Freiheit

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands  

Nummer 41 1. Jahrgang

Saarbrücken  , Sonntag/ Montag, 6./7. August 1933

Chefredakteur: M. Braun

Es ist verkehrt, den Mord im Frieden zu bestrafen und den Mord im Krieg zu belohnen. Es ist verkehrt, den Henker zu verachten und selbst, wie es die Soldaten tun, mit einem Menschen­abschlachtungsinstrument, wie es der Säbel oder der Degen ist, stolz herum­zulaufen. Verkehrt ist es, die Religion Christi, diese Religion der Duldung, Ver­gebung und Liebe, als Staatsreligion zu haben und dabei ganze Völker zu vollendeten Menschenschlächtern heran­zubilden. Gerhart Hauptmann  .

Kriegsgefahr!

Die französische   Behauptung über angebliche deutsche Kriegsrüstungen- Eine Eine außenpolitische Katastrophe für Deutschland   droht- Aussprechen, was ist!

Um den Weltfrieden!

Das Pariser« Journal" hat an zehn aufeinander folgenden reich­illustrierten Artikeln, die jedesmal an der Spitze dieser Zeifung sfan­den, also in denkbar sensationeller Form, eine Untersuchung Geo Londons über geheime Kriegs­rüftungen Deutschlands   veröffent­licht. Diese Artikel wollen den Nachweis erbringen, daß die heim­liche Waffenproduktion Deutsch­  #lands und seine militaristischen * Vorbereitungen den Weltfrieden bedrohen. Ohne im einzelnen zu diesen Veröffentlichungen Stellung zu nehmen, da uns eine Nach­prüfung unmöglich ist, halten wir eine Wiedergabe des Materials des Journal" für geboten, weil ganz offenbar sich nicht nur die französische   Regierung und das Volk, sondern auch die Welt­öffentlichkeit an Hand dieser En­quete des Journal" ihr Urteil über Deutschlands   militärischen Status und seine außenpolitischen Pläne bildet.

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Was die Welf weiß, darf auch den Deutschen   mitgeteilt werden, fel zumal es sie ja in sehr erheblichem Maße angeht. Ein Versteckspiel vor der deutschen   Oeffentlichkeit halten wir für überflüssig, albern und schädlich.

Militärische

Großmacht

slu.

Denkt daran!

Geo London  , der Erhebungen in Amsterdam  , Warschan und Eisen und Erz Berlin   angestellt hat, nimmt das Ergebnis seiner Unter­fuchungen vorweg, indem er gleich zu Beginn seiner Artikel= ferie behauptet, daß Deutschland   durch Anhäufung riesiger Mengen von Angriffswaffen und durch systematische Aus­bildung seiner Jugend, je schneller, desto lieber, den Ber failler Vertrag zerbrechen will, um wieder eine europäische Großmacht auch im militärischen Sinne zu werden, Dies Streben Deutschlands   datiere jedoch nicht etwa seit dem Re­gierungsantritt Hitlers  . Vielmehr hätten alle deutschen   Res gierungen, auch die Kabinette Stresemanns und Brünings, nach Kräften die Entwaffnungsbestimmungen von Versailles  fabotiert. Naturgemäß habe Hitler   diese Bestrebungen ver­stärkt und beschleunigt. Hitlers Friedensschalmeien würden verstummen, wenn die Geheimrüstung Deutschlands   fertig sei. Berlin   bot Herrn London   das Bild einer schrecklich milita rifierten Stadt". Die Zahl der immer wieder marschierenden Reichswehr  , SA.- und SS  - Truppen hat auf ihn einen großen Eindruck gemacht. Ein neues Kriegsmuseum sei " Unter den Linden  " eröffnet. Ueberall spräche man vom nächsten Krieg. Ueberall spiele die Musik unter frenetischem Beifall triegerische Weisen. Nur selten sähe man besorgte Mienen von Menschen, die wüßten, was ein Krieg bedeutet...

Geo Londons   erstes Dokument aus seinem sorgfältigen und - wie er behauptet- einwandfreien Material sind einige Zahlen, die er den amtlichen Nachweisen über den aus­wärtigen Handel Deutschlands   entnimmt. Deutschland   habe aufgehört, Alteisen zu exportieren und seine Einfuhr von Alteisen außerordentlich gesteigert. Während der vier ersten Monate des Jahres betrug die Alteiseneinfuhr nach Deutsch­ land   208 000 Tonnen gegenüber nur 35.000 Tonnen in der gleichen Periode des Vorjahres. Da die Gesamteinfuhr im Jahre 1932 in Alteisen   171 000 Tonnen betrug, ist also schon im vorigen Jahr unter Papen- Schleicher gegenüber der Aera Brüning eine Verdoppelung wahrzunehmen. Unter Hitler  verdreifacht sich diese Ziffer erneut.

Diese Einfuhrsteigerung von Alteisen, dazu die Tatsache eines neuen deutsch  - schwedischen Eralieferungsvertrages be­weisen das Vorhandensein geheimer Rüstungswerkstätten weisen das Vorhandensein geheimer Rüstungswerkstätten und deutscher   Waffenproduktion größten Stils, da der indu­strielle Aufstieg Deutschlands   in der fraglichen Zeit gleich Null sei und keine andere Industrie ein derartig plögliches Bedürfneis nach Alteisen zeige.

..Geheime deutsche

Waffenfabriken"

G. London wird noch deutlicher. Er beruft sich auf Feststellungen und Funde, die Frank­ reich   während der Ruhrbesetzung gemacht hat. Auch heute noch arbeiteten zahlreiche deutsche Fabriken, die offiziell auf Friedensproduktion eingestellt seien, in Wirklichkeit heimlich für Bewaffnung und Ausrüstung der fünftigen deutschen Armee des nächsten Krieges. Schon der frühere Reichsmehrminister Geßler habe offiziell angeordnet, daß den Untersuchungen der Interalliierten Kontrollkommission Wider= stand entgegengesetzt werden solle, so daß diese Kommission geradezu verhöhnt worden sei, wenn sie an das Problem der industriellen Abrüstung heranzutreten versuchte.

Ein ebenfalls durch den Friedensvertrag verbotenes System von militärischen Prü­fungskommissionen habe der wissenschaftlichen Durcharbeitung der Bewaffnungsprobleme aller Art gedient. Durch Reichskredite und Subventionen habe die Regierung von der Industrie die Erfüllung jedes Wunsches er= zwingen fönnen. Aus Werkstätten, die ge= heimer Waffenproduktion dienten, wurden Sozialisten und Kommunisten systematisch entfernt. Ueberdie hatte das entwaffnete" Deutschland   den R cord aller Staaten Euro­ pas   in der Zahl seiner Landesverrats­prozesse...

..Tanks

und schwere

Geschütze"

Sehr konkret wird G. London in seinen Angaben über die Produktion von Tanks, die Deutschland   bekanntlich durch den Friedens­vertrag strikt verboten ist. Daimler- Benz   und Linke- Hoffmann in Breslau   würden Tanks produzieren.

Als Produzenten schwerer Geschüße nennt G. London folgende deutsche   Fabriken: Mauser   in Oberndorf,

Polte in Magdeburg  ,

Bayerische Motorenwerke, dan bul Industriewerte Berlin- Karlsruhe.

Die Rheinmetallwerke in Düsseldorf   und Sömmerda   bauten neben den im Friedensvertrag gestatteten Kalibern eine Kolossalkanone, von der man sich Wunder erzählt. Pintsch, Fürstenwalde  , produziere unerlaubt Minenwerfer, deren Herstellung nur der Fahrzeugfabrik in Erfenach vorbehalten sei. Neben der offiziell gestatteten. Munitionsfabrik Dort­munder Union in Dortmund   produzierten Munition auch die Poltewerke in Mageburg und die Deutschen   Werke in Spandau  . Krupp in Essen   baue gegenwärtig Serien von Panzerplatten. Manche dieser Fabriken arbeiteten in dret Schichten.

Außer den geheimen Waffenfabriken in Deutschland   gäbe es auch im Ausland Werke, die deutschen   Heeresbedarf her­stellten: Schweiz  , Holland  , Schweden   und nach emer polni schen Zeitungsmeldung neuerdings auch Litauen  , das soeben in Jurburg, an der ostpreußisch- litauischen Grenze, eine Fabrik für Gewehre, Granaten und Bombenflugzeuge ins Leben rufe. Während G. London für diese Meldung die Ver antwortung dem Poranny Courrier" überläßt, betont er mit allem Nachdruck, daß seine sämtlichen Angaben auf abso­lut sicheren Quellen beruhen, deren Genauigkeit man leider nicht anzweifeln fönne. ( Fortseyung siehe Seite 7.)