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Den fake

Frethel

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Nummer 52-1. Jahrgang Saarbrücken , Samstag, den 19. August 1933 Chefredakteur: M. Braun

Den Kämpfern, die uns ihr Blut

geweiht,

Dankt nur der Schatz der

Gerechtigkeit,

An ihren Kindern laßt es uns lohnen:

Sie sollen im Haus der Freiheit

Karl Henckell .

wohnen.

Wie Torglerverhaftet wurde

Die kommunistischen Führer in der Nacht des Reichstagsbrandes

Die Briefe, die der beunruhigte Oberreichsanwalt an den schwedischen Rechtsanwalt Branting und an den französischen Schriftsteller Romain Rolland geschrieben hat, zeigen, daß die Gegenaktion angesehe: ner Ausländer allmählich wirkt. In besonderem Maße nimmt sich der Manchester Guardian" des Ma­terials über den Reichstagsbrand an. Wenn wir in der vorliegenden Ausgabe sehr ausführliche Uebersehungen aus dem Manchester Guardian" bringen, so geschieht es, weil es sich um eine der ernsthaftesten und angefehensten Zeitungen handelt, die es überhaupt gibt. Der Manchester Guardian" ist ein wirkliches Weltblatt. Seine Stimme wird in allen Kulturländern mit der gleichen Beachtung gehört. Auch in Deutschland . Wenn einige deutsche Stellen versuchen, das Blatt mit tommunistischer Parteipolitik in Verbindung zu brins gen, so wirkt das für keinen Kenner des Blattes übers zeugend.

Im Manchester Guardian" vom 16. Auguft finden wir folgende Schilderung eines Spezialforres spondenten über das Verhalten Torglers in der Brand= nacht und am folgenden Tage. Es wird nach Kenntnis dieses Berichtes niemand behaupten wollen, daß sich ein Brandstifter so benimmt:

Dem Staatsstreich im Juni 1932, der den Weg für die Hitlerdiktatur ebnete, ging der blutige Sonntag von Altona voraus. An jenem Sonntag marschierten die Braunhemden burch eins der Proletarierviertel von Altona in heraus­fordernder Weise, obwohl der sozialistische Bürgermeister von Hamburg aufs dringendste gewarnt hatte. Das aller­

Einer ihrer Begleiter, ein Parteigenosse, sagte: Neulich war es das Schloß( ein Feuer brach i. Schloß der früheren Kaiserresidenz am 25. aus, aber es wurde schnell gelöscht), heute ist's der Reichstag ! Was soll das bedeuten?"

Koenen sagte: Was sollen wir tun? Wir wollen zunächst genau erfragen, was passiert ist. Wir treffen uns wieder am Alexanderplatz ." Einige kommunistische Abgeordnete gingen gerade so wie Torgler zum Reichstag, um zu sehen, was pas­siert war. Er, Koenen und ein oder zwei andere trafen sich später wieder, wie verabredet war.

Dann rief Torgler Galle, den Reichstagsdirektor an, der im Direktionsgebäude wohnte. Aber Galle war an der Brandstätte. Frau Galle nahm Torglers Anruf an und fagte: Das ist schrecklich. Aber sie haben das Feuer gelöscht und sie haben den Schuldigen gefangen."( Sie meinte van der Lubbe).

Dann riefen fie einen Journalisten an, der in der Regel über das, was passierte, unterrichtet war. Er sagte: Was! Sie sind noch da!"( Er war weniger vertrauensselig als Torgler und durchschaute die Absichten der Reichsregierung.) Er sagte ihnen, daß die Kommunisten beschuldigt werden würden, und daß ihre Verhaftung bevorstände. Torgler war schr erregt und antwortete: Das ist zu schrecklich." Der Journalist( sein Name muß bis zu gegebener Zeit verschwie­gen werden) teilte ihnen mit, daß man sich sagte, daß Torg­ier und Koenen als- legte den Reichstag verlassen hätten. Zu dieser Zeit waren Patrouillen der Polizei und Ueber­fallkommandos auf der Straße.

feits erwartete Ergebnis war ein Blutbad, das in awed Torgler geht zur Polizei

entsprechender Weise so gedeutet wurde, als ob die preußische Polizei unfähig gewesen sei, der kommunistischen Gefahr zu begegnen. Die ganze Angelegenheit war aber nichts anderes als eine Provokation, welche den Grund für den Staats­streich liefern sollte.

Bis zu diesem Staatsstreich war Dr. Diels, der feßige Führer der deutschen politischen Polizei, Untergebener und Mitarbeiter von Severing, dem sozialistischen preußischen Innenminister.( Er stand mit Torgler , dem Füh= rer der kommunistischen Partei, in besten Be­ziehungen.( Torgler soll zusammen mit drei Bulgaren und van der Lubbe demnächst wegen der Brandstiftung im Reichstag abgeurteilt werden.) Nach dem Staatsstreich sah Dr. Diels Torgler wiederholt und stellte sich freundschaftlich. Sie besprachen die Möglichkeit, die zu Beginn dieses Jahres nahelag, daß die kommunistische Partei völlig unterdrückt werden könnte. Dr. Diels versprach Torgler , ihn beizeiten zu benachrichtigen, wenn ein Ver­bot erfolgen sollte.

Torglers Verhalten

Montag, den 27. Februar verhandelte die Polizei im Karl Liebknecht - Haus, dem Hauptquartier der kommunistischen Partei, mit dem kommunistischen Abgeordneten Koenen von etwa 3-6 Uhr über die Freigabe der kommunistischen Literatur, die vollkommen legalen Charakter hatte und vor den Wahlen beschlagnahmt worden war. Diese Literatur wurde schließlich von der Polizei freigegeben, und Koenen begab sich zum Reichstag, wo er ungefähr um 6.20 Uhr an­tam. Dort war Torgler , er bat ihn zu bleiben und die Wahl­propaganda zu besprechen. Sie erwarteten auch einen Tele­fonanruf von einem ihnen befreundeten Kommunisten.

Um ungefähr 7.30 Uhr abends rief Torgler Dr. Diels an und beklagte sich über die Schwierigkeit, die bereits freiges gebene Wahlliteratur herauszubekommen. Das Gespräch wurde auf beiden Seiten freundschaftlich geführt. Die Telefonzentrale im Reichstag, wird um 8 Uhr abends geschlossen, nur das Telefon unten in der Portierloge ist nach dieser Zeit noch in Betrieb. Torgler ging hinunter und sagte dem Pförtner( am Eingang 5), daß er einen dringenden An­ruf erwarte. Der Anruf kam kurz nach 8 Uhr. Torgler lief hinunter, um ihn anzunehmen und sagte zu dem Anrufenden einem seiner Freunde- daß er ihn in 10 Minuten treffen möchte.

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Torgler und Koenen verließen den Reichstag zusammen um etwa 8.10 Uhr mit ihrer Sekretärin, Anna Nehme, die ein wenig hinkt, sodaß sie langsam gehen mußten. Sie gingen zu Aschinger( Erdgeschoß), am Bahnhof Friedrichstraße essen. Dort trafen sie einige Bekannte. Torgler hatte gerade den Raum verlassen, als ein Kellner kam und Koenen erzählte, daß das Reichstagsgebäude brenne. Torgler kam nach ein paar Minuten wieder und Roenen sagte zu ihm:" Sez dich, Ernst der Reichstag brennt!"

Unmöglich!" sagte Torgler und fügte hinzu wenn sie uns nun anschuldiaen, das getan ju haben?"

Torgler und Koenen wollen sich selbst stellen, was für Be­schuldigungen auch immer gegen sie vorgebracht wurden, denn sie waren überzeugt, daß sie nur beschuldigt wurden, auf Grund eines Irrtums oder Mißverständnisses, das sofort ausgeräumt werden könnte. Aber sie beschlossen, bis zum kommenden Tag die Sache durchzudenken.

Torgler verbrachte die Nacht mit Kühne, dem Sekretär der kommunistischen Partei. Das Haus wurde durchsucht und Kühne verhaftet. Ein Polizist öffnete die Türe von Torglers Zimmer, aber als er Torgler halb bekleidet sah- und ihn offenbar nicht erkannte, sagte er: Entschuldigen Sie!", und zog sich zurück.

Am nächsten Tage rief Torgler seinen Rechtsanwalt, Dr. Rosenfeld, an, um ihm zu sagen, er wolle sich selbst stel­len, da er dadurch in der Lage sei, der Beschuldigung entge= genzutreten, die jetzt offen in den Zeitungen gegen ihn erho­ben wurde, und auf diese Weise sich und seine Partei zu entlasten. Dr. Rosenfeld stimmte zu. Darauf rief Torgler Frau Marie Reese, eine kommunistische Abgeordnete und enge Mitarbeiterin pon ihm, an und teilte ihr seine Entschei­dung mit.

Dr. Rosenfeld telefonierte mit Kriminalrat Heller beim Polizeipräsidium und teilte ihm mit, daß Torgler zu ihm

fäme.

Torgler traf Rosenfeld und seine Tochter am Bahnhof Friedrichstraße und nahm eine Tage zum Polizeipräsidium. Sie gingen herein und wurden von Heller empfangen. Die herumstehenden Beamten waren anscheinend sehr erstaunt über ihr Kommen.

Heller ersuchte Rosenfeld und seine Tochter, das Zimmer zu verlassen, während er an Torgler einige Fragen richtete. Nach wenigen Minuten kam Torgler wieder zu Rosenfeld in den Korridor. Man kann sich vorstellen, daß er dann aus dem Polizeipräsidium herausgegangen und sich in Sicherheit gebracht hätte. Aber nach kurzer Zeit kam ein Beamter und teilte ihm mit, daß er verhaftet sei. Beide, er und Rosenfeld , waren aufs höchste überrascht. Nach seiner Verhaftung bat Torgler darum, Dr. Diels zu sehen, aber Dr. Diels hatte nun fein Interesse mehr an Torgler .

Rosenfeld rief Frau Torgler an und machte ihr von der Verhaftung ihres Gatten Mitteilung. Ich weiß es," antwor­tete sie, es ist durchs Radio mitgeteilt worden." Die Ver­haftung wurde sofort, nachdem sie erfolgt war, durch den Rundfunk veröffentlicht.

Später stellten die Zeitungen fest, Torgler hätte sich erst gestellt, nachdem er sich nicht mehr retten konnte. In Wahr­heit stellte er sich selbst vollkommen freiwillig.

Als die Kellner bei Aschinger die Nachrichten hörten, be­fundeten sie eidlich, daß er zu der Zeit, als das Feuer aus­brach, im Restaurant gewesen war. Das Dokument wurde einem Berliner Rechtsanwalt übergeben.( Sein Name darf bis zu gegebener Zeit nicht genannt werden). Aber wenn e nicht mit Vorbedacht vernichtet worden ist, ist es für das fr mmende Verhör von großem Nußen. Dies sind die Tatsachen über Torglers Verhalten vor und nach dem Brand. ( Fortseßung stehe Seite 3.)

Drinnen

Was ein deutscher Reichsbeamter sagt

D. F. Ein höherer deutscher Reichsbeamter hatte den Wunsch, uns zu sprechen. Er ist ein in Jahrzehnten er­probter aufrechter Mann. Kein Parteipolitiker. Arisch bis weit über sämtliche Großmütter auch seiner Frau hinaus. Auch sonst in keiner Beziehung anrüchig und übrigens finanziell unabhängig. Trotzdem wagte er nicht, nach Saarbrücken zu kommen. So sehr wird diese Stadt durch uns belastet. Wir mußten ihn in einem ausländi­schen Kurort aufsuchen. Auch da noch brachte er sich und uns erst in einem Lokal in Sicherheit, wo höhere Reichs­beamte sonst nicht zu verkehren pflegen. So sehr verfolgte die Rücksicht auf die lieben gleichgeschalteten Amtsbrüder den Mann noch weit über die Grenze des Reiches.

Wir unterhielten uns in alter, nie durch Parteistreit getrübter Freundschaft. Es war so interessant, einmal einen Mann über das neue Deutschland sprechen zu hören, der mitten in dessen Verwaltung steht und die jetzigen regierenden Mächte nicht minder skeptisch beurteilt mie frühere Machthaber. Solche Menschen pflegen scharf zu sehen.

,, Glaubt die Beamtenschaft an die Dauer des Regimes?" Nein, soweit sie nicht wirklich nationalsozialistisch eingeschworen ist. Die Bürokratie sieht, daß der jetzige totale Parteistaat die Fehler des frü­heren von mehreren Parteien beeinflußten Staates in sehr vergrößertem Maßstab wiederholt. Es ist eine Bonzen­wirtschaft schlimmer als je, und das wird auch längst bis weit in die Anhängerscharen der Nationalsozialisten ge­fühlt. Wir sagen uns, daß viele der durch die Umwälzung von 1918 und später ohne genügende Vorbildung in die Aemter gekommenen Männer in langen Jahren sich ein­gearbeitet und sich große Kenntnisse erworben haben. Die sind nun alle hinausgeworfen, und an ihre Stelle sind Leute eingetreten, bei denen die Entwicklung von vorne beginnt, ohne daß man müßte, daß sie entwicklungsfähig wären. Die Zahl der Parteibuchbeamten war nie so groß als jetzt, und niemals waren so viele Leute an Posten, zu deren Arbeit ihnen jede Erfahrung mangelt. Vielleicht ist unser Glaube durch die Hoffnung genährt, daß die Un­sachlichkeit des Arbeitens nicht Bestand haben kann, wenn wir mit starken Veränderungen in der Staatsführung rechnen. Als alter Vernunftrepublikaner meine ich, daß die Zahl der Vernunftmonarchist en sowohl in der führenden Beamtenschaft wie in den politisch denken. den Teilen des Volkes seit einigen Monaten stark ge wachsen ist."

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Hat Hitlerinder Beamtenschaft Autori. tät?" Gein Ansehen ist unter der Kanzlerschaft ge­wachsen. Natürlich belächeln wir die schier übernatürlichen Kräfte, die man ihm andichtet. Er ist ein ewiger Volks­redner, auch im kleinen Kreise, aber er gewinnt, wenn man ihn mit Göring , Göbbels , Heines und solchen Leuten vergleicht. Vielleicht schauspielert er nur, aber man hat den Eindruck, daß er sich als Arrivierter mehr und mehr vom Radikalismus entfernt und allmählich ein Grauen vor den Blutphantasien der Göring und Konsorten emp­findet. Wir Beamte, die naturgemäß eine ruhigere Staats­entwicklung vorziehen, wünschen, daß Hitler die barbari­schen Mächte seiner Bewegung meistern möge. Ob er es noch kann, bezweifeln natürlich auch wir."

Glaubt man in der Beamtenschaft an die Besserung der Wirtschaftslage?"- Ich kenne keinen Kollegen, der nicht über die Siegesberichte von der Arbeitsschlacht" lächelt. Niemand von uns be urteilt diesen Reklame- Humbug anders als Sie es in dem Aufsatz Die Arbeitsschlacht" am vergangenen Samstag getan haben. Freilich meinen wir auch, daß die Entschei dung, ob die jetzige Regierung in der Bekämpfung der Wirtschaftskrise reussiert oder versagt, noch nicht gefallen ist. Daran hängt das Schicksal des Regimes. Wenn im Herbst die Zahl der Erwerbslosen nennenswert steigt, wird dies eine sehr starke Erschütterung der Autorität bewirken. Manche halten die Herbst- und Wintermonate für ent. scheidend. Die Arbeiter sind gedrückt, viele mutlos und verbittert, aber doch sehr unzufrieden, und viele Teile der SA. sind innerlich auf ihrer Seite. Die Enttäuschung im Mittelstand wächst, weil der Kleinhandel keine sichtbaren Vorteile vom Judenboykott hat, im Gegenteil manche Branchen darunter leiden, daß die jüdische Kundschaft fehlt. Sogar arische Aerzte und Rechtsanwälte haben mir darüber geklagt. Auch die Bauern sind nicht zufrieden, weil die Preiserhöhungen weit hinter den Erwartungen