Der internationale Arbeiter- Congreß.

Basel  , 8. Septbr.

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Gestern hatte ich keine Zeit, von dem herzlichen und schönen Empfang zu reden, der den Delegirten der Internationalen Arbeiterassociation Seitens der hiesigen Arbeiter zu Theil geworden ist. Dieselben haben feine Vorbereitung versäumt und bieten Alles auf, um den Abgesandten den Aufenthalt möglichst angenehm zu machen. Es ist für alle Bedürfnisse in passender Weise gesorgt. Aus den Fenstern des Café National unmittelbar an der Rheinbrücke wo der Congreß seine Sitzungen abhält, hängen die französischen, belgischen, italienischen, deutschen, schweizer u. a. Fahnen heraus; das Sitzungslokal selbst - ein schöner etwa 500 Menschen fassender Saal ist mit Flaggen, Blumen und Laubguirlanden geschmückt, und auf beiden Seiten der Tribüne haben die Baseler Arbeiter Embleme aufgestellt, welche die ge= sammte Baseler Industrie repräsentiren.

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Nachgetragen sei noch, daß in der gestrigen Situng Begrüßungs­telegramme aus Barcelona   und Leipzig   verlesen wurden.

Eröffnung der heutigen Vormittagssigung Morgens 9 Uhr. Der Vorsitzende Jung läßt zunächst die Liste der Delegirten verlesen. Es fehlen nur 7 Mitglieder, davon zwei( Oberwinder und Murat) durch Unwohlsein entschuldigt.

Hierauf folgt Verlesung des Protokolls der gestrigen Sitzungen in den drei Sprachen. Der Umstand, daß im französischen   Protocoll die Discussion über die Frage, ob die directe Gesetzgebung auf die Tages­ordnung zu setzen oder aus Rücksichten der ,, convenance" wegzulassen sei? gibt zu einer Debatte Anlaß, au der sich Robert, Bakunin  , Liebknecht, Eccarius u. A. betheiligen. Es wird beschlossen: 1) daß die drei Protocolle nicht gleichlautend zu sein brauchen, und 2) daß die Debatte über die Frage der direkten Gesetzgebung im französischen   Protocoll zu wähnen sei.

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Die Protocolle werden genehmigt, vorbehaltlich der nöthigen Com­pletirung des französischen  .

Die gestern angeregte Frage der Veröffentlichung stenographischer Protocolle kommt jetzt zur Verhandlung. Es wird zunächst beschlossen, die Stenographen nicht zu den Morgenfißungen zuzulassen, und folgender Antrag von Schwitzguibel, Robin und Robert angenommen:

,, Um für die Zukunft beträchtlichen Zeitverlust bei Eröffnung eines jeden Congresses zu vermeiden, wird eine Commission gewählt, die eine practische Anleitung für die Organisation und Abbaltung der künftigen Congresse auszuarbeiten hat." In die Commission werden gewählt: Robin, Schwitzguibel, Robert, Applegarth, Liebknecht.

Tollain befürwortet nun das Anerbieten des Wochenblatts: ,, La Democratie", das sich bereit erklärt, einen stenopraphischen Bericht der Congreßverhandlungen, der vorher von dem Congreß zu revidiren ist, veröffentlichen zu wollen. Der Bericht würde höchstens in 2 Nummern gebracht werden und 25 resp. 50 Cent.( Preis der betr. Nummer oder Nummern) kosten.

Liebknecht und Hins sprechen dafür. Leßner macht darauf aufmerksam, daß bereits ein Congreßbeschluß existirt, der die Veröffent­lichung des offiziellen Protocolls dem Generalrath überträgt. Liebknecht ist für Aufrechterhaltung dieses Beschlusses, aber auch für Annahme des Vorschlags der Demokratie", der mit jenem Beschluß keineswegs in Widerspruch stehe. Das Anerbieten wird einstimmig angenommen und die französischen   Sekretärs mit Durchsicht des Berichts betraut.

Eccarius beantragt, daß alle Actenstücke des Congresses dem zu erwählenden neuen Generalrath eingehändigt werden. Einstimmig angenommen.

Eccarius theilt mit, daß der Generalrath die monarchischen Aemter des Präsidenten und Vicepräsidenten abgeschafft hat, und beantragt, diese Aemter innerhalb der ganzen Association abzuschaffen. Der Antrag wird in folgender, von Hinz vorgeschlagenen Fassung angenommen:

In Erwägung, daß es einer Arbeiterassociation nicht würdig ist, in ihrer Mitte ein monarchisches und autoritäres Princip aufrecht zu erhalten, indem sie das Präsidentenamt zuläßt, selbst wenn dieses Amt mit keiner Macht ausgestattet ist, da sogar bloße Ehrenämter eine Verletzung des demokratischen Prinzips in sich schließen,

empfiehlt der Congreß allen Sectionen und affiliirten Arbeitergesellschaften der Internationalen Arbeiterassociation das Präsidentenamt in ihrer Mitte abzuschaffen.

Ein Amendement, welches das Wort würdig" als, verletzend" durch logisch" ersetzen wollte, wurde mit großer Mehrheit verworfen.

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Nach Festsetzung der Zeit, wo die verschiedenen Commissionen zusammentreten sollten und nach Verlesung der Namensliste schlöß der Vorsitzende Jung die Morgensitzung um 12 Uhr 10 Minuten. Die Nachmittagfißung wird um Uhr eröffnet. Nach Berlesung der Namenliste 6 sind abwesend, davon 1 unwohl( Oberwinder nicht ernstlich) wird der Jahresbericht des Generalraths in französischer und deutscher Sprache verlesen. Er wird mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Zwei Ungenauigkeiten werden rectificirt: 1) Das 4. französische Linienregiment, dessen Capitain Gausseraud das Feuer auf die Arbeiter von St. Etienne   geben ließ, ist nicht abberufen worden. 2) Die Zahl der auf dem Eisenacher Congreß ver­tretenen Arbeiter betrug 150,000, nicht 100,000. Dieser Bericht wird

den democratischen Blättern zugesandt werden. Ich gebe also kein Resumé.

Hierauf erfolgt die Verlesung des belgischen Generalrathberichts, der vor allem die Behauptung feindlicher Blätter, die Internationale habe das Blutvergießen von Seraing   hervorgerufen, in ihr Nichts auflöst, und das schmachvolle Justizverfahren characterisirte, welches jene Metzelei krönte.

Richard( Lyon  ) erstattet Bericht über die Arbeiterbewegung in

Frankreich  .

Liebknecht berichtete mündlich über die sociale Bewegung in Deutschland  . Er wies nach, daß das Lassalle  'sche Programm von Anfang an zu eng gefaßt war und zu schlimmen Mißverständnissen Anlaß geben konnte; daß der Lassalle  'sche Arbeiterverein eine Organisation hatte, die jede Reform von Innen heraus unmöglich machte. Die Bewegung mußte auf den breiteren Boden der Internationalen Arbeiter­association gespielt werden, was denn auch nach den bekannten längeren Kämpfen mit Hen. v. Schweitzer geschehen ist. Redner erzählte diese Vorgänge eingehend, und wies den Vorwurf zurück, es sei, wie es in dem belgischen Organ der Internationalen heiße, zwischen ihm und Schweitzer nur ein Personenstreit gewesen. Der Kampf, den wir so eben in Deutschland   durchgefochten haben, war ein Principienkampf, ein Kampf des democratischen Socialismus gegen den imperialistischen Socialismus.

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Schwizzguibel berichtet über die Sektion Courtelary( Schweiz  ). Polix berichtet über die internationale Bewegung unter den Seiden­hasp'lern Lyons. Die Arbeiter haben dort mitunter 18 Stunden zu arbeiten durch den letzten Strike haben sie die Arbeitszeit auf 10 Stunden herabgesetzt.

Gut berichtet über die Section der Schneider von Lausanne  . Spier fügt dem Bericht Liebknecht's noch verschiedene Einzel­heiten bei, welche Schweitzer's Character in das klarste Licht stellen; namentlich weist er auf die schmachvolle Verschleuderung der Vereins­gelder hin auf seinen Lurus, sein Verhältniß zu Hofstetten. Redner gibt dann ein genaues Bild der auf dem Eisenacher Congreß geschaffenen Organisation.

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Cohen, Correspondent der Democratie" von Paris  , übersetzt die Reden Spier's und Liebknecht's in's Französische.

Bast in berichtet über die Weber von Verviers  . Er sagt, er könne nur einen kurzen Bericht geben, weil ihm seine Papiere an der fran­ zösischen   Grenze gestohlen worden seien.

Goegg erstattet Bericht über die Thätigkeit der deutschen Vereine in der Schweiz   und spricht dabei entschieden für das republikanische Princip. Dies wird mißverstanden und als Verherrlichung der Schweizer  Zustände aufgefaßt, deren Mängel von einigen Arbeitern bloßgelegt werden.

Farga von Barcelona   berichtet in französischer Sprache über die Arbeiterbewegung in Spanien  , die in Barcelona   ihr Hauptquartier hat, aber über ganz Spanien   sich ausbreite, und schon stark genug ist, int den kommenden politischen Ereignissen ein entscheidendes Wort mitzu­sprechen und die Errichtung der iberischen Republik zu sichern. Ec schließt mit dem Ruf: Vive la république démocratique et sociale! in dent die ganze Versammlung begeistert einstimmt.

Schluß der Sitzung 6

Uhr.

Celle  , 7. September. Verschiedene Umstände hatten hier den defini­tiven Anschluß an die sozialdemokratische Arbeiterpartei verzögert; um so thatkräftiger werden wir aber jetzt, nachdem am Mittwoch, den 1. September ein, unsere Erwartungen befriedigender Anschluß stattgefunden, vorgehen.

Obschon in letzterer Zeit verschiedentliche Schweitzer'sche Agitatoren uns mit ihrer Anwesenheit beehrten, um dem im Absterben begriffenen Allg. Deutschen Arbeiterverein neue Mitglieder zuzuführen, so werden sich diese wohl endlich überzeugt haben, daß ihre Bemühungen vergeblich sind. Ein Bericht im ,, Sozial- Demokrat" sucht die Stimmung einer türzlich hier stattgefundenen Volksversammlung, in der Bonhorst unter großem Beifall die Gegner widerlegte, der Schweitzer'schen Propaganda als ungemein günstig hinzustellen, wobei er natürlich gleichzeitig von schmutzigen Verdächtigungen gegen die Ehrlichen" stroßt.

Der wahre Sachverhalt ist aber der, daß die Maurer und Zimmer­leute mit ihrem Anhängsel in die Versammlung dirigirt waren, obgleich sich diese mit wenigen Ausnahmen noch nie um sozial- demokratische Be­strebungen gekümmert hatten. Sie waren instruirt, uns nicht auffom­men zu lassen, sondern die Entwicklung unsrer Ansichten um jeden Preis zu verhindern. Der Vorsitzende Brand, durch den Glanz seines Ehren­poftens ganz geblendet, erregte durch seine Unparteilichkeit" und Unge­schicklichkeit die Lachmuskeln Aller, die Schweizer  'schen Unterthanen, Wolf und Vater aus Hamburg   voran, schimpften, trampelten mit den Füßen, schrien und tobten, um unsre Redner nicht zu Worte kommen zu lassen. Diese verließen die Versammlung vor deren Schluß; sie hat­ten sich eben überzeugt, daß mit der rohen Gewalt nicht zu unter­handeln ist.

Unsere Partei zählt schon circa 40 Mitglieder und wird sich ganz bestimmt in nächster Zeit verdoppeln, während am letzten Sonnabend eine Versammlung des Allg. D. Arbeitervereins von 7 oder 10 Personen besucht war in Anbetracht der vielen Volksversammlungen gewiß ein flägliches Resultat!

Giberfeld, 8. September. Ein Hr. Klein von hier sagte in einer