Prels: 60 f. cts.
Pentjake
Nummer 28-1. Jahrgang
rethell
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Samstag, 22. Juli 1933
Chefredakteur: M. Braun
Wird unser äußeres Wirken in Fesseln geschlagen, so laßt uns desto kühner unsern Geist erheben zum Gedanken der Freiheit, zum Leben in diesem Gedanken, zum Wünschen und Begehren nur dieses einigen. Laßt die Freiheit auf einige Zeit verschwinden aus der sichtbaren Welt; geben wir ihr eine Zuflucht im Innersten unserer Gedanken so lange, bis um uns herum die neue Welt emporwachse, die die Kraft habe, diese Gedanken auch äußerlich darzustellen.
Kant.
..Herr Staatsrat" 1000 Mk. monatlich
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Man hat es ja Bombeneinkommen für Nazibonzen- Die Wohlfahrtserwerbslosen dürfen verhungern
Offiziell wird gemeldet: Das preußische Staatsministerium hat dem Amtlichen Preußischen Pressedienst zufolge in einer Durchführungsverordnung zum Gesetz über den Staatsrat die Aufwandsentschädigung der
Staatsräte auf tausend Reichsmark monatlich festgesetzt. Haben die Staatsräte ihren Wohnsitz in Groß- Berlin oder Potsdam , so beträgt die Aufwandsentschädigung 500 Reichsmark monatlich. Die Auszahlung beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem die erste Staatsratssihung stattfindet.
Man muß sich dabei an folgendes erinnern: die Aufwandas entschädigung der Neichstagsabgeordneten im parlamenta=
rischen Staat betrug nur 600 Mart monatlich. Davon gingen 60 bis 100 Mart Fraktionsbeitrag ab und für jede Sigunz, an der ein Abgeordneter sich nicht beteiligte, oder für jede namentliche Abstimmung, bei der er fehlte, wurden 20 Mark abgezogen. Die Herren Staatsräte, faft ausnahmslos Nazibonzen, erhalten nun das Doppelte ohne jeden Abzug. Wie aber konnten sich die Naziredner über die„ Parlas mentswanzen“ und die„ Diätenschluder" moralisch entrüsten.
Nicht ein einziger der nenen Staatsräte begnügt sich mit den 1000 Mart monatlich. Alle, aber auch alle sind sie
,, Stier Göring"
So sieht England den preußischen Minister präsidenten- Auf einer Stufe mit gigantischen Verbrechern Der Irrsinn regiert
Unter dem Titel: ,, Der Stier Göring, die große Kanone der Nazibande", veröffentlicht der ,, Daily Herald" einen Artikel von Harold Laski , dem berühmten Staatsrechtslehrer, ob Professor an der Londoner Universität und Mitglied der Labour Party . Wir geben den Artikel in wörtlicher Uebersetzung wieder.
Noch mehr als Hitler selbst ist der Hauptmann Göring der typische Repräsentant des nenen Deutschland , wie es aus der tragischen Reaktion der Nachkriegsjahre entstanden ist. Ein einigermaßen bedeutender Flieger, verbittert durch die Niederlage, geistig nicht im Gleichgewicht, bedenkenlos, mißtranisch, von größter Nachsicht gegen sich selbst, ist sein ganzes Wesen durchtränkt von Haß und Rachsucht. Er ist ber bloße Spielball primitiver Instinkte und kann nicht mehr begreifen, daß die Zivilisation ein Produkt der Selbst beherrschung ist.
Er besitzt einen leidenschaftlichen Willen, von jener Art, ber den Menschen zur Eroberung der Macht treibt, ohne ihn zugleich zum schöpferischen Gebrauch der Macht zu bes fähigen. Er kann allein in den Begriffen der Unterjochung und der Zerschmetterung denken.
Seine Reden verraten alle eine Spur von Irrfinn. Es find Drohungen mit wilden Angriffen gegen seine Gegner mit jener Schärfe, wie sie Irrfinnigen eignet; daß er eine Zeitlang Patient in einer Frrenanstalt war, ist keine Uebers raschung.
Er haßt die Juden, Sozialisten und Gewerkschaftler. Für ihn find fie die Ursachen der deutschen Niederlage. Sie jetzt ins Gefängnis zu werfen, ihre Leiden zu verhöhnen, auf die Mißhandlungen und Torturen stolz zu sein, verschafft ihm das Gefühl der Genugtuung des Sieges.
Sie niederzuschlagen, ist für ihn eine Revanche für die Demütigung von Versailles . Der Sieg über sie ist das Vors spiel für den Revanchekrieg von morgen.
Denn dieser Revanchekrieg ist die einzige pofitive Politik, die Göring im Sinn hat. Er ist der Urheber der neuen Luftfahrtpolitik, die unter der Tarnung der Entwicklung der Handelsschiffahrt die Klausel des Versailler Vertrages zu umgehen sucht, die Deutschland militärische Luftfahr: zeuge verbieten.
Das mystische Bombardement von Berlin mit Flugs fchriften, die niemand gesehen hat, aus Flugzeugen, die einzig und allein Göring kennt, ist charakteristisch für die Gemüts: art des Mannes, von dem gesagt wird, daß er den Plan des Reichstagsbrandes entworfen hat.
Göring ist ein gefährlicher Mann, weil er keine Hems mungen fennt. Wer je seine Reden gehört hat, weiß, daß er gegenüber aller Menschheit und allem Anstand völlig gleich gültig ist.
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Er scheint eine wilde Frende an Grausamkeit an empa finden und seine Moral steht unter der eines Gangster von Chikago. Er hat sich mit Lenten von ähnlichem Kaliber umgeben. Seine Auffassung von„ Ehre" ist die eines Duellanten; seine Idee von Politik ist, zu töten, um nicht selbst getötet zu werden. Er ist die verförperte Gewalttätigs feit, und seine Genugtuung wächst mit der Größe der Ges
walttat.
Für Deutschland ist es ein Unglück, daß er an eine so hohe Stelle gelangt ist; es ist so, als wären Capone oder Jac Diamond ein Mitglied der Regierung der Vereinigten Staaten . Auch sie würden die Regierung nach der Moral der Unterweltbanden führen. Auch sie hätten ihre eigenen Braunen Häuser für die Folterung ihrer Gegner. Auch sie würden, wie er, sich der Vergewaltigung aller Gefeße und Bräuche rühmen, die die Existenz der Zivilisation überhaupt erst möglich machen.
Auch sie würden dieselbe Unwissenheit und Unfähigkeit zeigen, die Bedingungen zu begreifen, unter denen allein Wissenschaften und Künste blühen können. Sie würden mit demselben Schwulst, derselben Arroganz, derselben leiden schaftlichen Etstase über die Agonie ihrer Gegner triumphieren.
Aber das ist ein übles Ding nicht nur für Deutschland allein; es ist ein Unglück für die ganze Welt. Es ist eine Bedrohung der Grundlagen des Friedens. Denn wenn Göring seine Feinde zum Schweigen verdammt haben wird, dann wird er neue Siege nötig haben, um die Wollust der Macht auszukoften, ohne Rücksicht auf den Preis.
Der Bau von Flugzeugen ist nicht nur eine Renommifteret. Er ist bewußte Vorbereitung für den Krieg, an dessen Kommen er glaubt, den Krieg, den er erstrebt. Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, daß ein Mann seiner Art nicht den geringsten Strupel fennt, Europa aufs neue in ein blutiges Schlachthaus zu verwandeln.
Krieg ist für ihn nur ein Zug in dem Spiel um die Macht. Und diesen Zug zu tun, ist für ihn nicht unmoralischer als Juden und Sozialisten zu morden, Frauen zu schlagen oder Kinder als Geiseln ihrer Eltern zu verwenden. Seine einzige Lebensregel ist die Befriedigung seiner Impulse und Leidenschaften. Stößt er dabei auf Hindernisse, so wird er dadurch über sich selbst hinaus in einen Zustand geistiger Selbstzerstörung getrieben.
Scheitert er irgendwo, so gerät er in den Zustand des Morphinisten, der sich sein Gift nicht verschaffen kann. Des Rauschmittels beraubt, gibt es teine Tiefen, in die er nicht hinabsteigen würde, um seine Gier zu befriedigen.
Wenn Männer solcher Art an die Macht kommen, dann find selbst diejenigen ihrer Umgebung, die es besser wissen, gezwungen, durch ihr Stillschweigen diesen Weg des Jrrs finns zu dulden, wenn ihnen ihr Leben lieb ist. Ich wage die Behauptung, daß es keine fünf Staatsmänner in fämts lichen europäischen Kabinetten, daß italienische eingeschlossen, gibt, vor denen Dr. Schacht die Dinge, die Göring auf dem Gewissen hat, verteidigen könnte.
Ich glaube, daß Baron von Neurath, wäre er noch ein freier Mann, leidenschaftlich beteuern würde, daß er die Tage von Stresemann und Brüning sehnlich zurückwünsche. Aber sie haben sich selbst an den Karren der Tollwütigen gebunden, über die ihre Aufsicht auszuüben gehofft hatten;
Doppel- oder Dreifach verdiener. Die Herren haben neben den Staatsratsdiäten noch Gehälter als Gauleiter und Oberpräsidenten. Viele von ihnen dürften ein Monatseinkommen von 3000 Mark erreichen.
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der Solche Summen werden für reine Sinekuren Staatsrat hat keinerlei Beschlußrecht nur zur Bereiche= rung der Bonzencliquen des Nationalsozialismus hinaus geworfen, während man Hunderttausende von Wohlfahrts: erwerbslose aus der Unterstügung hinauswirft, fie als „ Saboteure" der Wirtschaft beschimpft und ihnen mit Schutz= haft droht, wenn sie sich den Raub ihrer Unterstützung nicht widerspruchslos gefallen lassen..
Politischer
Mordplan aufgedeckt! Sozialistische Führer im Saargebiet sollten durch
deutsche Nationalsozialisten ermordet werden
Ein Mitwisser verhaftet
In Meß ist am Montag von der französischen Geheimmit dem sozialdemokratischen Parteibuch in der Tasche polizei ein« Sozialdemokrat" verhaftet worden, der sich schon seit längerer Zeit im Saargebiet und in Lothringen herumtreibt. Er versuchte sich an sozialdemokratische Emigranten heranzumachen, um allerlei zu erfahren. Seit Wochen wurde er beobachtet, und jetzt ist er in Metz festgesetzt worden.
Er hat gestanden, daß von Köln her ein Mordplan gegen reichsdeutsche Sozialdemokraten, die man für die Inspiratoren der« Deutschen Freiheit" hält, in Szene gesetzt werden soll. Die in Metz gemachten Feststellungen sind inzwischen durch unmittelbare Nachrichten aus Köln bestätigt worden.
Wir begnügen uns heute mit dieser Veröffentlichung und lehnen es im Interesse des Fortgangs der Untersuchung einstweilen ab, Namen der an dem Klomploff Beteiligten oder die Namen der mit der Absicht des Umlegens Verfolgten zu nennen. Leider muß man annehmen, daß die Pläne auch durch die Festsetzung des einen Mitwissers nicht aufgegeben werden.
Die Organisation dieses Mordplans ist von Köln aus erfolgt. Dort werden weitere derartige Absichten verfolgt.
und so sind sie durch ihre stillschweigende Duldung zu den verächtlichen Komplicen der Brutalität geworden.
Wenn dieses schreckliche Abenteuer vorüber sein wird, dann wird in der Gesellschaft zivilisierter Menschen kein Blaz sein für Leute wie Schacht und Neurath , die zu den Schandtaten geschwiegen haben, um für eine kurze Spanne an der Macht zu bleiben.
Denn dieser Jrrfinn dauert nicht ewig; eine ganze Nation kann nicht auf die Dauer ihren Verstand verlieren. Wir wissen um den brennenden Haß, der in der deutschen Arbeiterklasse aufsteigt. Wir wissen, daß all die Fortschritte, die Deutschland in der Außenpolitik gemacht hatte, in den wenigen Monaten vernichtet worden sind. Wir sind sicher, ist erst diese erste Vergiftung vorüber, fragt das de tsche Volk erst nach den Erfolgen, so wird die jegige Ruhe sehr rasch weichen.
Ohne ökonomische Erholung wird in Deutschland eines Tages es entweder zum Bürgerkrieg oder zum Krieg nach außen kommen. Und in beiden Fällen werden die Hitler= Leute ernten, was sie gesät haben. Denn in der Politik wie in der Natur gilt der Sag: Aktion und Reaktion find einander gleich; und wenn die Ernte kommt, dann wird sie so blutig sein wie nie zuvor.
Unsere Aufgabe muß es unterdessen sein, Neu- Deutschland flar zu machen, daß seine Beherrscher, wenn sie wie tolle Hunde fich benehmen, vom Ausland wie Parias behandelt