Justiz!

Kommunisten stehen vor Gericht

Der Straffenat des Rasseler Oberlandesgerichts verhängte

gegen mehrere kommunistische Funktionäre aus dem Frank furter Bezirk wegen versuchten Hochverrats usw. recht empfindliche Strafen. So wurde der frühere militärtechnische Gauleiter des Roten Frontkämpferbundes  " Gau Hessen­Nassau- Frankfurt, Peter Heinrich Ander aus Frankfurt  , zu drei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehr= verlust verurteilt, weil er im Dezember 1932 in einer Gaukonferenz des Roten Frontkämpferbundes   die Teil­nehmer über die Ausbreitung des Bundes in Süddeutschland  , über die Besetzung der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte und über den Gebrauch von Schußwaffen und Sprengstoffen be­lehrt hatte. Der Kellner Wilh. Mohr aus Frankfurt   erhielt

Der Reichstagsbrand

Fortsetzung aus dem..Manchester Guardian" von Seite 1

Im Manchester Guardian" vom 26. und 27. April befand sich ein Bericht über die hauptsächlichen, damals zur Verfü­gung stehenden Enthüllungen, die sich auf den Reichstags= brand bezogen- das sogenannte Oberfohren- Memoran­dum". Dr. Oberfohren war der Führer der Deutsch­nationalen Partei die mit den Nationalsozialisten ver­bündet war und zur Regierungsfoalition gehörte- und wußte über alles Bescheid, was im Kabinett vorging. Das Memorandum bewies, daß die Deutschnationalen, die Ver= bündeten der Nationalsozialisten, der Ueberzeugung waren,

erschossen, nachdem er die österreichische Grenze überschritten hatte.

Der Hellseher Hannussen, ein tschechischer Staatsbür­ger( sein wirklicher Name war Steinschneider), der einer der populärsten Persönlichkeiten der Berliner   Varietes war, wußte oder erklärte, einiges über den Brand zu wissen. Auch er wurde ermordet.

Dr. Oberfohren selbst verübte Selbstmord, als seine Beteiligung an dem Memorandum entdeckt worden war.

8 wei Jahre Gefängnis, weil er vor dieser Versammlung daß die Brandstiftung von gewissen Mitgliedern der Regie. Van der Lubbe

Posten gestanden und die einzelnen Teilnehmer zu dem Versammlungslokal gebracht hatte. Der Spengler Friedrich Hausner, ebenfalls aus Frankfurt  , wurde beschuldigt, an der Herausgabe des Sturm", des Organs des Gaues Hessen­Nassau- Frankfurt des verbotenen Roten Frontkämpfer­ bundes  " mitgearbeitet zu haben. Er erhielt zwei Jahre neun Monate Gefängnis. Der Arbeiter Karl Schimke war zuletzt politischer Leiter der KPD.  , Orts­gruppe Griesheim  , und hatte an der Herausgabe der illegalen Stadtzeitung der KPD.  , dem Griesheimer   Echo", mitgearbeitet. Er wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Zu einem Jahr Gefängnis wurden weiter verurteilt der Diamantschleifer Heinrich Römer und der Silberschmied Heinrich Fuchs, beide aus Niederrodenbach  , Kreis Hanau  .

Sie hatten durch Vermittlung eines Hitler- Jungen, den sie für einen Spizel hielten, zwei Karabiner an die politische Leitung der KPD. weitergegeben. Der Arbeiter Ad. Fries aus Cadenbach hatte im Auftrag eines kommunistischen  Funktionärs den Bergmann Richard Flückiger aus Cadenbach veranlaßt, an seiner Arbeitsstätte Dynamitpatronen zu ents wenden, die er seinerseits an kommunistische Kuriere zur Weiterbeförderung abgab. Der Sprengstoff wurde im April dieses Jahres in einem versteckten Lager in Vallendar   bei Koblenz   gefunden. Fries wurde wegen Verbrechens gegen das Sprengstoffgesetz zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, während Flückiger, der offensichtlich unter dem Druck seiner Hintermänner gestanden hat, mit zwei Jahren sechs Monaten Gefängnis davonkam.

*

In Anbetracht der zahlreichen kommunistischen   Umtriebe in den letzten Tagen sah sich, wie mitgeteilt wird, das Schnell gericht Berlin   veranlaßt, einen Rot- Front  "-Rufer ans Briz zu der exemplarischen Strafe von einem Jahr drei Monaten Gefängnis zu verurteilen.

..Liebe Mutter"

Brief eines Schutzhäftlings

Es ist mir nur erlaubt, alle drei Wochen zu schreiben, und ich muß ein Gesuch an die Schußhaftkommission richten, um zu bitten, daß ich Dir diese Zeilen schreiben kann. Ich bin in Einzelhaft, ich ertrage sie sehr schwer, mein Los ist sehr, fehr traurig. Ich wünschte mir nichts sehnlicher als den Tod, wenn nicht doch ein Fünkchen Hoffnung bestünde, Dich noch einmal zu sehen. Ich würde lieber schweigen. Was kann ich Dir anderes mitteilen als unsägliches Trauriges? Ich bin immer allein in einer Zelle, das Licht ist oben, 24 Stunden und wieder 24 Stunden. So geht das wieder und wieder. Glaubst Du noch, glaubt noch überhaupt jemand, daß ich auch einmal noch in die Freiheit komme? Seit fünf Monaten lebe ich gefangen, bin in zerrissenen Kleidern aber was schlimmer ist, mit zerrissenem Gemüt und tranfer Seele. Ach, wenn es nur ein Datum wäre, wenn es hieße, am 31. Des zember es wäre besser als dieses qualvolle Warten. Ich wurde noch gar nicht einvernommen. Früh und abends ist mir als Zusatz ein Topf Milch und vier Semmeln gestattet. Tabak verboten. Wenn ich nur schlafen könnte. Allein, immer allein, Sprechen verboten. Auch beim Spaziergang.( Eine Stunde am Tag.) Es ist mir, als müßte ich ersticken. Ich ver­stehe nichts mehr von der Welt. Ich weiß nur, daß es furcht­bares Leid gibt. Ich bin furchtbar, furchtbar müde. Glaubst Du, daß ich und Du noch einmal uns an den Händen führen werden, durch ein Dörfchen gehen?... Die Tränen schwem­men alles hin- fann mir niemand helfen? So lebe ich wie ein Verbrecher unter Abgestraften, war nie vor dem Richter..."

-

Der Terror in Braunschweig  Eine Dokumenten- Sammlung

Die Kommission zur Untersuchung der Lage der politischen Gefangenen hat eine Broschüre herausgegeben, die ein außerordentlich eindrucksvolles Schlaglicht auf die Wahn­finnsherrschaft Hitlers   wirft. Die Broschüre behandelt bloß das, was in Braunschweig   an Terror verübt wurde. Dieses Ländchen zählt an Einwohnern und Bodenfläche nicht einmal ein Hundertstel Deutschlands   und doch ist das, was diese mit aller Nüchternheit und Kritik gearbeitete Monographie zur Darstellung bringt, eine ent­setzliche Häufung schlimmster Gewalttaten und Verbrechen. Jeder, der sich einen Begriff machen will, was in Hitler­Deutschland wirklich vorgeht, wird diese Broschüre lesen müssen, die durch alle Buchhandlungen zum Preis von 0,60 Schweizer Franken oder direkt vom Verlag Sozia listische Arbeiter Internationale in Zürich  zu beziehen ist.

Gefährliche Telefongespräche Verhaftung eines Bürgermeisters

( Inpreß.) Der frühere Bürgermeister Fund von Leon­berg, wurde wegen ungeziemlicher Bemerkungen über die Regierung verhaftet. Interessant ist, daß amtlich angegeben wurde, man habe diese seine dispektierlichen Aeußerungen durch andauerndes Anhören seiner Telefongespräche feſtge­stellt.

Ueberfülltes Krankenhaus

Das Staatskrankenhaus in der Scharnhorststraße ist der­artig überfüllt, daß die dort Eingelieferter kaum noch be­handelt werden können. Das Staatsfrankenhaus ist weder für so viele Insassen, noch gar für viele Schwerverletzte ge= eignet. Indessen liegen viele Schwerverleẞte mit Arm- und Beinschüssen, Bauchschüssen und mit Knochenzersplitterungen. in diesem Krankenhaus, unter ihnen auch der kommunistische Reichstagsabgeordnete Kosta, der vor kurzem verhaftet, von SA.  - Leuten schwer verletzt worden ist.

zung beabsichtigt und daß der Zündstoff aus der Wohnung des Hauptmann Göring durch einen unterirdischen Gang von einer Abteilung von Braunhemden in Zivil in den Reichstag   hineingebracht worden war.

Die deutsche Regierung hat alles getan, um diese Tatsachen zu verwischen und zu verhindern, daß weitere Tatsachen ans Tageslicht famen und andere an ihrer Stelle schuldig er­scheinen zu lassen.

Der Zweck des folgenden Artikels ist der, gewisse andere Enthüllungen zu geben, die nicht in dem Memorandum er­wähnt sind( und vielleicht Dr. Oberfohren nicht bekannt waren) und die Versuche aufzudecken, die gemacht wurden, um die Wahrheit zu verdunkeln.

Vor dem Brand

Am Montag, dem 27. Februar, dem Tage des Brandes, wurden die Reinigungsarbeiten im Reichstag beendet und eine Anzahl Wachbeamte vorzeitig durch den Inspektor des Abgeordnetenhauses, der sich später als Nazi entpuppte, nach Hause geschickt. Er selbst übernahm die Ueberwachung eini­ger korridore und bestimmte Teile des Reichstagsgebäudes wurden ganz abgeschlossen. Alles dies ist ungewöhnlich und hätte einige Neugier erweckt, wenn es derzeit bekannt ge= worden wäre. Der Reichstag   wurde auch von außen beobach­tet. Von 6 Uhr an stand ein Mann in Zivilkleidung an der Rückseite der Preußischen Staatsbibliothek und sah die Doro­theenstraße hinunter in der Richtung auf den Reichstag  . Ein anderer Mann stand an der Ecke Charlottenstraße   und blickte in dieselbe Richtung. Die beiden Männer trafen sich von Zeit zu Zeit und schienen ein paar Worte zu wechseln. Plötzlich zeigten beide eine heftige Erregung und schauten angespannt zum Reichstag.

Das war kurz nach 9 Uhr, z. 3t. als das Fener ausbrach. Es besteht begründeter Anlaß zu glauben, daß der Reichss tag auch von anderen Stellen ans beobachtet wurde, und daß die Beobachter Nazis waren.( Einige trugen sogar Uniform).

-

Als Alarm gegeben wurde, traf der Berliner   Oberbrand­direktor Gem p ein. Sowie er die großen Mengen Zünd­material sah- ein Teil war noch unverbrannt das in verschiedenen Teilen des Gebäudes verteilt war, bemerkte er, daß nicht ein Mann das getan haben könnte, und daß es nur von jemanden vollbracht sein könnte, der das Ge­bäude gut kannte. Man erlaubte ihm nicht, daß er noch ein­mal den Reichstag besuchte, sondern er wurde entlassen und verhaftet. Man machte ihm den Vorwurf, daß er bei der Berliner Feuerwehr kommunistische Propaganda ge= duldet hatte. Auch warf man ihm Korruption vor. We­der der eine noch der andere Vorwurf erwies sich als be­gründet, obwohl genügend Zeit verstrichen ist. Aber auf die Art und Weise wurde Gemp unschädlich gemacht.

Ahrens, ein hoher Beamter( ein sogenannter Dezer­nent") der Berliner Feuerwehr äußerte, als er die Nach­richt des Brandes erhielt, sofort, die Kommunisten könnten es nicht getan haben. Er und sein Sohn wurden daraufhin verhaftet. Auch ihm warf man Korrup­tion vor und auch dieser Vorwurf bleibt unbewiesen. Bei den Braunhemden, die durch einen unterirdischen Gang das Zündmaterial in den Reichstag trugen, befand sich ein gewisser Dr. Bell. Er hatte das Reichsbanner die militärische republikanische Organisation über die

-

Was van der Lubbe angeht, so ist sein Anteil an dem Spiel noch ungewiß. Dem Oberfohren- Memorandum" nach wurde er von Braunhemden durch den unterirdischen Gang mit in den Reichstag   genommen, dann wurde er zurückgelassen und die Braunhemden zogen sich zurück. Er wurde von der Poli­zei im Reichstag gefunden, als er versuchte, einen Weg aus dem Gebäude herauszufinden. Ein holländischer Paß und eine Mitgliedskarte der holländischen kommunistischen   Partei wurden bei ihm gefunden. Auf diese Art und Weise sollte der Kommunist als solcher schuldig erscheinen; man wollte sug­gerieren, daß van der Lubbe nicht ein Agent der Nazis, son­dern der Kommunisten und vor allem von Torgler  , dem Führer der kommunistischen   Partei, sei. Es ist wahr, daß van der Lubbe einmal Mitglied der holländischen Partei, aus der er später ausgeschlossen wurde, war. Aber er hatte niemals irgendwelche Beziehungen zu den deutschen   kom­ munistischen   Führern. Dagegen hatte er, und zwar erst vor kurzem, Verbindung mit den Nazis. Er war im Sommer 1932 in Deutschland   und verbrachte die Nacht vom 31. Mai zum 1. Juni in Börnewitz in der Nähe von Meißen   in Sachsen  . Er war mit dem dortigen prominenten Nazi Som­mer zusammen, einem Gemeindeverordneten, und mit einem anderen Nazi namens Schumann. Mit Sommer verbrachte er zwei Tage. Diese Tatsachen wurden in Deutschland   ver­tuscht.

Also stand van der Lubbe in Verbindung mit den Nazis, nachdem er mit den Kommunisten gebrochen hatte, und vor dem Reichstagsbrande. Aber sein wirklicher Anteil an der Verschwörung wartet noch auf die Enthüllung.

In einer Veröffentlichung, die am 29. April erschien, er­klärte die deutsche Regierung als Antwort auf den Artikel des Manchester Guardian", der das Oberfohren- Memo­randum" enthüllte, daß eine geheime fommunistische Drucke rei den phantastisch lügenhaften Bericht über den Reichstagsbrand" hergestellt hätte, und daß die Regierung ,, überrascht sei, daß der Inhalt des zweiten Artikels vollkom­men mit diesem kommunistischen   Dokument übereinstimme", und daß der Manchester Guardian" sich offen in den Dienst der kommunistischen   Propaganda gestellt hätte. Aber das kommunistische Dokument", das in diesem Kommunique erwähnt wird, wurde niemals veröf= fentlicht. Wäre es veröffentlicht worden, dann hätte die behauptete Aehnlichkeit zwischen ihm und dem Oberfohren­Memorandum" bewiesen werden können. In Wahrheit hat dieses kommunistische Dokument" niemals existiert.

Ein wenig später informierte Freiherr von Freytag- Lo­ringhofen, eine anerkannte Autorität in Auslandsangelegen­heiten, die österreichische Presse,( s. z. B. die Nachtpost" vom 3. Mai), daß nach zuverlässigen Informationen", die Arti­fel im Manchester   Guardian  " von dem polnischen Außen­minister, Oberst Beck, veranlaßt worden seien.

In Wahrheit ist das Oberfohren- Memorandum" weder fcmmunistisch noch polnischen Ursprungs. Eine Abschrift des­selben kam von Oberfohren durch einen Mittelsmann( einen deutschen   Politiker) von hohem Rang, der nichts mit Kommu nismus zu tun hatte) in die Hand unseres Korrespondenten, der damals in Berlin   war.

Razibewegung informiert. D. h., er arbeitete für die Nazis Der Gegenprozeß"

und für ihre Gegner.

Tiese Tatsache wurde erst kurz nach dem Brand entdeckt, als das Haus von einem Mitarbeiter des Dr. Bell von Braunhemden durchsucht wurde, die seine Verbindung mit dem Reichsbanner feststellten. Als er von dem Fund hörte, floh er sofort, aber er wurde von Braunhemden verfolgt und

So war So war er- so ist cr

Aus den Anfängen des ,, Führers"

( DG.) In New Statesman  ( 29. Juli 1933), einer englischen Zeitschrift von internationalem Ruf, erzählt ein Engländer, der in Hitlers   Frühzeit in München   gelebt hat und dort Ge­legenheit genommen hat, ihn aus nächster Nähe zu studieren, Frühe Erinnerungen an Hitler  ". Daraus entnehmen wir folgendes:

Kurz nach Kriegsende trat in München   ein Kriegsteil­nehmer Franz Xaver Huber auf, der 1917 sich vor Verdun  einen Beinschuß geholt hatte und im Münchener   Bürger­bräu- Keller sigend Geschichten über einen seltsamen Burschen erzählte, der seinem Regiment angehört hatte und zugleicher­zeit mit ihm an der Front war. Was ihm an dem Gemeinen Hitler" Eindruck gemacht hatte, war seine große Beredsam­keit. Er war bei seinen Kameraden weder beliebt noch das Gegenteil; sie lächelten über ihn und seine weitschweifige Art, über alle Dinge in und außerhalb der Welt zu reden. Als eine Sache von besonderer Wichtigkeit beschäftigte ihn, auf die sorgfältige Behandlung der Offizierswäsche zu achten und notfalls die Tätigkeit des Waschens selbst zu überneh­men. Das verschaffte ihm die Gunst des Obersten, der ihn den dauernden Gefahren des Schüßengrabens entzog und ihn als Meldereiter verwendete. Diese Tätigkeit brachte ihn häufig in Berührung mit der Mannschaft, und er konnte stundenlang in einem Granattrichter sizzen und über Sozia­lismus schwäßen, wovon er offensichtlich nur nebelhafte Vor­stellungen hatte. Alte Sozialdemokraten pflegten ihn auszu­lachen, aber nicht einer debattierte ernsthaft mit ihm. Er fonnte feinen Widerspruch vertragen und verfiel in eine schreckliche Wut, wenn jemand eine abweichende Meinung äußerte. Obwohl er das Eiserne Kreuz   2. Klasse hatte, hielt niemand im Regiment ihn für einen Helden. Dagegen be­wunderte man ihn schon mehr wegen seiner Geschicklichkeit, sich vor gefährlichen Aufgaben zu drücken. Die Regiments­berichte enthalten nicht eine Zeile, der zu entnehmen wäre. daß Hitler das Eiserne Kreuz 1. Klasse bekommen hat.

Zu dieser Zeit wohnte ich in München   in der Thiorsch­straße, wo jetzt sich das Haus des Völkischen Beobachters"

In London  

Paris  , 17. Aug.( Inpreß.) Der Gegenprozeß", d. h. die öffentliche Verhandlung unabhängiger Juristen aus allen Kulturländern über die wirklichen Brandstifter des Reichs­tags, wird in London   stattfinden.

befindet. Hier begegnete ich auf der Straße häufig einem Mann, der mir, mit seinem charakteristischen Schnurrbart und mit seinem springenden Gang wie eine militärische Aus­gabe Charlie Chaplins   vorfam. Er trug nie einen Hut, trug aber immer eine Reitpeitsche in der Hand, mit der er an= dauernd während des Gehens so hantierte, als wolle er einem sichtbaren Gegner den Kopf abschlagen. Er wirkte so komisch, daß ich mich bei Nachbarn erfundigte, wer er sei. Die meisten von ihnen hielten ihn wegen seines slavischen Typs für einen russischen Emigranten, von denen es damals in Deutschland   wimmelte, und sie sprachen freimütig davon, daß sie ihn für ein wenig verrückt hielten. Aber mein Ma­terialwarenhändler erzählte mir, es sei ein Herr Adolf Hitler   aus Braunau   und er sei der Führer einer winzigen politischen Gruppe, die sich NSDAP  . nannte. Er schriebe Artikel für ein obscures Blättchen, genannt der Völkische Beobachter" und redete in Winfelversammlungen vor einer Hörerschaft von einem Düßend oder zwei. Nach einiger Zeit wurde ich Stammgast einer kleinen Weinstube in der Schel­lingstraße, der Osteria Bavaria. Das Publikum darin be­stand zumeist aus Bohemiens, Künstlern und Mitgliedern des Stabes des Simplizissimus  . Musiker und Dichterlinge lauschten, wenn Gulbransson   und Thöny ihre Ansichten über Kunst, Politik und die Fleischpreise von sich gaben. Hitler  war fast täglicher Gast, er spielte sich hier als Künstler auf. Er liebte es sehr, seine Ansichten über Kunst und Architef= tur zum Besten zu geben, aber keiner unter den Künstlern, die in der Kneipe verkehrten, nahm ihn ernst. Abgesehen von Politik und Kunst waren seine bevorzugten Gespräche. Italien   und Hellsehen. Eines Tages kam ein Mann herein, der für den Preis eines Tellers Suppe aus der Hand las und wahrsagte. Hitler   zog sich mit dem Wahrsager in eine Ecke zurück und verbrachte mit ihm eine ganze Stunde in ernstem wiegespräch. Als er zu uns zurückkam, stürzte er sich mit Wut auf einen Studenten, der eine eringschäßige Bemerkung über Hellseherei gemacht hatte. Obwohl er nicht aufhörte, die Größe des Reingermanentums zu betonen, bin ich niemals einem Germanen begegnet, der so völlig unger­manisch wirfte, wie er. Das Ergebnis der langen mit ihm verbrachten Abende will ich wie folat zusammenfassen: Er war und ist wahrscheinlich noch von einem leidenschaftlichen. zumeist sogar wildem Ernst in allem was er sagt und tut, selbst dann, wenn er heuchlerisch und unernst erscheint."