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Frethel

Danfaze

Nummer 37 1. Jahrgang

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Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Mittwoch, den 2. August 1933 Chefredakteur: M. Braun

Paris   droht!

Frankreich   stellt sich neben Österreich

Kriegsflüge"

Paris  , 1. Aug. Der Temps", das Blatt des französischen  

( Auswärtiges Amt  ) diese Illusion teilen. Sie müßten wissen, von welch außerordentlicher Bedeutung die inters nationale Stimmung ist für ein Land, das so sehr in

Außenministers, beschäftigt sich in seinem Leitartikel ausführs Not und in answeglojem Glenb sich befindet

lich mit der österreichischen Frage. Die Zeitung schreibt:

Es ist geradezu unglaublich, daß man sich in Berlin  barüber noch nicht klar geworden ist, daß Deutschland   durch feine Desterreich gegenüber beliebte Raub- Politik das Recht auf feine eigene Gleichberechtigung, um die es jahrelang ge fämpft hat, aufgibt und außerdem die gesamte internationale Meinung gegen sich mobil macht. Es ist möglich, daß dieser Erfolg den Hitlerianern gleichgültig ist, die ja in dem törichten Wahne leben, als ob fie mit ihrem Rezept die Welt beglüden könnten; fast un benkbar aber ist, daß die hohen Herren in der Wilhelmstraße

Flugzeuge

wie das Deutschland   Hitlers. Eingeweihte Kreise wollen wissen daß der deutsche   Reichskanzler dem Hezer Habicht Blancovollmacht für Oesterreich gegeben hat unter der ein: zigen Bedingung, daß durch seine Politik keine internatio: nalen Verwidlungen entstehen, Man muß annehmen, daß die Befehle des Herrn Hitler nicht genügend verstanden worden sind; denn das erste Resultat der deutschen   Kriegs: flüge gegen österreichisches Territorium ist daß, daß nun glücklich die fremden Mächte sich in aller Form der Frage bemächtigt haben. Wenn die Herren in Berlin   gut beraten sind, dann blasen sie jetzt schleunigft den Feldzug gegen Wien   ab. Es ist allerhöchste Zeit!

gegen Deutschland  !

Ein österreichischer Schritt in Paris Paris  

, 1. Auguft.( Eigener Drahtb.) Wir erfahren von zuständiger Seite, daß die österreichische Bundesregierung bei den Signatar­mächten des Friedesvertrages von Saint- Germain   fondiert hat, wie sie sich verhalten würden gegenüber einem etwaigen Ersuchen der Wiener   Regierung, eine bestimmte Anzahl bewaffneter Polizei- Flugzeuge zu erwerben und vorübergehend in Dienst zu stellen; diese Flugzeuge sollen ausschließlich bestimmt sein zur Abwehr der unter offensichtlicher Billigung, wenn nicht Unterstüßunng der Berliner   Regierung betriebenen planmäßigen Ueberfälle deutscher   Flugzeuge auf österreichisches Gebiet, wobei, wie bekannt, Aufrufe gegen die österreichische Regierung abgeworfen werden.

Die Regierung der französischen   Republik   macht, wie uns hierzu von berufener Stelle mitgeteilt wird, an­gesichts der besonderen Sachlage kein Geheimnis daraus, daß sie alle Miffel billigen wird und politisch zu unter­stüßen entschlossen ist, die geeignet sind, die nach französischer Auffassung den Frieden Europas   schwerstens gefährdenden kriegerischen Angriffe Deutschlands   auf das Territorium und die Unabhängigkeit Oesterreichs  rücksichtslos zurückzuschlagen und für alle Zukunft unmöglich zu machen. Troh grundsätzlicher Bedenken wird Paris   daher keinen Widerstand geltend machen, wenn auf Wunsch Wiens und aus zwingenden Gründen der Sicherung Desterreichs und seiner Regierung die entsprechenden Artikel der Verträge vorübergehend, das heißt: bis zur endgültigen Niederbrechung der deutschen   Angriffsluft, außer Kraft gesetzt werden.

Wall gegen Pangermanismus Frankreich  - Italien   zum Schutze Oesterreichs  Das dem französischen   Generalstab nahestehende " Echo de Paris" schreibt in seinem heutigen Leit­artikel( Pertinag):

Auf der letzten Konferenz der Kleinen Entente  " in Prag  haben die beteiligten Staaten den bedauerlichen Beschluß ge= faßt, entgegen den früheren Vereinbarungen sich einer Mobil­machung der Wehrmacht zu enthalten, falls der Anschluß Defterreichs an Dentschland in irgendeiner Form vollzogen werden sollte. Dieser Beschluß hörte leider sehr bald auf, ein Staatsgeheimnis zu sein; im übrigen wollte man damit zum Ausdruck bringen, daß die Kleine Entente  " alle ihre Kräfte tonzentrieren wird gegen die Wiedereinsehung der Habsburger   und den die Vereinigung Oesterreichs   mit uns garn. Maßgebend für den Beschluß der Staatsmänner war ferner die nicht ungeschickte taktische Erwägung, daß je weniger die Kleine Entente  " sich in der Anschluß- Frage engagiert, desto mehr dies Italien   tun wird.- Es kann aber

Lügenbande!

Eine Erklärung Breitscheids

Der Bölkische Beobachter" behauptet jegt bereits zum zweiten Male, ich hätte mich beim französischen   Außens ministerium um einen Poften beworben, sei aber abgebligt.

" Ich stelle fest, daß das Naziblatt eine ebenso groteske wie infame Lüge verbreitet. Niemals habe ich mich um eine Ans stellung im französischen   Dienst bemüht. Meine Korrespons denz mit dem Pressechef des französischen   Außenministe: rium, des mir aus seiner Tätigkeit als Leiter der Infor mationsabteilung des Bölkerbundes bekannten Herrn Comert eine Korrespondenz, auf die der Bölkische Bes obachter anspielt- bezog sich auf die Frage, ob seiner Meinung nach in Frankreich   eine private Existenzmöglichs feit für mich vorhanden sei. Außerdem bat ich Herrn Cos mert, sich wegen der Erteilung eines Bisums für einige deutsche   Flüchtlinge zu bemühen.

Alle unterstehen Schirach

Dr. Rud. Breitscheid.

Deinem Los sei'n Klagen ge­

weiht, Europa  !

Aus dem Unheil schleudert in ein

neues Schrecknis

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Dich ein Gott stets; ewig um­

sonst erflehst du Frieden

und Freiheit!

Platen.

August 1914

Erinnern und hoffen!

Alljährlich in diesen Tagen geht das Grinnern durch die Welt. In diesen Tagen, vor neunzehn Jahren, begann der Weltkrieg, der die Endepoche des tapitalistischen Zeitalters einleitete. Und alles, was wir heute Großes und Schweres erleben es wäre anders, tönnte man ungeschehen machen, was in jenen Tagen des Juli und August 1914 geschah.

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Gewiß, die Erinnerung an jenes Geschehen verblaßt. Neunzehn Jahre sind eine lange Zeit. Die damals ins Feld zogen und halbwegs heile Glieder heimbrachten, sind heute schon über die Hälfte des Lebens hinaus, und eine ganze Generation ist herangewachsen, die vom Krieg nichts weiß, als daß er manchmal in ihrer Kindheit die Mutter weinen machte. Daß er ihnen, als sie Kinder waren, die zarten Knochen verbog, daß er ihnen mit seiner Wruckenkost die Kraft aus den Gliedern sog, die Ruhe aus den Nerven riß und sie als ein nervöses, seelisch kraftloses Geschlecht hinaus­stieß in die Wirren, der Nachkriegszeit: das wissen viele nicht, aber die Welt spürt es.

Darum soll das Geschehen nicht vergessen werden, das in fenen Julitagen 1914 seinen unheilvollen Anfang nahm. Viel ist über Kriegsbeginn und Kriegsschuld geforscht, ge­schrieben, gestritten worden. Viel läßt sich über den grauen­haften Mechanismus der Lüge und Gewalt erzählen, der damals seinen unheimlich rasenden, entseßlich zermalmenden Lauf begann. In Wien   ein alter Raiser eines alten 3wingstaates, der die Stunde seines Zerfalls hinauszu schieben wähnte, wenn er fich jungbadete im Blute der Völfer. In Berlin   ein größenwahnsinniger Narr auf dem Kaiserthron, dem ein ganzes Volk von Untertanen und Uniformen mit blißenden Säbeln und brüllendem Hurra ins Verderben folgte. In St. Petersburg   ein schranken= loser Despot, der die ungezählten Millionen russischer Bauern auf die Schlachtfelder au sterben schickte, wie sie auf ben Feldern der Herren zu roboten gewohnt waren. In Paris   und London   Generalstäbe und Diplomaten, die das herausfordernde Säbelraffeln des deutschen   Militaris­mus richtig als einen Konkurrenzkampf des Imperialismus um Märkte und Kolonien erkannten und mit Kanonen be= antworteten. Und darum mußten Millionen Menschen

sterben, darum lag die Jugend, die Hoffnung der ganzen Belt, vier Jahre lang in laufigen Schüßengräben, watete durch Dreck und Blut, erſtidie im Schlamm, verreďte

röchelnd im Stacheldraht, faulte schließlich zerfetzt im Massen­grab, wurde zu bleichendem, zerfallendem Gebein, daß der

Pflug des Bauern heute längst den Furchen der Erde ein­

geebnet hat.

Und wofür das alles, wofür? Die Frage ruft ins Beere.

Erschütternd ist der Rückfall, den das deutsche Bott er­

leiden muß. Die Tage Wilhelms II. find furchtbar über­trumpft durch den Gäsarenwahnsinn der heutigen Herrscher. Die preußische Pickelhaube war ein Sinnbild sanften Friedens gegen die SA.- Uniform. Die alte deutsche   Mon­archie war ein Rechts- und Kulturstaat gegen das Deutsch­ land   der braunen Barbarei.

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Und dieses Deutschland   ist bereit, die grausame Gewalt, mit der seine Hitler und Henker heute gegen das eigene Volf, gegen die deutschen   Arbeiter wüten, morgen gegen andre Völker zu kehren. Das Deutschland   Hitlers ist heute in der Welt noch verhaßter als es das Deutschland   Wilhelms II. war. Wie hinter den säbelrasselnden, ordenblibenden, sporen­flirrenden Junkern der kaiserlichen Zeit die Kanonenfabri­fanten und Grubenbarone standen, die dem Staat seine Erz in Frank­Politik, der Armee ihre Siegfriedensziele reich, Häfen in Flandern  , Korn in Rußland  , Bahnen nach Bagdad   diftierten, so sieht man heute schon wieder hinter den Hitler und Göring   die Krupp und Thyssen auftauchen, die Bergherren und Stahlmagnaten, die der nationalen Revolution" ihre Richtung weisen auf das tapitalistische Kriegsgeschäft. Nie seit dem Ende des Krieges war die Welt zerrissener, der Friede gefährdeter als in diesen Tagen, da der deutsche Faschismus zur schwersten Kriegsdrohung wird.

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Sind dafür die Millionen deutscher   Jungen in Polen   und Flandern  , bei Tannenberg   und Verdun   gefallen- daß

du unſerem Bedauern nicht beftritten werden, daß tatsäche Jugendherbergen unter Hakenkreuz ambre Hunderttausende deutscher   Jungen heute wieder Uni­lich der Prager   den Wasser auf die Mühlen getrieben hat. Angesichts dieser Lage ist es gemeinsame Pflicht Frankreichs   und Italiens  , gegenüber dem flegestrunkenen Bangermanismus Berlins   einen Wall aufs zurichten, an dem der Expansionswahn des Dritten Reiches  " derschellen wird.

Mussolini  - Sta'in

Die italienisch- russischen Vertragsverhandlungen fannt. Die Gane werden nach den Ländern und den

Paris  , 1. Aug. Matin" läßt sich aus Rom   melden, daß die italienisch- sowjetrussischen Vertragsverhandlungen große Fortschritte machten. Dieser Vertrag würde in seinen Be= timmungen und Auswirkungen viel weiter gehen, als die fürzlich zwischen Rußland   und anderen Staaten ab= Beschlossenen Nichtangriffsverträge. Es handelt sich um ein regelrechtes politisches Abkommen, daß dem Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen als Grundlage dienen werde.

vdz. Berlin  , 1. August. Nachdem die Hitler- Jugend   die Führung des deutschen   Jugendherbergswertes übernommen hat, soll dasselbe nunmehr, wie das vdz.- Büro meldet, vollständig in die Dienststelle des Jugendführers des Deutschen Reiches eingegliedert werden. Auf einer Tagung sämtlicher Gau- und Geschäftsführer des deutschen   Jugend­herbergswerkes gab der Kommissar des Reichsjugendführers, Bannführer Rodaß, die Grundlagen der Neuordnung be­preußischen Provinzen eingeteilt, das bisher geltende parla­mentarische System ist selbstverständlich aufgehoben. Die Gauleiter sind jetzt dem Leiter des Reichsverbandes, dem Reichsjugendführer Baldur v. Schirach, verantwortlich. der als seinen ständigen Vertreter den Hitler  - Jugendführer Rodaz als Kommissar für die gesamten Jugendherbergs­fragen eingesetzt hat. Für Oftober ist eine große Werbe­aftion im ganzen Reich geplant. Das Bauprogramm will besonders die Gaue der Grenzfreise mit neuen Bauten bedenten...

form tragen, Stechschritt üben und auf den Krieg warten? Oder gar, daß andre Zehntausende hinter dem Stacheldraht der Konzentrationslager den Drill der Stahlrute, den Hieb der Reitpeitsche und den feigen Knall des Revolvers gegen Wehrlose erleben? Soll das, dieses Leben in grauenvollem Kerker, der Sinn jenes Sterbens gewesen sein?

Nein, diese nationale Erhebung" der Schinder und Schufte haben die Kämpfer und Dulder des Weltkrieges. nicht, gemeint! Nein, dazu haben sie den Krieg nicht geführt, daß jetzt ein grausamer, erbarmungsloser, erbärmlicher Krieg faschistischer Gewalttäter gegen das deutsche   Volk dar­aus werde! Dafür sind sie nicht gestorben, daß ihre Väter, Söhne, Brüder heute Feinde und Gefangene seien im eigenen Pand, schlimmer behandelt, rechtloser, wehrloser als die Ge­fangenen des Weltkrieges!

Nur der Kampf gegen diese wütende Gewalt rettet das deutsche   Volt. Nur der Krieg gegen den Faschismus verhütet ben Krieg, verhindert das Versinken der Menschheit in blutige Barbarei!