Freiheit

Nummer 48-1. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Dienstag, den 15. August 1933

Chefredakteur: M. Braun

Adolf Hitler :

Je höher der Mann steht, um so stärkere Schranken hat er nötig, welche die Willkür seines Wesens bändige. Was den Menschen in gewöhnlicher Lage gesund er­hält, ist doch nur, daß ihm eine strenge, unablässige Kontrolle seines Lebens fühlbar wird; seine Freunde, das Gesetz, die Inter­essen anderer umgeben ihn von allen Seiten; sie fordern gebiete­risch, daß er Denken und Wollen der Ordnung füge, durch welche andere ihr Gedeihen sichern.

Freytag.

Vernichtet Frankreich !

Ein Interview mit dem deutschen Reichskanzler

Vizekanzler von Papen hat vor einigen Tagen auf feinem Saarschloß Wallerfangen eine Unterhaltung mit einem englischen Journalisten gehabt. Er hat bei dem Engländer ganz undiplomatisch über die Regie. rungskommission losgezogen, dann aber ein deutsch­französisches Schachergeschäftchen über die Saar vor­geschlagen. Obwohl der betreffende englische Jour­nalist beinahe ein Vertrauensmann Hitlers ist, den er auf seinen Deutschlandflügen begleiten durfte, hat er die Unterredung mit Papen nicht richtig wieder gegeben. Papen, bekanntlich ein echter Wahrheits­fanatiker, mußte dementieren.

Bei der Spannung, die leider gerade jetzt zwischen Berlin und Paris besteht, haben wir uns entschlossen, den deutschen Reichskanzler selbst über seine Auf­fassung zum deutsch - französischen Problem zu be­fragen. Um ihn und uns keinerlei Mißverständnissen auszuseen, entnehmen wir die Grundsätze seiner Außenpolitik aus dem Buche« Mein Kampf ". Der Reichskanzler hat dieses sein Buch bisher nicht dementiert. Seine klare Kriegspolitik gegen Frankreich besteht also fort:

Denn darüber muß man sich endlich vollständig klar wer ben: Der unerbittliche Todfeind des deutschen Vol­tes ist und bleibt Frankreich . Ganz gleich, wer in Frank: reich regierte oder regieren wird. Frankreich ist und bleibt der weitaus furchtbarste Feind. Dieses an sich im mer mehr der Vernegerung anheimfallende Volt be: bentet in seiner Bindung an die Ziele der jüdischen Welt beherrschung eine lanernde Gefahr für den Be = stand der weißen Rasse Europas . Denn die Ver peftung durch Negerblut am Rhein im Herzen Euro­ pas entspricht ebensosehr der sadistisch perversen Nachsucht dieses chauvinistischen Erbfeindes unseres Boltes, wie der eisig kalten Ueberlegung des Juden, auf diesem Wege die Bastardierung des europäischen Kontinents im Mittelpunkt zu beginnen und der weißen Raffe durch die Infizierung mit niederem Menschentum die Grundlagen zu einer selbstherrlichen Existenz zu entziehen. Was Frankreich , angespornt durch eigene Rachsucht, planmäßig geführt durch den Juden, heute in Europa bes treibt, ist eine Sünde wider den Bestand der weißen Mensch­heit und wird auf dieses Volk dereinst alle

Rachegeister eines Geschlechts hetzen, daß in der Raffenschande die Erbsünde der Menschheit erkannt hat. Für Deutschland jedoch bedeutet die französische Gefahr die Verpflichtung, unter Zurückstellung aller Gefühlsmomente, jedem die Hand zu reichen, der, ebenso bes jedem die Hand zu reichen, der, ebenso bes droht wie wir, Frankreichs herrschgelüfte nicht erdulden und ertragen will.

In Europa wird es für Deutschland in absehbarer Zeit nur zwei Verbündete geben können: England und Italien . Ein Bündnis, deffen Ziel nicht die Absicht zu einem Kriege umfaßt, ist finns und werts 1o8. Bündnisse schließt man nur zum Kampf. Und mag die Auseinandersetzung im Augenblick des Abschlusses eines Bündnisvertrages in noch so weite Ferne gerückt sein, die Aussicht auf eine triegerische Verwidlung ist nichtsdestoweniger die innere Veranlassung zu ihm.

Jede Macht ist heute unser natürlicher Verbündeter, die gleich uns Frankreichs Herrschsucht auf dem Kontinent als unerträglich empfindet. Kein Gang zu einer solchen Macht darf uns zu schwer sein und tein Verzicht als unanssprechbar erscheinen, wenn das End­ergebnis nur die Möglichkeit einer Niederwerfung unseres grimmigsten sailers bietet. Ueberlass sen wir dann ruhig die Seilung unserer Kleineren Wunden den milden Wirkungen der Zeit, wenn wir die größte auszubrens nen und zu schließen vermögen.

Erst wenn dies in Deutschland vollständig begriffen sein wird, so daß man den Lebenswillen der deutschen Nation nicht mehr in bloß passiver Abwehr verkümmern läßt, sons dern zu einer endgültigen aktiven Auseinans dersehung mit Frankreich zufammenrafft und in einem legten Entscheidungskampf mit deutscherseits größten Schlußzielen hineinwirft: erst dann wird man imstande sein, das ewige und an sich so furchtbare Ringen zwischen uns und Frankreich zum Abschluß zu brin= gen; allerdings unter der Vorausseßung, daß Deutschland in der Vernichtung Frankreichs wirklich nur ein Mittel fieht, um danach unserem Volke endlich an anderer Stelle die mögliche Ausdehnung geben zu können...

Wenn die deutsche Nation den Zustand ihrer drohenden Ausrottung in Europa beenden will, dann hat sie nicht in den Fehler der Vorkriegszeit zu verfallen und sich Gott und die Welt zum Feind zu machen, sondern dann wird sie den gefährlichsten Gegner erkennen müssen, um mit der gesamten tonzentrierten Kraft auf ihn einzuschlagen.

,, Aus der Lüge wächst der Krieg"

Eine Warnung an die Welt

Paris , 12. August 1933. Unter der Ueberschrift Frieden durch Wahrheit" beschäftigt sich der Neue Vorwärts", das in Karlsbad erscheinende Wochenblatt der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands , mit der Frage, wie der bedrohte Frie­den Europas am besten zu schüßen ist. Das Blatt schreibt:

Wer den Weltfrieden retten will, muß die Mauer durch­stoßen, hinter der die Hitlerregierung das ganze deutsche Volk gefangen hält. Er muß diesem Volk sagen, daß es in der ganzen Welt keinen ehrenhaften Menschen gibt, der sich richt von seiner ießigen Regierung voller Abscheu abwendet. Er muß ihm sagen, daß dieses allgemeine Welturteil in tenen zahllosen Verbrechen begründet ist, die die Hitler­regierung voller Abscheu abwendet. Er muß ihm sagen, daß dieses allgemeine Welturteil in jenen zahllosen Verbrechen begründet ist, die die Hitlerregierung begangen hat, und die vor ihm bisher verborgen gehalten worden sind. Er muß ihm sagen, daß niemand den Friedensbeteuerungen Hitlers glaubt, daß vielmehr alle Welt in der fieberhaften Aufrüstung Deutschlands die Vorbereitung & um Revanche frieg erblickt Wer den Frieden retten will, der muß dem deutschen Volk sagen, daß es im Falle eines solchen Revanchekriegs nirgends Freunde, überall nur Feinde finder würde und daß am Ende dieses Krieges das Ende Deutschlands steht.

Wir deutschen Sozialdemokraten sehen mit Entsetzen, wie das deutsche Volk mit verbundenen Augen zur Schlachtbank geführt wird. Wir bleiben in unserem Willen, den Frieden zu erhalten, unerschütterlich. Wir sehen aber auch, daß die diplomatisch korrekte Methode, Deutschland in eine Reihe internationaler Bagatellprozesse zu verwickeln, dem Ziel der Friedenssicherung in keiner Weise dient.

Das deutsche Volk aufzuklären über die Lage, in der es sich befindet, ist für uns nationale Pflicht, es ist aber auch allgemeine Menschenpflicht. Und wir meinen, daß bei der Erfüllung dieser Menschenpflicht die Regierungen zivilisierter Staaten nicht zurück, sondern voranstehen sollten. Das Prinzip der Nichtein­mischung wird zum Widerspruch in sich selbst, wenn seine strikte Befolgung zwangsläufig zu der brutalsten Form der Einmischung führt: der mit den Waffen in der Hand! Das Wort Goethes Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist!" muß heute dahin umgewandelt werden, daß man die Deutschen belügt, wenn man gegen sie höflich ist. Nicht Höf­lichkeit kann da nüßen, sondern nur Aufrichtigkeit. Wir möchten. daß das deutsche Volk die Wahrheit erfährt, nicht wenn es schon zu spät ist, sondern solange noch Zeit ist. Aus der Lüge wächst der Krieg, aus der Wahrheit der Frieden. Darum fordern wir die große Offensive der Wahrheit nach Deutschland hinein nicht gegen Deutschland , sondern für Deutschland ."

Nationalistische Außenpolitik

Von Dr. Reinhold Urbal, Wien

Die Beziehungen zwischen Desterreich und Deutschland bilden einen Herd der Beunruhigung für Europa . Die Lage ist ungleich gefährlicher geworden, als sie etwa vor zwei Jahren war. Der damalige Versuch der Regierung Brüning, auf dem Wege über die Zollunion das natio nale Hochziel des Anschlusses" zu erreichen. wirkte zwar alarmierend, war aber im Grunde nicht mehr als ein hoffnungsloser Husarenstreich. Bevor noch der Haager Schiedsgerichtshof sich gegen Berlin und Wien . aussprach, verzichteten die beiden Regierungen auf das Zollabkommen, nicht zuletzt, weil Mussolini in unmiß­verständlicher Weise zu verstehen gegeben hatte, daß für ihn der Anschluß keine juristische, sondern eine machtpolitische Frage sei, die er im äußer sten Falle mit den Waffen zu lösen wissen werde. In Deutschland , wo die Regierung für ihren unverzeihlichen Mißgriff einen nationalistischen Begeisterungssturm erregt hatte, gab man die Schuld an der Niederlage der Un geschicklichkeit des Außenministers Curtius. Er wurde als Sündenbock von dem nicht weniger schuldigen Reichs­kanzler geopfert, der immer wenig Sentimentalität zeigte, wenn er einen Mann über Bord werfen mußte, um sein Schifflein flott zu erhalten.

Mussolinis verzuckerte Pillen

Hitlers österreichische Politik kann sich ebensowenig mie die Brüningsche irgendeiner internationalen Unter­stüßung rühmen. Jtalien z. B. hat, jetzt wie damals, alles getan, um die Unabhängigkeit Oesterreichs zu sichern. Keine andere Macht ist in gleicher Weise bemüht, das in Wien herrschende System zu befestigen. Jn Paris und London schallen zwar die Lobgefänge auf den kleinen Bundeskanzler lauter, aber Rom ist wachsame r. Mussolini hütet sich je doch, seine ergebenen deutschen Bewunderer durch zu große Liebenswürdigkeiten für Oesterreich zu kränken. Gerade weil er in der Tat Dollfuß das Rückgrat stärkt, muß er seine Anstrengungen verdoppeln, um das sym­pathische Verhältnis zu den Nationalsozialisten so eng wie möglich zu gestalten. Seine Kunst, bittere Pillen zu verfüßen, verdient Bewunderung. Ge rade hat eine Gruppe faschistischer Jugend durch einen Besuch dem neuen Deutschland gehuldigt. Die italienische Diplomatie parierte scheinbar den Schlag, den Frankreich und England gegen Berlin führten. Aber alle diese Höf lichkeiten können nicht die Wahrheit verdunkeln, daß sich die deutsche und die italienische Politik, was Desterreich angeht, in einem wirklichen Gegensaz befinden. Mussolinis Bemühungen um die Stabilisierung der Wiener Regierung sind umfassend. Die angekündigte Reise des Kanzlers Dollfuß nach Rom soll in erster Linie dem Ausbau der österreichisch - italienischen Handelsbeziehungen dienen. Jtalien entfaltet eine bedeutende Aktivität, um den österreichischen Er­port von Hamburg nach Triest abzulenken. Außerdem will es Oesterreich an dem Versuch teilnehmen lassen, die Märkte des vorderen Orients zu er­obern, die das dritte Reich" infolge seiner Abscheu und Haß erregenden Unterdrückungspolitik gegen die Juden verloren hat. Da die Produktion der beiden zusammen­wirkenden Staaten sich weitgehend ergänzt, überwiegen die gemeinsamen Interessen. Jtalien und Oester. reich werdenwahrscheinlich auf dem Rücken Deutschlands recht gute Geschäfte machen, und die Hitlerregierung läßt sich durch ein freundliches Lächeln Mussolinis entschädigen.

Hitler verzichtet nicht

Nichtsdestoweniger dürfen Hitlers Aussichten in Defter reich nicht unterschätzt werden. Um den kleinen Nachbar­staat zu erobern, verfügt er über die stattliche Armee der nationalsozialistischen Gefolgschaft, die innerhalb Defter reichs bereits ein Drittel der Bevölkerung umfassen soll. Eine revolutionäre Partei von solcher Stärke ist mehr als ausreichend, um einen Umsturz herbeizuführen.