Der blaue Adler über Nordamerika

Roosevelts ,, Amtskapitalismus und die Stimmung der Arbeiter

In den Auslagen der Neuyorker Geschäfte, an den Eingangstoren der Fabriken, in den Fenstern vieler Privatwohnungen und an den Windschutzscheiben unzäh­Tiger Automobile in ganz Amerika ist im Laufe der letzten Tage ein neues Zeichen aufgetaucht: der blaue Adler, das Propagandazeichen des Rooseveltschen kontrollierten Kapitalismus ". Wer den blauen Adler zeigt, bekennt sich damit zum Rooseveltschen Blankettarbeitsvertrag", zu höheren Löhnen und kürzerer Arbeitszeit, und neuerdings auch zum Rooseveltschen Arbeitsfrieden", zum Verzicht auf Streiks und Aussperrungen während der Ein führungsperiode des Arbeitsvertrages.

,, Kontrollierter Kapitalismus"

Der Arbeitsfrieden" ist Roosevelts erste Ant­wort auf die Erkenntnis der Tatsache, daß der amerika­ nische Arbeiter aufgewacht ist. Die Unzufriedenheit der Wählermassen mit dem Kapitalismus hat Roosevelt in den Sattel gehoben. Die Zustimmung der Massen zu jedem Schritt gegen das Machtmonopol des amerikanischen Großkapitals hat ihn und seine Begleiter auf dem Weg der Reformen vorwärtsgedrängt. Aber der antikapitalisti­schen Stimmung Amerikas fehlt heute noch die organisierte Klaffenbewegung. Roosevelt und seine Freunde sind er füllt von der Illusion, der Kapitalismus könne gebändigt werden, ohne daß Wall Street , das Großkapital, von der Arbeiterschaft im offenen Klassenkrieg besiegt wird. In Wahrheit muß das ganze Gebäude des kontrollierten Kapitalismus" im Moment des unvermeidlichen kapitali stisch- faschistischen Gegenstoßes zusammenbrechen, wenn nicht bis dahin eine starke, angriffswillige Arbeiter­bewegung entstanden ist. Einstweilen hat das Reform programm Roosevelts die Arbeiter ermutigt, sie zur gewerkschaftlichen Organisation, zu neuen Forderungen angefeuert. Darin liegt die wirklich wertvolle Wirkung des an sich hoffnungslosen Versuchs, die soziale Frage durch Kontrollierung" des Kapitalismus zu lösen.

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Zusammenstöße

3u gefährlichen Zusammenstößen der Klassenfronten im Buge des Rooseveltschen Reformprogramms ist es bisher in der Stahlindustrie und im Kohlenbergbau gekommen, die beide in Pennsylvanien, dem alten Hauptsitz der amerikanischen Schwerindustrie, konzentriert sind. Die traditionell reaktionäre Einstellung Pennsylvaniens hat der Hauptstadt dieses Staates den Spiznamen " Philadelphia , ganz korrupt und ganz zufrieden" ein­getragen. Hier beherrschen seit dem Zusammenbruch des großen Stahlstreiks nach dem Weltkrieg und seit der Niederwerfung der zahlreichen Einzelstreiks in den Kohlenfeldern gelbe Unternehmergewerkschaften das Feld. Die Unternehmer der Stahlindustrie waren zwar bereit, einen neuen Arbeitsvertrag in Kraft zu setzen, wollten aber nur mit solchen Gewerkschaften verhandeln, die im

Cuba

Werk selbst gewählt" seien, das heißt, mit den Unter­nehmergewerkschaften. Außerdem wollten die Unter­nehmer nur eine Vierzigstundenwoche bei relativ niedrigen nehmer nur eine Vierzigstundenwoche bei relativ niedrigen Löhnen zugestehen.

Der Arbeitsvertrag der Stahlindustrie wurde in öffent­licher Sigung im Gebäude des Handelsministeriums in licher Sigung im Gebäude des Handelsministeriums in Washington entschieden. Die Verhandlung spielte sich in dramatischen Formen ab. Die Entscheidung zugunsten der Washington entschieden. Die Verhandlung spielte sich in Arbeiter wurde durch das mutige Eingreifen des Arbeits­Arbeiter wurde durch das mutige Eingreifen des Arbeits­ministers Frau Perkins herbeigeführt, des ersten weib­ministers Frau Perkins herbeigeführt, des ersten weib­lichen Kabinettsmitglieds in Amerika , deren arbeiter­lichen Kabinettsmitglieds in Amerika , deren arbeiter freundliche Haltung schon viel dazu beigetragen hat, Roosevelts Regierung im Volk beliebt zu machen. Sie und der Wirtschaftsdiktator" General Johnson erklärten, immer wieder vo mBeifall der Zuhörerschaft unterbrochen, daß die Angebote der Unternehmer ganz unzureichend seien. Auf diese Art wird die Kaufkraft nicht erhöht!" rief Miß Perkins. Schließlich mußten sich die Stahlkönige beugen. Durch ihren Führer Robert Lamont erklärten sie ihr Einverständnis mit den Regierungsvorschlägen, durch welche die Gewerkschaften als Verhandlungspartner an­erkannt und weit bessere Arbeitsbedingungen festgesetzt wurden.

Der pennsylvanische Strelk

Der Streik der Kohlenarbeiter in Pennsylvanien hat in wenigen Tagen eine Ausdehnung und Bedeutung erlangt, die alle amerikanischen Arbeitskämpfe der letzten Jahre weit übertrifft. Nicht weniger als 70 000 Bergarbeiter

zwischen den Bergbaugesellschaften und den streiken den Arbeitern zu vermitteln. Er erreichte schließlich so viel, daß der Präsident der Frick Coke Com pany, Moses , sich bereit erklärte, mit General Johnson und dem Gouverneur von Bennsylvanien, Pinchot, nach Washington zu reisen, wo unter Roosevelts persönlichem Vorsitz eine mehrstündige Konferenz zwischen dem Unter­nehmervertreter Moses und dem Obmann der Bergar beitergewerkschaft, John Lewis, stattfand. Schließlich gaben die Unternehmer in der entscheidenden Frage nach: sie erklärten sich bereit, mit den Arbeitern durch die Ar beitergewerkschaft, ohne Einschaltung gelber" Gewerk schaftsgruppen über die Einführung eines neuen Arbeits vertrages im Kohlenbergbau zu verhandeln.

Der pennsylvanische Kohlenarbeiterstreik war der auf­sehenerregendste, aber durchaus nicht der einzige Streik der letzten Tage. Im Gegenteil, die Welle der Arbeits­kämpfe, in welchen regelmäßig die Arbeiter der fordernde Teil waren, erfaßte alle Teile des Landes, die verschieden sten Berufe, von den Brückenbauern in Neuorleans bis zu den Schuhmachern in Massachussets, von den Dockarbei­tern in Buffalo bis zu den Tonfilmtechnikern in Holly­ wood . Hier war es die Weigerung der Unternehmer, neue Arbeitsverträge abzuschließen, dort das unzureichende Maß der zugestandenen Lohnerhöhung, was den Konflikt hervorrief. Ueberall entstehen neue Ortsgruppen der Ge­werkschaften. Hinter den Dekreten Roosevelts taucht der Wille einer Klasse auf, die den leeren Formein der Dekrete Inhalt zu verleihen versucht.

nahmen daran teil. Eine der führenden Gesellschaften des Roosevelt und der Drache

Kohlengebietes, die zum Stahltrust gehörige Frick Coke Company, weigerte sich, die gemäß dem Blankett- Ver­trag" gebildete Arbeitergewerkschaft in ihren Gruben an­zuerkennen. Die Arbeiter traten in Streik. In wenigen Tagen griff der Streik auf die anderen Gesellschaften über. Die Unternehmer schickten ihre schwer bewaffnete Privat­polizei ins Streikgebiet. Als eine Menge von Streikenden, unter denen sich auch Frauen und Kinder befanden, bei der Zeche Star Junction", trotz dem Kommando der Un­ternehmerpolizei den Platz nicht räumen wollte, gaben die Polizisten eine Salve ab, durch die neun Arbeiter ver­wundet wurden. Bei einem anderen Zusammenstoß bei Brownsville wurde ein Arbeiter getötet und sieben andere verlegt. So fielen die ersten Blutzeugen des kontrollie­ten Rapitalismus", Bergarbeiter, die nichts anderes ver­langten, als die Durchführung des vom Präsidenten ange­kündigten Arbeitsvertrages"..

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Wie ein seltsamer Kommentar zu diesen Salven klingt eine gleichzeitig im Radio gehaltene Rede des Roosevelt . schen Wirtschaftsberaters Richberg, der feierlich erklärte: Revolutionen durch Schwerter und Bajonette sind nichts Neues, aber jetzt handelt es sich um eine Revolution durch die Feder und durch das Wort."

Am Tage nach den Zusammenstößen versuchte Roosevelt Wirtschaftsdiktator", General Johnson,

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Machados Flucht- Schon Schon ein Nachfolger

Aus Kuba überstürzen sich die Nachrichten. Machado, der bisherige Präsident, geflohen, angebliche Begeisterung der Bevölkerung, Sturm auf den Präsidentenpalast! Die Trieb­fräfte des Aufstandes werden immer deutlicher. Er hat wirt­schaftliche Ursachen und sucht eine Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten über Handels- und Zollmaß­nahmen, deren Lösung vielleicht jest in Fluß gerät. Neuport, den 12. August 1933. Wie Associated Preß aus Havanna meldet, ist der ehes malige Präfident Machado mit dem Flugzeug nach Nassau auf den Dembahama- Inseln geflüchtet.

Neuyork, ben 13. August 1933. Wie Associated Preß aus Nassau auf den Bahama- Inseln meldet, ist Machado, der bisherige Präsident von Kuba , mit vier Begleitern im Flugzeug dort eingetroffen.

Neuyork, den 12. August 1933. Affociated Preß meldet aus Havanna : Der Begeisterungs­taumel der Bevölkerung von Havanna über das Ende des Regimes Machados hält an. Die Menge drang in den Garten des Präsidentenpalais ein, entwurzelte Sträucher, Blumen und kleine Bäume und zog damit triumphierend durch die Straßen. Am Palasttor wurde ein Schild mit der Aufschrift " Bu vermieten" aufgehängt. Die Polizei ließ sich in der all­gemeinen Begeisterung die Gummiknüppel entwinden, die von den Demonstranten in findlicher Freude zur Schau ge­tragen wurden. In der Menge wurden Rufe laut: Laßt uns Machados Geheimpolizet festnehmen" und" Ergreift Machado".

Machado hält sich auf seinem Landsiz in der Nähe von Havanna auf, wo er als Gefangener bewacht wird. Das Ge­bäude der machadofreundlichen Zeitung Heraldo de Cuba" wurde in Brand gesteckt. Die Menge drang dann auch in den Präsidentenpalast ein und zerstörte das untere Stockwerk.

Briefe an Scheidemann

Die Geiseln müssen schreiben

Die Geheime Staatspolizei hat nicht nur Angehörige von Scheidemann, sondern auch Kasseler Bürger, von denen man annahm, daß sie Freunde Scheidemanns seien, als Geiseln inhaftiert. Das geschah, weil man in einem Artikel von Scheidemann Greuelhezze und Berleumdung er­blickte. Obwohl inzwischen festgestellt ist, daß die bean­standete Stelle im Original des Artikels den entgegen­gesetzten Sinn hatte, hat die Geheime Staatspolizei ihre Maßnahmen nicht rückgängig gemacht.

Im Gegenteil, sie zwingt die Geiseln, wie der Neue Borwärts" mitteilt, Briefe an Scheidemann zu schreiben, er folle seine politische Tätigkeit einstellen. So schreibt 8. B. ein inhaftierter Rechtsanwalt;

Washington , den 12. August 1988. Staatssekretär Hull hat seinen Plan, nächste Woche in ur Ur­laub zu gehen, vorläufig aufgeschoben, weil er mit den Er­eignissen in Kuba in engster Fühlung bleiben will. Der Staatssekretär hat die Erklärung abgegeben, daß der kuba­nische Handel durch die Zolltarifpolitik der Vereinigten Staaten erstickt worden sei. Amerika werde in Zukunft alle Anstrengungen machen, um diesem von ihm nicht gewollten Uebel abzuhelfen.

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Präsident Roosevelt scheint diese Entwicklung mit Un ruhe zu verfolgen. Er will den Kapitalismus kontrol­lieren" und nügt dazu gern die antikapitalistische(> tim­mung der Massen als Druckmittel aus. Was geschieht aber, wenn ihm diese Stimmung über den Kopf wächst? Dann soll offenbar auch der Antikapitalismus kontrolliert" werden! Präsident Roosevelts Wunsch und nicht die For­derungen der Arbeiter sollen für das Maß der Lohner­hähungen und Arbeitszeitverkürzungen richtunggebend sein. Daher proklamiert er jetzt den Arbeitsfrieden". Er bittet Die Arbeiter, nicht zu streiken, und stüßt sich dabei auf die Popularität, die er durch seine bisherigen antikapitalisti­schen Maßnahmen erworben hat. Er hätte gern den Rücken frei, um Wall Street bändigen zu können. Aber das ameri­ kanische Kapital hat selbst den Kampf gegen seine Kontrol lierung noch nicht mit voller Kraft aufgenommen. Wall Street duckt sich, solange Roosevelt die Massen für sich hat. Aber Wall Street lauert nur auf die günstige Gelegenheit. In seinem Kampf gegen die Macht des Kapitals gleicht Roosevelt einem Professor, der einen Drachen mit Bind= faden fesselt und den hinter ihm stehenden Arbeiter bittet, doch nach Hause zu gehen und ihn nicht zu stören. Wird der Drache nicht den Herrn Professor mitsamt seinem Bindfaden auffressen? Und wird sich der Arbeiter nach Hause schicken lassen?

Die

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Besteffschein:

:: Gespedes y Ortiz hat den Eid auf die Verfassung Ich ersuche um regelmäßige Zusendung der als vorläufiger Präsident von Kuba geleistet. Weitere zwölf Tote

wtb. Havanna , 14. Aug.( Reuter). Die Anhänger des früheren Präsidenten Machado werden von der Bevölkerung fyftematisch verfolgt. Am Sonntag wurden wiederum zwölf von ihnen getötet.

Die Kriegsschiffe unterwegs!

Auf Befehl Roosevelts begeben sich drei Kriegs­schiffe nach Kuba , um das Leben der amerikanischen Staatsangehörigen zu schüßen.

wtb. Washington, 14. Aug.( Reuter). Bei den drei Kriegs­schiffen, die Präsident Roosevelt nach Kuba beordert hat, handelt es sich um Torpedobootszerstörer. Zwei von ihnen werden nach Havanna und einer nach Manzanillo gehen.

Präsident Roosevelt hat zu dieser Maßnahme erklärt, daß die Vereinigten Staaten weder die Möglichkeit einer Inter­

vention erwägen noch die geringste Einmischung in die inneren Angelegenheiten Kubas beabsichtigen. Es handle fich um eine Vorsichtsmaßnahme, um im Notfalle das Leben

amerikanischer Bürger zu schüßen, bis normale Bustände

wiedergekehrt seien.

Wie die Polizeiverwaltung mitteilt, haben Sie in auss ländischen Zeitungen unrichtige Nachrichten über die Bere hältnisse in Deutschland verbreitet, die geeignet sind, das Ansehen des deutschen Reiches und seiner Regierung, als auch die Interessen der deutschen Nation zu gefährden. Obe wohl ich niemals zu Ihnen persönliche Beziehungen unters

,, Deutsche Freiheit"

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Die einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Briefe in der zivilisierten Welt anders beurteilt als in Deutschland , und als vollgültige Beweise wirklicher Greuelmaßnahmen ansieht.

halten habe und Sie auch persönlich nicht näher kenne, bin Brünings Verzicht

ich deshalb von der Geheimen Staatspolizei in der Ans nahme, daß ich zu Ihren Freundes- und Bekanntenkreisen gehöre, in Schußhaft genommen worden. Da Sie in Ihrem Eril die Verhältnisse in Deutschland nicht beurteilen föne nen.... und ich auch keine Luft habe, unter Ihren pris vaten Ambitionen und Schreibereien zu leiden, ersuche ich Sie dringend, in Zukunft sich jeder Stellungnahme zu den Verhältnissen Deutschlands zu enthalten."

Diese Briefe werden durch die Erpresserstelle weiter befördert. Anscheinend merkt man nicht, daß man solche

Zieht er sich aus der Politik zurück?

Der Führer des Deutschen Zentrums und frühere Reichs­fanzler Heinrich Brüning hat sein Reichstags­mandat niebergelegt und beabsichtigt, in ein Kloster einzutreten.

Desgleichen hat der frühere württembergische Staatspräst­dent Bolz vom Zentrum sein Mandat niedergelegt und er soll beabsichtigen, dem Beispiel Brünings zu folgen.