Feuilletonbeilage der ,, Deutschen Freiheit"* Mittwoch, den 30. Auguft 1933* Ereignisse und Geschichten
Auch das wäre möglich
Von Archibald von Douglas
In Deutschland gilt von jest ab, einer göttlichen Eingebung des Kanzlers zufolge, der Mond als das Hauptgestirn, dem die Erde ihr Licht zu verdanken hat. Gegen die Verfechter der Jrrlehre, daß diese Rolle der Sonne aukäme, wird mit den schärfsten Mitteln durchgegriffen.
Obschon noch hier und da Auflehnungen von seiten der Sonnenparteien sich geltend zu machen wissen, erfaßt die neue Lehre mit unwiderstehlicher Gewalt alle Schichten der Bevölkerung. So war fürzlich Berlin der Schauplatz eines von Dr. Göbbels veranstalteten gigantischen Mond- Tages. Sämtliche Bewohner der Stadt, mit dem Mond- Abzeichen geschmückt, marschierten in Achter- Reihen durch sämtliche Straßen, von deren Häusern die Mond- Fahnen sieghaft in nun seinem rechtmäßigen Urheber wiedergegebenen Licht flatterten. Allenthalben werden die tückischen Kreaturen, welche an die Sonne glauben, die Sonnenbestien, eingesperrt oder erschlagen.
Das„ Berliner Tageblatt feiert die Verfemung der Sonne in einem fulminanten Artikel des Herausgebers, der sich als altes Mond- Schwein bekennt.
Universitätsprofessor Spranger macht( bei aller Anerkennung des Zwingenden und Großartigen, das im neudeutschen Mondbekenntnis liege, und ohne daß er an der gotterleuchteten Autorität des Kanzlers den geringsten Zweifel äußern woke) Bedenken geltend, ob die MondTheorie im vollen Einklang mit gewissen, freilich anfechtbaren, aber immerhin noch nicht gänzlich widerlegten Dogmen der Wissenschaft zu bringen sei. Die Studenten stürmen die Hochschule. Professor Spranger widerruft infolgedessen seinen leichtsinnigen Widerspruch. Die Gelehrten Deutschlands erklären einstimmig die Doktrin, wonach die Sonne das Zentralgestirn sei, als Schand, Schund- und Schmutz- Lehre und fordern in sündenden Worten die Jugend auf, sich die Lügen, mit denen man ihnen, die Sonne be= treffend, solange das Hirn vergiftet habe, aus demselben zu reißen.
Hitlerjunge Quer, als mondsüchtig bekannt, wird unterrichtsminister.
In allen Städten veranstaltet die Universitätsjugend unter leidenschaftlicher Anteilnahme der Bevölkerung Autodafes der Bücher, in denen die Sonnen- Untermenschen ihre em= pörenden Ansichten solange ungestraft verkünden durften. Hans Heinz Ewers dichtet die Mond- Hymne. Das Theaterstück von Jobst,„ Der deutsche Mond"- ein dramatisches Truz- und Heldenlted wird für alle Bühnen
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des Reichs als obligatorisches Zugstück erklärt. Minister Göring ordnet für alle Fälle die Verhaftung sämtlicher an einem Sonntag Geborenen an. Ein Gesez verfügt, daß jeder, der auf irgendwelchem Gebiet in Deutsch land Arbeit finden wolle, den Nachweis erbringen müsse, daß keiner seiner Eltern oder Großeltern an einem Sonntag geboren wurde.
Professor Dr. Eisenstamm stellt in einer brillanten wissen schaftlichen Studie fest, schon die Tatsache, daß es in der deutschen Sprache„ der" Mond und" die" Sonne heiße, be= weise die Superiorität des Nachtgestirns. Das schon vor seiner Gründung entnervte, verweichlichte und einem schmählichen Feminismus verfallene Frankreich sage charakteri stischerweise:„ Ia" lune und„ Ie" soleil.
Zur Feier dieser, das Volk in einen Taumel der Freude verseßenden Entdeckung, ordnet Dr. Göbbels ein Mond- Fest an. In ganz Deutschland marschieren sämtliche uniformierten Männer, Frauen und Kinder 24 Stunden lang mit der Mond- Standarte hin und her. Einem dringenden Wunsch der Allgemeinheit entsprechend, werden die geringen nichtuniformierten Reste der Bevölkerung in Gauschaften au= sammengefaßt und für diese eine Uniform der Nicht- Unt formierten, nach künstlerischen Entwürfen des Kanglers selbst hergestellt.
Dr. Gottfried Benn schreibt in einem aufiebenerregenden Artikel, in welchem er zuvor mit bitteren Worten die feige
Emigration geißelt, die in den Rivierapalästen sich in ihrem Fett wälzt, wie folgt:„ Nun endlich strozzt der Mond- Mensch seine mystische Fülle durch das Beiten- Nichts. Es ist da, das Quader- Geschöpf mit der Faust- Seele, mit der Seelen- Faust, mit den Sichelfurchen in seinem von lebensfrohem Todeswunsch durchpulsten Ursinnenraum, das Mondgehirn mit Eckzähnen, gewachsen und durchsegnet vom Blut der Blute, eisenkantig hingereckt ins Aeonische."
Militäraufmärsche, Ansprachen von Dr. Göbbels , Hinrichtungen und andere Volksfeste finden nur mehr bei MondBeleuchtung statt.
Hindenburg , dessen Augen gegen Sonnennlicht sehr empfindlich sind, äußert seine Rührung über den Kanzler, der feine Gelegenheit anßer Acht lasse, seinem geliebten Reichs präsidenten eine Freude zu machen.
An die Teilnahmslosen
Ihr glaubt, die Erde ruhe feft auf ihrem Grunde Und ener Wohlergehn sei sakrojantt?
Ihr irrt euch tief: Schon naht die bitt're Stunde, Da eure Insel, wildgeschüttelt, wankt.
Noch ungehört, umbraust der Sturm bas Eiland, Rings tobt die Welt, gewappnet und gefchient. In jedem Land ersteht ein blut'ger Heiland. Ihr träumt vom Frieben, den thrnie verdient! Euch reißen Katarakte von Gewittern Aus eurem unverzeihlich tiefen Schlaf. Und mehr als andre werdet ihr erzittern, Die unbeweglich, wenn es andre traf.
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So schlummert fest in Schlössern und auf Thronen In eurer dünnen, zu verdünnten Luft. Euch taube Träumer wird kein Bliz verschonen. Hinunter in Europas Massengruft!
Waldemar Bowels.
Fast sämtliche Anhänger des alten Systems. des Sonnen Das arische Aeußere
Systems, find, soweit sie nicht auf der Flucht erschossen wurden, in Schutzhaft genommen. Man begegnet immer wieder Trupps von Mond- SA., die solch ein Individuum hoppgenommen und ihm eine Tafel umgehängt haben, auf der zu lesen ist: Ich bin ein Sonnen- Schuft und verdiene nicht, daß mich der Mond bescheint."
Dem bet einem heimlichen Sonnenbad ausgehobenen und wegen der so erwiesenen staatsfeindlichen Gesinnung ins Konzentrationslager überführten Arbeiter X., der im Lager wie ein Kind verhätschelt wurde, ist dort durch Zufall und aus eigenem Leichtsinn der Kopf mit einer Hacke abgeschlagen
Der preußische Minister des Innern hat ergänzende Bestimmungen über die Untersuchung der Bewerber um Aufnahme bei der Schutzpolizei erlassen. Das Hauptaugenmert ist auf einwandfreie arische Abstammung zu legen. Bewerber, die fein arisches Aeußeres haben, find schon allein aus diesem Grunde abzulehnen.
Ein Glück für den Göbbels , daß für die Schutzpolizei strengere Vorschriften gelten als für das Propagandaministerium!
worden. Die Regierung, die feine Gelegenheit außer Acht Schlageter zieht nicht mehe
läßt, der verlogenen Greuelpropaganda entgegenzutreten, zeigte den Kopf einer Gruppe von ausländischen Journa listen, welche so an der Frisur des Verunglückten sich durch Augenschein überzeugen fonnten, daß ihm kein Haar getrümmt worden war.
Der Theaterkritifer Herbert Jhering verlangt in einem Syklus heftig fordernder kritischer Essays das vorstoßende Mond- Zeitstück. Er widmet seinen Byflus, zur Feier der Tötung des tausendsten kommunistischen Schriftstellers, dem
Wie die„ Nachtausgabe" berichtet, findet die zu Ehren Schlageters in Berlin veranstaltete Ausstellung, die schon seit zwei Monaten eröffnet ist, beim großen Publikum so gut wie gar kein Interesse. Der Besuch der Ansstellung sei, so wird in dem Blatt ausgeführt, beschämend gering. Mit Ausnahme von SA.- Männern, Stahlhelmern und alten Freikorpsleuten finden nur wenige ben Weg in die Ausstellung.
Ministerpräsidenten Göring als dem„ beiligen Johann der Dante ein Deutscher?
Schlachthöfe". Man hört von wilden Spaltungen in den Reihen der SA. und SS. Eine radifale Gruppe fordert, daß nun endlich auch die Schandlehre von der Drehung der Erde um die Sonnne durch ein drakonisches Gefes, wonach die Erde sich um den Mond drebe, abgelöst würde. Dr. Göbbels tritt mit allem Aufwand seiner Beredsamkeit für diese mehr als berechtigte Forderung ein:„ Die Mond- Revolution rastet nicht, sie schreitet fort," erklärt er. Infolgedessen erklärt der Kanzler: Die Mond- Revolution ist zu Ende." Infolgedessen erklärt Dr. Göbbels , wer von einer Fortsetzung der Mond- Revolution zu sprechen wage, werde, Göring habe das versprochen, gevierteilt. Hierdurch erscheint die fundamentale Ginigkeit Gesamtdeutschlands hergestellt. Die Begeisterung darob überschreitet alle Grenzen, so daß in der Gegend von Was man sich zuflüstect Kufstein mehrere österreichische Polizisten erschossen aufgefunden werden.
" Auf den fortgesezten Zügen nach Rom ging unendlich viel ebelstes deutsches Blut durch Schwert, Gift, Sonnenglut und Fieber zugrunde. Noch schmerzlicher. Durch dauernde Berührung mit Italienern ergaben sich Vermischungen. Es war eine föstliche Saat auf Stosten des deutschen Voltes, aus der unter dem süblichen Himmel bte Dante, Petrarca , Lionardo und Raffael erwuchsen, die Blütefülle So H. Stewart Ghamder Renaissance emporstieg." berlain nachgesprochen von Ritter von Caub in dem„ Dokument" beutscher Geschichte:„ Vom ersten zum dritten Reich" ( Standarten- Verlag, Leipzig .)
Dr. Göbbels fündigt in einer hinreißenden Rede an, daß traft der neuen Lehre und der ihr gewidmeten Propaganda die Sonne bald nicht nur in Deutschland , sondern auch in der ganzen Welt endgültig untergegangen sein werde. Italien verhält sich demgegenüber amital- zurückhaltend. Ju Frankreich und England werden gewisse Anzeichen von Beunruhigung bemerkbar, doch bürgen die Realpolitiker in den beiden Ländern dafür, daß die Staatsmänner in Paris und London fich auf den Boden der gegebenen Tatsachen und Machtverhältnisse stellen werden. Vernünftige ausländische Beobachter der deutschen Ereignisse sagen sich außerdem: wenn ein 60- Millionen- Volt mit solcher Intransigenz und Leidenschaft von der Sonne abrücke, müsse schon etwas daran sein.
In Paris tut die augenblicklich dort herrschende Sitze das Ihrige, eine gewisse Verstimmung gegen das Tagesgestirn Ihrige, eine gewisse Verstimmung gegen das Tagesgestirn anwachsen zu lassen. Der Neue Tage- Geist".
,, Das ist The Verdienst"
Offener Brief an Heren Göbbels
Als am zehnten Mai die Werte deutscher Schriftsteller, Philosophen und Forscher auf den Scheiterhaufen geworfen wurden, haben Sie, Herr Göbbels, diesen barbarischen Att beschützt und gutgeheißen und in Ihrer Rede die verbrannten Werke jener Männer, die ein edleres Deutschland repräsentteren als Sie, geistigen Unflat" genannt.
Sie haben aus den deutschen Theatern, Verlagen, Buch handlungen, Bibliotheken, Schulen unser Werke verbannt, Sie verfolgen die Verfasser, sperren sie ein oder jagen tie aus dem Lande.
Sie vertretben von den deutschen Universitäten die besten Lehrer.
Aus den Konzertsälen die Dirigenten und Komponisten. Aus den Theatern Schauspieler.
Von ihren Arbeitsstätten Maler, Architekten, Bildhauer. Es genügt Ihnen nicht, die zu quälen, die Sie in Ihre Gefängnisse und Konzentrationslager ferfern, Sie verfolgen selbst die Emigranten durch die mannigfachen Mittel Ihrer Gewalt. Sie wollen sie, um in Ihrer Sprache zu reden, geistig und physisch brutal und rücksichtslos vernichten". Was ist der Grund so abgründigen asses?
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Ein deutscher Nazi und ein Desterreicher disputieren über die mißglückte Gleichschaltung des Bruderstaates. Tobt ber Nazi: Ihr Desterreicher wollt nicht begreifen, daß unser Hitler ein Geschenk Gottes an das deutsche Volt tft." Lacht der Desterreicher:„ Na, na, den Adolf haben wir Desterreicher Euch geschenkt als Nache für 1866."
Ein Schulrat inspiziert. In einer Klaffe fist ein blondes Mädelchen mutterseelenallein auf einer abgesonderten Bant. Gütig fragt der Schulrat:
„ Warum sitzt du denn hier so allein mein Kind?" Schluchzt das blonde Kindchen: " We- we- wegen Omi!"
Hitlers Inspektor des Luftfahrtwesens ist der Lufthansa.. direktor Milch. Seine Abstammung ist ebenso awetfelbait wie sein Name. Neuerdings, nachdem gewisse Gefeße publiziert sind, leidet Herr Milch an Angstträumen. Er träumt von sterilisierter Milch.
Ste geben vor, Deutschland von seinen Schuldigen zu. reinigen, und Sie verfolgen die Schwächsten, die Juben. Sie geben vor, daß Sie und der deutsche Geist identisch find, aber Ihre Taten sind die Aechtung der Jbeen Goethes
Von Ernst Toller und Beffings, Serders und Schillers, Wielands und Rantes
Diese Männer glauben an eine Welt der Freiheit, der Menschlichkeit, der sozialen Gerechtigkeit, diese Männer sind wahrhafte Sozialisten, Kommunisten, Pazifisten oder gläubige Christen, diese Männer find nicht gewillt, die Stimme der Wahrheit zu verleugnen und der Macht sich zu beugen. Die Verfolgungen und Aechtungen sind für uns Verfolgte eine große Ehrung, mancher von uns wird jetzt erst beweisen müssen, daß er diese Ehrung verdient.
Wir winseln nicht und betteln nicht, wir unterschreiben feine Reverse, um unsere Loyalität zu befunden.
Wir werden niemals aufhören, Ihre schändlichen Taten zu brandmarfen.
Sie geben vor, die deutsche Kultur zu retten, und Sie zerstören die edelste Arbeit der deutschen Kultur.
Sie geben vor, die deutsche Jugend zur erwecken, und Sie blenden ihren Geist, ihre Augen, ihre Sinne.
Sie geben vor, die deutschen Kinder zu retten, und Sie vergiften ihre Herzen mit schändlichen Phrasen eines stupiden Nationalismus und Rassenhasses.
Sie geben vor, das werktätige Volk zu befreien, und Sie schmieden es in die Knechtsfesseln sozialer und geistiger Unfreiheit.
und all jener Männer, die um die reinsten Werte Deutsch lands gerungen haben und sie in die Welt trugen.
Ich las in diesen Tagen Ihre fünstlerischen Werke und die Ihrer P. 63.
Daß Sie ein schlechteres Deutsch schreiben als wir, kann ich Ihnen nicht zum Vorwurf machen, Gewalt verleiht noch fein Talent, daß Sie aber die deutschen Theater zwingen, Die armseligen Werke au spielen, tft fläglich.
Sie sprechen so viel vom Heldentum, und Sie meinen bas Heldentum des Soldaten. Auch wir kennen ein Helbentum, das Heldentum der Arbeit, des Charakters, des unbedingten Menschen, der zu seiner Jdee hält.
Sie sprechen so viel von der Feigheit Ihrer Gegner. Wir versprechen Ihnen, daß Ihre Verfolgungen uns härter, Ihr Haß uns reifer, Ihr Kampf uns kämpferischer machen werden.
Wir sind nicht schuldlos an unserem Schicksal, wir haben viele Fehler begangen, der größte war unser Langmut.
Wir werden, dank der Lehre, die Sie uns gaben, unsere Fehler überwinden. Und das ist Ihr Verdiens