Nazi- Deutschland in englischem Urteil
Eine kleine Blütenlese aus englischen Zeitungen
Wer die gleichgeschalteten deutschen Zeitungen liest, muß glauben, daß die öffentliche Meinung in England immer nazifreundlicher wird. Nicht nur, daß die wenigen nazifreundlichen Aeußerungen groß aufgezogen werden, man schreckt im Bereich des Lügen- Göbbels auch nicht vor offenen und versteckten Fälschungen zurück. So wurde nicht nur der Abdruck einiger Kapitel aus Hitlers ,, Mein Kampf " in der„ Times" als großer Stimmungsumschwung begrüßt, es wurden sogar die beiden Artikel, die die ,, Times" vor und nach dem Abdruck veröffentlichte und die alles andere als hitlerfreundlich warenden Lesern der ,, Deutschen Freiheit" sind sie ja bereits bekannt durch falsche Uebersetzung und Auslassung der entscheidenden Stellen in ihr Gegenteil umgefälscht. Da die Auszüge aus den„ Times"-Artikeln in allen deutschen Zeitungen im gleichen, falschen Wortlaut erschienen, so ist es klar, daß die Fälschung im Reichslügenministerium vorgenommen wurde. Wer nun wirklich die englische Presse verfolgt, findet fast jeden Tag in fast allen Zeitungen einen nazifeindlichen Bericht oder Artikel. Es ist geradezu technisch unmöglich, jeden einzelnen davon wiederzugeben. Auch heute möge eine kleine Blütenlese aus verschiedenen großen Blättern genügen.
Der ,, Times"-Korrespondent,
dessen sarkastische Sprache in England berühmt ist, aber von den an lautes rohes Gebrüll gewohnten Nazis natürlich nicht verstanden wird, schreibt über die Sprünge von perhafteten Kommunisten aus den Fenstern folgendes:
" Diese Angewohnheit, aus dem Fenster zu springen, wenn ihre Nazi- Fänger einen Augenblick nicht hinsehen, hat in den letzten Monaten bereits einer ganzen Anzahl angeblicher Kommunisten das Leben gekostet."
( großes konservatives Blatt) in einem Artikel von Normann Hillson„ Berlin unter den Nazis.- Eine freud Iose Stadt, in der auf Hitlers Befehl Langweiligkeit herrscht."
Es gab eine Zeit, fie ist noch nicht so lange her, da war Berlin die munterste Stadt Europas . Heute ist sie auf dem Weg, die langweiligste zu werden. Hitler hat einen Krieg gegen die Frende befohlen.
Wenn man Berlin verläßt, dann fühlt man, eine große Stadt hat plöglich und vollkommen ihr intellektuelles Le= ben verloren. Die Berliner Theater, einst so ehrgeizig und anregend, find jeßt langweilig und schläfrig. Die Hälfte der Theater sind geschlossen.
Man hat nicht den Eindruck von Armut in Berlin . Und doch, Hunger, Arbeitslosigkeit, ja sogar Hungertod lanern hinter jeder Ede, troß aller Beteuerungen der Sitlerpar tei. Wie kann man allgemeine Prosperität in einem Land erwarten, das eine Laft von vielen Millionen Erwerbs= Iofen zu tragen hat, und nur wenig Hoffnung hat, seinen Sandel in einer Welt zu beleben, die vor den Razierzeffen einen Abschen hat?
Die teuren Hotels, die für die reichen Tonriften zu for= gen pflegten, find leer, und ihr Geschäft ist bejammerns wert. Die gewöhnlichen billigen Bierhäuser und Cafes find mäßig besetzt. Der genügsame Berliner läßt ein einziges Glas Münchener den ganzen Abend dauern, während bie Streichkapelle eine Auswahl nichtjüdischer Melodien spielt.
Der erwerbslose Arbeiter ist unaufdringlich. Er bleibt in den vier Wänden seines öden Hauses.... Wie viel
er leidet, ist seine eigene Sache; denn er darf sich nicht bes flagen, sonst bezeichnen ihn rohe junge SA.- Leute als Kommunisten, Sozialisten oder Agitator und schleppen ihn zum nächsten Konzentrationslager oder Gefängnis, um darüber nachzudenken.
Auf den Straßen von Berlin sieht man bartlose Jugend, die in der Glorie und Wichtigkeit des Braunhemds umhers stolziert. Man kann unmöglich glauben, daß die meisten dieser Jungen überhaupt wissen, was ihre Führer wollen oder was das Schicksal ihres Landes sein wird als Nefultat des übertriebenen Chauvinismus.
Hunderte von Zeitungen find im ganzen Lande vernich tet worden. Viele der wohlbekannten Berliner Blätter gibt es nicht mehr. Man kann nicht hoffen, wahre Infor mationen aus der modernen deutschen Presse zu bekom: men. Das ist auch nicht die Absicht. Man soll nur die na tionalsozialistische Ansicht lesen.
Doch in der Abgeschlossenheit seines Hauses wird der anständige Berliner manchmal bedauern, wie weit die Nazis gegangen sind, nicht nur in der Verfolgung der In= den, sondern auch in der Entfremdung der Weltmeinung. Aber der anständige Mann wagt nicht, es laut zu sagen, und deswegen kann man ihn nicht tadeln. Menschenleben find heute in Deutschland zu billig.
,, Sunday Referee"
( ein vielgelesenes Sonntagsblatt von liberaler Tendenz) in einem Artikel„ Eine Warnung an Touristen":
Ich nehme an, daß die politischen Verhältnisse den Tons ristenverkehr nach Deutschland getötet haben, aber die, die doch in diesem Land ihre Ferien verbringen wollen, sollten vor den physischen und moralischen Gefahren gewarnt wer= den. Die physischen Gefahren sind beträchtlich. In jeder deutschen Stadt sind Banden brannbehembeter Rohlinge, die geneigt sind, jeden, der eine fremde Sprache spricht, z attackieren. Und eine Entschuldigung, nachdem man vers prügelt ist, ist nur ein armseliger Ausgleich.
Aber die moralischen Gefahren sind vielleicht noch erns fter. Ein erheblicher Teil der organisierten Propaganda des„ Neuen Deutschland" erstreckt sich auf Besucher, vor allem auf britische Besucher. Denn Hitler tut alles, um die englische öffentliche Meinung versöhnlich an stimmen. Gruppen von sozialen Erziehungs- und Geschäftsorganis fationen aus England werden offiziell in den Rathäusern empfangen, der Bürgermeister oder ein Stadtrat hält eine Ansprache. Nachher werden verschiedene interessante Plätze der Stadt besucht. Und alles, was gesagt und getan wird, hat nur den einen Zweck, den Eindruck zu erwecken, daß alles im„ dritten Reich" in Butter ist und daß jeder unter dem Hitlerregime zufrieden ist.
Unnötig zu sagen, daß die Besucher weder die Zeit noch die Gelegenheit haben, mehr als einen rein oberflächlichen Eindruck zu gewinnen. Sie sehen und hören nicht die ans dere Seite die wahre Seite des Neuen Dentsch lands". Wie schwer das ist, kann man aus der Tatsache er= messen, daß selbst die Mehrheit der Deutschen nichts davon sieht oder hört.
Die, die es wissen, wollen oder wagen es nicht, es zu bes schreiben. Die Männer, die in der Hölle der Rouzentras tionslager gelitten haben und dann freigelassen worden find, schweigen selbst ihren Familien gegenüber. Denn der Beruf der Heuchler und Spione ist heute in solcher Blüte in Deutschland , daß niemand sicher sein kann, daß ein offe nes Wort zu seinem besten Freund ihn nicht ins Konzen= trationslager oder aus seiner Stellung bringen kann. Der Terror unter Domitian , den Tacitus beschrieben
Vom nordischen Geist
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Kein deutsch - schwedischer Schüleraustausch mehr Die deutsche wissenschaftliche Literatur in Schweden verschwindet Das schwedische Volk geschlossen gegen das neue Deutschland
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Aus Stockholm wird uns geschrieben:
Die Schweden sind sehr höfliche, liebenswürdige und gaſtfreundliche Menschen, die aber eins besonders lieben: ein ruhiges und beschauliches Dasein zu führen. Sie schätzen wohlgeordnete Verhältniffe, und da sie diese unter einer sozialdemokratischen Regierung haben, blicken sie mit' Verachtung auf ihren Nachbar: den Nazi- Deutschen. Wenn sie sonst auch sehr zurückhaltend sind, so schenen sie fich trotzdem nicht, diese Verachtung offen zum Ausdruck zu bringen.
Es wird von den deutschen Zeitungen immer wieder betont, daß das schwedische Volk dem neuen Deutschland vollste Sympathie entgegenbringe, nur die die Macht verkörpernde böse Sozialdemokratie sei nicht so.
Das kann nur der behaupten, der die letzte Zeit nicht in Schweden war, der die wirkliche Stimmung im Volke nicht fennt. Und nur der kann sich über die heutige Stimmung ein Urteil erlauben, der Gelegenheit hatte, vor einigen Jahren schwedische Verhältnisse kennen zu lernen.
Der Deutsche war in Schweden immer ein gern gesehener Tourist. Man wird sich allerdings hüten, offiziell heute das Gegenteil zu behaupten. Aber man merkt in den schwedischen Gaststätten, wenn man sich als Deutscher zu erkennen gibt, wie wenig den Schweden an deutschen Gästen ge= Iegen ist.
Auf der Straße werden Deutsche , die sich in ihrer Muttersprache unterhalten, von den Vorübergehenden scharf ge= mustert und mit Blicken angesehen, in denen nicht nur spöt= tische Ueberlegenheit, sondern auch so etwas wie Mitleid liegt. Mitleid mit den Angehörigen eines Landes, in dem alles drunter und drüber geht, und in dem es keine Freiheit und Gerechtigkeit mehr gibt.
Es kommt auch vor, daß dann Kinder, wenn sie deutsche Laute auf der Straße hören, stehen bleiben.„ Tyska , Tyska" ( Deutscher ) oder„ Hitler , Hitler " rufen und sich dabei dann scheinbar föstlich amüsieren,
diesem Jahr der Schüleraustausch zwischen Deutsch land und Schweden von schwedischer amtlicher Seite aus unterbunden wurde, der zum Beispiel im vergangenen Jahr sehr stark gefördert worden war.
Nur wenige schwedische Familien haben es im Sommer 1938 gewagt, ihre Kinder nach Deutschland zu schicken. Auch die schwedischen Studenten haben in diesem Jahr fein Ver= langen danach gehabt, ihre Semesterferien in Deutschland zu verbringen, wie sie es in den letzten Jahren mit Vor: liebe getan haben.
In diesem Zusammenhang ist sehr interessant, daß sich die „ Bossische Zeitung" darüber beschwerte, daß in Schweden immer mehr die deutsche wissenschaftliche Literatur verschwinde. Eine Antwort auf diesen Artikel versuchte dann zu beweisen, daß das darin seine Ursache habe, daß die deutsche Literatur gegenüber der englischen, die jetzt stärker herangezogen wird, zu teuer sei.
Ein schwedischer Wissenschaftler hat dazu die richtige Ant
wort gegeben:
„ Die schwedische Gelehrtenwelt lehnt es ab, sich auf die wissenschaftliche Literatur eines Landes zu stüßen und an berufen, das seine tüchtigsten Gelehrten und Wissenschaftler zum Teufel gejagt hat."
Diese Erklärung dürfte an Deutlichkeit nichts zu wün schen übrig lassen.
Es erscheint in Stockholm und auch in Schweden feine Zeitung von Namen, die sich dazu hergibt, die Belange des „ Dritten Reiches " zu vertreten. Unter Ausschluß der Deffent lichkeit erscheinen in Stockholm drei kleine Nazi- Blättchen" jede Woche einmal, die allerdings den Ruhm in Anspruch nehmen können, drei verschiedene Richtungen der schwedischen Nationalsozialisten zu ver= treten.
Trotzdem nimmt die schwedische Presse regen Anteil an den Vorgängen in dem Nachbarlande Deutschland . In großen und fast täglich erscheinenden Leitartikeln widmet man dem geknechteten deutschen Volke wärmstes Mitgefühl. Die schmeFür die Deutschen war es ein bitterer Schmerz, daß in dische Arbeiterschaft ist an den deutschen Verhältnissen sehr
hat, muß milde gewesen sein, wenn man ihn mit dem Terror im„ Neuen Deutschland" vergleicht.
Dann heißt es weiter über den
Leipziger Reichstagsbrandprozeß:
Kein Mensch, der noch seinen Verstand hat, wird durch den Leipziger Prozeß getäuscht werden. Jeder Informierte weiß, wie es mit dem Brand stand. Die wahren Anstifter der Feuersbrunft haben sich in ihrer Ungeduld noch in derselben Nacht verraten. Es ist ein Skandal, daß diesel: ben Leute sich heute zu Anklägern unschuldiger Menschen aufwerfen können, und nicht nur zu Anflägern, auch zu Richtern.
Doch der Prozeß wird nur noch eine größere Abschen in der zivilisierten Welt erwecken... Es ist nicht nur eine Schande für Deutschland , sondern für ganz Europa , daß ein solches Justizverbrechen in seinen Grenzen möglich ist. Was hier auf dem Spiel steht, ist nicht nur die Rettung des deutschen Volkes, sondern die Rettung der Humanität, der Zivilisation und der Kultur in der Welt.
„ Observer"
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( angesehenstes konservatives Sonntagsblatt):
Während Hitler den Gewaltgeist auf dem Gebiet der Wirtschaft zu dämpfen sucht, mag er sich gezwungen sehen, ihm auf einem anderen Feld freien Spielraum zu geben. Wir erinnern an den Satz des Herrn Frick:" In unserer Revolution ist Hitler Danton und Napoleon zugleich." Die napoleonische Phase der Nazibewegung nimmt die Form einer intensiven Gewaltpolitik gegen Dr. Dollfuß an, und zwar mit Methoden, die die öffentliche Meinung überall erregt haben und Dollfuß zum populärsten Mann in Europa gemacht haben. Diese Gewaltpolitik dauert an.... In den letzten Tagen haben sich die Zeichen ges mehrt, daß Europa sich das nicht länger gefallen lassen will.
Noch ist es Zeit für den Kanzler, die Taten zu beenden, die ihm die ganze zivilifierte Welt, einschließlich Italiens , entfremdet haben. Will er, kann er aber diesen Bruch vollziehen? Es besteht wenig Hoffnung, wenn er selbst forts fährt oder es Dr. Göbbels erlaubt, eine Lehre zu predigen, die zur nationalen Selbstbeweihräucherung führt..... Herr Hitler hat eine pazififtische Rede gehalten, aber feit dieser Zeit haben wir keine Handlung erlebt, die nicht zeigte, daß ganz andere Gedanken die Naziführer bes herrschen..
Hitlers neuer Wirtschaftsberater Herr Schmitt diskutiert jetzt den Naziplan zur„ Verstaatlichung der Trusts" mit dem bekannten Revolutionär- wir meinen Herrn Thyssen, den Ruhrindustriellen. Herr Darre folgt prompt, indem er den Junkern Ostpreußens versichert, daß ,, kein Grundstück berührt werden soll, ganz gleich wie groß es ist". National- Sozialismus beginnt auf dem Gebiet der Wirtschaft ungewöhnlich ähnlich auszusehen wie der Nas tionalismus des Herrn Hugenberg..
Bor zwei Monaten erschien eine interessante Anzeige in einer Darmstädter Zeitung. Sie lautete:„ Wir verspres chen 50 Mark Belohnung demjenigen, der uns unseren Papagei zurückbringt. Man kann ihn erkennen an seinem ständigen Ruf Heil Hitler ." Das lieft fich wie eine leise Anspielung auf Herrn Göbbels. Dieser unermüdliche Doktor ist nie still, durch Presse und Radio reizt er ständig zu Brutalitäten an und zum fämpferischsten Nationalismus. Dank dieser unermüdlichen Propaganda ist kein Zeichen vorhanden, daß der brutale Geift, der bisher den Nationals sozialismus beseelte, nachlassen wird.
stark interessiert, und die politischen Debatten beschäftigen sich meistenteils mit den neuesten Terrormaßnahmen gegen die deutsche Arbeiterschaft.
Die schwedische nationalsozialistische Bewegung aber ist so lächerlich klein, daß sie kaum beachtet wird. Man könnte darauf antworten, daß in Deutschland die jetzige Nazi- Bewegung auch mit einer kleinen Gruppe begonnen habe.
Demgegenüber sei mit aller Deutlichkeit festgestellt: Nie wird in Schweden die Nazi- Bewegung festen Fuß fassen fönnen. Der Schwede, ein typischer Vertreter der nordischen Rasse, liebt viel zu sehr seine Freiheit, als daß er sich frei= willig zu einer Diktatur bekennen würde.
Alles Werben Hitlers um die Sympathie des schwedischen Volkes und alle seine Beteuerungen über die enge Verbundenheit durch die gemeinsame Rassenzugehörigkeit- darüber hat man in Schweden herzlich gelacht, werden deshalb vergeblich sein. Daran können auch die jetzt im deutschen Rundfunk regelmäßig veranstalteten „ nordischen Stunden" nichts ändern.
tad."( Danke, danke bestens.) Die Schweden sagen:„ Nazi- Tyskland-br- r- r, tack, tack."( Danke, danke bestens.)
Italienische Aufforderung, deutsche Waren zu boykottieren
Im Propagandamaterial der Levantemesse, die im September in Bari stattfindet, wird folgendes gesagt:„ Der gewaltige Boykott deutscher Waren, der seit einigen Monaten sich immer mehr bemerkbar macht, bietet einer starken Ausdehnung des italienischen Handels auf den Märkten der Levante große Aussichten. Täglich laufen bei Konsulaten, Banken und Handelskammern Anforderungen italienischer waren ein, die als Ersatz für die früher aus Deutschland Industrie muß aus diesem Zustand Nutzen zu stehen verimportierten Waren zu gebrauchen wären. Die italienische stehen."