräuer aus Hamburg waren auch eingetroffen," einige Mitglieder des Schneidervereins brachten dieselben zu mir ins Geschäft. Sie gaben an, es müsse heute in Magdeburg Versammlung sein. Die war nun leider nicht. Ich bat, fie möchten doch eine einberufen, ich würde mich freuen, es bei ihnen eben so zu machen, wie es Klein in Staßfurt betommen, aber sie hatten keine Lust und sind den andern Morgen wieder unverrichteter Sache abgereift. Bremer.
Gera , 18. August. Auch unsere Stadt batte sich am 12. d. Mts. des Auftretens zweier Agitatoren Schweitzer's zu erfreuen, die eine Versammlung durch Plakate nach ,, Bellevue" einberufen hatten und welche start besucht war. Auf der Tagesordnung stand: Der allgemeine deut sche Arbeiterverein" und" Bericht über den Eisenacher Congreß". Als Referent fungirte ein Herr Kühn aus Leipzig , dem ein Herr Klinkhardt aus Zeitz sekundirte. Erfigenannter entwickelte in seinem Vortrage die Verfassungszustände, Wort für Wort der Lassalle'schen Brochüre folVerantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht. ( Redaktion: Brauftr. 11)
gend, dem von unserer Seite nichts entgegengesetzt wurde. Als Redner jedoch auf den Eisenacher Congreß zu sprechen fam, legte er sich furchtbar aufs Lügen, und es entstand eine hitzige Debatte, die bis friib 1 Uhr dauerte. Unser Vorstand E. Brätter und Hr. Zerboni fertigten die Agenten Schweitzer's gebührend ab. So sollte unter Anderm der Congreß im Gasthof zum Mohren" bei verschlossenen Thüren getagt haben; überhaupt bestand dieser sog." Congreßbericht" nur in Verdächti gungen der Herren Bebel und Liebknecht." Hr. Brätter hielt den Schweizerlingen entgegen, daß sie nicht nach Eisenach gekommen wären, um die Einigung herbeizuführen, sondern um dieselbe zu verhindern; das hätten sie durch ihr rohes Betragen bei der Vorberathung im ,, Löwen" bewiesen, welches die Vertreter Desterreichs und Ler Schweiz mit Elel erfüllt habe. Nicht Jünger ihres großen Meisters seien die heutigen Lassalleaner, sondern Bastarde desselben.
Hierauf verlangten die Agenten Schweitzer's Beweise dafür, daß Letzterer der Reaktion diene. Es wurde entgegnet, daß Schweitzer bei Berathung des Militärbudgets im Norddeutschen Reichstag" sich als Apostat entpuppt, indem er als Vertreter der Demokratie für das Militärbudget gestimmt*). Hr. Kühn stellte diese Thatsache natürlich in Abrede, und bezeichnete es als eine böswillige Erfindung des Herrn Bebel. Bei der Debatte über das allgemeine Wahlrecht bezeichneten die Sendlinge Schweizer's dieses Recht als einziges Heilmittel gegen alle socialen Schäden. Brätter wies auf Frankreich hin, wo dasselbe schon seit 18 Jahren besteht, und auf Napoleon , der während seiner Gefangenschaft gar schöne Dinge über Sozialismus geschrieben hat, und frug: wie weit sind die französischen Arbeiter bis heute gekommen? Das allgemeine Stimmrecht sei nur von Werth in einem Staate, wie er durch das Eisenacher Programm angestrebt werde; in absolutistisch regierten Staaten, wie Frankreich und Preußen, sei dasselbe werthlos. Die Regierungen wären flug genug, dem Kampf der Arbeiter gegen die Bougeoisie den möglichsten Vorschub zu leisten; sie träfen so zwei Fliegen mit einem Schlag. Denu einestheils treibe man hierdurch die Bourgeoisie der Reaktion in die Arme, anderntheils bestärke man die Arbeiter in dem Glauben, als wolle man etwas für sie thun. Das sei der reinste Macchiavellismus.
Nachdem die beiden Herren in dieser Weise auf den Sand gesetzt und ihre auswendig gelernten Phrasen erschöpft waren, da war auch die Debatte erschöpft. Sie forderten nunmehr die Anwesenden auf, sich in die Liste des Allgemeinen Deutschen Arbeiterveins einzuzeichen, welcher Aufforderung nicht Einer nachtam. Und somit war die Absicht der Schweißzerlinge vollständig vereitelt.
Sonnabend darauf hielt unser Verein eine allgemeine Versammlung ab, in welcher Brätter über den Eisenacher Congreß referirte und in kurzen Zügen die dort gefaßten Beschlüsse charakterisirte. Es zeichneten sich denselben Abend 22 neue Mitglieder ein, und hoffen wir, daß bald noch mehr dazu treten werden.
Leipzig , den 19. August. Die Holzarbeiter hielten am Dienstag Versammlung im Wiener Saal, in welcher der Delegirte Seiffert über den Eisenacher Congreß Bericht erstattete, sich über das Resultat des Congresses sehr befriedigend aussprach und den Anwesenden den Eintritt als Mitglieder der sozial- demokratischen Arbeiterpartei empfahl. Die Versammlung erklärte sich mit der Haltung ihres Delegirten einverstanden. Hierauf brachte Bebel die Stellung der internationalen Holzarbeiterschaft zur Allgemeinen deutschen Holzarbeiterschaft zur Sprache und beantragte auf Grund der Eisenacher Beschlüsse die Vereinigung resp. Eintritt in den Allgemeinen deutschen Gewerk- Verein der Holzarbeiter unter dem Präsidium York's. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Jm Arbeiter- Bildungsverein erstatteten Schmalz und Schilling in zahlreicher Versammlung gestern Abend Bericht. Auf Antrag Be bel's beschloß die Versammlung gegen Eine Stimme Annahme des Ei senacher Programms und Beitritt zur sozialdemokratischen Arbeiterpartei.
*) Nicht gestimmt hat Dr. Schweizer für das Militärgesetz, sondern gesprochen; bei der Abstimmung drückte er sich.
Zur Notiz. Theils wegen Mangels an Raum, theils wegen zu später Einsendung mußten mehrere Berichte 2c. zurückgestellt werden. Wenn Berichterstatter ihren Namen genannt wünschen, so sind sie gebeten, dies ausdrücklich zu bemerken.
Zur Beachtung.
In der am 7. August stattgehabten Generalversammlung des Arbeiter- Gesangvereins„ Germania ", rue du faubourg St. Martin No. 64 in Paris , wurde einstimmig die Errichtung eines
Arbeitervermittlungs- Bureau's beschlossen, welches zum Zweck haben soll, deutschen, daselbst ankommenden Arbeitern unentgeltlich Arbeit zu verschaffen. Baris, den 12. August 1869.
Louis Bauer.
Der Schriftführer:
Druck und Verlag: F. Thiele.
Ferreritione atonal
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A. Schnitzlein.