Preis: 60 f. cts.
Panifaze
Nummer 4-1. Jahrgang
Freiheit
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken Samstag, den 24. Juni 1933 Chefredakteur: M. Braun
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Wenn die Deutsche Freiheit" so weiter
den Kampf führt, wird sie bald das Zentral kampforgan gegen den Weltfaschismus sein!"
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Vollster Beifall ohne jede Einschränkung.
Nur weiter so! Der Sieg wird unser sein."
Duell Hindenburg- Hitler
Das hochpolitische Ringen in Berlin - Alleinmacht der Nazis um Jeden Preis Schacht und Neurath beschwören
Berlin , 23. Juni. ( Eigener Drahtb.)
Für heute war ein großer Kabinettsrat unter dem Vorsitz des Reichs präsidenten in Aussicht genommen. Ob und unter welcher Tagesordnung er stattfinden wird, steht in den ersten Vormittagsstunden noch nicht feft. Die Kassierung der sozialdemokratischen Mandate erfolgte nicht zuletzt, um die Forderung Hugenbergs, den Reichstag einzuberufen, illusorisch zu machen. Die Nationalsozialisten haben nun in dem Rumpfparlament eine alles beherrschende Mehrheit. Parlamentarisch gesehen, sind Deutschnationale/ und Zentrum ohne jeden Einfluß. Die Frage ist, welche Wirtschafts- und vielleicht auch welche militärischen Kräfte hinter ihnen stehen. Darüber scheint sich aber auch Hugenberg nicht viel Illusionen zu machen.
Sehr fäfig sind der Reichsbankpräsident Sch a cht und der aus London herbeigeeilte Außenminister Dr. Neurath, beide entsetzt über die stürmische Entwicklung. Schacht hat die Umgebung des Reichspräsidenten und den Reichskanzler nicht darüber im Zweifel gelassen, daß er einen unglücklichen Ausgang der Verhandlungen über das Transfer- Moratorium befürchtet. Er. prophezeit das Ende des deutschen Kredits, wenn die Erschütterung im Innern nicht aufhöre. Neurath , der ebenso wie Hugenberg Rücktrittsabsichten hegt, hat den Reichskanzler und den Reichspräsidenten eindringlich auf die Stimmung der fremden Regierungen gegen Deutschland hingewiesen. Im Reichspräsidentenpalais und zwischen Hugenberg und seinen Freunden sind zahlreiche Beratungen, wie dem Vorstoß der Nationalsozialisten zur Alleinherrschaft noch in letzter Stunde zu begegnen sei.
Die Revolution lebt!
Die Furcht vor der Sozialdemokratie- Tod und Auferstehung Neuer Kampf geist und neue Kampfformen Das deutsche Arbeitsvolk gegen den Faschismus
Der Reichsminister des Innern hat die Landesregierungen ersucht, auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 die notwendigen Maßnahmen gegen die Sozialdemokratie zu treffen. Unter diesen Maßnahmen ist das Verbot aller Organisationen der Sozialdemokratie, die Unterdrückung jeglicher sozialdemokratischen politischen Betätigung, der Raub der Vermögensreste unserer Partei und ihrer Hilfs- und Ersatzorganisationen gedacht. Allen Beamten, Angestellten und Arbeitern, die aus öffentlichen Mitteln Gehalt, Lohn oder Ruhegeld beziehen, ist die Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie untersagt. Alle Parlamentsmandate der Sozialdemokratie werden kassiert. Aus allen Reichs-, Landtagen und Gemeindevertretungen wird die Sozialdemokratie rechtswidrig ausgeschlossen. Begründet wird diese Aktion, die das Sozialistengesetz Bismarcks weit übertrumpft, mit dem angeblich staats- und landesverräterischen Charakter der Sozialdemokratie. Es ist selbstverständlich, daß für diese Beschuldigung ebensowenig ein Beweis erbracht wird, wie für die seinerzeitige Behauptung, die Sozialdemokratie sei am Reichstagsbrand beteiligt, den erwiesenermaße Minister Göring angeftiftet und seine Mordstürme durchgeführt haben.
Aus dem Gewaltschlag der jetzigen Machthaber im Reich spricht nur die Furcht vor der ungebrochenen Lebenskraft der Sozialdemokratie. Wäre sie ein Leichnam", wie nationalsozialistische Redner zu sagen pflegen, so würde man die Partei verscharren, aber nicht den ganzen Staatsapparat gegen sie einsetzen. Das Verbot erfolgt, weil die faschistische Diktatur spürt, wie nach der erst en Betäubung nun seit Monaten schon die sozialdemokratischen Massen sich sammeln und fühlbaren Widerstand leisten.
Für uns ist das Verbot der Sozialdemokratie keine Ueberraschung. Es mußte kommen. Das System des Faschismus erträgt nicht die Betätigung von selbständigen politischen Parteien neben der alleinregierenden Partei. Jeder faschistische Staat ist so korrumpiert
und in seinen führenden Schichten so verlumpt, daß er keine öffentliche Kritik aushalten kann. Jede faschistische Staatsführung watet so tief durch Blut, daß sie die Ankläger gegen die Mörder mit allen Mitteln unterdrücken muß.
Was zuerst der Kommunistischen Partei, jetzt der Sozialdemokratie und eben erst sogar der rechtsnationalen Jugend geschah, wird früher oder später auch für das Zentrum und die übrigen Reste bürgerlicher Parteien der Mitte eintreten.
Für die Sozialdemokratie, ja mehr noch, für die gesamte Front der deutschen sozialistischen Arbeiter und aller Feinde des deutschen Faschismus ist nun Klarheit geschaffen. Die gutgläubigen, aber weltfremden Jllufionen, die von einer Gruppe bisher führender Genossen im Reiche genährt wurden, sind zu Ende. Es gibt keine legale Betätigung für den Go zialismus in einer faschistischen Diktatur. Wer den Sozialismus will, muß den Faschismus mit allen Mitteln bekämpfen und stürzen wollen.
Der Schlag, der nun niedersaust, ist schwer, aber er ist kein Ende. Er bringt nicht das Ende des Sozialismus in Deutschland , sondern seine geistige und organisatorische Verjüngung. Wir sprechen es aus: Unsere alten Organisationsformen mußten in diesen Stürmen zerbrechen. Nun sind sie zerschlagen. Sie waren groß für ihre Zeit, und wir danken allen, die sie aufgebaut, geschützt und sich ihrer in zahllosen Kämpfen für die deutsche Arbeiterklasse bedient haben.
Die nun zerstörten Organisationen werden in ihrer alten Form nicht wiedererstehen. Noch ehe Brandstifter Göring und sein Spießgeselle, Reichsminister Frick, Hand an diese Organisationen legten, waren schon neue Kampfformen der Sozialdemokratie in Deutschland im Werden. Wir grüßen in dieser Stunde die Millionen sozialdemokratischen Genossen, die nicht aufgelöst werden können. Wir grüßen unsere Kämpfer und unsere Kämpferinnen in den Gefängnissen und in den Konzentrationslagern, wo sie den Folterungen der Schinder des Reichskanzlers Hitler frozen. Wir grüßen aber auch mit großem Stolz insbesondere die vielen
Genossen und Genossinnen, die in beiliger Ueberzeugungstreue und brennendem Eifer die neuen Formationen des unsterblichen Ringens für die Freiheit des deutschen Arbeitsvolkes schon lange gebildet haben.
Eine Epoche in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie ist abgeschlossen. Eine neue und größere beginnt. Die Sozialdemokratie ist aus der Legalität, ist aus jeder Arbeit im Staate und für den Staat hinausgedrängt. Sie hat keine Wahl mehr; die Arbeit der Sozialdemokratie kann nur noch illegal, ihr Kampf um Deutschland , um dessen sozialistische Erneuerung kann nur noch revolutionär sein.
Laßt die Toten ihre Toten begraben. Der Sozialismus lebt. Die Revolution lebt. Es lebe die Revolution!
Berlin und Prag i bli Ein erledigter Streit
Der Vorstand der SPD. drahtet uns aus Prag : Das Verbot hat uns nicht überrascht. Seit Tagen wußte man, daß die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Deutschlands und die Spannungen innerhalb der Nazis so groß geworden find, daß die gewaltsame Unterdrückung aller politischen Parteien als Ablenkungsmanöver in Aussicht genommen war. Schon in der Unterredung, die vor etwa drei Wochen zwischen Brüning und Hitler stattgefunden hat, hat Hitler diese Absicht angekündigt.
Kein Verbot kann die Sozialdemokratische Partei töten. Sie lebt! Und lebt heute mehr denn je! zegt ist klare Bahn für die Arbeit in neuen Formen und mit neuem Geiste geschaffen. Die taktischen Differens zen zwischen Berlin und Prag sind durch das Eingreifen der rohen Gewalt erledigt. Unser erbitterter rüdsichtsloser Kampf, der von größter Leidenschaft für das hohe Ziel der Befreiung Deutschlands von dem Joche des zurzeit regierenden Verbrechertums erfüllt ist, findet nun keinerlei Hemmungen mehr. Er wird jgt inners halb der Grenzen Deutschlands ein millionenfaches Echo finden, das Ende der Verbrecherherrschaft beschleunigen und das deutsche Volf vor dem Untergang bewahren.
Die ,, Reichspost" bis 5. Jull
verboten!