Kalte Dusche aus Geni

Deutschland verliert eine Position nach der

anderen

Es gibt viele Millionen nationale Minderheiten in fast allen Ländern Europas , die in einem dauernden Kampfe um ihre politischen, kulturellen und wirtschaft. lichen Interessen gegen die Mehrheit ihrer jeweiligen Nation stehen. Bisher galt in Genf Deutschland als der berufene Sprecher dieser Minderheiten. Schon deshalb, weil es in Europa rund 20 Millionen Deutsche außerhalb der Reichsgrenzen gibt. Wie es jetzt mit dem Ansehen Deutschlands in der Minderheitenpolitik steht, sagt sehr deutlich eine Zuschrift in der Neuen Züricher Zeitung":

Braucht man noch zu sagen, daß jede nichtdeutsche Minderheitenfrage in dem Augenblic heillos kompromittiert sein muß, wo ein nationalsozialistisches Deutschland als ihr Anwalt auftritt? Ob das Judenproblem in Deutschland im staatsrechtlichen Sinne eine Minderheitenfrage ist oder nicht, erscheint in diesem Zusammenhang als unwesentlich. Gefühlsmäßig bleibt es eine Minderheitenfrage; die deutsche Regierung hat dabei einen Standpunkt eingenommen, der es ihr verbietet, weiter als Schüßer der Min= derheiten aufzutreten. Die Stellungnahme gegen die 600 000 Staatsbürger jüdischen Glaubens, deren sich die deutsche Regierung rühmt, fann doch nicht anders ausgelegt werden, als daß sich Deutschland von seiner bis­herigen Einstellung zum Minderheitenproblem lossagt. Wenn es Deutschland den Deutschen ", heißt, dann hat Berlin wohl kein moralisches Recht, sich dagegen aufzu: lehnen, wenn in Warschau die Parole Polen den Polen ", in Riga Lettland den Letten" ausgegeben wird. Deutsch­ land muß den andern Staaten das gleiche zubilligen, was es für sich selb stin Anspruch nimmt.

Dabei ist zu beachten, daß die Neue Züricher Zeitung" der jetzigen deutschen Reichsregierung noch verhältnis mäßig wohlwollend gegenübersteht.

,, Es entschlüpft uns

kein Einziger.

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In dem pfälzischen Naziblatt( 18. 6.) liest man die fol­gende Notiz aus Pirmasens :

Nach der Säuberung unter den Arbeitern der Bau­ämter ergänzt der Antrag unserer Fraktion weiterhin, daß die am städtischen Elektrizitätswerk bisher beschäftigten, wohlbekannten marristischen Agitatoren Preßler und Fuchs ebenfalls zur Entlassung tommen. Aus dem gleichen Grunde soll auch der am Werf Biebermühle arbei­tende Schire zur Entlassung fommen. Am gleichen Werf tritt wegen Erreichung der Altersgrenze der Arbei­ter Raquet in den wohlverdienten Ruhestand. Vom Wasserwerf in Rodalben muß der Arbeiter Otterstetter scheiden, da seine nationale und dienstliche Zuverlässigkeit start anzuzweifeln ist. In den letzten Tagen schwollen die Zahlen der Entlassenen" schon über die Zahl der in der Stadtverwaltung Beschäftigten an. Die Einwohnerschaft fann versichert sein, daß die Spreu hinausgefegt wird. Es entschlüpft uns kein einziger, der einst all­

Aus der Reichshauptstadt

Was sich nicht gleichschalten läßt

Berlin , Mitte Junt.

Das System der Hitlerdespotie verfährt in der Stimmungs­mache nach einem Terminkalender, auf dem genau verzeichnet steht, wann wieder einmal allgemeine Beflaggung befohlen werden kann Dienationalen Feiertage mehren sich. Nächstens wird am Geburtstag fedes Naziministers oder Statthalters geflaggt werden, und wenn das so weiter geht, muß das Propagandaministerium auf seinem Terminkalender nur die Tage anzustreichen, an denen nicht Beflaggung be­fehlen wird. Nächstens werden auch noch die Hunde mit Hakenkreuzhalsbinden und schwarzweißroten Schwänzen um­herlaufen.

Unter der befohlenen Beflaggung geht der Terror weiter. Der totale Staat, der nur eine Partei kennt, soll durchgesetzt werden, und selbst das Zentrum weis nicht, ob es überhaupt als Partei noch geduldet wird. Es sind an Besprechungen zwischen Brüning und Hitler Jllusionen geknüpft wor­den, daß dadurch der Terror sich mäßigen würde, aber diese Besprechungen haben zu keinerlei positivem Resultat geführt

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ganz im Gegenteil! Das Zentrum wird jetzt mit dem aus­drücklichen Verbot der Partei bedroht als Repressalie gegen das christlich- soziale Vorgehen gegen die Nazis in Desterreich. Es kann dann Brüning geschehen, daß er in der gleichen Stunde, in der er eine Unterredung mit Hitler haben soll, von nationalsozialistischen Ministern oder von der Polizei des Herrn Goering verhaftet wird und das Schicksal Leiperts er­leidet. Das Regime denkt nicht an Minderung des Terrors es wird ihn vielmehr verstärken, wenn es Schwierigkeiten verspürt.

Der Terror hat zur politischen Richtftopuhr geführt, die nur durch großmäulige Reden von Nazigrößen und durch die unglaublichen Tolpatschigkeiten der Regierung auf außen­politischem Gebiet unterbrochen wird. Aber diese Richtstopuhr bedeutet nicht, daß sich nicht Widerstand regte. Die Mitglieder der Gewerkschaften sind alles andere als gleichgeschaltet! Zum Entsetzen des Regimes zeigen sie ihre wahre Gesinnung. Ab­gesetzte Gewerkschaftsekretäre werden in den von den Kom­missionen veranstalteten Versammlungen mit stürmischem Beifall begrüßt. In einer großen Versammlung des Zentral verbandes der Angestellten in Hamburg trug der Nazikom missar das Korruptionsgeschrei vor. Als er gegen die Gewerk­schaftsführer tobte, weil sie der sozialdemokratischen Partei

zu sehr die rote Krawatte heraushängte, selbst wenn er bei der Revolution noch die Kurve zum national­sozialistischen Feld erreichte. Wir pfeifen ihn zurück. Eine nüßliche Lektion für alle, die sich über eine Auf­Ioderung" des Naziregiments Jllusionen machen.

Geschnappt"

Das ist ein fröhliches Jagen...

In dem gleichen Blatt und in der gleichen Ausgabe liest

man:

" Es war schon lange bekannt, daß von hier aus immer noch Fäden zu der kommunistischen Zentrale im Saar­

Geld gegeben hätten, rief die ganze Versammlung stürmisch: " Sie haben noch viel zu wenig gegeben!" Die Versammlung wurde polizeilich aufgelöst. Im Metallarbeiterverband Brandenburg a. d. Havel konnte der abgesetzte Gewerkschaftsführer vor 1000 Mitgliedern eine Stunde lang sprechen, während die Versammlung den Kam­missar nicht reden ließ. Die Opposition gegen die NSBO. ist überall start im Wachsen. Eine katastrophale Flucht der Mitglieder aus den Gewerkschaften hat eingesezt. Aus dem Gesamtverband sind bereits etwa 300 000 Mitglieder aus­geschieden. Im Holzarbeiterverband liegen die Dinge ähnlich hier hat das Vorgehen gegen den überaus populären Verbandsvorsitzenden Tarnow größte Erbitterung hervor gerufen.

Es gelingt dem System aber nicht, die Arbeiterschaft gleichzuschalten.

Eine verbissene Stimmung zeigt sich. Die Leute auf den Berliner Messen sind stumm geworden, selbst der gesunde politische Mutterwitz wird nicht mehr laut eine Folge des Terrors, aber auch ein Zeichen innerer Ablehnung und Auf­lehnung.

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Die Zahl der Zeitungsleser in Berlin ist außerordentlich stark zurückgegangen.

Das Verbot der sozialdemokratischen und kommunisti­schen Presse hat einen großen Teil der Bevölkerung seiner Zeitungen beraubt aber diese Leser denken nicht daran, eine der gleichgeschalteten Zeitungen zu lesen. Sie sind voll­ständig ausgefallen. Und nicht nur sie! Auch die Leser früher linksgerichteter Zeitungen, vor allem der Mosse- Presse, haben ihren bisherigen Zeitungen empört den Rücken ge­fehrt. Jeder Versuch des Systems, diese Leser einzufangen für die Nazivresse, ist ergebnislos geblieben. Vor den ersten Tagen des Snitems hat sich die Auflage des Angriff" und des Völkischen Beobachter" gesteigert. Aber der Reiz der Neuheit ist vorbei, unaufhaltsam geht die Auflage der beiden Blätter zurück. Mit einer Abonnenten­werbung mit geradezu terroristischen Mitteln soll dieser Verlust ausgeglichen werden aber alle diese Versuche sind vergebens. Ein Versuch des Regimes, die kommunistische Welt am Abend" als Systemreptil herauszubringen, hat bereits zu einem völligen Fiasko geführt.

Das sind nüchterne Tatsachen, die ganz anders sprechen als der Fahnen- und Propagandarausch des Regimes!

gebiet liefen. Am Donnerstag gelang es nun der Polizei in Zweibrücken , den hiesigen, bekannten Kommunisten Ernst Hirschelmann festzunehmen. Er trieb sich in verdächtiger Weise an der Reichsgrenze herum. Inzwischen ergaben sich auch Anhaltspunkte, daß er mit den ins Saargebiet ge= flüchteten Kommunisten in Verbindung steht und Zuträger­dienste leistete. Er saß bereits schon einmal vier Wochen in Schuzhaft und mußte sich täglich bei der Polizei melden. Offensichtlich wußte er die ihm zuteil ge= wordene milde Behandlung nicht zu wür= digen. Dieses Mal wird es länger dauern, bis er wieder die Freiheit sieht. Er wurde bereits hier einge­Itefert."

Verantwortlich: für die Redaktion Joh. Pizz; Inferate Hubert Jüttner, beide in Saarbrücken . Druck und Verlag: Volksstimme" G. m. b. H., Saarbrücken , Schüßenstraße 5.

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