Oesterreich   enthüllt! T

Nazi- Brandstiftung offiziell nachgewiesen

Die Gefahr

für den europäischen Frieden wird immer größer

Wien  , 17. August.

Ganz Desterreich ist in ungeheurer Erregung. Das Blatt der Dollfuß- Regierung, die Reichspost", veröffentlicht In einer Extra- Ausgabe Dokumente und Akten über die Zusammenhänge der illegalen nationalsozialistischen Or­ganisationen in Desterreich mit der Nazi- Parteileitung Deutschlands   und ihrem Außenpoliti­schen Amt unter Rosenberg wie auch mit offiziellen Amtsstellen in Hitler  - Deutschland  .

Die Reichspost" betont einleitend ausdrücklich, daß sie für die Echtheit der Dokumente je de Gewähr und die damit verbundene Verantwortlichkeit übernimmt und hat das bisher erfolgte Dementi Nazi- Rosenbergs scharf zurückgewiesen.

Was hier aus Dokumenten und Akten über den Krieg Hitler- Deutschlands gegen Oesterreich   bekannt wird," schreibt die sozialdemokratische Presse Oesterreichs  , ist ungeheuerlich und erschüttern d. Noch niemals im Bölkerleben und im Leben der Staaten sind solche Methoden möglich gewesen. Was hier geschieht, muß Europa  waarütteln, keinen Fußbreit österreichischen Bodens den braunen Schändern deutscher   Kultur und deutschen  Namens preisgegeben. Was jetzt die Welt durch diese Dokumente erfährt, macht das Maß voll! Tod der braunen Pest! Tod dem braunen Eroberungskrieg! Tod den braunen Henkern!

Bewiesen und belegt!

Kein deutsches Blatt wagt darüber zu berichten!

Die Reichs post" gibt eine Zusammenfassung der aus den Dokumenten sich ergebenden Konstatierungen und schreibt:

Die illegale Naziorganisation

1. Die Nationalsozialistische Partei Oesterreichs   hat nach Ausgabe der bekannten Verordnung vom 19. Juni 1. J. eine illegale Organisation zur Fortsetzung ihrer umstürzlerischen Tätigkeit geschaffen. Zur Tarnung diente die Gesellschaft für kulturelle Zusammenarbeit in Ost- und Südeuropa  " und deren Korrespondenz, das Zentraleuropäische Preßbüro" ( 3. E. P.) Diese Organisation stand unter Leitung des Dr. Herbert Schneider, als Sekretär fungierte ein gewisser Josef Leo Valenta, als Leiter des 3. E. P. ein gewisser Alfred Schweiger. Die Büroräume befanden sich im Hause Brandstätte 4, 1. Bezirk. Ein zweites geheimes Büro, das mit dem Büro auf der Brandstätte in enger Fühlung stand, befand sich im Hause Berggasse 29 im 9. Bezirk und wurde von dem Graphiker Hugo Emil Ulrich und dem Kaufmann Herbert Kube unterhalten.

Mit Wissen und Hilfe amtlicher deutscher   Stellen 2. Die beiden Büros standen

im unmittelbaren Kontakt mit dem anßenpolitischen Amt der Reichsparteileitung der NSDAP.   in Berlin  , das direkt dem Reichskanzler Hitler   unterstellt ist. Aus dieser Unterstellung ergibt sich die Reichweite der Ver­antwortlichkeit für die Tätigkeit der illegalen österreichischen Organisation. Die Enge der Verbindung zwischen dem Büro auf der Brandstätte und dem außenpolitischen Amt der NSDAP.   in Berlin   geht schon daraus hervor, daß in diesem Amt ein Bruder des Dr. Herbert Schneider na­mens Emil Schneider   tätig ist, weiters ein gewisser Hans Dits, ein Bruder des bei Dr. Herbert Schneider tätigen Assistenzarztes Dr. Artur Theodor Dits.

Die Rolle der Wiener   deutschen   Gesandtschaft

3. Die Verbindungen der illegalen österreichischen Orga­nisation mit verantwortlichen Stellen im Reiche beschränken sich nicht nur auf das außenpolitische Amt.

Auch eine in Oesterreich   tätige affizielle auswärtige Stelle hat dieser Organisation unleugbar Unterstützung geleistet. Das Ziel: Gleichschaltung mit allen Gewaltmitteln 4. Wie aus den Dokumenten hervorgeht, besteht Nr. 224, 15. August, 10 Seiten,

das Ziel des Nationalsozialismus nicht in der Herstellung eines Zustandes, der der Nationalsozialistischen   Partei einen ihrer Stärke entsprechenden Anteil an der Regie: rungsgewalt sichert, sondern in der Totalität, d. h. in der Unterwerfung, Unterdrückung oder Ausschaltung aller Andersgesinnten

Kundschafterdienst

5. Die illegale Organisation in Wien   hatte einen ver­zweigten Kundschafterdienst eingerichtet, der u. a. auch zur Ausspähung der staatlichen Erefutivförper bestimmt war.

6. In Deutschland   werden

illegale Formationen aus österreichischen Flüchtlingen aufs gestellt, deren gegen Desterreich gerichtete Bestimmung von offizieller deutscher   Seite dringendst aufgeklärt werden muß.

Die Aspiratoren dieser Pläne sind: Mitglied des Reichstages Theo Habicht  , der ehemalige Bundesrat Hermann Reschny   und der Beamte des Berliner   außenpolitischen Amtes Emil Schneider  .

Mit Zuckerbrot und Peitsche"

7. Ein umfangreicher, in Berlin   ausgearbeiteter Vorschlag ( Verfasser: Dr. Friedrich Freiherr v. Siegler) bezieht sich auf den Plan, die österreichische Industrie und Land­wirtschaft mit Zuckerbrot und Peitsche" gegen die Regie­rung aufzuwiegeln. Als Zuckerbrot find Lockungen mit handelspolitischen Vorteilen" gedacht, als Peitsche die 1000- Mark- Sperre.

Sabotage der Elektrifizierung der Bundesbahnen

8. Auf wirtschaftlichem Gebiete liegt u. a. ein Plan vor, die Elektrifizierung der Bundesbahnen zu sabotieren. In diesem Dokumente findet sich das Geständnis, es müsse alles darangesezt werden, eine Verschärfung der politischen Lage im Verhältnisse Oesterreichs   zum Deutschen Reich zu er­reichen.

9. Schließlich erwähnen wir eine Denkschrift des national­sozialistischen Korrespondenten der Berliner   Germania  " Herrn Gilbert in der Maur über die

führt, daß das Reich im Kampfe gegen Oesterreich   versagt und daß die bisherigen Methoden wenig nüßen, um Dester­reich zu erobern".

Bemerkenswert in diesem Dokumente sind die Mitteilun gen über die Organisation österreichischer SA.- Gruppen in Bayern  , ferner über die Finanzierung der österreichischen illegalen Organisationen Gau Wien verlangt 10 000 Mt. monatlich und schließlich zahlreiche Wendungen in dem Briefe, die darauf hinweisen, daß zwischen den einzelnen Führern des Kampfes gegen Defterreich in Deutschland  ein heftiger Konkurrenzfampf tobt. Schließlich enthält der Brief auch noch eine kurze Bemer­kung, die darauf hinweist, daß die illegalen Organisationen Lesterreichs auch von einer amtlichen deutschen   Stelle in Wien   gefördert wurden.

Noch deutlicher ist in bezug auf die letzte Mitteilung Do­fument 3, 4 und 5 der Veröffentlichungen der Reichspost". Es handelt sich um

zwei Briefe an den königlich albanischen Konful in Frank­ furt   a. M., in dem dieser angewiesen wird, die gesamte Poft für die illegale Organisation in Oesterreich   an die deutsche   Gesandtschaft in Wien   zu Händen des Herrn Lega­tionsrates Sekretär Broich- Oppert zu senden, der die Weiterleitung übernimmt, und um einen Brief des außen: politischen Amtes der Reichsleitung der NSDAP.   in Deutschland   an die deutsche   Gesandtschaft in Wien  , in dem ebenfalls mitgeteilt wird, daß die Poft auf diesem Wege aus Desterreich an Emil Schneider   in Berlin   geleitet wer= den soll.

Ein weiteres Aftenstück, das ebenfalls von einem Funk­tionär des außenpolitischen Amtes verfaßt ist, bezieht sich auf die Entwicklung der deutsch  - ungarischen Beziehungen und bestätigt über den sachlichen Inhalt hinaus die Tatsachen des Gegeneinanderregierens verschiedener Stellen in Berlin  . Ein umfangreiches Elaborat des Chefredakteurs Gil­bert in der Maur beschäftigt sich mit der Gründung eines neuen großen getarnten Tagblattes. Bezeichnend sind die Ausführungen dieses Elaborates, in denen es heißt, daß man

mittels eines jüdischen Drehs versuchen müßte, die Wies ner Neuesten Nachrichten" in die Hand zu bekommen. In­tereffant ist hierbei, daß mitgeteilt wird, daß die Cefters reichische Drud- und Verlagsgesellschaft aus Reichsmitteln gegründet wurde.

Herr in der Maur   teilt dann auch die Funktionen, die der Chefredakteur des neuen Blattes zu übernehmen hätte, mit, die darin gipfeln, daß man einen ständigen Kundscha f= terdienst in den Ministerien einzurichten hätte, um die Parteiführungen in München   und Wien   am laufenden za halten.

Schließlich bringt die Reichspost" noch eine Reihe von Dokumenten, die in Art von Konduitelisten eine Charakteri­stik der einzelnen Führer der ehemaligen österreichischen NSDAP  . bieten und wiederum bezeichnend sind für den Ronkurrenzfampf unter diesen.

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Schaffung eines getarnten nationalsozialistischen Blattes Haussuchungen gehen weiter in Wien   durch Uebernahme der Wiener Neuesten Nach­richten"

Der künftige Leiter dieses Blattes hätte nach der vorliegen­den Denkschrift die besondere Aufgabe zu übernehmen, Spio­nagedienst in den Ministerien zu betreiben.

Die einzelnen Dokumente

Graz, 16. Auguft. Die Haussuchungen nach Waffent, gegen die von den am Fremdenverkehr interessierten Krei­sen Einspruch erhoben wurde, dauern an. In Gamlig sollen bei dem Schloßbesitzer und Bürgermeister Melcher in einer Scheune sechs Gewehre und drei Maschinengewehre, 700 Schuß Munition und einige Bajonette gefunden worden und sein Verwalter Koller wurden dem Gericht zugeführt.

Anschließend an diese Feststellung veröffentlicht die Reichs- sein. Melcher, der feinerzeit Mitglied des Heimatschutzes war, post" auf vier Seiten die einzelnen Dokumente.

Als erstes Dokument ein Aftenstück betreffend die Organisierung des Kundschafterdienstes,

in dem u. a. besondere Berichte über die Arbeit der Vater­ländischen Front, über die Vorfälle bei den Erefutivkörpern, über die Betätigung politisch bekannter und wichtiger Per­soren und die Stimmung in den eigenen Reihen verlangt werden.

Das zweite Dokument stammt von dem Funktionär des außenpolitischen Amtes der NSDAP  . Emil Schneider  und ist an seinen Bruder Dr. Herbert Schneider, den Leiter der illegalen Wiener   Organisation, gerichtet. Das Dokument bietet einen umfassenden Situationsbericht über die Behandlung der österreichischen Frage durch Parteistellen und offizielle Stellen in Deutschland  , spricht sich sehr a b= fällig über Proksch und Frauenfeld   aus und anerkennt bloß Theo Habicht  . Es wird darin Klage ge­

Wien, 17. August. Der Ministerrat hat u. a. einen Beschluß gefaßt, der die Durchführung der Beschlagnahme des Ver­mögens der politischen Parteien betrifft, deren Betätigung in Oesterreich   verboten ist.

Von 98000 auf 8!

Der ,, Verkehr" mit Oesterreich

Dank der 1000- Marksperre sind im Juli acht Ausreisen auß Deutschland   nach Desterreich festgestellt worden. Im Vorjahre betrug der Sommerverkehr im Juli über die bayrischen Grenz­stationen nach Desterreich etwa 98 000.

Die in der Sonderausgabe der« Reichspost" abgedruckten Hakenkreuzdokumente stammen aus dem Schriftenmaterial, das seinerzeit im Zuge der Aus­hebung der geheimen Zentrale im Hause Brandstätte 4, Wien  , beschlagnahmt wurde. Das gesamte Schriftenmaterial foll 900 bis 1100 Schriftstücke umfassen. Viele von ihnen sind chiffriert und konnten bisher noch nicht restlos entziffert werden. In der bei Dr. Schneider in der Wohnung gefundenen Kartothek fand man nicht nur Personaldaten über die verschiedenen Hakenkreuzbonzen, sondern auch detaillierte Angaben über prominente Persönlichkeiten und leitende Funktionäre der Polizei: Ueber den Polizeivizepräsidenten Hofrat Skub I, der seinerzeit in Aspern   dem Nazi­minister Frank mitgeteilt hatte, daß sein Besuch in Desterreich unerwünscht sei, wurde ein eigener Akt angelegt. Die Untersuchung wegen dieser Geheimzentrale ist vorläufig noch nicht abgeschlossen. Sie dürfte erst in das gerichtliche Stadium treten, wenn die Verhafteten die inzwischen über sie verhängten Polizeiftrafen im Polizeihaus abgesessen haben. Aber das Urteil Europas   steht heute schon fest: Brandstifter im Innern Brandstifter nach außen!

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Was wird in Palästina?

Von den vielen tausend Juden, die aus Deutschland   ge­flüchtet sind und im Auslande ohne Genehmigung zur be­ruflichen Tätigkeit auf eine ungewisse Zukunft warten müs­sen, würden viele gern nach dem Judenstaat in Palästina auswandern, wenn nicht die deutsche Einwanderungsquote schon längst überschritten wäre. Auch aus Deutschland   selbst liegen rund 40 000 Anfragen nach den wirtschaftlichen Ver­hältnissen im Lande und seinen Einwanderungsmöglichkei­ten vor. Wie aber, soll, so wird in der Basler National­zeitung" gefragt, dem verständlichen Wunsche nach einer Ar­beits- und Heimstätte in Erez Israel Rechnung getragen werden, wenn das verfügbare Land aufgeteilt, die Hand­werke und Gewerbe voll besetzt und die Fabriken im höchst möglich erscheinenden Maße ausgebaut sind? Die Erschlie Bung neuen Siedlungslandes stößt angesichts der Rivalität zwischen Juden und Arabern auf Schwierigkeiten, und für Akademiker ist überhaupt kein Platz mehr zu schaffen. Die wenigen Ausnahmen einiger Spezialkräfte ändern daran für die breite Masse nichts. So wurde der frühere Regisseur des Neuen Theaters in Frankfurt am Main  , Alfred

Wolff, von der Arbeiterbühne Ohel" in Tel Awiw enga­giert und der Oberbibliothekar der Berliner   Universitäts­bibliothek, Prof. Heinrich Löwe  , erhielt einen Posten als Stadtbibliothekar der gleichen Stadt. Der Berliner  Krebs- und Radiumforscher, Professor Halberstädter, ist vor furzem in Jerusalem   eingetroffen, es ist jedoch noch nicht entschieden, ob es möglich sein wird, ihm ein Institut zur Fortsetzung seiner Studien einzurichten.

Die besten Aussichten haben Leute, die ohne bestimmte Wünsche mit frischem Pioniergeist anrücken und sich einen eigenen Weg bauen. Der Geschäftsführer eines Epa Geschäftes in Berlin   hatte 15 Pfund in der Tasche, als er landete, und niemand, der ihm einen Job" hätte zuhalten können. Was tat er? Kurz entschlossen grün­dete er in Tel Awiw mit ein paar anderen Passagieren sei­nes Ueberfahrtsschiffes eine Fenster pusfirma; auch der bisherige Syndikus des Elektrizitätswertes von Königsberg  , ein vierzigjähriger Rechtsanwalt, hat in dieser Firma den Buzlappen ergriffen. Der Radierer Jakob Steinhardt  schuf ihnen ein Abzeichen, das sie in ihrer blauen Bluse ein­genäht tragen. Innerhalb von 14 Tagen sah man die Blau­blusigen schon an allen möglichen Ecken; sie puzten die Wa­

genfenster der Omnisbusgesellschaft, die Fabriffenster einer Seifenfabrik und anderer Anlagen, und auch in vielen Pri­vathäusern gab man ihnen Arbeit, so daß jetzt schon ein Filialbetrieb in Jerusalem   errichtet werden konnte. Wenn meine Eltern hören, daß ich Fensterpuger bin, wer den sie unglücklich sein, aber ich bin glücklich," so äußerte sich der Gründer. Ich verdiene genug, um anständig leben zu können und bin ein geachteter Mensch." Ehemalige Aerzte und Anwälte kann man in Kuhställen und Hühnerfarmen an der Arbeit sehen, wo sie sich auf eine spätere Siedler­tätigkeit vorbereiten.

Was jedoch fehlt, ist ein Fonds, aus dem man Land für die armen Familien unter den Zuwanderern erwerben kann. Zwar wird in vielen israelitischen   Gemeinden für diesen 3weck gesammelt, aber es ist zweifelhaft, ob auf diesem Wege überhaupt ausreichende Mittel für eine großzügige Ansied­lung aufgebracht werden können. Es wird daher angeregt, nach dem Muster der griechischen Flüchtlingsanleihe, die die Umsiedlung von einer Million Griechen aus Asien   und Mazedonien   ermöglichte, eine Palästina anleihe auf­zulegen, deren Verzinsung und Amortifierung aus den Ueberschüssen des palästinensischen Budgets erfolgen könnte.