DAS BUNTE BLATT

Wann werden

wir wieder so sitzen... Wann werden wir wieder so sitzen, wo immer, wie heute zu dritt?

Die Kammer liegt kahl, durch die Ritzen hallt dumpf im Aprilwind ihr Schritt. Sie werden vielleicht uns noch holen heut abend; dein Zug geht heut nacht, der deine am Morgen nach Polen  , und ich hab noch gar nichts gemacht. Wir werden uns lang nicht mehr schreiben. ( wir wissen ja auch nicht, wohin); was wirst du, mein Pinsler, nun treiben, du Langer, wen wirst du erziehn? Von mir will ich gar nicht erst reden, ich zeichne nur auf und geschehn ist viel, nicht nur uns, nein, für jeden; Wer könnte es ganz schon verstehn?! Daß weiter zu unserer Sache

wir stehn, ist nicht alles schon, nein, an uns ist es, nicht zu verflachen und allezeit wachsam zu sein. Das Herz und die Sinne stets offen fürs Leben, so laßt uns heut gehn, das äußerste tun und nichts hoffen, auch nicht, daß wir je uns noch sehn.

Theodor Kramer  

Lautsprecher als Grabredner

Der einzige Ort, der bisher von dem Lärm des Straßen­lebens verschont blieb, war bis jetzt der Friedhof, der mit Recht der Ort der ewigen Ruhe" bezeichnet wurde. Jetzt hat es auch damit aufgehört und die Schallplatte und mit ihr der Lautsprecher halten jeßt Einzug in die Londoner   Fried­höfe. Die Verwaltung der größten Londoner   Friedhöfe hat beschlossen, überall starke Lautsprecher aufzustellen, die bei dem Begräbnis die Grabrede, den Gesang und die Orchester musik zum offenen Grabe übertragen werden. Für diesen 3wed werden Schallplatten in Mengen angefertigt, die die ganze Begräbniszeremonie je nach Geschmack wiedergeben. So können die nächsten Verwandten und vor allem die Erben des Verstorbenen ihren Toten für billiges Geld mit großem Pomp begraben lassen.

TAGLICHE UNTERHALTUNGS- BEILAGE

Kleiner Mann, siefist Du es ein?

Mein Wirt, Angestellter eines jüdischen Kaufhauses, war bis zum 5. März ein unpolitischer Spießer. Nun, nach dem politischen Umschwung, hat er plötzlich sein politisches Ge­wissen entdeckt: er ist, wie so viele Brotnazi- so heißt man bei uns die aus Brotangst gewordenen Nazi- geworden. Natürlich darf ihm das niemand sagen, weil er da teufels­wild wird. Schon immer bin ich Nationalsozialist gewesen, nur habe ich das nicht in die Welt hinausposaunt." Man fennt diese Rede, die immer endet: Der Führer Hitler  wird es schon machen!"

Nach dem 5. März war mein Wirt zu meinem Aufpaffer gemacht worden, und er nahm sein Amt genau. Leider aber war er in seinem Eifer so naiv, daß er mich das wissen ließ. So fontrollierte er vergebens meine Korrespondenz, fragte meine Besucher ungeschickt aus und durchsuchte meine Biblio­thet.( Das hatte übrigens schon die SA. anläßlich einer er­gebnislosen Haussuchung getan.) Dieser Aufpasserposten machte ihn zum Amtswalter, er durfte das Hoheitszeichen seiner Partei tragen, aber er mußte nun auch überall dabei sein. Dankbarer Mensch besorgte er Hitlerbilder und ge= rahmte weise Aussprüche des Osafs und schmückte damit die Wände seiner Wohnung.

amit

So ganz nebenbei versuchte er, mich zu überzeugen. Sehen Sie, alles Anstemmen gegen unsere Revolution ist unnüz. Machen Sie es wie Ihr Kollege Max Barthel   und kommen Sie zu uns! Wir brauchen solche Leute wie Sie!" Das sagte er mir, als ich aus vierzehntägiger Schutzhaft zurückkehrte. Als Antwort brummte ich etwas unverständ­liches, was ihn sichtlich befriedigte, denn es konnte ebenso gut ja wie nein bedeuten.

Wie gesagt, mein Wirt ist ein tüchtiger Hitlerianer: blind gläubig bis ins Mart, gehorsam, vollkommen Angebernatur, Leugner aller Fehler, ganz und gar kritiklos und obendrein streberhaft und durch und durch geldgierig. Ist er wirklich der tüchtige Hitlerianer? Ja, nach außen hin. Und nach innen? Als die erste SA.  - Reserve ausgehoben wurde jedes NSDAP.- Mitglied muß sich zur SA.- Reserve melden meuterte er zum ersten Male vor sich hin. Jezt traf es. seine Person! So hatte er nicht gewettet! Schön, den Partei beitrag und die anderen vielen Opfergaben" bezahlte er gern und mit ganzem Herzen, aber er nahm dabei an, daß er damit auch die braunen Soldaten feines Olafs bezahlte. Daß er selbst einmal- ganz in logischer Folge seines Bei­tritts zur NSDAP  . mitmarschieren und miteɣerzieren mußte, wollte ihm gar nicht in den Kopf. So schimpfte er in seinen vier Wänden, und die Frau schimpfte auch, denn der Mann ist die ganze Woche für die Partei unterwegs. Ja, wenn das Gehalt wie man annahm gestiegen wäre! Gerade umgekehrt ist es gekommen! Diese neuen Abgaben und so! Das wird alles noch," tröstete mein Wirt seine Frau. Man muß Geduld und Vertrauen haben!" Er selbst glaubt aber nicht mehr recht!

Ich bin stolz, meinen redlichen Teil zu dieser Glaubens erschütterung beigetragen zu haben. Was mich besonders er­freut, ist, daß ich meinen Wirt mit seiner eigenen Presse schlagen und aufmerken lassen konnte. Da brachte der Frei­heitskampf" der jetzt in der gestohlenen Druckerei der Dresdner Volkszeitung" gedruckt wird in einer Nummer

drei Notizen über die Konsumvereine. Die oberste Wirt­schaftsstelle der Parteileitung gab amtlich bekannt, der Kampf gegen die Konsumvereine sei mit allen Mitteln und mit aller Schärfe weiterzuführen, zumal da sich die Konsumvereine durch die marristische Mißwirtschaft" nicht mehr lange halten könnten. Weiter unten wurde von einer Versamm lung des Kampfbundes des gewerblichen Mittelstandes" ( eine Naziorganisation) berichtet, in der der Kommissar der Nazis für die Konsumvereine ausführte:" Die Konsum genossenschaften find als Preisregulanten heute notwendiger denn je; ihr Bestehen schadet dem gewerblichen Mittelstande in keiner Weise, ihr Wegfallen aber ruiniert viele kleine Existenzen." Und auf der letzten Seite brachten die Konsum genossenschaften ein Mußinserat: Arbeiter! Nachdem die Konsumvereine unter nationalsozialistischer Leitung stehen, find die Spargroschen nicht gefährdet! Haltet der Genossen­schaft die Treue!" Mein Wirt fand in diesen Notizen keinen Widerspruch. Merklich nachdenklicher wurde er einige Tage später: In einer NSDAP.- Versammlung wurde gesagt, daß bald alle Lebensmittel billiger würden, allerdings müßten vorerst im Interesse der Bauernschaft die Butter- und Fett­preise erhöht werden. Was ist das für ein grober Unfug zu sagen, die Lebensmittel werden billiger, zuvor aber müssen die Preise steigen?", schimpfte mein Wirt. Es sollte noch besser kommen. Eines Tages ist er aufgeregt. Hier steht es schwarz auf weiß: die Volksfürsorge( ich hatte ihn vor Jahren für diese Versicherung der Werftätigen ge wonnen) steht vor dem Zusammenbruch. Die Bonzen haben sie heruntergewirtschaftet!" Er wünschte ein Eilschreiben an den Vorstand der Versicherung, abmelden wollte er sich. Ich versicherte ihm, daß die Sache wohl nicht so schlimm sei, wie sie dargestellt wird, vielleicht sei überhaupt nichts Wahres daran. Dann werde ich in der nächsten Parteiversammlung aufmucken!" Er hat nicht aufgemuckt

weil er nicht auf­mucen darf!, obwohl schon nächsten Tages die. Meldung über den bevorstehenden Bankrott der Volksfürsorge wider­rufen wurde: Es hat sich nach nochmaliger Prüfung heraus­gestellt, daß sich die genossenschaftliche Versicherung" Volks fürsorge" in geordneten und sicheren Verhältnissen befindet. Da nunmehr die Vorstandsämter in Händen von National sozialisten   sind, ist kein Grund zu Beunruhigungen mehr vorhanden!" Ich könnte dieser Dinge noch viele anführen. Jedenfalls, meinem Wirt geht es wie so vielen Nazis jetzt: nach innen hin sind sie wankelmütig geworden, nach außen hin allerdings schwören sie noch auf Hitler und seine Garde; sie schwören, weil sie schwören zu müssen glauben!

Dieser Weg meines Wirtes ist kein Einzelfall. Ex vers törpert das Schicksal des politischen Spießers, und es ist zit glauben, daß diese Leute bei geschickter Behandlung einft gu formen find zu Klassenkämpfern. Sie, die bisher Indiffe­renten, find mitgerissen in den politischen Strudel. Sie wer­den die braune Enttäuschung überstehen und, nach einer Zeit lethargischen Ausruhens, von neuem politisch tätig sein wollen. Aufgabe aller Antifaschisten und Sozialisten ist, diese Leute als Plattform zu benüßen. Ihre Unzufriedenheit muß gesteigert werden, bis sie eines Tages den Mut finden, alles offen herauszusagen. Sind sie soweit, dann können wir mit ihnen rechnen, und der Tag unserer Abrechnung ist nicht mehr fern. Ab Rechner.

25 Minuten im Jenseits!

Abenteuer einer Greisin im Reidfie des Todes

Im Krankenhaus von Loreto   in Italien   hat sich ein Ereignis abgespielt, das in den Annalen der ärztlichen Wissenschaft wohl als beispiellos vermerkt werden wird.

Vor einigen Tagen wurde die 68jährige Adalgise Vicini mit einem schweren Anfall von Angina pectoris in das Krankenhaus eingeliefert und noch in derselben Nacht stellte sich bei der Kranken die Agonie ein. Ihr Röcheln wurde immer schwächer, und um 1.37 Uhr wie in den Proto­tollen des Instituts zu lesen ist hatte die Kranke auf­gehört zu leben. Zumindestens im medizinischen Sinne, da sie weder atmete noch einen Puls hatte. Den im Sterbe­zimmer anwesenden Angehörigen teilten die behandelnden Aerzte den Eintritt des Todes mit, worauf sich alle in die Knie warfen und beteten.

Aus dem Tode wiedererwacit

Einige Minuten später erschien der Leiter der Abteilung für innere Krankheiten, Professor Umberto Mule, und ließ sich sofort zu der gerade verschiedenen Patientin führen, die er nachmittags persönlich behandelt hatte. Er unter­suchte den leblosen Körper und erteilte dann blizschnell seine Weisungen. Genau 15 Minuten nach der Feststellung des Todes nahm er eine sogenannte Injektion intercarniaca vor. Dann trat eine Pause ein; der Professor, die Assistenten, die Angehörigen im Nebenzimmer warteten in fieberhafter Spannung auf den Erfolg. Zehn Minuten nach dem Eingriff ging ein leises, kaum wahrnehmbares Fröst ein über die Haut der Leblosen. Weitere fünf Minuten später stellte der Professor den ersten Atemzug fest. Gleichzeitig sette der Pulsschlag, allerdings nur ganz schwach, ein. Die Patientin war aus dem Reiche der Toten zu den Lebenden zurück­gekehrt. Vierundzwanzig Stunden später besserte sich ihr Zustand dermaßen, daß der Professor den Angehörigen die zu erwartende Genesung der Patientin mitteilen konnte. ..Der Tod ein Safilaf ofine 3räume!"

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Die wunderbare Heilung der Greifin erregt in ganz Italien   großes Aufsehen, und bereits am dritten Tag nach bem glänzend gelungenen Eingriff erschienen die Reporter

der großen Zeitungen im Krankenhaus, um ben erfolg reichen Arzt und seine gerettete Patientin zu interviewen. Professor Mule gewährte zwei Zeitungsberichterstattern eine nur fünf Minuten währende Unterredung mit der Patientin, die sich noch immer so schwach fühlt, daß ihr ein längeres Gespräch nicht gestattet werden konnte. Auf die Fragen der Journalisten antwortete sie nur: Ich habe geschlafen." Auf eine weitere Frage, ob sie geträumt hätte, winkte die Greifin mit der Hand verneinend. Dann fügte sie noch hinzu: Aber bevor ich einschlief, sah ich alle wichtigen Ereignisse meines Lebens an mir vorüberziehen." Die aus dem Tod Wieder­erwachte lächelte: Der Tod ist nichts Schlimmes," schloß sie.

Drahtlose Kodizeit

Sie konnten zusammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief. Lächerlich, olle Kamellen, heutzutage ist alles möglich: heutzutage kann man sogar über Ozeane hinweg Ehebünde fürs Leben schließen und in Konsequenz davon offenbar auch wieder auflösen. Man braucht nur zwei Mikro­phone an jedem der beiden Ozeanenden, ein bißchen Radio­Hokuspokus- und die Verbindungen der Liebe sind geleimt. Die erste drahtlose Hochzeit hat denn auch schon wirklich stattgefunden. Die Opfer" waren die amerikanische  Filmschauspielerin Benita Hume   und der englische   Auto­mobilist B. Dunfee. Jene war in Hollywood  , dieser in London   beruflich festgehalten. Aber der Heiratstermin war schon lange vorher bestimmt worden und aus irgend welchen abergläubischen Gründen wollten sie ihn nicht mehr aufschieben. Vom Aberglauben zur modernsten Wissenschaft ist nur ein Schritt und demgemäß handelten sie auch: jedes von beiden tritt mit Geistlichen und Trauzeugen vor ein Mikrophon, jedes von beiden hauchte über tausende Kilo­meter Distanz hinweg ein seliges" Ja" in den Aether  , die Geistlichen machten eine kurze Predigt dazu und aus und geschehen wars. Die erste Radiohochzeit war vollendet!...

Lachen nicht verfernen

Taffilo begegnet Ariste spät nachts auf der Kärtnerstraße. Wo warst denn heit abend gewesen, Aristide?" Im Theater war i gwesen." Was hat's denn geben?"

I weiß net genau: einer hat halt nach Obst gschonen.

Heuer bin ich billig davongekommen, ich hab' nämlich meiner Frau für fünfzig Groschen einen Magnet getauft!" Einen Magnet? Wozu braucht Ihre Frau sowas?" Weiß ich nicht, aber sie hat sich ausdrücklich etwas zum Anziehen gewünscht!"

Na, hast du dich über deine zukünftigen Schwiegereltern erkundigt?"

Nein, noch nicht, aber mir ist etwas Beunruhigendes auf gefallen."

Was ist das?"

Jedesmal, wenn ich dort bin, bemerke ich, daß die Kinder Gerichtsvollzieher spielen!"

Margarete ist sehr schlau."

,, Ach, das macht sie die Leute nur glauben." Na, ist das nicht schlau genug?"

Eine blutige Sache

Ein Schlächtermeister ruft seinem Gesellen zu:

Haben Sie schon Herrn Schulzes Lenden und Frau Meyers Rippen abgeliefert?"

" Jawohl, Meester!"

Na, dann wiegen Sie einmal Herrn Müllers Reber und schneiden Sie mal Frau Schmidts Nieren aus und hacken Sie der Frau Krumpelmann die Schweinsfüße ab!"

Der Hund mit der firen Jdee.

Ihr Hund sieht recht schwindsüchtig aus." Ja, der Köter rennt ja allen Autos nach." Wie kommt das nur?"

Wahrscheinlich hält er die Gummireifen für Leberwürste.