Feuillefonbeilage der Deutschen Freiheit"*
Dec enthumanisierte Strafvollzug
Präsident Humann ladet die Presse ein..
Die„ Breslauer Neueste Nachrichten" bringen unter der Ueberschrift„ Der Geist der Aufsässigkeit hat aufgehört" und dem Zitat eines Ausspruches des Staatssekretärs Freisler„ Die Strafe muß unter allen Umständen für den Betroffenen ein Uebel sein" folgenden Bericht über einen Besuch im Klotschfauer Gefängnis:
" Die Reform des Strafvollzuges gehört zu einem der wichtigsten Programmpunkten des preußischen Justizministeriums. Wie im gesamten öffentlichen Leben unseres Volfes, so haben auch die Anschauungen über den Strafvollzug eine grundlegende Aenderung erfahren. Als Leitsab steht über der Reform, daß die Strafe für den Betroffenen ein Uebel sein muß. Für den gewöhnlichen Sterblichen ist dieser Grundsatz zwar eine Selbstverständlichkeit, aber in den verflossenen vierzehn Jahren ist selbst diese Selbstverständlichkeit zur Farce geworden. In übertriebener Humanitätsduselei hatte man us den Straf
gefängnissen eine Art Sanatorien zu machen versucht, und durch den Strafvollzug in Stufen konnte sich ein Rechtsbrecher bei einigermaßen guter Führung einen billigen und burchaus gesicherten Aufenthalt verschaffen.
Bei einer Besichtigung des Breslauer Strafgefängnisfes in der Kletschkauer Straße, zu der Präsident Humann die Presse eingeladen hatte, fonnte man sich davon überzeugen, daß der neue Geist auch hier bereits seinen Einzug gehalten hat. Schon die Tatsache der nationalsozialistischen Revolution, die den Strafgefangenen durch Radioübertragung der wichtigsten Ereignisse und durch die Zeitungslektüre ja nicht unbekannt geblieben ist, hat es mit sich gebracht, daß der Geist der Aufsässigkeit, der unter den Gefangenen herrschte, mit einem Schlag verschwunden ist. Die Autorität der
Beamtenschaft ist wesentlich gestärkt, der Leiter der Strafanstalt, Oberdirektor Möltgen, ist durch Beseitigung der verschiedenen Kontrollinstanzen wieder zum verantwortlichen Führer der Anstalt geworden, so daß auch hier das Führerprinzip sich durgesetzt hat.
Die Enthumanisierung des Strafvollzuges besteht vor allem in der Beseitigung der zahlreichen Ver
günstigungen, die dazu geführt hatten, daß sich die Gefange
nen besser standen als viele Erwerbslosen und als mancher Beamter, der sie zu beaufsichtigen hatte. So ist das Beschwerderecht eingeschränft worden, das bisher den Gefangenen erlaubte, sich bis zu den höchsten Amtsstellen direkt über die unsinnigsten Dinge zu beschweren. Die Spazier
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nie stattgefunden haben sind endgültig abgeschafft, auch die Unterhaltungskonzerte und Urlaubsvergünstigungen fallen in Zukunft weg. Besonders wichtig ist die Entziehung der Raucherlaubnis, die zu vielen Unzuträglichkeiten geführt hatte...
In der Frrenabteilung werden diejenigen Gefangenen untergebracht, die während der Haft erkrankt sind. Meist handelt es sich um vorübergehende Haftpfychosen."
Es ist nötig, solche Stimmen aus der nationalsozialistischen Gesinnungswelt sehr ernst zu nehmen. Hier erst, im Kleide nüchterner Worte, in der Form eines Berichtes oder einer scheinbar unpolitschen Abhandlung, ist die furchtbare Ver wüstung des deutschen Rechtsbodens und der Menschlichkeit ganz erkennbar. Die„ Enthumanisierung", nicht nur im Strafvollzug, ist das Symbol dieser Epoche geworden.
Musik- gleichgeschaltet und ausgeschaltet
Nichtarier werden zugelassen
Ereignisse und Geschichten
Freiwillig!
Wenn alle Führer einer Partet verhaftet werden und eingesperrt, mißhandelt und vor den Kadi gezerrt, wenn mancher der braunen Polizei
nur als Krüppel entrinnet oder als Leiche. so nennt man das Ganze im Dritten Reiche, dessen Presse nie gegen den Takt verstößt, ,, die Partei hat sich freiwillig aufgelöst." Wenn die SA. einen Menschen hetzt, ihm täglich dreimal den Tod verheißt, ihm Stinkbomben in die Wohnung schmeißt, ihm solange Leben und Nerven zerfetzt, bis er sich an die Behörde wendet, bittend, daß die seine Qual beendet, so pflegt man amtlich hervorzuheben: ,, Er hat sich freiwillig in Haft begeben." Freiwillig" schaltet sich alles gleich, freiwillig" opfert sich jeder dem Staat, ,, freiwillig" hungert das Proletariat, freiwillig" verzichten im Dritten Reich die Arbeitslosen auf Arbeit und Rente, freiwillig" gibt jedermann Spende auf Spende, doch wer sich weigert, verliert Lohn und Brot, wer nicht freiwillig" zahlt, wird gejagt und bedroht. Da Herr Hitler freiwillig Throne fällt, da sein Führerstab sich euch freiwillig- stellt, um jeden heimtückischen Knüppelschlag,
um jeden Mord, den die Braunen begangen, ohne Abstrich freiwillig- zurückzuempfangen. Dann wird die Freiheit aus Ketten brechen und ihren Henkern das Urteil sprechen.
Solange solche Lehrer.
Kara
.
Durch die glorreiche Revolution Hitlers ist den Buben das Recht erkämpft worden, vom zehnten Lebensjahr an auch zum Schulunterricht in Uniform zu erscheinen. Welchen ungeheuren Wert diese pädagogische Tat besißt, berichtet begeistert ein Nazilehrer in dem Dresdener Freiheitskampf". Am
Aber die Besten gehen woanders hin am 7. Juli erzählt dort Pg. Artur Löffler:
Im preußischen Kultusministerium fand eine Besprechung mit den führenden deutschen Musiker und Rünstlerverbänden statt. Als Ergebnis dieser Aussprache wurde festgestellt, daß die Bestimmungen, die den berufsständischen Aufbau betreffen, nicht die grundsätzlichen Richtlinien des preußischen Erlasses, dem sich der Reichsminister Dr. Göbbels für sein Ministerium anschloß, berühren. Es kann und soll jeder freischaffende, berufene Künstler, gleich welcher Nationalität, zu Worte tommen. Der berufsständische Aufbau der deutschen Musiker deutschen wird sich nicht dagegen stellen. Die künstlerische Betätigung
von Ausländern und Nichtariern in den freien Berufen der Kunst soll also, abgesehen von den gesetzlichen Bestimmungen des Beamtenrechts, feineswegs verhindert werden.
Diese neuen Bestimmungen erfolgten keineswegs nur unter dem Druck der Weltmeinung. Der Ausschluß der Ausländer und Nichtarier aus den Konzertsälen hätte nämlich bedeutet, daß man im Ausland deutsche Künstler reinraffiger Abkunft boykottiert hätte. So hat man dann dem offenen Terror abgeschworen - wenigstens nach außen hin. Daß der geheime weiter besteht, kann nicht zweifelhaft sein, weil sich der Hakenkreuz- Musiker besonders„ berufen" fühlt, mag auch der Ausländer und der Jude zehnmal mehr können als er. Denn täglich wird die besondere politische Mission der deutschen Kunst, umhüllt von mystischen Weihrauchnebeln, der deutschen Oeffentlichkeit offenbart. Dr. Erwin Bauer schreibt z. B. im„ Völkischen Beobachter":
" Der ungeheure Irrtum der modernen Zivilisation, der, wie alle Künste, auch die Musik buchstäblich verschüttet hat, verlangt geradezu die Korrektur durch den überlegenden Geist der Politit. Wenn man beshalb von einer nationalsozialistischen Musikpolitik spricht, dann ist damit immer die Ver.
Der Dichter- Schriftsteller Hermann Bahr ist in diesen Tagen fiebzig Jahre alt geworden. Eine eigenartige, nicht ganz erfreuliche Persönlichkeit, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie trotz der ungeheuren Fülle an Werken, die Hermann Bahr geschaffen hat, und troß seinem Bestreben, den Lauf der Ereignisse mit seinen Meinungen zu begleiten, ohne irgendwelchen Einfluß auf die Epoche geblieben ist.
mischung von fünstlerischen Begriffen mit dem höchsten denkbaren Begriff von Politik zu verstehen..."
In diesem„ überlegenen Geist der Politik" können Männer wie Bruno Walter und Otto Klemperer in
diesem Deutschland nicht mehr dirigieren. Sie fallen, sobald ein Kapellmeisterposten für sie in Frage kommt,„ unter die gesetzlichen Bestimmungen des Beamtenrechts"...
Die andere Seite
Alle meine Neunjährigen beneiden den Heinz und den Hans, weil diese, bereits zehnjährig, Jugenduniform tragen dürfen. Heinz die des Hitler- Jungvoltes, Hans die des Scharnhorstbundes. Beide sind Sigenbleiber, demnach ein Jahr älter als die anderen. Das gilt sonst wohl als ein Fleckchen an der Schülerehre, doch die Uniform gleicht das aus, fie verschafft sogar höhere Geltung unter den Klassengenossen.
Vielleicht ist auch dieser Bericht ein kleiner Beitrag zu der so schwer zu beantwortenden Frage: Wieso war es möglich. daß Hitler zur Macht kam? Solange solche Lehrer in Deutsch land lehren...
In Straßburg soll das„ Musikfest des ausgeschalteten Affe mit Gewehr
Geistes", das in Straßburg stattfindet, ein fünstlerisches Unternehmen von Eigenart und Großzügigkeit werden. Es ist mit dem Namen des Dirigenten Hermann Scherchen verknüpft, dessen Aufführungen moderner Musikwerke überall Aufsehen erregten. Scherchen verfolgt mit seiner Aftion rein künstlerische, durchaus unpolitische Zwecke. Es wird nichts anderes geschehen, als daß unter seiner Leitung in Straßburg internationale Studienkurse abgehalten werden, die mit Musikaufführungen verbunden sind.
In einem Dresdener Bericht des Prager Tageblatt" schreibt Heinz Herrmann:„ Auch Kinder tragen Uniform. Hitlerjugend . Auch Mädchen. Und im Kinderzoo führt ein SA.- Mann, ein Lehrer vielleicht, in voller Uniform die Aufsicht. Der Spielplatz ist mit Hakenkreuzwimpeln geschmückt. Sogar ein ausgestopfter Menschenaffe, der hinter Glas zur naturgeschichtlichen Belehrung aufbewahrt ist, hat ein Gewebr über die Schulter, einen Säbel an der Hüfte."
Aufgeführt werden fast alle zeitgenössischen Komponisten Entlassen!
von Rang. Aus Deutschland und Desterreich u. a.: Berg , Hauer, Hindemith , Jarnach, Krenet, Schön berg
, Toch, Vogel, Webern, Weill ; aus anderen Ländern: Bartof, Casella, Honegger , Kodaly , Milhaud, Prokofieff, Strawinski . Ein kurzer Blick auf die Liste läßt erkennen: fast durchwegs Namen, die heute im Dritten Reich verpönt sind.
An der Grenze des neuen Deutschlands wird eine künstlerische Kundgebung stattfinden, die gerade dadurch, daß sie sich von aller Politik fernhält und nur auf Leistung sich einstellt, von selbst eine kulturelle Demonstration, ja beinahe ein flammender Protest werden wird.
In Wien , wo er den künstlerischen Teil der Wochenschrift " Die Zeit" leitete, begann er Desterreich sozusagen zu entdecken. Er liebäugelte mit dem Sozialismus und verfaßte sogar einige Kampfschriften für ihn. Er suchte den Spießbürger zu verblüffen und wartete ihm mit fühnen Theorien und debütierenden Jünglingen auf, unter denen freilich einige später zu reifen Künstlern heranwuchsen. Was war ihm ernst? Sein begeisterndes Eintreten für alles, was neu war, bloß weil es neu war? Seine Hinneigung zur Kultur des Westens, wobei er trotzdem im Krieg so schrieb, als ob er den Krieg gutheißen würde? Er war ein ausgepichter Skeptiker der Großstadt und landete schließlich im Katholizismus. Er hatte in seiner streitbaren Jugendzeit eine Broschüre„ Die Aussichtslosigkeit des Sozialismus" mit einer Gegenschrift beantwortet, in der er dem Autor Einsichtslosigkeit vorwarf. Jahrzehnte danach nannte er in einem Theaterstück„ Die Mütter" den Marrismus einen
Hermann Bahr stammt aus Linz , wo sein Vater Notar war. In seinen Erinnerungen, die er anspruchsvoll„ Hermann- Bahr- Buch" benannte, erzählt er, daß er dazu be= stimmt war, auch ein braver Notar in Linz zu werden, und auf dem Wege zu diesem Ziel durch den Tod Nichard 28 agners abgelenft wurde. Er war nämlich Jusstudent großen, sozialistischen Dufel". Zum Schluß ist er erzkonser
in Wien , Burschenschafter, und hielt auf einem Trauerkommers die Ansprache.„ Da schlug mein deutsches Herz zu laut, es war damals bei uns gerade wieder einmal verboten, deutsch zu sein, ich wurde relegiert." Als Deutschnationaler og er also aus Desterreich fort, als Kosmopolit kam er bon seinen Reisen nach Berlin und Paris wieder. In Berlin wurde er von der aufstrebenden sozialdemokratischen Partei und ihren Männern berührt, in Paris von dem Naturalismus, der die langweiligen, bombastischen Nachfolger der flaffischen Dramen und die Plattheit einer bürgerlichen Runft abgelöst hatte.
vativer Katholik und einer jener patentierten Desterreicher, die über das Desterreichertum viel herumreden und zwischen Spötteleien und Verkleinerungen sich daraus eine Welt
anschauung zurechtlegen.
Einige Theaterstücke hat Hermann Bahr geschrieben, ferner einen Schauspielerinnenroman, in dem er bekannte Vorbilder flott nachzeichnete, dann einige Salonkomödien, von denen das Lustspiel„ Das Konzert "," Die Kinder" usw. einen Theaterabend lang bei guter Darstellung amüsieren tönnen.
Der ordentliche Professor für Philosophie und Pädagogik an der Universität Gießen, Dr. Ernst von Aster, ist auf Grund des§ 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dem hessischen Staatsdienst ent= lassen worden.
Ernst von Aster bekannte sich zum Sozialismus. Gegen den Marrismus hatte er viele Einwendungen theoretischer und psychologischer Natur. Tut nichts! Soviele geeichte Streber sind da, die sie nationalsozialistische Philosophie besser ein egerzieren können als er.
Dec ,, deutscheste Tod"
Abendstimmung am Deutschlandsender, die deutsche Seele wird erweckt mit Volksliedern im österreichischen Alpenland. Die einen schmeißen Bomben, die anderen funken gefühlvolle Volkslieder. Man nennt das Arbeitsteilung. Schlußpointe:... und nun, deutsche Funkhörer und -hörerinnen, das unvergeßliche Lied des deutschesten Mannes, der den deutschesten Tod für unser Volkstum gestorben ist: Bu Mantua in Banden Andreas Hofer lag!" Pardon! Dieser deutsche Mann kämpfte doch wohl für die Freiheit Tirols? Steht nicht im vergewaltigten Meran sein Denkmal. Und ist nicht die Freiheit Tirols von Hitler an Mussolint elend verschachert worden?
Den deutschesten" Tod? Gibt es auch einen„ polnischsten, tschechoslowakischsten, englischsten oder französischsten" Tod? Wenn Lächerlichkeit töten könnte, dann wären die Idioten am Deutschlandsender längst den lächerlichsten Tod gestorben.
Sie waren einst das„ Volk der Denker". Die Deutschen von hente denken überhaupt nicht mehr, sie haben besseres zu tun, als zu denken. Die große Politit" verfchlingt allen Ernst für wirklich große Dinge. Die Zahl der Fragezeichen verkürzt sich von Jahr zu Jahr. Die Deutschen werden langweilig: fie finds vielleicht schon: ihre Gefahr ist, in dem Grade geistig anspruchslos zu werden, daß man sie endlich auch nicht mehr anspricht. Fr. Niessche.