Damals: Liebe Jiden in Paulen"

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Heute werden die deutschen Juden geächtet, existenzlos gemacht, mißhandelt... Beim Vormarsch in Rußland umschmeichelte man ihre polnischen Glaubensgenossen Deutsche Treue und Wahrhaftigkeit"!

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..Wendet Euch mit dem größten Bitochaun..."

Es war im Herbst 1914. Die deutschen Heere rückten in Polen ein. Es tam für die deutsche Oberste Heeresleitung sehr viel darauf an, die Gunst der Juden in Polen zu gewinnen. An sie wurde folgender Erlaß gerichtet, der schon damals Weltberühmtheit als Beispiel für die Methoden des deutschen Militarismus erlangte: Zu den Jiden in Paulen

Die heldische Armee vun de granße mitteleuropäische Regierungen, Deitschs Tand un Efterreich- Ungarn , seinn arein in Paulen.

Der mechtiger Marsch von unseren Armees hat gezwungen die despotische russische Regierung zu entlaufen.

Unsere Fohnen brangen eich Recht und Freiheit, gleiche Bürgerrechte, Freiheit vorn Glauben, Freiheit zu arbeiten ungeftert in alle Zweigen von ekonomischen un tulturellen Leben in eier Geist.

Zu lang hot ihr sich geplogt unter dem eisenen moskowitischen Joch. Wie Freind tummen mir an eich, die barbarische fremde Regierung ist ans!

Die gleiche Recht vor Jiden soll werden gebaut auf feste Fundamenten. Loßt eich nicht, wie a afach(= schon) mal friher, obnarren durch chanufebige (= nichtssagende) Versprechungen!

Hot nischt auch 1905 der 3 ar angefagt die gleiche Recht vor Jiben, un hot er nischt darauf zugegeben den hechsten Manifeft?

Wie hat man eich abgezohlt dem dosigen Chauw(= die damalige Schuld), woß man hot anf fich genommen vor der ganzen Welt?

Gedenkt des Araustreiben, woß man treibt togtäglich bie jidische Massen oun seiere eingesessene Metaumans! (= Ortschaften).

Gedenkt Kischinew , Homel , Byalistok, Siedlegt un viel hunderter andere blutige Pogromes!

Gedenkt dem Beilis- Prozeß an die Arbeit vun die barbarische Regierung, zu verbreiten bem schrecklichen Ligen von Blutgebrauch bei die Jiden!

Asan hot der Zar gehalten ein monarchisch Wort, wos er bot gegeben, elendig in die Klemm!

Er ist jetzt wieder in die Klemm!- Ot, dos ist die Siboh(= Vergeltung) Don feine Bersprechungen.

Eier heiliger Chany(= Pflicht) ift a jeßt, zusammen zu nehmen alle Kraften, mitanarbeiten, bei die Befreiung.

Alle Bolkskreften: eier junger Daur(= Geschlecht), eiere sehillans(= Ge meinden), eiere Chewrans(= Tereine) müssen sich schtellen wie ein Mann, mits zuhelfen zu die heilige Sach.

Mir erwarten, als ihr wet beweisen durch Fakten eier Verschtand und eier Ergebenheit.

Wenbet sich mit dem größten Bitochann(= Bertrauen) zu ben Rommandanten vun unseren Militär in bie Oerter, wos feinen nohe zu eich.

Alle Sorten Lieferungen wellen bald und gut bezohlt. Bahnt den Weg, zu bezwingen in ganzen den Sianne(= Feind) un zu brengen ben Nizoschaun(= Sieg) vun Freiheit un Gerechtigkeit.

Die obere Leitung von die verbindet beitsche un esterreichisch ungarische Armees.

,, Es ist standeswidrig..."

Frühjahr 1988. Die Juden werden ausgestoßen, geächtet, beschimpft und geschlagen. Auf den Trümmern ihrer Existenz machen sich Hyänen breit. Mit akademischen Standesbegriffen, die den Jubel über die aus dem Felde geschlagene Konkurrenz verhüllens ollen, nisten sich nach diesem Beispiel die echt Arischen ein:

Der Vorstand der Anwaltskammer Düsseldorf hat folgendes Rundschreiben an alle Rammermitglieder geschickt, das die Richtlinien über den Verkehr mit nichtarischen Parteien und nicht mehr zugelassenen Rechts= anwälten enthält. Dieses Zirkular, datiert vom 15. Mai 1933 und unterschrieben vom Vorsitzenden des Vorstandes der Anwaltskammer Düsseldorf , besteht aus fols genden zehn Punkten( sämtliche Sperrungen von uns):

1. Es ist zulässig, die Bertretung nichtarischer Parteien zu übernehmen. 2. Es ist ft andeswidrig, Mandate von nicht mehr angelaffenen nichts arischen Rechtsanwälten anzunehmen. Es muß vielmehr in jedem einzelnen Fall gefordert werden, daß die Partei selbst, die bisher von einem nichtarischen Rechts: anwalt herantritt und ihn um ihre Vertretung ersucht. Auch die Akten müssen von der Partei selbst überbracht werden.

3. Es ist standeswidrig, die Praxis eines nicht mehr zugelassenen Rechtsanwalts ganz oder teilweise zu übernehmen, desgleichen dessen Büro oder Mobiliar. Angestellte nichtarischer Rechtsanwälte bürfen nur mit Ges nehmigung des Vorstandes des örtlichen Anwaltsvereins eingestellt werden.

4. Es ist standeswidrig, nichtarische ehemalige Rechtss anwälte als Bürovorsteher oder sonst wie zu beschäftigen. 5. Standeswidrig ist jeder berufliche Verkehr mit nicht mehr angelassenen nichtarischen Anwälten. Dazu gehört insbesondere auch die Annahme von Mandaten durch Vermittlung eines nicht mehr zugelassenen nichtarischen Rechtsanwalts. Ausgenommen sind Zustellungen und sonstige Maße nahmen, die in laufenden Sachen notwendigerweise zur Abwendung wesentlicher Nachteile für eigene Mandanten den Genannten gegenüber vorgenommen werden müssen.

6. Bei Uebernahme von Mandaten, die bisher nichtarische Rechtsanwälte hatten, ist in allen Fällen Vorschuß einzufordern in Höhe der noch nicht fällig gewordenen Gebühren. Durch den Wechsel des Rechtsanwalts dürfen den Parteien Mehrkosten nicht entstehen. Nur in besonders umfangreichen und schwierigen Sachen find Ausnahmen, d. h. Vereinbarung eines Sonderhonorars, dies aber nur mit Genehmigung des Vorstandes des örtlichen Anwaltsvereins zulässig. 7. Assoziationen und Bürogemeinschaften zwischen arischen und nichtarischen Rechtsanwälten sind sofort aufs zulösen.

8. Das Verbleiben der weiterhin zugelassenen nichtarischen Rechtsanwälte in ben örtlichen Anwaltsverein erscheint nicht mehr angängig, ebensowenig ihre Teilnahme oder Bertretung im Kartell, wo ein solches beftebt.

9. Nichtzugelassene nichtarische Rechtsanwälte find als Schiebsrichter abzulehnen, Sollten fie fich als Rechtskonsulenten nieders Taffen oder betätigen, so gilt jeder berufliche und außerberufliche Verkehr mit ihnen natürlich erst recht als ft andeswidrig.

10. Was vorstehend über das Verhalten gegenüber nicht mehr zugelassenen, nichtarischen Rechtsanwälten gefagt ist, gilt in gleicher Weise gegenüber allen Rechtss anwälten, gegen welche aus anderen Gründen als wegen ihrer Raffenzugehörigkeit ein Vertretungsverbot erlassen worden ist oder wird, oder die von der Rechtsanwalts schaft ausgeschloffen worden sind."

Wenn man sich diese beiden Dokumente vor Augen hält, dann gewinnt man einen besonders guten Blick über fenen Begriff deutscher Treue und Wahrhaftigkeit, die bekanntlich die Taufpaten der nationalen Revolution" gewesen sind.

Als man die Juden nöttg hatte, gab man ihnen tausend liebe Worte. Man scheute sich nicht, das von ihnen in Bolen gesprochene Jiddisch getreu nachzuahmen, um ihnen zu schmeicheln. Man tat so, als ob jeder arme pol­nische Jube im Kaftan berufen set, neben den deutschen Militärs an der Befreiung des Landes vom zaristischen Joch mitanarbeiten.

Als man, neunzehn Jahre später, die Juden in Deutschland , auch diefentgen, die damals auf deutscher Seite Pämpften, unter ein Ausnahmerecht stellte, da stürzten sich die arischen Konkurrenten schmachvoll auf das, was von ihren beruflichen Obliegenheiten, ihrer Existenz und ihrer Habe noch übrig geblieben war. Dieses Dokument aus Düsseldorf , verfaßt von Rechtsanwälten, ist eine der schwersten Schändungen des deutschen Ramens, bte uns selbst in dieser, an solchen Materialien überreichen Zeit zu Gesicht bekommen ist.

Den jüdischen Anwälten, die ihren Beruf und ihre Lebensstellung verloren haben, wird jebe Möglichkeit ent­gogen, auch in einer niedrigeren sozialen Funktion, etwa als Büroangestellte, ihren Lebensunterhalt zu erwerben. Ohne­bies würde es wahrscheinlich nur in einzelnen Fällen einem derartigen abgebauten Rechtsanwalt gelungen sein, sich wenigstens durch Hilfsarbeiten ein bescheidenes Einkommen zur Erhaltung seiner Familie in ehrlicher Weise und völlig im Rahmen der gegenwärtigen Bestimmungen zu verschaffen. Ganz abgesehen von allen politischen Gesichtspunkten, müßte die Menschlichkeit gebieten, Personen, die schuldlos( nur wegen ihrer Raffezugehörigkeit) in vorgeschrittenem Alter ihre Berufe verloren haben, wenigstens irgendeine andere Erwerbsmöglichkeit zu lassen und sie nicht ins völlige Elend zu stoßen. Auch die zugelassenen nichtarischen Anwälte werden hier zu Berufsgenossen a weiter& lasse gemacht...

" Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun." Gern wird heute diesev Spruch von Richard Wagner zitiert. Diese Deutschen aber, die für solche Schmachdokumente verantwortlich sind, haben feine mildernden Umstände auf ihrer Seite.

Denn sie wiffen, was sie tun!

,, Hitler- Attentat gegen den Frieden!"

Herausforderung an Europa

Boykott geht wei.cr!

Der Boykott gegen jüdische Warenhäuser und alle nichts arischen Geschäftsleute geht unentwegt weiter. Er wird jetzt so organisiert, daß die erforderlichen Maßnahmen im einzelnen nicht allzu sehr auffallen. So wird demnächst ein deutsches Warenzeichen eingeführt, daß von jüdischen Fabri­fanten usw. nicht geführt werden darf.

In Westdeutschland finden in diesen Tagen über­all Braune Wochen statt, die von den Kampfbünden des gewerblichen Mittelstandes organisiert werden. Im Zu sammenhang damit werden Bezugsquellenverzeichnisse her ausgegeben, in denen lediglich die arischen Firmen enthalten find. Parteimitglieder der NSDAP. , die sämtlich das Ver­zeichnis zugestellt erhalten, sollen nur noch bei diesen Firmen taufen dürfen. Großfilialbetriebe, Kaufhäuser und Einheits­preisgeschäfte werden in den Verzeichnissen auch dann nicht aufgeführt, wenn sie sich in christlichem Besitz befinden. Be­gründet wird dies damit, daß es sich hierbei um Wirtschafts­firmen handle, die nicht in den nationalsozialistischen Staat passen.

Für Ende Juni ist eine besondere Kontrolle aller Einheitspreisgeschäfte in Westdeutsch­land vorgesehen, und zwar derart, daß Partei­mitglieder, die dort trop Verbots kaufen, notiert und wegen parteischädigenden Verhaltens ausgeschlossen werden.

Front wird mit voller Kraft gegen ben unsere Unabhängigs feit bedrohenden Nationalsozialismus kämpfen.

wtb. Wien , 22. Juni. Der christlich- soziale Bandeshaupt­mann von Niederösterreich Reither hat an die national sozialistischen Landtagsabgeordneten ein Schreiben gerichtet, in dem er unter Hinweis auf das Verbot der Betätigung der NSDAP. in Desterreich mitteilt, daß auch die Betätigung als Mandatar in allgemeinen Vertretungskörperschaften

Gute Deutsche und unabhängige Oesterreicher - Der Hilferuf an barunter zu verstehen sei, wenn das Mandat auf Grund die Sozialdemokratic Front gegen die Nazibarbarel

Wien , 28. Juni.

Daß Regterangsorgan Die Reichspoft" veröffentlicht eine parteiamtliche Feststellung an der Aktion gegen die Funktionäre der Bayerischen Volkspartei , wonach zwischen ber österreichischen Chriftlich- Sozialen Partei und der Bayes zischen Boltspartei feit Monaten infolge der Ereignisse in Deutschland alle Fäden geriffen seien. Es bestehe weder eine dirette, noch eine indirekte Beziehung, und man könne heute schon sagen, daß die Suche nach belastendem Material in den wichtigsten Aemtern der Bayerischen Volkspartei ergebniss Los verlaufen müsse, weil ein solches nie existiert habe.

Seit der verhängnisvollen Einfreisung, die den Katas krophen von 1914 and 1918 führte, fei, führt die Reichspoft" gus, bie Abneigung gegen das Reich nicht so beängstigend ges

wesen. Weber mit wirtschaftspolitischen, noch mit geiftigen Grensiperren werde der Nationalsozialismus bas deutsche Bolt dauernd an aerfpalten und anseinanderzureißen vermögen.

Die unter Vorzenfur erscheinende Arbeiterzeitung" gibt ein Gespräch des Amsterdamer Het Volk" mit Stampfer wieder, in dem Stampfer seine Kampfansage an die deutsche Regierung wiederholt und bietet Stampfer in seinem Kampf gegen die Reichsregierung seine Hilfe.

Sicherheitsminister Fey erklärte einem Mitarbeiter des Az Eft": Ich bin Deutscher und will Deutscher bleiben; aber auch in der Zukunft ein gänzlich von Deutschland un abhängiger Defterreicher. Wir wollen unfere eigenen Herren bleiben unter allen Umständen. Die vaterländische

eines Wahlvorschlags der nationalsozialistischen Partei er­langt worden sei. Damit set den nationalsozialistischen Ab­geordneten die Ausübung ihres Mandates im niederöster­retchischen Landtag und dessen Ausschüssen verboten. Jede Uebertretung werde mit Geldstrafe bis 2000 Schilling oder mit Arrest bis zu sechs Monaten bestraft.

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Hitler läßt durch Conti- Büro seine ganze Wut ver­breiten, wenn es schreiben muß: Der Kampf der öster­ reichischen Regierung gegen den Margismus" erfährt durch ben nunmehr erfolgten Beitritt der sozialdemokratischen Or ganisationen der Gendarmerie -, Polizei- und Zollbeamten zur sogenannten Vaterländischen Front eine treffende Kenn­zeichnung. Der Führer dieser marristischen Organisationen, Bundesrat Schabes, bezeichnete es als nichts Absonder­liches", wenn man, um eine Verstärkung der Front gegen Deutschland zu bilden, der Vaterländischen Front beitrete, um damit die Republik kräftiger schüßen zu können. Die