Dr. Josef K. Friedjung:

Zur gesetzlichen Rassenpflege

Die Erblichkeit gewisser frankhafter Anlagen ist sichergestellt: es wäre gewiß wünschenswert, dieser Vererbung vorzu beugen. Staemmler macht dazu weitgehende Vorschläge, welche Krankheitsformen etwa die Unfruchtbarmachung un­bedingt und ausnahmslos verlangen, welche nur bedingt und in ausgewählten Fällen diese Maßnahme erheischen. Wie schwer hier der richtige Weg zu finden ist, sei an einigen

Eheverbot und Unfruchtbarmachung Minderwertiger?- Von Cäsar Beiſpielen gezeigt! Staemmler meint, man sollte bei der

bis Bismarck

Während sich das wirtschaftliche Programm des National fozialismus in furzer Zeit schon als Bluff erwiesen hat­Hausreparaturen, Straßenbau und unerhörter Lohndruck find die Königsgedanken Hitlers , bemüht sich eine kleine Gruppe seiner Rassentheoretiker, dem anderen Teil des Programms der Rassenpflege einen sozusagen wissenschaft­lichen Inhalt zu geben, an Eifer allen voran ein Herr Staemmler aus Chemnitz . Wohlbeschlagen in dem Phrasenschatz des Führers, ist er doch beslissen, die rassische Grundlage", auf der sich das Volk des völkischen Staates erneuern soll, sachverständigen Lesern zu erläutern. Aber auch hier erweist es sich, daß die Herren keinen neuen Ge­danken bringen, sondern nur mit knabenhafter Unbeküm­

seiner hohen Geburtlichkeit nicht obsiege, germanische Kultur von der slawischen nicht abgelöst werde. Weiß der Mann nicht, wieviel slawisches Blut in Preußen dem deutschen ver­mengt wurde? Rassenpflege mit Froschperspektive!

Aber so lange die Hochwertigen" zu wenig Kinder liefern, tann man wenigstens mit der Ausmerzung der Minder­wertigen beginnen. Von den Konzentrationslagern wird diesmal schamhaft geschwiegen und man überlegt nur, daß ein Eheverbot erblich Minderwertiger unwirksam, die Asylie­rung zu fostspielig wäre. Und so landet Staemmler bei der Unfruchtbarmachung solcher Menschen.

mertheit alte, längst widerlegte Irrtümer mit alten be Berühmte ,, Minderwertige"

gründeten Forderungen, eigene Vorurteile mit fremden Urteilen durcheinanderrütteln.

Arm und minderwertig?

Planmäßige Rassenpflege war, so meint Staemmler, noch bis vor wenigen Jahrzehnten nicht notwendig, weil eine verhältnismäßig hohe Sterblichkeit eine natürliche Auslese durchführte und eine hohe Geburtenzahl den Ersatz des Ausscheidenden gewährleistete". Hier begegnen wir längst

Damit betritt er ein Gebiet, das schon lange auch von durchaus ernsten Bevölkerungspolitikern bearbeitet wird.

echten Epilepsie nicht allzu zurückhaltend sein: demgegen. über seien folgende berühmte Epileptiker genannt: Cäsar, Paulus, Mohammed , Helmholz, Franz von

Assist, Napoleon ! Zu der Gruppe der Menschen, die krankhafterweise regelmäßigen Stimmungsschwankungen unterworfen sind, gehörte auch Goethe und der große Maler Feuerbach. Hysterische Züge zeigen Rousseau , Wagner, Nietzsche, als Neurastheniker sind Darwin , Fechner, Bismarc*) zu nennen. Sie alle wären von Staemmlers Eifer bedroht.

Wir sehen, welche Hemungen da einer gefeßlichen Fassung im Wege stehen. Dennoch soll sie gesucht werden, freilich nicht vom Machtrausch einer bedenkenlosen Reaktion, sondern von der verantwortungsbewußten Gewissenhaftigkeit freier Forscher.

*) Die Angaben sind einem Aufsatz von Reiter: Erbbiologie und Erziehung( Gesundheit und Erziehung, Band 1, Seite 454) ent

nommen.

Das Stände- Feuerwerk

widerlegten, insbesondere von Prinsing betämpften Verregnet und abgesagt!

Irrtümern. Die früher so hohe Sterblichkeit, vor allem der Säuglinge, jätete nicht die Minderwertigen, sondern die mangelhaft Gepflegten, besonders die der Mutterbrust Ent­behrenden aus, in erster Reihe also die unehelichen. Ist es aber ohne weiteres erlaubt, arm und minderwertig gleichzusetzen? Dann aber war jene Bevölkerungspolitik auch in den Mitteln verschwenderisch. Selbst wenn wir über die sinnlosen, seelischen und körperlichen Lasten, die Gefahren all der zwecklosen Geburten für unsere Frauen hinwegsehen -Ihr dummen Siegen seid ja dazu da!" rief ein Nazi noch vor der Machtergreifung in einer Landtagssigung aus, so find doch die verlorenen Kosten einer solchen Wirtschaft für gemütlose Rechner um Hugenberg nicht gleichgültig. Die Ausgaben für jede Schwangerschaft, Geburt und erste Pflege wurden mit rund hundert Mark berechnet. Wenn wir die frühere Säuglingssterblichkeit Preußens allein mit nur zweihunderttausend im Jahré niedrig annehmen, so macht das einen jährlichen Geldverlust von zwanzig Millionen Mark aus. Wieviel Förderung mittelloser, aber begabter Kinder des Volkes wäre mit diesem Betrag möglich! Das müßte sich immerhin ein Mann, der den Mut zum Kinder­reichtum stärken" will, vor Augen halten. Wenn in einer armen Familie mit eng begrenzten Lebensmöglichkeiten ein neues Kind zu mehreren älteren hinzukommt, so muß ein älteres sterben, es wird vom Neugeborenen aufgefressen", wie Ferdy, ein preußischer Amtsarzt, schon vor vierzig Jahren drastisch fagte. Gelten die Leiden dieser von der Statistit zum Tode verurteilten Rinder dem Eugeniter Staemmler gar nichts?

Wertvolles Menschenmaterial" Und nun der Mißbrauch mit dem Worte vom, wertvollen

Menschenmaterial"! Welcher Maßstab gilt da? Wer etwa bis zum Jahre 1931 zur SA. tam, gilt zweifellos für wertvoll", auch wenn er mit Syphilis infiziert, wenn er homosexuell, wenn er eines Meuchelmordes überwiesen ist. Wer sich aber zum Sozialismus bekennt, wer, wie Remarque , das Ent­sezen des Krieges erlebte und packend festzuhalten wußte, wem, wie Freud, eine topernikanische Tat in der Erkennt­nis der Menschenseele gelang, der ist wertlos, ein Unter­mensch, zur Ausscheidung reif. Mendel, der große Ent­decker, auf dessen Leistung die nachgeborenen Staemmler und Stammler fich stützen, war ein katholischer Pfaffe", den man in München vielleicht den Wertvollen" zur Mißhandlung ausgeliefert hätte, wenn er sich vielleicht in unsere große Zeit verirrt hätte. Aber um einen allgemeinen Gesichtspunft nicht vermiffen zu lassen, sieht Staemmler als wichtigstes Ziel der Rassenpflege die Sorge, daß in Europa das Slawentum mit

Die

Zu den Rettungsplänen des Nationalsozialismus gehörte unter anderem die Verwirklichung der ständischen Wirt­schaftsidee. Vom Führer" angefangen bis zum letzten Syndikus: keiner begann und beschloß seine Rede mit dem Bekenntnis, daß die Wirtschaft gemäß den nationalsozialisti­schen Grundsäßen nach dem Stände- Prinzip wieder aufgebaut werden müsse. Schon wurden Systeme ausgear beitet, die, anfangend von der Urproduktion bis zum letzten Seleinhandelsladen, die Wirtschaft in eine organisch­planmäßige Ordnung bringen sollten. Damit wollte man den Kapitalismus, den Klassenkampf und natürlich den Mar­rismus, für immer besiegen. Verschwommene Mystik und Romantik mittelalterlichen Gepräges vereinigten sich hier mit modischem Phrasengeschwulst, den bestimmte wissenschaft­liche Schulung im Zeichen des totalen Staates" als Erlösung aus allen wirtschaftlichen Uebeln anpriesen. Auf dem deut­schen Industrie- und Handelstag, in den Industrie- und Handelskammern, in allen wirtschaftlichen Organisationen von der Schwerindustrie an, gab es bereits leidenschaftliche Erörterungen über die kommende ständische Neuordnung Wer hier nicht über sie sprach und seine Wunderrezepte vor­trug, der brachte sich in Gefahr, nicht mehr als treuer Hitler­Anhänger und Siegelbewahrer des Hakenkreuzes anerkannt zu werden. Versteht sich, daß Ehren- Ley, der beauftragte

Räuber der Gewerkschaften, feine seiner bombastischen Neden beschloß mit dem Gelöbnis, daß jetzt die Säulen" der Arbeit­nehmer den ständischen Wirtschaftsaufbau zu tragen hätten.

Nun aber ist alles, alles aus. Das Stände­Feuerwerk ist verregnet und wird offiziell abgeblasen. Die beginnende kapitalistische Restauration fann, so heißt es in den amtlichen Meldungen, unfruchtbare Distus­sionen und Experimente" nicht dulden. Was vor acht Tagen noch eine Rettung war heut ist es bereits eine Störung" der Fortführung einer geordneten Wirt­schaft".

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Man wird also vom ständischen Aufbau der Wirtschaft nichts mehr zu hören bekommen. Der Führer hat befohlen! Der neue Reichswirtschaftsminister, Herr Schmitt von der Allianz, will, daß die privatkapitalistischen Schornsteine rauchen und ihm keinerlei Organisationen, die den veralteten Begriff Gemeinnutz geht vor Eigennut" im Wappen tragen, die Aufbauarbeit stören...

Man will später einmal ,,, au gegebener Zeit", auf die stän dische Ordnung zurückkominen. Zunächst lautet die Parole: Nationaltapitalismus unter Mithilfe einer Arbeiterpartei",

Los der Armen im Dritten Reich

Von W. Andreas, Berlin

Aller Abbau der sozialen Leistungen in den Zeiten der Sparprogramme der letzten Krisenjahre wird aber bei weitem übertroffen durch die sozialen Taten" der Nazis, seit sie die alleinige Macht in Deutschland an sich gerissen haben. Daß an vielen Stellen in Deutschland , vor allem auch in kleinen Orten, die Wohlfahrts- Unterstützung nicht mehr an politisch mißliebige Familien und Juden gezahlt wird, ist in der Presse, auch von ausländischen Korresponden­den, wiederholt bezeugt worden. Noch zahlreicher sind die Fälle, in denen eine zum Leben völlig unzureichende Summe den Notleidenden gegeben und ihnen überlassen wird, wie sie sich das Uebrige zusammenbetteln sollen. So sind die unterstüßungsrichtsäße fast überall, troß der Verteuerung der Lebensmittel, start herabgesetzt worden. Für die Erhaltung Lebensmittel, start herabgesetzt worden. Für die Erhaltung der vorbeugenden Fürsorge, die in der modernen Wohlfahrts­pflege allgemein als die zweckmäßige, wirkungsvolle Methode angesehen wird, hat das Dritte Reich fein Berständnis auf­gebracht. Die soziale Gerichtshilfe, die sich der Strafge­fangenen und ihrer Familien annahm, wurde als eine der ersten glorreichen Taten des Dritten Reiches an den städti schen Stellen völlig eingestellt, die überwiegend die praktische Arbeit und die Zusammenfassung der privaten Vereinigungen auf diesem Arbeitsgebiet leisteten. Vielleicht wäre auch der Gegensatz solcher Hilfe gegenüber dem Verbrechen der unauf hörlichen Verfolgungen, Ueberfälle, Einterferungen und Abonnieren Sie sofort! Morde an Andersdenkenden durch die SA.- und SS.- Horden

,, Deutsche Freifieit"

muß man regelmäßig fesen auf diesem Arbeitsgebiet leisteten. Vielleicht wäre auch der

Besteffschein:

Ich ersuche um regelmäßige Zusendung der ,, Deutsche Freiheit"

Genaue Adresse:

zu augenfällig gewesen. Ebenso wurde zumeist die Kranken­hausfürsorge und die Hilfe der Alkoholkranken geschlossen. Man darf aber nicht glauben, daß durch die Einstellung solcher Hilfe und durch die Vorenthaltung des Notwendigsten gegenüber unbeliebten Bedürftigen von den neuen Macht­habern wirklich Ersparnisse gemacht worden sind. Charakte­ristisch hierfür sind die Wohlfahrtausgaben in einem großen Berliner Verwaltungsbezirk, die im Monat nach dem Be: ginn des Dritten Reiches um 400 000 R., d. i. um etwa 45 Prozent, angestiegen sind, obschon viele Arme nicht einmal

die bisherigen, bescheidenen Beihilfen bekamen. Der Grund ist leicht darin zu finden, daß viele SA.- und SS. - Männer zur Verbesserung ihrer Löhnung auf dem Wohlfahrtsamt die Auszahlung großer Unterstüßungen an sich selbst er zwangen. Dafür wurde namentlich in der Kinder- und Ju gendpflege allgemein sparsam vorgegangen. Die Fürsorge für kränkliche Kinder, Krüppel und Psychopathen, wurde an vielen Orten bald ganz eingestellt., Ob sich die neuen Macht­haber einreden, die Luft im neuen Reich sei heilsam genug? Das bisherige Verhalten der braunen Horden gegen zahl­reiche Arbeiter und ihre Familien wird leider weder seelische noch körperliche Krankheiten mindern. Und es genügt auch nicht, viele Psychopathen in die SA. und SS. aufzunehmen, wie es allerorts geschehen ist, um diese Burschen zu heilen. Selbst die jetzt allgemein angewandte Drohung mit dem Arbeitsdienst" ist kein gutes Mittel dazu. In Berlin sollen, wie bereits an dieser Stelle mitgeteilt wurde, auf Anord­nung des Nazikommissar Lippert, alle Kindergärten und Horte aus Sparsamkeitsgründen geschlossen werden. Wie ein schlechter Scherz mutet es an, daß kürzlich im Dortmunder Generalanzeiger verkündet wurde, die dortige Schulgesund­heitspflege und die Schulzahnbehandlung werde durch die Teilnahme weiter Kreise noch verbessert werden, allerdings müsse ein Abbau der ärztlichen Kräfte aus Ersparnisgründen stattfinden. Wer soll diesen Versicherungen Glauben schenken? In scharfem Gegensatz zu den Forderungen, die stets von uns erhoben wurden, wird jest allgemein als Allheilmittel

die private, karitative Wohltätigkeit gepriesen und der weitere Abbau der öffentlichen Fürsorge aller Zweige damit gerechtfertigt. Dabet sind diese Privatorganisationen seit Jahren troß aller Bemühungen nicht imstande, die notwen­digen Mittel für die Linderung der Not in Deutschland auf­zubringen, die jetzt durch die verhängnisvolle Politik der Nazis noch bei weitem verschärft worden ist. Und die gleich­geschalteten Kirchen" werden ebensowenig Abhilfe schaffen wie die humanitären Vereine, die meist ihrer opferfreudigsten Mitglieder aus den Kreisen des Handels und der geistigen Berufe beraubt worden sind.

Unterschrift:

Wieviele sind verhaftet?

Alfred Rosenberg straft seine Regierung Lügen

Der Chef des außenpolitischen Amtes der NSDAP. , Alfred Rosenberg , empfing amerikanische Journalisten und wider­legte dabei, natürlich ohne es zu wollen, aber um so wirf­samer, die unverschämte Lüge der Regierung über die Zahl der politischen Gefangenen. Rosenberg sagte nämlich, die Revolution sei äußerst unblutig gewesen, und das Ausland habe keinen Anlaß, Anstoß daran zu nehmen, daß einige 10 000 Rommunisten in Konzentrations­Iagern untergebracht wurden".

Die einzige unabhängige 10000 Tageszeitung Deutschlands

Ein amtliches Dementi faselte erst vor einigen Tagen von nur 18 000 politischen Gefangenen insgesamt.

Zweihundert SA.- Leute in Dachau

Die Fälle häufen sich, in denen rebellierende SA.- Leute ins Konzentrationslager gesteckt werden. Zweihundert SA.­Leute aus München sind in das Konzentrationslager nach Dachau gebracht worden. Man wirft ihnen vor, Gewaltakte ohne Befehl ihrer Vorgesezten begangen zu haben. Wür­den Gewaltakte mit Befehl der Borgeseßten ebenfalls mit Internierung im Konzentrationslager bestraft werden, so gäbe es nur ein einziges Konzentrationslager: ganz Deutschland .

Verantwortlich: für die Redaktion Joh. Pit: Inserate Otto Kuhn , beide in Saarbrücken . Druck und Verlag: Volksstimme" G. m. b. S., Saarbrücken , Schüßenstraße 5,