Feuilletonbeilage der„ Deutschen Freiheit"
Ereignisse und Geschichten
An einen Schachrichter In strammer Haltung zu Thalia!
Von Arnold Weiß- Rüthel C
Daß es Leute gibt,
die einem anderen den Kopf herunterschlagen,
beschämt mich tief
wie, kann ich gar nicht sagen.
Ich komme mir so ausgeliefert vor.
Da lebt solch Mensch
mit Weib und zwanzig Kindern,
raucht, trinkt Kaffee
und singt vielleicht Tenor,
spielt Bratsche, geht zur Messe, liest Geschichten...
und alles das
kann diesen Mann nicht hindern,
sein grauenhaftes Handwerk zu verrichten.
Früh morgens,
wenn mit Vogelruf und Licht
ein Tag anbricht,
ein neuer, heller Tag:
Da mordet einer, von der Lust getrieben
dort trifft und tötet ein zu rascher Schlag,
den treibt der Haß,
und jenen drängt die Not.
Und du, du Henker, mordest gar ums Brot,
das tägliche...! Teilst es mit deinen Lieben,
stehst sicher in Besoldungsklasse sieben.
Du träumst und weißt: der Staat wird dich befördern! Und bist der würdeloseste
von allen Mördern.
A
Theaterkarten werden Beamten in Abzug gebracht
Der badische Kultusminister Wader hat, so meldet das„ Theater- Tageblatt", die Beamtenschaft darauf hingewiesen, daß es Pflicht der Beamten sei, im Rahmen ihrer Wirtschaftsmöglichkeit regelmäßig das Theater zu besuchen, um damit zu dokumentieren, daß die Beamtenschaft bereit und gewillt ist, die kulturelle Aufbauarbeit des neuen Staates zu unterstüßen. Der Oberbürgermeister von Aachen hat sich mit einer ähnlichen Erklärung an die städtische Beamtenschaft in Aachen gewandt. Er hat zwecks Erleichterung der Zahlung des Abonnementspreises verfügt, daß den Beamten gestattet ist, den Abonnementspreis, auf die ganze Spielzeit verteilt, von den einzelnen Gehaltsraten in Abzug bringen zu
Iaffen.
Die vielgeküßte Muse Thalia wird also unter braunem Diktat zur Zwangsgeliebten. Schon vor kurzem erklärte der Führer in Sachen der Kunst und des Theaters, Kommissar Hinkel, bei einer Presse- Zusammenkunft wörtlich folgendes:
„ Das Theater betrachten wir als eine nationalreligiöse Kultstätte. Wir glauben, im Theater wieder etwas Heiliges hinstellen zu sollen. Das Theater muß von den Volksgenossen wieder als etwas Religiöses empfunden werden und nicht als Stätte für Amüsement und Unterhaltung. Es wird scharf darauf geachtet werden, daß diejenigen, die sich einen Theaterbesuch leisten können, dies auch wirklich tun." Es ist anzunehmen, daß Hinkel sich mit dieser Aeußerung die Herzen der Theaterdirektoren nicht bloß der deutschen
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erobert hat. Wie wars denn früher? Aus dem Wust des Einlaufs wird endlich, den Wünschen der Straße Rechnung un tragend, ein Stück gewählt; komplizierte Intrigen bis zur Rollenverteilung, erschöpfende Proben mit Schauspielern, Beleuchtern, Komparsen, Schneidern, Malern; am Tag der Premiere ist das Theater ein Irrenhaus; wie der Hund auf die Schläge, wartet man dann auf Kritiken. Und jetzt erst zittert man dem unbeugsamen Urteil des Publikums ertgegen: Wird das Stück gefallen, die nächste Vorstellung gut besucht sein?
Gerhart Hauptmann hat von seinem Hiddenseer Landhaus an Mussolini zum fünfzigsten Geburtstag folgendes Glückwunschtelegramm gerichtet:
" Der immer dankbare Gast Italiens sendet dem großen Führer seines Volkes in Verehrung viele Glückwünsche. Gerhart Hauptmann ."
Darauf erhielt Hauptmann folgende Antwort:
" Die Glückwünsche, die mich von einem der größten lebenden Dichter erreichen, haben mich tief bewegt. Glauben Sie an meine Bewunderung und Dankbarkeit.
Gerhart Hauptmann lebt in Italien . Der Siebzigjährige weigert sich, nach Deutschland zurückzukehren. Aber er schweigt. Er schweigt zur Schändung der deutschen Freiheit, deren Aufstieg sein eigener gewesen ist. Er läßt es wortlos geschehen, daß das„ brennende Recht" im deutschen Herz, dem er im Florian Geyer " ein Hohelied sang, von brutalen Machthabern in die Betten der Unmenschlichkeit geleitet wird. Er schweigt, daß sich an jener Humanität, der er im vorigen Jahre in unzähligen Feiern zum 70. Geburtstage beredt Ausdruck gab, heute schmutzige Stiefel abpußen dürfen. Er schweigt, wenn ihm seine Freunde, denen er alles zu verdanken hat, ihm Briefe schreiben:„ Gerhart, wo ist deine Stimme".
Der Altgewordene sitt in Rapallo , von der Seebrise gegrüßt, von Palmen umwedelt. War er es, der einmal das Weberlied einfügte in sein größtes Drama:
Hier im Dorf ist ein Gericht- Weit schlimmer als die Femen
Ganz Deutschland ist heute ein Femgericht. Er erfährt von Mussolinis Geburtstag, aber nichts vom Schrei gequälter und geächteter Menschen. Ein alt Gewordener- ein müde Gewordener. Er bedeutete alles für das gewesene- nichts für das kommende Deutschland . Ein Olympier ohne den Olymp ewig glänzenden Freiheitsglaubens.
Künstler von Gesinnung...
Von den berühmten Musikern, die es ablehnen, in deutschen Konzerten aufzutreten, sind jetzt die Namen Fris Kreisler, Arthur Schnabel und Pablo Casals bekannt geworden.
20000 bis 30000 Jahre zurück
Die Reichsführung der SS. hat die Burg Schwalenberg von der Gräfin Friedrich zur Lippe auf die Dauer von 99 Jahren gepachtet, um das Rasseamt der SS. nach dort zu verlegen und in der angegliederten Reichsrassenschule laufende Schulungskurse aur Rasseforschung einzurichten. Der Reichsführer der SS., Himmler , führte bei einem Empfang dazu in einer Ansprache aus, man tönne die großen Zukunftsfragen nicht allein staatlich lösen; es fei von großem Werte, daß das neue Deutschland wieder die Kultur als Fundament auch des staatlichen Seins hingestellt habe. Es habe somit einen neuen Gesichtsraum gewonnen, der sich es möge vielleicht lächerlich klingen über 20 000 bis 30 000 Jahre ausdehnen wird. Die SS. ist aufgebaut auf die Kenntnis vom Werte des Blutes. Seit Jahren sei ihr bestes Blut gesammelt und so rüste sie fich für den kommenden schweren Kampf mit dem Weltbolschewismus.
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Diese Sorgen hat der tüchtige Hinkel mit einem Schlage verscheucht. Er wird darauf achten, daß diejenigen, die sich einen Theaterbesuch leisten können, dies auch wirklich tun. Und wenn Kommissar Hinkel darauf achtet, dann ist das mehr, als wenn ein Heer von Künstlern sich um das Publifum dienend bemüht. Wer wird es wagen, Hinfel zu widerstehn? Man könnte ja auch Konzentrationslager für Kunst
Theaterbesuch ist Beamtenpflicht!
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saboteure errichten; vielleicht gäbe es einzelne, für die der Aufenthalt dort weit erträglicher wäre als etwa der bei einer Aufführung des„ Totila " von Minister Kube, die Mehrzahl wird aber sicher lieber diese erdulden als jenes. So wird es möglich sein, Werke der neudeutschen Literatur zur Aufführung zu bringen, die freiwillig fein vollsinniger Mensch besucht hätte. Jeder Versuch eines Widerstandes ist angesichts der erprobten Organisationstüchtigkeit vergeb= lich. Nach den Geständnissen des Steuerbogens wird man das Theater besuchen müssen und es wird dafür gesorgt werden, daß niemand seine Pflicht versäume.
Die bestohlene Volksbühne
Große Summen fielen ihnen in die Hände
Durch die Uebernahme der einzelnen Boltsbühnen- Organiz sationen hat so meldet das„ Theater- Blatt"- die " Deutsche Bühne" materiell einen außerordentlich erfreulichen Rückhalt" gewonnen. Nach den bisherigen Feststellungen übersteigt die Summe der Barbeträge und Bankguthaben, die die in die Deutsche Bühne“ überge= führten Volksbühnen- Ortsverbände beibrachten, nicht uners heblich den Betrag von 400 000 RM. Unter den Organis sationen, die finanziell derartig günstig dastehen, steht an erster Stelle Dresden mit 102 000 RM. Ihm folgt Chemnitz mit 64 000 RM., Hannover mit 50 000 RM., Stuttgart mit 37 000 RM., Köln mit 25 000 RM. In diese Beträge sind die Werte an Grundstücken, an Mobiliar usw. nicht einbe= zogen...
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Sie nahmen der großen deutschen Volksbühnenbewegung den Atem der Freiheit, die Selbstverwaltung der theater= liebenden Arbeiter und Bürger, den unbeeinflußten Genuß des Spiels auf der Bühne.
Aber sie nahmen ihnen nicht nur dies. Sie konfiszierten" auch ihre Kassen, Reservegelder, sorgfältig verwaltet, be= stimmt, dem Kulturwillen der Mitglieder dienstbar zu sein durch Vorträge und Konzerte.
Alles ist vorbei. Ueberall sizen Kommissare", die niemals eine Muse gewiegt. Si verfügen über die Gelder, ohne Kontrolle, als Führer" über Gleichgeschaltete, die nicht aufe zubegehren wagen.
Förderec", vom Führer ernannt
Einst förderten sie seine Einnahmen- jetzt auch seine Ausgaben Die nationalsozialistische Presse meldet:
„ Der geplante Bau eines Hauses der deutschen Kunst in München darf in seiner Idee als ureigenstes Werk des Reichskanzlers angesprochen werden. Der Führer hat jetzt die Mitglieder des Vorstandes und des Vorstandsrates ernannt. Dem Vorstand gehören an als Vorsitzender August von Finck , der Chef des Münchener Bankhauses Merck, Find u. Co., als stellvertretende Vorfizzende Dr. Christian Fischer von der Reichskreditgesellschaft Berlin, und Dr. Wilhelm Kiestalt, Generaldirektor der Münchener Rückversicherungs- Gesellschaft sowie als Mitglieder Geheimrat Böhringer von der Maximilianhütte und Direktor Friedrich Döhlemann von der Bayerischen Gemeindebank. Als Mitglieder des Vorstandsrates sind 24 Persönlichkeiten ernannt worden; als Vorsitzender Geheimrat Dr. Hermann Schmitz von der J. G. Farbenindustrie. Weitere bekannte Mitglieder sind u. a. Geheimrat Dr. Kleiner. Berlin , Dr. Robert Bosch , Stutt gart , Max von Schindel, Berlin , Kurt Freiherr von Schröder , Köln , Dr. Karl Friedrich von Siemens, Berlin , Dr. Thyssen, Mülheim a. d. Ruhr, und Generaldirektor Dr. Albert Vögler , Dortmund ."
Leuchtend werden hier die Herzenskönige des„ Führers" sichtbar. Es ist immerhin ein schönes Zeichen, daß er der Dankbarkeit nicht ermangelt. Alle diese Herren Generaldirektoren haben ihm früher viel Geld geopfert. Jetzt werden sie nicht nur dadurch belohnt, daß ihnen die Verwirklichung des Sozialismus erspart geblieben ist. Sie zieren jetzt auch die Debetseite dieses Volkskanzlers: von Thyssen über Vögler über jenen Baron v. Schröder, der ihn
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Zu den repräsentativen geistig- kulturellen Organisationen Deutschlands , die der neuen Formidee den Weg bahnen wollten, gehörte der Deutsche Werkbun d. Einst waren die besten Namen der freiheitlich gesinnten deutschen Architekten und Maler in seinem Lager. Heute? Durch die nationalsozialistische Presse geht diese Meldung:
„ Der neue Leiter des Deutschen Werkbundes , Dipl.- Ing. Lörcher, schreibt in einem Aufruf, der in den Mitteilungen des Werkbundes erschienen ist, u. a. folgendes: Nachdem mir die Führung des Deutschen Werkbundes übertragen ist, wird es meine Aufgabe sein, den Deutschen Werkbund zu einem Kulturinstrument der nationalsozia= listischen Bewegung zu machen, das sich für Wertarbeit in Handwerk und Industrie einsetzt und hierzu alle guten deutschen Kräfte heranzieht. Das klare Bekenntnis zur Leistung und zur nationalsozialistischen Weltanschauung und das Treugelöbnis zu unsrer Regierung unter ihrein Führer und Kanzler Adolf Hitler verlangt auch Klarheit in der Organisation des Deutschen Werkbundes , die im Sinne des Führerprinzips umgestaltet wird..." Unter den„ Schwesterbünden" befindet sich auch der BDA., der große Bund deutscher Architekten . Die sogenannten Fachleute, mögen sie auf ihrem Gebiete auch Hervor= ragendes und Schöpferisches leisten, sind dem nationalsozialistischen Zauber am ehesten erlegen. In der Welt des Mythos reagieren sie ihre Fachenge ab, immer vorausgesetzt, daß sie nicht einfach aus Charakterlosigkeit mit fliegenden Fahnen ins Lager des Erfolges überlaufen.
mit Papens Hilfe in den Sattel hob. Vielleicht wird man Sozialwissenschaft
ihre Namen als Symbole des neuen Deutschlands eingemeißelt an Hitlers Haus der deutschen Kunst" schon in Kürze lesen dürfen.
Modeamt- renoviect Statt Magda- Industrie
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Das Deutsche Modeamt e. V., das unter dem Ehrenvorsitz von Frau Magda Göbbels und unter dem Vorsitz von Ge
eingezogen
Das seinerzeit von der politischen Polizei beschlagnahmte Institut für Sozialforschung in Frankfurt a. M. ist durch Verfügung des Geheimen Staatspolizeiamts Berlin zugunsten des Freistaates Preußen eingezogen worden, da das Institut staatsfeindliche Bestrebungen gefördert hat. Leiter des Instituts war der als Sozialforscher bekannte Karl Grünberg.
heimrat Boehlenheinz und Professor van Weech gegründet nur der Mund wurde, ist, wie die Textil- Woche" erfährt, in Liquidation getreten. Die Industrie hat jedoch von sich aus die Initiative zur Fortführung der bisherigen Arbeiten ergriffen und Herrn von Horst mit der Leituna des nunmehr neugeschaffenen Modeamtes betraut, dhon
In einer Tagung des Verbandes sächsischer Industrieller erflärte der Vorsitzende Wittke: Der Reichskanzler wisse, daß von heute auf morgen zwar der Mund umlernt, aber nicht das Herz."