Ein Arbeiter über Rußland  

Es gibt schon viel Gutes und noch viel Schlechtes"

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Ein österreichischer Sozialdemokrat, der seit längerer tin Zeit in Rußland   in einem Betrieb arbeitet, versucht im Hd Nachstehenden einen wahrheitsgetreuen Bericht zu 791 geben. Er beginnt mit der Schilderung der Schwierig keiten der richtigen Beurteilung.

Je unleidlicher die politischen und wirtschaftlichen Ver­hältnisse in den kapitalistischen   Ländern werden, um so größer wird das Interesse für Sowjetrußland, und um so stärker wird das Bedürfnis nach wahrheitsgetreuen Berichten über alles, was dort vorgeht.

Bücher gibt es genug über das neue Rußland  . Die einen schreiben begeistert dafür, die anderen dagegen. Also hält man sich an die Arbeiter, die Rußland   erlebt haben, hört und liest, was sie berichten. Aber man trifft auch hier dieselben Widersprüche: denselben Betrieb, dieselbe Stadt lobt der eine, während der andere mit dem Schimpfen nicht fertig wird. Wie soll man sich diese gegensätzlichen Urteile erklären?

Wenn die bürgerlichen Rußlandfahrer schlecht und die pro­letarischen gut berichten würden, so wäre die Sache einfacher. So aber hört man von manchen Bürgerlichen, die sich Ruß­ land   angesehen haben, anerkennende Worte, dagegen ver­Tassen es viele Arbeiter mit einem sehr ungünstigen Urteil. Und gerade diese schlechten Urteile von Arbeitern und Ange­stellten, die in Rußland   gearbeitet und gelebt haben und es mißmutig verließen, richten einige Verwirrung an.

Wenn Bürgerliche Sowjet- Rußland loben, so hängt das oft mit einem Geschäft zusammen, oder es imponiert ihnen die russische   Industrieentwicklung, die technisch die besten kapitalistischen   Betriebe zum Vorbild hat, der reiche Mittel zur Verfügung stehen und die im Gegensatz zu den kapitalistischen   Ländern einen großen Warenhunger zu be­friedigen hat. Oder es gefällt ihnen das stürmische Tempo, der lebhafte Pulsschlag des großen Wirtschaftsaufbaues..

Aber uns interessiert ja vor allem, warum Rußland   von Arbeitern und Angestellten so verschieden beurteilt wird. Man kann die Arbeiterberichterstatter in zwei Gruppen teilen: in Mitglieder von Arbeiterdelegationen und in Leute, die in Rußland   gearbeitet haben.

Kann der Rußlanddelegierte über die Sowjetunion   urteilen?

Mitglieb einer Rußland- Delegation zu sein, ist ganz schön.

So eine Delegationsreise ist ein ununterbrochener, schöner Sonntag, der im Wiener Bahnhof beginnt und dort wieder endigt. Man wird täglich mehrmals festlich empfangen, wird gut verpflegt und unterhalten, was es Gutes und Schönes zu sehen gibt wird einem gezeigt. Zu all diesen schönen Dingen und der gehobenen Stimmung kommt eine geschickte und stän­dige, freundliche und unmerkbare Beeinflussung. Darin sind die Russen Meister. Und die Delegierten, die ja nicht russisch können, sind ganz auf ihre liebenswürdigen Führer ange­wiesen, denn sie haben keine andere Informationsquelle. Da­mit ist absolut nicht gesagt, daß ihnen über Rußland   falsche Daten mitgeteilt werden. Alles ist wirklich, was sie sehen, und das meiste richtig, was sie hören. Aber wer kann bei der Fülle des Gebotenen das Einzelne fritisch beurteilen, bei jeder der vielen Zahlen, die ihm täglich mitgeteilt werden, sich ein Verhältnis ausrechnen und vergleichen? Da wird den Delegierten zum Beispiel über die vielen Millionen Paar Schuhe vorgetragen, die in den riesigen Schuhfabriken im lezten Jahre erzeugt wurden, und man erklärt ihnen, dieses

Aus aller Welt

Außergewöhnliche Atmung

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Eine feltene physiologische Abnormität wurde bei der fürzlich abgehaltenen Jahresversammlung des Carnegie­Institutes in Washington   vorgeführt. Eine 30jährige Dame, übrigens selbst Wissenschaftlerin, mußte sich allen möglichen Untersuchungen durch die anwesenden Gelehrten unterziehen, weil sie nur drei-, höchstens viermal in der Minute atmet, während die Zahl normalerweise etwa das Fünffache betra­gen sollte. Von einem ähnlichen Fall ist bisher nie etwas be= fannt geworden, so daß das Interesse der Fachleute begreif­Itch ist. Uebrigens wurden Pulsschlag und Herzbewegungen bei der Untersuchten für vollkommen dem Durchschnitt ent­sprechend befunden, nur ist die Luftmenge, die sie bei jeder Ausweitung des Brustkorbes in die Lungen atmet, außer­gewöhnlich groß.

Pariser   Spaziergang

Rassenkrieg

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Terrassenkrieg

Für einige Boulevard- Blätter auf der ganzen Welt ist alles, was passiert, Sensation: Hitler   und die Toiletten, der Selbstmord des armen Freymuth, den sie an einem Pariser  Sommermorgen zu Grabe getragen haben, und die Tour de France  . Eins dieser. Blätter veröffentlicht eben die Me­moiren des Kronprinzen zum Hausgebrauch für Deauville  . Ferner hat man die Brüder Mann nebst Lion Feucht= wanger und Arnold Zweig   im Exil der Azurküste ent­deckt. Heinrich Mann  , der Verfasser des Untertan", hat ge= sagt, daß er jeßt französisch für die Presse schreiben muß. Feuchtwanger hat erzählt, daß Hitler ihm, während er in Amerika   war, sein Haus, drei Wagen, die Garderobe seiner Frau und eine halbe Million Mark Bankkonto wegnahm. Alles sehr pikant. Von den Qualen der Armen, die in den Asylen wohnen, schreibt man aber weniger. Das Komitee im Judenviertel

Das Hilfskomitee, das Eßscheine und Wohnzettel für die Vertriebenen ausgibt, ist abermals umgezogen. Es stieg, symbolisch fast, von der Höhe der Vergnügungsviertel von Montmartre   herunter in die Ebene der Bastille  , nicht weit von Vincennes  , dem Wedding   der Seine  .

Auf dem langen Wege nach dem Osten, hinter dem Rat­haus von Paris  , wo das Volk zwei Tage nach Sedan die Re­publick ausrief, beginnt das Judenviertel. Die Vorfahren dieser Juden sind schon mit den Römern, mit Cäsar und noch früher nach Gallien   gezogen, und von dort sind sie an den Rhein   gekommen. Hinter den Mauern von Cluny   ruhen ein Rabbiner aus dem 18. Jahrhundert und seine Tochter,

Jahr werden es laut Plan um soundso viele Millionen Paar mehr sein. Rechnet sich da jeder aus, daß noch nicht ein Paar Schuhe auf den Kopf der Bevölkerung im Jahre kom­men und kennt jeder die Qualität dieser Gegenstände?

Mit den russischen Arbeitern kommen die Delegierten öfter bei Feiern und Besichtigungen, sonst aber nur wenig, und da nur auf dem Wege über den Dolmetscher zusammen. Das ist aber die Kardinalfrage: wie es dem russischen Arbeiter geht, wie er arbeitet, wohnt, ißt, denkt und fühlt, wie er sich zum Fünfjahrplan und zum Sowjetregime stellt. Was die Delegierten darüber berichten, ist eingepauft.

Der Delegierte kann ruhig über seine Reise und über seine Erlebnisse berichten, aber über Sowjetrußland zu ur teilen soll er bleiben lassen.

Mit Arbeitsvertrag in Rußland  

Ebenso einseitig, wie die guten Berichte der Arbeiterdele­gierten und ebenso vorsichtig aufzunehmen sind die schlechten Berichte der Rüdwanderer.

Die wenigsten fahren aus Begeisterung und Opferbereit­schaft nach Rußland  . Die meisten kommen hierher, weil sie in ihrem Lande keine Arbeit hatten, weil sie sich hier ständige Arbeitsmöglichkeit und erträgliche Lebensbedingungen er­hoffen. Wer große Erwartungen hat, dem kann man schon im Voraus prophezeien, daß er enttäuscht sein wird. Wer aber zu Hause ein waschechter Genosse war, bleibt es auch hier.

Die Einstellung und die Erwartungen, mit denen man nach Sowjetrußland kommt, sind von entscheidender Bedeutung für das spätere Urteil. Wie die einseitige antibolschewistische Propaganda viele tüchtige Leute, die in ihrer Heimat keine Arbeit haben und die Rußland   sehr gut brauchen könnte, da­von abhalten in die Sowjet- Union zu fahren, so führt die einseitige prorussische Propaganda dazu, daß viele mit Juu fionen herkommen, die dann sehr rasch zerstört werden und ein dauerndes Unbehagen zurücklaffen. Das gilt weniger für die Oesterreicher als für die Reichsdeutschen. Ein bißchen enttäuscht ist fast jeder, denn wer herfahren will, ist eher ge= neigt, alles Gute an den Berichten zu glauben. In seinem Kopf entsteht ein Bild von Rußland  , das dann mit der Wirk­lichkeit nicht übereinstimmt, denn an einem Orte ist eben nicht alles Gute beisammen. Alles ist hier irgendwie unfertig und vieles unbequem. Bei einem richtigen Genossen ist die Ent­täuschung in einigen Stunden oder Tagen überwunden, denn er sieht bald ein, daß er viel Nachsicht üben muß. Und dann ist es doch in so vielen Dingen hier angenehmer, ein Arbeiter zu sein, als anderswo. Die andern aber legen an Rußland  einen viel strengeren Maßstab an, als an einem fapitalisti­schen Staat oder Betrieb.

Der Betrieb

Für den Betrieb sind die Ausländer hergerufen worden und er spielt natürlich auch bei ihnen ble größte Rolle. Wem es in der Arbeit gut geht, der fühlt sich in der Regel auch sonst wohl. Nur spürt man hier bei den Ausländern im Betrieb eine Ueberempfindlichkeit, wie sie in der Heimat nicht zu be­merken war, obwohl die Behandlung hier und dort gar nicht zu vergleichen ist.

Tüchtige Leute kommen hier immer gut durch. Aber manche erwarten, daß ihre bloß mittelmäßige Qualitäten wie Wun­der angestaunt und bewertet werden sollen. Sie wollen ganz einfach als Ausländer mehr sein als jeder Russe, und sind be­

Ein Dorf faucht aus dem Meer auf

Im Jahre 1895 wurde ein Fischerdorf in der Nähe von Tellicherry  ( North Malabar) bei einer Sturmflut vom Meere verschlungen. Jezt erst ist das Dorf bei einer neuen Sturmflut wieder aus dem Meere aufgetaucht. Als der Sturm losbrach, wurde das Gewässer zwischen den beiden Felsen Neeloth Point und Balikallu außerordentlich ruhig, während ringsherum das Meer von Sturm und Regen wild gepeitscht wurde. Plößlich kam eine Sandbank zum Vorschein, die von Minute zu Minute breiter und höher wurde und in wenigen Stunden den Balikallufelsen mit einem dritten Felsen, dem Chappakallu, verband. Das aus dem Meere neu­gewonnene Land weist noch die Spuren des alten Fischer­dorfes und die Ueberreste eines alten Tempels auf. Auf die Kunde von dem Naturereignis sind aus der nahen und fer­

leidigt, wenn sie mit qualifizierten Russen konkurrieren müssen. Jeder fühlt sich hier als Spezialist, jeder will mehr können als die russischen Meister und Arbeiter, aber nicht immer ist das der Fall. Manche minderqualifizierten Leute laufen dauernd mit dem Gefühl herum und sagen es auch jedem, daß sie nicht genug beachtet und nicht hoch genug ge= schäzt werden. Fahren sie dann nach Hause, so erzählen sie, daß die Russen nichts fönnen.

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Auch die Herabsetzung von Akkordlöhnen ist oft ein Stein des Anstoßes für die Ausländer, obwohl sie in der Regel Garantielöhne haben. Aber so ein neuer Betrieb fängt viel­mit fünfmal so hohen leicht aus verschiedenen Gründen Akkordlöhnen an, als sie dann beim normal und eingearbeitet funktionierenden Betrieb berechnet werden. Nicht jeder will diese Notwendigkeit einsehen und fährt wütend heim. Die Frauen

Manche Frauen von Ausländern fügen sich mit einer Selbstverständlichkeit in die neuen und einfachen, aber für sie doch so komplizierten Verhältnisse ein und fühlen sich nach furzer Zeit hier zu Hause. Ein anderer Teil gewöhnt sich schwer ein. findet sich aber schließlich ab, einige aber wollen absolut nicht hier bleiben. Weil sie Heimweh haben, weil sie sich nicht verständigen können, weil ihnen die Küche zu klein ist, weil es überhaupt so ganz anders ist, als sie es gewöhnt sind und aus hundert anderen Gründen. Sie raunzen so­lange, bis auch ihren Männern alles zuwider ist und sie mit ihnen nach Hause fahren. Daß auch diese Leute über Ruß­ land   nicht gut berichten, ist erklärlich.

Das Heimweh packt auch viele Männer. Anfangs hat es ja jeder; bei manchen wird es aber stärker- so stark, daß sie deshalb nach Hause fahren. Kann ein Mann sagen, daß er wegen Heimweh nach Hause gefahren ist? Unmöglich. Also muß er eine Ausrede finden, und am bequemsten ist die allge­meine: In Rußland   ist es schlecht.

Auch die Leute, die wegen ungenügender Leistung nach Hause fahren müssen, sind auf Rußland   nicht gut zu sprechen. Es tommt auch schon vor, daß Ausländergruppen nicht auf Rosen gebettet sind. Wird zum Beispiel irgendwo in der Steppe oder tief im Walde ein neuer Schacht angelegt oder ein großes Objekt zu bauen begonnen, so haben es die Pio­niere, die Ersten, nicht leicht. Es dauert immer eine Zeit, bis die Zubringung und die Organisation klappt. Natürlich fährt auch mancher zurück, weil ihm in Rußland   der Lebensstan­dard zu niedrig ist; das sind aber Ausnahmefälle.

Aus all dem Gesagten ist also zu verstehen, daß die Berichte von heimkehrenden Arbeitern in der Regel nicht gut sind. Und diejenigen, die sich in Rußland   wohlfühlen, die also den schlechten Berichten ein Gegengewicht bieten könnten, die sind eben in Rußland   und haben wenig Gelegenheit, in den hei= matlichen Zeitungen und Versammlungen zu berichten.

Sowjetrußland ist das größte Streitobjekt der Parteien. Es gibt dort schon viel Gutes, aber noch viel Schlechtes. Wer Gutes finden will, findet mehr als genug, und auch wer Schlechtes finden will, kann mehrere Bücher damit füllen. Wer objektiv berichten will, muß auch die Tendenz feststellen: ob es besser oder schlechter wird und in welchem Tempo das kann man nicht in einigen Reisewochen erfahren, und darf in Rußland   nicht den Maßstab der westlichen Länder an­legen. Wer all das berücksichtigt, dessen Bericht wird zwar nicht himmelhochjauchzend ausfallen, wie der mancher Dele­gierter, er wird aber bestimmt das Geschehen im heutigen Rußland   bejahen.

Ein Herz aus Messing

Der englische   Profeffor Dr. Gibbs führte in der Univer fität zu Stanford   zum erstenmal ein künstliches Herz vor, das in Bau und Arbeitsweise dem echten vollkommen ent­spricht. Der Apparat ist aus Messing hergestellt und wird durch, Wasserdruck in Bewegung gesetzt. Hunde, Kaßen und sogar ein Maultier wurden nach Entfernung des Herzens durch die Erfindung des Gelehrten stundenlang am Leben erhalten, wobei das Blut in ganz normaler Weise durch den Körper des Versuchstieres strömte. Uebrigens wurde im Verlauf der Untersuchungen festgestellt, daß der Blutstrom eines gesunden Menschen rund hunderttausend Kilometer im Jahre zurücklegt.

neren Umgebung viele Neugierige herbeigekommen, um das Abonniert die ,, Deutsche Freiheit"!

zurückgewonnene Land zu sehen.

Dies ist eine seltsame Welt im Viertel von St. Paul. Notre Dame  , die berühmteste gotische Kirche der Welt, leuch= tet herüber, und der breite Rücken vom alten Hotel Gottes, einem Siechenhaus. Wir stapfen durch Steintreppen, vorbei an Kellern, eisengliedrigen Geländern, schmalen Gassen mit Hurenkneipen und Ramschwaren, Haus bei Haus alte Klei­der. Irgendwo steht eine schmale Synagoge aus der Not dieser Zeit. Ganze Straßen voll Bettler, Schaler, Lumpen­sammler dehnen sich zwischen Torwegen, Brunnen, Müttern. die ihr Kind nähren.

Dies war einst die feinste Gegend von Paris  . Ma­ dame de Sevigne  , die vornehmste Briefschreiberin der Welt, wurde hier geboren, und unzählige Helden. Jetzt ist es die Rumpelfammer der Stadt. Zwischen den Zillehöfen und Kattunweibern werden in einem weitläufigen Spital die deutschen   Flüchtlinge, die ihr Vaterland mehr als Hitler liebten, abgefertigt.

Molière an der Ecke

Moliere  , der große Komödiendichter, fist an der Ecke vor seinem Hause, der Comidie Francaise, und verkündet, daß das französische   Staatstheater 56mal ihn selbst gespielt hat. An zweiter Stelle steht Alfred de Musset  , der Dichter, der in weinenden Versen aus weißem Stein an der Seite dieses Theaters wächst. Von neueren Dichtern sind Paul Ge= raldy und Raynal  , den man auch in Deutschland   durch sein Grabmal des unbekannten Soldaten kennt, am meisten aufgeführt.

Wenn man deutsche Kunst in Paris   sehen will, muß man in die Oper oder ins Kino gehen. Die Pariser   sehen sich heute noch mit Inbrunst die Dreigroschenoper an, und manche fleine Dactilo erfreut sich am Blauen Engel mit der

Marlene. Auch die Liebelei von Schnitzler und das Weiße Rößl, hier genannt L'Auberge du Cheval Blanc, überdauern die Sommerhitze.

Moliere aber fist starr, unbeweglich, mit flammenden Augen, nicht gut, ein echter Zyniker, auf dem Postament. Neben ihm, in der Rue Moliere  , ist der vertriebene deutsche Theaterkritiker Alfred Kerr   beim Freunde Moliere   zu Gast.

Nacktkultur

Nacktkultur gibt es in Paris   nicht, außer etwa in den dafür gemieteten Häusern. Dafür stellen sich die Franzosen aber unter Nudismus die Flußbäder und Waldstädte in Deutsch­ land   vor, die man ihnen mit Prickeln vorfilmt. In Paris  nämlich ist das Baden in der Seine, abgesehen von den ver­schloffenen und teuren Privatbädern, verboten. Man muß schon weit hinaus fahren, am besten bis an die Marne  .

Dafür fährt der Pariser   aber im Sommer wochenlang an die See. Er macht einfach so lange die Bude zu. Auch viele Arbeiter haben ihre Schwiegereltern oder Brüder draußen auf dem gackernden Lande. Es gibt sogar ein Gesetz, das be= zahlten Fabrikurlaub anordnet, mindestens eine Woche, und die Kammer hat Ja dazu gesagt, nur an den Herren des Se­nats ist das Gesetz noch nicht vorbei.

Kürzlich war ein Badezug, der nach Dieppe   fuhr, auf dem Bahnhof St. Lazare   so überfüllt, daß die urlaubsdürstenden Pariser   noch nicht einmal mehr Stehpläße genug bekommen fonnten. Da stürmten sie vor und lagerten sich zu Hunderten auf den Schienen und ließen die Lokomotive nicht eher at. fahren, bis ihnen ein eigener Sonderzug zugeteilt war. Ein Stück vergleichender Völkergeschichte, das vieles er­flärt. Baptist