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Deutsche Stimmen

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Feuilletonbeilage der Deutschen Freiheit"* Dienstag, den 29. August 1933 Ereignisse und Geschichten

Der Führer verschenkt 100 Mack****

Die SA  - Schweifwedler treten an

Das dritte Reich  " hat seine Heroen, seine Geschichts­schreiber, seine Geißler und seine Peitscher. Aber die Gilde derer, die die tretenden Stiefel mit Inbrunst füssen, ist nicht minder zahlreich. Sie schmeicheln um die neuen Machthaber herum, belauschen ihre Gebärden, erzählen Anekdoten von ihrer herzhaften Güte und ihrer Leutseligkeit. Die Byzan­tiner der wilhelminischen Aera waren nicht tot! Sie hatten sich nur versteckt und friechen jetzt wieder heran, wobei sich zeigt, daß sie in der großen Weimarer   Pause nicht unfrucht­bar gewesen sind und ihre Sippe erheblich vermehrt haben.

Zu diesen Leuten gehört jetzt auch die einstige 8en= trumspresse im Reich. Sie mußte sich gleichschalten, aber sie braucht vor ihren Lesern eine nachträgliche Recht­fertigung. Darum findet man bei ihr die gleiche Anbiederei an die Herrschenden: seht, wie wir über euch schreiben, einst nörgelnd, heute brave und gezähmte Leute! Am schlimmsten treibt es die Germania  ". Doch auch die Provinzpresse steht ihren braunen Mann. In der Dortmunder Tremonia" liest man folgenden Bericht über eine Begegnung Hitlers  mit Mitgliedern der katholischen Organisation an höheren Schulen:

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Der Reichskanzler besichtigte am 12. August nachmittags die Königsschlösser. Auf dem Wege dorthin passierte sein Wagen das Ferienlager neudeutscher Jungen aus Effen. Die Jungen waren in Bundestracht mit ihrem großen Christusbanner an der Straße zum Spalier an getreten. Der Wagen des Kanzlers naht. Stillgestanden! Die Reihe steht. Die Augen links. Der Wagen des Reichs­fanzlers fährt langsam an der Linie der 70 Jungen vorbei. Der Führer im Vordersiz des ersten Wagens mustert die Reihe. Die Kerls stehen wie Säulen. Das Christusbanner flattert. Sonst Stille. Das Auto entschwindet nach Hohenschwangan. Beggetreten.

Abends. Der Appell vorbei. Man tritt auf der Wiese an der Straße zum Essen an. Plößlich ein Ruf: Hitler! Antreten! Die Eßgeschirre flappern. Die Löffel fliegen. Die Jungen rennen zur Straße. Nicht mehr in Parade­uniform. Der eine im Turnhemd, der andere in Jacke oder barfuß. Wie der Wagen des Kanzlers den Platz erreicht, hallt es: Stillgestanden! Augen rechts! Die Arme fliegen hoch. Hitler   steht auf. Hebt den Arm und fährt langsam die Linie ab. Hält. Lächelt. Also aus Essen seid ihr?" Der Reichstanzler hat sich also nach dem Lager erfundigt, wie die Fragestellung zeigt. Der Lagerführer springt vor. Baut sich vor dem Schlag auf. Siebzig neudeutsche Jungen aus Essen."

Das Auge des Kanzler fliegt über die Reihe. Wie gehts? Was macht die Lagerkasie?" Lagerkasse in Ord­nung. Aber die Gruppenkasse...!"" So- da Junge, hast du was!" Er drückt dem Lagerführer etwas in die Hand! Der greift zu, bedankt sich. Steht wieder stramm. Hitler   reicht die Hand aus dem Schlag. Gute Ferien. Auf Wiedersehen!" Da ruft der Lagerführer:" Dem Volks­fanzler ein dreifaches Heil!"

Unter dem Jubel der 70, der nicht enden will, fährt das Auto ab. Als aber der Lagerführer die Hand öffnet, findet er einen 100- R M.- Schein.

Diese rührende Geschichte wird bald in allen Schullese­büchern stehen: Der freigebige Kanzler". Hitler  , der ärmste unter den Volksgenossen, der auf sein Reichskanzlergehalt verzichtet hat, holt aus der leeren Tasche hundert Mart und schenkt sie, im Zeichen des flatternden Christusbanners, der Lagerkasse!

So etwas geht ans Herz! Davon werden

Das flache Dach

Flachheit ist Mode, Flachheit ist Trumpf und Symbol unserer Zeit. Alles muß dieser eiligen und stets beschäftigten Menschheit möglichst flach geboten werden: die Wahrheiten müssen flach sein, je flacher die Phrase, desto leichter wird sie geglaubt, je flacher die Operette, um so größer ihre Auf­führungsziffer, die Voraussetzung für den Tonfilm ist seine Flachheit, nur die original- flachen Romane finden größere Verbreitung, kurz, die Flachköpfe sind es, die überall den Ton angeben.

Eine amtliche Mitteilung aus Stuttgart   lautet:

Hier wurden zwei Architekten in Schußhaft genommen, weil sie durch gröbliche, eine offene Verhöhnung des Ge setzes und der Behörden darstellende Verstöße gegen die baupolizeilichen Bestimmungen und Anordnungen die öffentliche Ordnung gestört haben."

Man stand vor dieser Kundgebung und grübelte: was ging da vor? Wie kann man durch Verstöße gegen die baupolizei­lichen Bestimmungen eine offene Verhöhnung des Gesetzes und der Behörden begehen? Haben die Architekten etwa gar Häuser in Form von Zionsternen oder Sowjetficheln gebaut? Aus diesen Zweifeln bot die eben erfolgte Mitteilung einer Wiener Zeitung   Befreiung: die beiden Architekten haben ein Haus mit flachem Dach gebaut und flache Dächer werden gegenwärtig in Deutschland  , wo nur Men­

Mizzi, das Kätzchen

künftige Geschlechter, noch zu rühmen wissen! Denn an die fünftige Geschlechter, noch zu rühmen wissen! Denn an bie So wars, so ists Hunderttausende, die Hitler   aus dem Vertrieb des Buches, das zwangsweise abgesetzt wird, bezieht, denken in diesem berauschten Volt nur die Wissenden und die Eingeweihten.

Inzwischen geht es auch bei dem alten Herrn Gene­ und Reichspräsidenten  ralfeldmarschall Hindenburg   auf Neudeck jezt höher her als sonst. Einen Abend in Neudeck" schildert uns Vera von Falken­hagen- Gröber in der Deutschen Allgemeinen Zeitung" vom 20. August folgendermaßen:

Im hellen Speisezimmer, dessen weiße Rotofoschränke das berühmte Tafelservice Friedrichs des Großen zeigten ( Geschenk der Staatlichen Berliner   Manufaktur zum 80. Geburtstag), saßen wir im Kreise benachbarter Gäste sowie des Hausbesuchs und aßen vom köstlichen Meißener Porzellan( Rotes Drachenmuster). Mit Oberst v. Hinden­ burg  , dem Sohn, sprach ich von der Landwirtschaft, dem ewig neuen Thema, dessen Studium er in Neudeck seine Tage von frühester Morgenstunde an widmet. Nach dem Essen durfte ich lange neben dem Feldmar= schall ſizen, in der Unterhaltung nicht nur sein flares Urteil über die Gegenwart, sondern auch die erstaunliche Frische dieses Gedächtnisses bewundern. Er erwähnte z. B. meinen Vater, der jetzt 30 Jahre tot ist, und an den die Erinnerung mir selbst unendlich entfernt ist. Der Reichs­präsident aber sprach von gemeinsamen Kindererlebnissen mit dem gleichaltrig Gewesenen, obwohl diese noch eine weitere Generation zurückliegen, in so lebhaft natürlicher Weise, als wäre das ein Geschehen vor einigen Jahren. Das berührt sonderbar- fast wie ein Wunder.

Und wirklich ist ja auch solches Altwerden

in voller

Ec

Wie ist doch die Zeitung so interessant für unser liebes Vaterland!

Was haben wir heute nicht alles vernommen! Die Fürstin ist gestern niedergekommen, und morgen wird der Herzog kommen, hier ist der König heimgekommen dort ist der Kaiser durchgekommen- bald werden sie alle zusammenkommen wie interessant! wie interessant! Gott   segne das liebe Vaterland! Wie ist doch die Zeitung so interessant für unser liebes Vaterland!

Was ist nicht alles berichtet worden, ein Portepeefähnrich ist Leutnant geworden ein Oberhofprediger erhielt einen Orden, die Lakaien erhielten filberne Borden, die höchsten Herrschaften gehen nach Norden, und zeitig ist es Frühling geworden- wie interessant! wie interessant! Gott   segne das liebe Vaterland!

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Hoffmann von Fallersleben  , der Dichter des Deutschland  "-Liedes ( 1798-1874).

Er bezahlt wahrhaftig!

Gesundheit des Körpers, Klarheit des Verstandes und Wie jeder gewöhnliche Sterbliche

Güte des Herzens eine götliche Gnade. Gnade, die dem großen deutschen   Mann in seinem pflichterfüllten Dasein Gnade, die dem Volt, für das er lebt, beschieden wird. Bei der Rückfahrt unter dem schimmernden August­Sternenhimmel, im eigenartig herben Duft dieses Dit­landes, wurde mir solcher Gedanke wieder einmal zur Er­fenntnis tiefer Dankbarkeit und Freude.

" Die Krife werden wir nun bald über­wunden haben, glaube ich," hatte der alte Herr mit seiner tiefen ruhigen Stimme zu mir gesagt.

Wir glauben es alle, Herr Feldmarschall!

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Vera hörte es und schrieb es nieder. Der alte Herr glaubt, daß die Krise bald überwunden sei. Ihm geht es besser, wahrhaftig. Man hat ihm zu seinem Gut noch ein neues geschenkt, und nun sieht er seine Freunde Großgrundbesiber als frobgemute Gäste an seiner Tafel. Sie tlagen nicht mehr, es geht ihnen gut, die Osthilfe hat geklappt. Hitler   hat sie endlich von den Siedlungsbolschewisten befreit.

Daß draußen Menschen brotlos gemacht und gefangen werden wegen einer Gesinnung, der er einst schwarzrot­goldene Treue schwor, daß Paul Löbe   im Konzentrations­lager sitzt, der ihm in feierlicher Reichstagsfizung einen Eid abnahm das hat der alte Herr überwunden.

Der Nationalsozialistische Kourier", Stuttgart  , bringt die folgende Schilderung eines Herrn Mar Dürr aus dem Münchener   Braunen Haus: Stahlblau blizen die Augen und ihr Blick geht durch und durch, ist scharf, beinahe streng. Rasch tritt der Führer ein, gefolgt von fünf Begleitern, und nimmt Plaz an seinem Tische. Er ist zu Abend. Jetzt, gegen 10 Uhr. Sogleich wird aufgetragen, denn der Führer hat nicht viel Zeit für das Essen übrig. Ach, wie einfach i st dieses Abendessen! So einfach, daß wir, setzte es uns die Gattin vor, wohl nicht sonderlich zufrieden wären. Ein beschämendes Gefühl überkommt uns bei dem Ge­danken, wie anspruchsvoll, wie unbescheiden wir sind, wäh= rend der Führer sich mit Allereinfachstem begnügt.

Eine gute halbe Stunde erst ist er da, und schon ist seine Zeit zu Ende. Er bezahlt die zweifellos geringe Rech­nung. Er bezahlt wie jeder andere Sterb­liche und ebenso bezahlt jeder einzelne seiner Begleiter für sich selbst. Der Führer steht auf. Wir selbst springen in die Höhe, strecken den Arm aus zum deutschen Gruße. Der Führer verläßt das Zimmer, mustert noch einmal jeden einzelnen von uns mit durch­dringendem Blick, der aber diesmal geradezu gütig an­mutet. Es ist der Blick eines warmen, fühlenden Herzens. Heil! Schon ist er draußen mit seinen Begleitern. Im Vorraum hat inzwischen Mizzi, das Kätzchen, den Mantel des Führers gefunden und es sich bequem darauf gemacht. Der Führer nimmt es, streichelt es und setzt es auf den Boden. Und schon hört man wieder mili. Darum tann Vera so traute Geschichten von ihm erzählen. tärische Ehrenbezeugungen."

Er weiß alles ganz genau, was vor dreißig Jahren war. Was vor acht Jahren, vor drei Jahren geschah, was jeden Augenblick in Deutschland   geschieht davon Seele des Greises nichts mehr lebendig.

ist in der

Dinge aus Deutschland   vernommen, die wir gestern noch für unmöglich und unvorstellbar hielten, die heute Tatsache und morgen bereits übertrumpfte Selbstverständlichkeit waren? Warum sollten wir also nicht an die verbotenen flachen Dächer glauben? Mein Gott, die Flachköpfe, die heute dieses schöne und herrliche Deutschland   in Grund und Boden re­gieren, stoßen sich eben an dem flachen Dach, obwohl wenn man nach einem alten Sprachgebrauch den Kopf als Dach bezeichnet ihre eigenen Dächer wahrlich flach genug sind. Und da sie nun einmal auf die flachste und oberflächlichste Rassentheorie eingeschworen sind, werden sie vermutlich auch die Häuser in Raffen einteilen, dergestalt, daß eben das der nordischen Rasse angehörige Haus ein Giebeldach zu haben hat.

Von giebeliger Enge" hat der größte deutsche   Dichter, deffen Andenken diese Flachpköpfe stündlich besudeln, vor hundertvierzig Jahren gesprochen den Nachfahren ist diese Enge gerade weit genug. Denn von flachen Dächern könnte man vermutlich ins Weite sehen und wahrnehmen, daß es auch Länder gibt, die nicht von Flachköpfen eines derart gigantischen Ausmaßes regiert werden.

Stefan Pollatschet.

schen mit flachen Köpfen hoch im Kurs stehen, nicht gerne Annäherung an Frankreich  

gesehen.

So sehr man geneigt ist, das Ergebnis der Recherche der Wiener Zeitung   als böswillige Erfindung eines öden und flachen Spaßmachers anzusehen, vielleicht wird man ihr am Ende doch glauben müssen. Haben wir nicht schon andere

" Der Franzmann haust am Rhein  , gleich wie ein wildes Schwein. Mit weißen und mit schwarzen Horden das Deutschtum dorten völlig auszurotten. Das sollt nicht sein." ( Aus dem Schlageterlied".)

Die Sammlung

Der seit 20 Jahren bestehende holländische literarische Verlag Querido, Amsterdam  , hat seinem Unternehmen eine deutsche literarische Abteilung angegliedert, in der in diesem Herbst die neuen Werke von Alfred Döblin  , Lion Feuchtwanger  , Werner Hegemann  , Emil Ludwig  , Heinrich Mann  , Josef Roth, Arnold 3weig u. a. erscheinen.

Ferner wird ab September, im gleichen Verlage eine lite­rarische Monatszeitschrift Die Sammlung" unter dem Patronat von Andre Gide  , Aldous Huxley   und Heinrich Mann   von Klaus Mann   herausgegeben werden. Die erste Nummer bringt größere Arbeiten von Heinrich Mann  , Waffermann, Döblin  , Kesten, Kerr u. a. Die nächsten Num= mern enthalten außer Beiträgen der Verlagsautoren u. a. Arbeiten von Thomas Mann  , Stefan Zweig  , Rene Schickele  , Romain Rolland, Jean Girandoug.

Leni   filmt

Die Reichspropagandaleitung der NSDAP., Haupt­abteilung 4( Film) teilt mit: Vom Reichsparteitag der NSDAP. in Nürnberg   wird auf Weifung der Reichsleitung von der Reichspropagandaleitung, Hauptabteilung 4( Film), ein Film hergestellt, dessen künstlerische Leitung auf beson­deren Wunsch des Führers Leni Riefenstahl   über­nimmt.

Leni war schon immer gebräunt. Bisher freilich nur von Gletscherschnee, in dem sie filmte. Auch auf der Nürnberger  Ebene wird sie sich, beschienen von der Sonne des Führers, wohlfühlen.