DAS BUNTE BLATT

TAGLICHE UNTERHALTUNGS- BEILAGE

Der Debreziner Rinderfiirt

Von Zsigmond Morics

Debrezin ist eine typische Stadt der ungarischen Tief­ebene. Es ist, als würde eine Handvoll Mehl auf den Tisch gestreut und darüber Wasser gegossen. Das Wasser schlän­gelt sich in dünnen Adern über den ganzen Tisch. So schlängeln sich die sandigen Straßen aus der Masse der win­zigen Häuser nach den Gärten und Wiesen.

Miska Javor sammelte auf einem dieser breiten Wiesen­wege jeden Morgen die Kühe und trieb sie auf die Weide. Die Kuh des in der Meistergasse wohnenden Lehrers war heute früh besonders übermütig, und das gefiel dem Mista nicht.

Der Teufel soll dir mitsamt deinem Herrn sum Tanz auf­spielen," sagte er zu ihr.

Was habt Ihr gegen meinen Herrn?" schrie ihn ein rot­gesichtiges Mädchen, die Magd des Lehrers, an. Ich werde euch gleich auf die Beine helfen."

Der Rinderhirt Miska Javor starrte das Mädchen an: Ei, hat die die Zunge gelöst, dachte er und antwortete nicht, sondern preßte sein Horn an die Lippen und bltes hinein: Tu tuuu tu tu tuuu!"

Den ganzen Tag dachte er daran, was für ein Mädchen das sein mag, das seinen Brotherrn auch noch verteidigt. Am nächsten Morgen blies er bereits ein beträchtliches Stück vor dem Lehrerhaus in sein Horn, und als hinter der Kuh das Mädchen auftauchte, warf er ihr wie neben bei hin:

Woher kommt Ihr denn nach Debrezin  ?"

" Woher wißt Ihr, daß ich keine Hiefige bin?" fragte das Mädchen und lachte ihm in die Augen.

Ich hab' doch Augen. Bin Kenner."

Das Mädchen lachte hell auf und sagte selbstbewußt: Ich bin aus dem Komitat Szabolcs."

Und ich bin der Rinderhirt von Debrezin  ," antwortete Mista Javor und blies so begeistert in sein Horn, baß die Fenster des Hauses zitterten.

Der alte Lehrer erwachte davon und wurde furchtbar wütend. Er vermochte den ganzen Tag nur daran zu denken, wie er den Rinderhirt von dem morgendlichen Besuch ab­bringen könnte.

Der Bursche dachte sich, ein Gläschen Schnaps am frühen Morgen ist nicht schlecht. Er nahm es, trant es aus und be­gann drauflos zu tuten. Er veranstaltete ein solches Kon­zert, daß sich in der ganzen langen Straße die Menschen umsahen: brennt vielleicht das Rathaus, wird deshalb ge­blasen?

Am nächsten Morgen stellte er sich, noch ehe das Fenster ge­öffnet wurde, auf den Posten, wohin ihn gestern der alte Lehrer geschickt hatte, richtete sein Horn gegen das Fenster

und blies mit solcher Leidenschaft, daß die Scheiben nicht einmal für einen Augenblid zu zittern aufhörten.

Endlich steckte der Lehrer den Kopf zum Fenster hinaus und reichte ihm den Schnaps. Er war so schläfrig, daß er faft nicht auf den Füßen stehen konnte, war ganz frank von dem Lärm. Aber trotzdem sagte er schmeichelnd:

Komm nur, mein lieber Sohn, tomm. Bläst du aber schön. Ich hab' noch nie jemanden schöner blasen gehört. Wo hast du das Horn her?"

Woher? Das hab' ich mir selbst gemacht aus dem Horn

des lahmen Stiers."

Es hat eine so gute Wirkung, baß ich nachher so tief ein­Schlafe, als ob ich nie mehr aufwachen wollte."

Der Rinderhirt trank den Schnaps, lüftete den Hut und ging, stolz tutend, weiter. Aber vorher zwinkerte er noch dem Mädchen zu:

Aufessen könnt' ich bich, liebliche Nose. Du bist sicherlich ein feiner Bissen. Mußt ein feines zartes Fleisch haben, so richtig zum Abtätscheln."

Das Mädchen lief awar fort, aber er war dennoch über. zeugt, daß er ihm etwas sehr Schönes gesagt habe, und er schmazzte den ganzen Tag und der Speichel rann ihm im Mund zusammen, weil er immerfort daran denken mußte, wie angenehm es sein müßte, das rundliche Mädchen tüchtig abzutätscheln.

Arbeiter

Den nächsten Morgen jedoch ging Miska Javor noch Von Helene Krepinsky weiter im Hofmachen. Er sagte zu dem Mädchen:

" Wenn Ihr aus dem Komitat Szabolcs seid, so könntet Ihr den Weg zur Weide finden."

" Was denn nicht noch?" rief das Mädchen und lachte aus voller Kehle über die Einladung. Wozu?"

Es ist dort sehr angenehm. Ich fönnt mit euch spielen, wenns mir zu langweilig wird."

Das Mädchen stahl ihm fast die Augen aus dem Kopf. Mista Javor aber blies ins Horn und diesmal wollte sein Tuten überhaupt kein Ende nehmen.

Da öffnete sich das Fenster und der alte Lehrer rief hinaus:

Komm' näher, mein Sohn."

Miska Javor hielt im Tuten inne. Sein Blid wurde mißtrauisch wie der eines Hundes, wenn ein Fremder thn ruft. Er weiß noch nicht, was der Mensch will, doch ist er ihm bereits feindselig gesinnt.

" Komm' nur näher, mein Sohn, du bekommst ein Gläs­chen Schnaps. Ich mag dein Tuten sehr, du machst deine Sache ausgezeichnet, mein Sohn! So, trink' schön den Schnaps aus und dann stell' dich auf die andre Seite hin­über und blas von dort."

Hast du sie schon gesehn, wenn sie am Abend Aus den Fabriken herdenweise wandern?... Mit müden Schritten, stumpfen Blickes gehn die einen, Und wie erlöst von langer Qual die andern. Sie alle sind voll Sehnsucht, voll Erwartung Der fargen Freuden, die der Abend bringt, Und ihre Augen, seltsam groß und leuchtend, Erträumen etwas, das im Nichts verklingt, Eh noch die Feierstunden enden. Dann und wann Wagts einer wohl und greift nach Traumgesichtern, Die flimmernd seine grauen Stunden leise heller... Die nächste graue Stunde macht ihn nüchtern, Weil an Maschinen sie wie Glas zerschellen. ... Und wieder Tag für Tag siehst du sie wandern In die Fabrifen, heimwärts müden Blids,

Voll Sehnsucht nach dem Leben, nach den... andern, Die ihre Brüder sind und die sie doch nicht kennen.

Das Märchen vom verscfiwundenen Flofi

Von Bruno Manuel

Nachdem oberflächliche Beurteiler uns den Glauben ein­geblasen haben, daß die Flöhe ausgestorben seien, darf eine Richtigstellung nicht unterbleiben. Es gibt noch Flöhe! Nichi, daß der Verfasser selber welche hätte. Er ist aber im Besiz einer beglaubigten Nachricht. Fest steht also, daß zahlreiche Flöhe sich ihres Daseins freuen. Nicht mehr ganz so viel wie früher. Doch auch die vorhandenen dürften bescheidenen Anforderungen genügen.

Das Gerücht von der hereingebrochenen Flohpest hat sich nicht bewahrheitet. Sollte sie wirklich hereingebrochen sein, dann haben viele Flöhe sie glücklich überstanden. Es ist nicht einzusehen, weshalb der Floh, Ueberträger der Pest auf den Menschen, plößlich selber daran zugrunde gehen sollte.

Eine Autorität in dieser Beziehung führt das Weniger­werden der Flöhe auf klimatische Umstände zurück. Ihnen ist also unser Wetter zu schlecht. Da es auch in Italien   nach­weislich wenig Flöhe gibt, scheinen sie sich nach Afrika   zurück­gezogen zu haben. Es schließt nicht aus, daß sie eines Tages reumütig in den Schoß der europäischen   Völker zurückkehren. Eine andere zoologische Kapazität behauptet, Floheier be­nötigen zu ihrer Entwicklung einen gewissen Grad von Feuchtigkeit. Unsere Witterung berechtigt zu der Hoffnung, daß wir bald wieder in den Besitz von recht vielen Flöhen

fommen.

Nicht nur der Menschenfloh, auch der Hundefloh lebt noch. Die Hunde kraßen sich keinesfalls bloß aus alter Gewohn­heit. Sie werden tatsächlich gestochen. Erwähnte Kapazität behauptet, daß der Hundefloh sich gar nicht sträubt, gelegent lich auch Menschen zu beehren. Glaubwürdige Tierfreunde haben es am eigenen Leibe erfahren. Demnach füllt der Hundefloh eine spürbare Lücke aus.

Uebrigens hat das Märchen vom allgemeinen Flobsterben zu übereilten Entschlüssen geführt. Eine wissenschaftlich­zoologische Anstalt glaubte einem dringenden Bedürfnis Rechnung zu tragen, wenn sie für jeden gut erhaltenen Floh den Liebhaberpreis von zehn Mart ausschrieb. Befagtes Institut hat seine vorschnelle Bereitwilligkeit zu büßen. Es befindet sich bereits in Zahlungsschwierigkeiten.

Auch das Reichsgesundheitsamt hat von glüdlichen Be fizern wiederholt Flöhe gesandt bekommen. Um übertriebene Hoffnungen im Keime zu ersticken: sie wurden nicht bezahlt. Sie wurden von kundiger Hand rücksichtslos in ein besseres Jenseits befördert. Woraus für den objektiven Betrachter zur Genüge hervorgeht, daß Flöhe noch lange keine Wert­gegenstände sind. Sonst hätte sich das Haus Rotschild jetzt freuen können. Dort besitzt man die größte Flohsammlung der Welt.

Der Vollständigkeit halber set angefügt: es gibt auch eine Sammlung von Flohfallen. Der Verfasser hat Fotografien gesehen. Er ist gesonnen, sie wahrhaft inquisitorisch zu nennen. Nachdem kein Zweifel besteht, daß es Flöhe gibt, wage ich zu behaupten, daß es sogar eine Maffe gibt. Andernfalls müßte der Direktor eines Flohzirkus   in Brünn   jest Selbst­mord begehen. Ihm sind durch mangelnde Obhut die meisten Tiere abhanden gekommen. Die Abendvorstellung mußte ab­gesagt werden. Obwohl sich unter den entflohenen Flöhen zwei ausgesprochene Stars befanden, glaubt der Direktor vollgültigen Ersatz zu bekommen. Schon im Umkreis seines Wohnwagens gedenkt er den Bedarf zu beden. Unter seinem Wohnwagens gedenkt er den Bedarf zu decken. Unter seinem fünftigen Ensemble werden auch einige sein, die das Zeug zu Primadonnen haben.

Er konnte kaum erwarten, daß er sich am nächsten Mor gen wieder vor dem Haus des Lehrers hinstelle, und er blies und blies ins Horn, bis er sich fast die Lunge aus dem Leib geblasen hatte.

Aber vergeblich, das Fenster wurde nicht geöffnet.

Das Mädchen war ebenfalls sehr fura angebunden, doch bemerfte er trobem, daß es sommersprossig set. Davon verging ihm ein wenig die Luft.

" Hol dich der Rudud," sagte er, zornig darüber, daß der Schnaps ausblieb, du hast ja Sommersprossen. So ein sommersprossiges Ding ist höchstens für die Dunkelheit

etwas."

Der Lehrer ist kein anständiger Mensch. Der schläft fa ein, sobald er das Horn hört.

Horn. Er blies so heftig, daß davon sogar ein Toter hätte Aber zwei Tage später blies er trotzdem wieder sein aufwachen können, aber das Fenster wurde dennoch nicht geöffnet.

Da wurde er von einer furchtbaren Wut gepact.

" Du, Mädel," schrie er das sommersprossige Mädchen att. Was für ein Mädel bist denn du? Du bist ja gar kein Mädel, ist ein Truthahnei. Verteidigst so ein fnaus'riges, geiziges, hinterliftiges Schwein? Der Teufel soll mit dir und samt deinem Herrn über die Höllentreppe schlitten­

fahren! Pad!"

Und er schlug mit seinem Knüttelstock zwischen die Kühe. Ich soll deinen Herrn einschläfern? Das soll der Beelze bub, der ihn ausgebrütet hat."

Er drehte dem Mädchen den Rüden, ihm derart kundtuend, daß er von ihm nichts mehr wissen wolle.

Und ich laß mich noch mit einem solchen Gefindel ein." Er war gekränkt und war verbittert gegen die ganze Welt, weil diese gemeinen Wucherer seine Kunst umsonst ausnüßen wollten.

Und er tutete nie mehr in der Straße, wo der Lehrer wohnte.

( Uebertragung aus dem Ungarischen von Stephan J. Klein.)

Der Kampf

um den Zeitungsleser

-

In dem mit allen Mitteln geführten Abonnentenkrieg der vier sogenannten populären Londoner Morgenblätter Daily Expreß  "," Daily Mail", Daily Herald" und News Chronicle" die drei übrigen Morgenzeitungen Times", ,, Daily Telegraph  " und Morning Post" sind zu vornehm, um sich an diesem Geraufe zu beteiligen, ist ein neuer Ab­schnitt zu verzeichnen. Daily Expreß  " und Daily Herald" haben sich eine Leserzahl von je zwei Millionen erkämpft, was sich das Blatt der Arbeiterpartei sogar durch einen öffentlichen Treuhänder hat beglaubigen lassen, während die Angaben des Daily Expreß  " durch nichts bestätigt sind. Jedenfalls haben beide Blätter die Daily Mail", die lange Jahre hindurch den Rekord gehalten hat, überflügelt, wenn auch wohl nur um einige zehntausend oder höchstens hundert tausend Leser. Die liberale New Chronicle" dagegen hat zusehen müssen, wie der Abstand zwischen ihr und den drei Blättern immer größer wurde. Die Zeitung hatte im Juni­Durchschnitt nur noch eine Auflage von 1315 000 täglich, eine für europäische Verhältnisse noch immer beachtenswerte Zahl, die aber um etwa 30 000 unter dem Juni- Durchschnitt des vorigen Jahres liegt. Das Blatt dürfte denn auch das ziemlich aussichtslose Rennen aufgeben, und der Endkampf wird zwischen der Daily Mail", dem Daily Expreß  " und dem Daily Herald" ausgefochten werden, zum stillen Ver­gnügen der Zeitungsleser Englands, und zum steigenden Entsetzen der Aktionäre, die die silbernen Kugeln für diesen Kampf liefern müssen.

Kommt der Vollbart für Männer in Mode?

Auf dem Internationalen Friseurkongreß, der jetzt in London   seine Tagung abgehalten hat, wurde auch die Frage aufgeworfen, ob der gepflegte und schöne Mann von heute wieder Vollbart tragen soll. In einer ernsten De batte wurde darüber viel gesprochen und ausländische Blät­ter haben dazu auch Stellung genommen. Neuvorker Blätter haben sogar eine Umfrage unter der sportbegeisterten Ju­gend gehalten, doch sind ausnahmslos alle Antworten, die eingelaufen sind, negativ, das heißt zugunsten der Bartlosig teit ausgefallen. Auch die Erzeuger der Rasierapparate haben sich gegen den Bart ausgesprochen, was ja eigentlich nicht sehr verwunderlich ist. Die weibliche Jugend hat ebenfalls ein Wörtchen mit gesprochen und erklärt, daß das Ideal der Männerschönheit von heute nicht nach einem Vollbart zu be­messen sei. Der Vorschlag des Friseurkongresses scheint dem­nach auf allen Linien Widerspruch zu begegnen und dürfte sicherlich wenigstens in der allernächsten Zeit nicht durch­dringen. Vollbart oder nicht Vollbart ist also keine Frage, die ernstlich in Erwägung zu ziehen ist, denn die Jugend hat heute zu bestimmen und sie allein hat sich für das glattrasierte Männergesicht ausgesprochen.

Wäre der Direttor so suversichtlich, wenn es eine& loh Er konnte sich von seinen pest gäbe?

Was übrigens die Verpflegung von Zirkusflöhen anbe­trifft, so ist das Direktorenehepaar in aufopfernder Weise darum bemüht. Es läßt seine Künstler am nadten Arm un­gestört Mahlzeit halten.

Für uns bleibt jedenfalls die auversichtliche Gewißheit, daß der totgesagte Floh lebt. Wir haben auch keine Veran­lassung, um seine Zukunft besorgt zu sein. Nichts spricht da­für, daß künftigen Geschlechtern der Genuß erspart bleibt. Im Gegenteil: wenn die Flöhe erst merken, daß Afrika   viel zu dünn bevölkert ist, werden sie sich mit erhöhter Leidenschaft auf Europa   werfen.

Frauen nicht trennen

Der Bauer Ali, der in einem Dorfe in unmittelbarer Nähe von Ankara   lebte, hat seine drei Frauen er würgt und sich selbst die Pulsadern geöffnet. Ali war einer der wenigen Türken, denen es troß der strengen Geseze Kemal Paschas gelungen war, in verbotener Trigamie au leben. Jahrelang war sein Glück mit seinen drei Frauen un­gestört, bis jetzt einer seiner Knechte, den er entlassen hatte, die Gesezwidrigkeit den Behörden meldete. Da Ali sich von feiner seiner drei Frauen trennen wollte, zog er es übri gens mit ihrem Einverständnis vor, mit ihnen gemeinsam au sterben,

-

-