wirken der Zeitverhältnisse. Es ist z. B. von einem Kirchen lehrer und Kirchenvater, Lactantius  , erklärt worden: Es ist leicht nachzuweisen, daß beinahe die ganze Wahrheit unter den Philosophen und Sekten vorhanden sei; wenn Jemand unter­nähme, die bei den Einzelnen zerstreute, unter die Sekten aus gesprengte Wahrheit zu sammeln und in ein Ganzes zusammen­zufügen, so würde er gewiß von uns( Christen) nicht abweichen." Aehnlich Clemens von Alexandrien   und der heilige Augustinus  . Es lag eben in der allgemeinen Richtung der damaligen Zeit; fie begünstigte das Auftreten eines Messias  . Man erwartete im jüdischen Volke allgemein den Messias, und es hatten sich ja schon vorher Verschiedene für den Messias ausgegeben. Es waren andere Personen aufgetreten, die ähnliche Richtungen verfolgten, z. B. Johannes der Täufer, und es ist leicht er flärlich, daß, wenn ein Mann in diese allgemeine Stimmung mit einem idealen Kopf, mit einer lebhaften Phantasie hinein tritt, er die Wirkungen hervorrufen mußte, wie es von Jesus  geschehen. Und selbst aus den Einzelheiten des Auftretens Jesu läßt sich erkennen und ist auch nachgewiesen, daß die all­gemeine Stimmung eben die Art und Weise seines Auftretens beeinflußte und bestimmte. Sie wissen, daß Jesus   einen großen Eindruck machte durch die Wunder, die er that. Ja, m. H., es war dies nothwendig, sonst hätte er eben die Erfolge nicht gehabt; die Zeit war eine derartige, daß man nur einen Ein­bruck machen konnte durch Wunder. Alle Männer jener Zeit, die eine Bedeutung erlangen wollten und erlangt hatten- ich erwähne nur den Zauberer Simon in Samarien  , Apol­ lonius von Tyana   und den alexandrischen Philosophen Plotin  -hatten sie nur dadurch erreicht, daß sie irgendwie erklärten, Wunder zu thun, und den Uebrigen die Ueberzeugung beibrachten, daß sie Wunder thäten; und der damalige Zustand des allge­meinen Geistes war ein solcher, daß man es in voller Chrlich­keit that. Man war selbst überzeugt, und es ist gewiß nicht zu viel behauptet, daß Jesus   selbst überzeugt gewesen sei, daß er Wunder gethan habe. Es sind allerdings viele Stellen in der Bibel vorhanden, aus denen sich schließen läßt, daß er sie uur ungern gethan hat, da seinem Standpunkte gegenüber Wunder nicht am Plate waren. Er hat sie oft nur auf Aufforderung gethan und oft verlangt, daß man sie geheim halten folle; einmal sagte er z. B. zu Matthäus: ,, Sprich nicht da­von", aber er mußte sie eben thun, weil die allgemeine An­schauung der damaligen Zeit es verlangte, wenn er sonst nur einige Bedeutung erreichen wollte.

Eine spätere Epoche im Geistesleben bezeichnet uns die Reformation, und auch hier datiren die Strenggläubigen die Entstehung der Reformation von dem Auftreten Luther's   her, von seinem Anschlagen der Thesen an die Schloßkirche zu Wittenberg   und seinem weiteren Verhalten. Doch ist auch dies, streng genommen, irrthümlich; auch im Mittelalter war die Reformation, die eigentliche Reformation schon präeristent*) dem Auftreten Luther's  . Die Geister waren schon vorher mit der Reformation beschäftigt; nicht streng genommen in dem Sinne wie Luther   sie ausgeführt hat, sondern in einem um­fafsenderen Sinne. Der Geist der Reformation vor dem Auf­treten Luther's   war ein mehr allgemeiner humanistischer, nicht so streng firchlicher wie er durch Luther   ausgebildet worden ist. Aber auch die Reformation war nicht erst das Ergebniß Luthers  , sondern Luther   ist eben nur ein Glied in der Kette der Bildner der Reformation. Dies geht auch schon daraus hervor, daß unabhängig von Luther   sich ähnliche Bestrebungen anderwärts zeigten, z. B. in der Schweiz  , in Italien  , in Eng­land und anderwärts.

Auch die neuere Zeit zeigt in religiöser Beziehung wohl neue Bestrebungen, indessen die allgemeine Entwicklung des öffentlichen Geistes ist eine derartige, daß religiöse Ideen nicht im Stande sind, ein allgemeineres Interesse hervorzurufen. Es ist dies vielleicht(?) zu bedauern, aber es ist Thatsache. In unserer Zeit sind es eben andere Jdeen, die besonders die Geister be­

*) früher bestehend, existirend vor-

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wegen und intereffiren. Es sind mehr Ideen, welche sich auf das wirkliche Leben beziehen; es sind die sozialen Ideen, die Ideen über gesellschaftliche Verhältnisse, die heutzutage bei wei­tem am meisten die Gemüther bewegen. Nun, meine Herren, auch hier giebt es Leute, die sozusagen strenggläubig sind, und die da sagen, unsere Bewegung datirt von einem bestimmten Zeitpunkte und zwar von dem Auftreten Lassalle's   her, und sie ist ein ausschließliches Ergebniß des Nachdenkens Lassalle's; der Weg zur Lösung der sozialen Frage ist von Lassalle   vorgezeich net und ihm ausschließlich beizumessen. Meine Herren! Wenn ich meine persönliche Ansicht darüber aussprechen soll, so will ich kurz bemerken, daß wohl kaum Jemand eine größere Ver ehrung für Lassalle haben kann, wie ich sie habe, daß aber diese Verehrung für die Person Lassalle's mich doch nicht ab halten kann, unbefangen über sein wirken nachzudenken. Meine Herren, wenn man sachlich darüber nachdenkt, wird man auch hier zu dem Ergebniß kommen, daß das, was Lassalle   gesagt hat, nicht lediglich das Ergebniß seines Nachdenkens gewesen ist. Wie zur Zeit Christi die religiösen Bewegungen und zur Zeit Luther's die Reformation in der Luft lag, so steht ja auch außer Zweifel, daß zur Zeit des Auftretens Lassalle's die Erörterung der sozialen Verhältnisse auch förmlich in der Luft lag. Hatten sich doch Arbeiter, ehe sie sich an Lassalle wende ten, schon mit der Frage beschäftigt, waren doch Comités zu sammengetreten, hatten sich an den Nationalverein gewendet und nach anderer Seite hin, um ihre Bestrebungen zu fördern, und dann erst an Lassalle  . Meine Herren, Lassalle ist ein so ehrlicher und aufrichtiger Mann, daß er selbst es sagt, daß das Weiſte von dem, was er sagt, schon in der Wissenschaft vorher längst und unzweifelhaft festgestanden! Man spricht vielfach, daß Lassalle   das eherne ökonomische Lohngesetz aufgestellt habe, aber Lassalle selbst sagt uns, daß es schon von anderen Männern der Wissenschaft vorher hinlänglich festgestellt sei. Man sagt, Lassalle   habe das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht ver langt. Meine Herren, er hat es verlangt, aber es ist auch schon vor ihm verlangt worden; ebenso Produktiv- Genoffen­schaften in einer oder der andern Weise; und wenn wir dies uns gestehen, so ist das nicht etwa eine Veranlassung, geringer von Lassalle zu denken, weniger Verehrung für ihn zu haben; im Gegentheil, wenn wir objektiv urtheilen, so wird unsere Verehrung, unsere Theilnahme für Lassalle eine um so größere sein, als sie nicht erschüttert werden kann, wenn wir etwa hören, daß Lassalle in Diesem oder Jenem geirrt habe. Im Gegentheil, wenn wir unsere Vorstellung von Lassalle   uns sach­lich bilden, nur dem Verstande nach, ohne daß wir das Gemüth mitsprechen lassen, so werden wir Lassalle viel höher schätzen, als wenn wir nur dem Gefühle nachgingen, und werden auch, wenn wir zu der Ueberzeugung fommen sollten, daß Lassalle sich in dem Einen oder Anderen getäuscht habe, nicht so betrübt darüber sein. Es ist eben vielfach das Gemüth, welches die flare Vorstellung beeinflußt und die Entwickelung der Verhält nisse, wie in früheren Zeiten die Entwickelung anderer Wissen schaften dadurch vielfach gehemmt wurde, daß die Phantasie den Verstand zurückdrängte, daß, wie z. B. in der Medizin und der Naturwissenschaft die Phantasie sich Hirngespinnste macht und dadurch der Verstand zurückblieb und zu keinem Ergebniß kam, und wie erst später als die Phantasie zurückgedrängt wurde, die Wissenschaft es zu bedeutenderen Erfolgen brachte. ( Fortsetzung folgt.)

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Aus England.

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London  , den 9. Auguft. Die irischen Bischöfe haben eine Kirchenversammlung einberufen, auf welcher Geistliche und Laien gleichmäßig ver treten sein sollen, um sich über den veränderten Stand der Dinge zu berathen und sich das neue Haus einzurichten. Der Executiv= Ausschuß der Liberations-( Befreiungs-) Gesellschaft, die die Abschaffung sämmtlicher Staatsfirchen bezweckt, hat ein Protokoll veröffentlicht, worin er seine Befriedigung und An