Auswanderung oder Emigration?

Von Dr. Otto Friedrich

Unter den Zehntausenden, die Deutschland   verlassen haben, sind sicherlich viele, die der alten Heimat ver zweifelt den Rücken gekehrt haben und suchen, irgendwo in der Fremde von neuem Fuß zu fassen. Für sie ist Deutschland   ein abgeschlossenes, tragisches Kapitel ihres Lebens. Ihr Los verdient Mitleid und Hilfe. Aber über die materiellen Sorgen hinaus ist ihr Schicksal kein poli­tisches Problem,

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Anders ist es bei denen, die aus politischen Gründen Deutschland   verlassen mußten, die aber keineswegs ge­willt sind, ihren Feinden den Kampfboden, den sie bit­terem 3mange folgend räumen mußten, auf die Dauer preiszugeben. Sie sind politische Emigranten und müssen gewiß im Rahmen des ihnen gewährten Gastrechts die von ihnen geforderte Zurückhaltung bewahren, aber so­weit sie in freien, nicht faschistischen Staaten leben, wird niemand von ihnen verlangen, daß sie jeder politischen Meinungsäußerung entsagen. Tatsächlich sind ja auch schon Zeitungen und Zeitschriften, Broschüren und Bücher in größerer Zahl erschienen, die den politischen Willen der Emigration bekunden. Manches Produkt dieses Willens hat illegal seinen Weg nach Deutschland   gefunden und vermag dort, wenn es nicht nur beschreibt, was ist, son dern auch nur im kleinen erkennen läßt, was werden soll, aufrüttelnd zu wirken.

Des Dritten Reiches Manneszuch!

Noch een' Blick, Edgar, uff die Ellipse und idk bring' Dir vor's Rassegericht!

Kampf mit allen Mitteln"

Diese politische Willensbildung der Emigration stößt aber teilweise in den eigenen Reihen auf Widerspruch. Die Reste der alten Organisationsbürokratie glauben, daß fie eine Art ausschließlicher Vertretungsbefugnis im Aus- 99 land besitzen. Kein Mensch wird ihnen das Recht nehmen,

oder gar die Pflicht absprechen wollen, mit den von ihnen Die Methoden der sozialistischen   Aktion gegen den Faschismus

geretteten Mitteln technisch so produktiv wie irgend mög lich zu arbeiten. Aber die Besiegten von gestern sind nun einmal nicht die anerkannten Führer von morgen. Eine starke Selbstkritik, die bisher leider nicht eingesetzt hat, vermöchte manchen blaß gewordenen Nimbus aufzus frischen. Wer aber nur auf das Schicksal in Gestalt irgend eines kriegerischen, wirtschaftlichen oder politischen zu sammenbruchs wartet und sich in der Zwischenzeit auf die gewiß berechtigten und notwendigen Klagen gegenüber Sem heutigen Regime beschränkt, wird nicht darauf rech men können, daß er die opferbereite Gefolgschaft findet, die er braucht. Die Vertröstung darauf, daß eine kommende Führergeneration in Deutschland   aufwachsen werde und daß man für sie Plazhalter zu sein habe, ver­fängt nicht, solange in Deutschland   für eine wirkliche illegale Arbeit kaum, für jede Diskussion um eine neue Zielfezung keinesfalls Platz ist.

Sicherlich werden die organisatorischen Formen einer neuen Bewegung, als deren Flügelleute manche Menschen ebenso Leo Trogki wie Otto Straßer   sehen, nicht im Aus­land geschaffen, sondern von den heldenhaften, stillen Kämpfern im Reich. Aber die geistige Vorarbeit dafür kann und muß draußen geschehen, wo Wort und Gedanke noch frei sind,

Es widerspricht aller politischen Erfahrung, möge man an die Zeit von 1848, an die Jahre des Sozialistengefeges. oder an das Wirken der im Ausland lebenden Bolschemiki denken, zu glauben, daß die Emigration keine politischen Aufgaben habe und keinen politischen Einfluß auf die Gr. eignisse in Deutschland   nehmen könnte. Mit der Selbstkritik, nicht als Geiselung, sondern als Worbedingung eines neuen Reife. prozesses beginnt es. Mit der Diskussion um ein neues Deutschland   muß es weiter gehen. Nicht jeder mag dazu geeignet oder in der Lage sein. Aber diejenigen, die einen ernsten Willen haben und die nach reiflicher Prüfung glauben, etwas zu sagen haben, müssen sich zusammenfinden. Zunächst: Ihr da draußen seid ja nicht mehr als die Gemeinde eines Dorfes. 3hr habt zu schweigen, bis die reden, denen heute der Mund verboten ist, heißt eine Politik des Ausweichens treiben. Die parteiamtliche Emigration bedarf, wenn sie politisch wirken will, des Nährbodens, den sie zunächst nur unter ihren Parteifreunden im Auslande finden kann und daher dort suchen muß. Nicht nach der Zahl geht es dabei, sondern auf die Funktion kommt es an, die dieser Zahl zufällt. Wer die Emigration als ein Dorf bezeichnet und fich lediglich als Dorfältester fühlt, hat ebensowenig bes griffen, worauf es ankommt, wie derjenige, der nach dem Busammenbruch sich selbst als Treuhänder einsetzt, aber sich scheut, die Gläubigerversammlung einzuberufen.

Wer sich aber als Kamerad unter Kameraden, als Ge­noffe unter Genossen fühlt und wer daher also keine größere Sorge kennt, als die politische Willensbildung der Emigration zu fördern in der Erwartung, daß aus ihr eine brauchbare Vorarbeit für das kommende Neue erwachse, der zeigt, daß er die Meinung der anderen, oft Jüngeren und nicht minder Klügeren schätzt und selbst nicht in eine heute doppelt unerträgliche Ueberheblichkeit verfällt. Man schaffe nicht nur Parteigruppen mit Mitglieds. büchern, sondern Diskussionszirkel ernsten theoretischen und praktischen Auf­

mit

gaben. Die besten Köpfe aus diesen Zirkeln rufe man mit Vertretern aus der Saar und aus dem Reiche zu sammen und schaffe auf einer kleinen Tagung, ähnlich wie einst in Wyden, die Plattform des kommenden Kampfes.

Die Frage, wer nach Hitler   kommt, ist nicht so sehr eine Frage für Propheten oder für Anhänger einer vulgären fatalistischen Auffassung, sondern eine Frage an den per fönlichen Willen jedes einzelnen und jeder Gruppe. Wer zuerst und wer am besten den Kampf führt, dem werden bie Massen folgen.

Ein Teil der Emigration darf den andern nicht zur Aus wanderung degradieren. Nur in gemeinsamer Arbeit, nicht aus Befehl und Gefolgschaft kann eine neue politische Ge meinschaft erwachsen.

Fast sechs Monate sind verflossen. Ein harter und be. deutungsvoller Winter steht in Deutschland   vor der Tür. Wann wird die Wintersaat gesät, damit, wenn der Frost weicht, die Felder grünen?

( B. S.) Die Sozialistische Konferenz in Paris   hat folgen-. den Antrag Otto Bauer  ( Wien  ):

In den Ländern, in denen der Faschismus gesiegt hat, kann die faschistische Diktatur nur durch die revolutio= näre Erhebung der Volksmassen gestürzt werden. Die revolutionäre Macht, aus der Revolution gegen den Faschismus hervorgegangen, wird nicht nur den Faschis­mus entwaffnen, sondern auch in kräftigen Schlägen seine wichtigsten wirtschaftlichen Grundlagen, das Privateigentum des Großkapitals und des Großgrundbesißes vernichten, die Basis der neuen Gesellschaftsordnung erobern und auf dieser Grundlage eine sozialistische Demokratie aufbauen.

In den Ländern, in denen die Demokratie fortbesteht, muß die Arbeiterklasse die Freiheitsrechte des Einzelnen und des Volkes, die Herrschaft des allgemeinen Wahlrechts und die Freiheit der Gewerkschaften mit Einsaß ihrer gan­Ben Kraft verteibigen.

Aber sie muß sich dabei bewußt sein, daß die Demokratie die Massen nur dann festzuhalten und vor der verlogenen Demagogie des Faschismus zu bewahren vermag, wenn sie den Volksmaffen durch kräftiges Handeln ihre Fähigkeit be­meift, fie, gegen den Kapitalismus zu schüßen, die Arbeits­losigkeit wirksam zu bekämpfen, die sozialistische Umwälzung der Gesellschaft einzuleiten. Die Demokratie fann wirksam nur verteidigt werden im Kampfe um die Erweiterung der politischen zur sozialen Demokratie.

Der Zionisten- Kongress Wird Weizmann   wieder Präsident?

Die zu erwartende Zuspizung auf dem Prager Zionisten­fongreß ist eingetreten.

beiterpartei über die Ermordung Orlojoroffs erhalten hat. Aus ihnen soll hervorgehen, daß bei einem der aktivsten Revisionistenführer Palästinas  , Achi Meir, Tagebuchauf­Revisionistenführer Palästinas, Achi Meir, Tagebuchauf­zeichnungen und Briefe gefunden worden seien, aus denen feine und seiner Freunde Schuld an der Ermordung Arlo­foroffs klar hervorgehe.

Ihren Anlaß bilden Depeschen aus Palästina, die die Ar­

Die Entscheidung, ob unter diesen Umständen ein weiteres Verkleiben der Revisionisten im Kongreß noch möglich ist, steht in engem Zusammenhang mit der Frage der Wahl des Präsidenten der zionistischen   Exekutive. Von vornherein gab es starke Köpfe, die gerade angesichts der Größe der jetzt au lösenden Aufgaben die Wiederkehr des langjährigen Präsidenten Prof. Chaim Weizmann  

In den Ländern, in denen der Faschismus die Demokratie unmittelbar bedroht, muß die Arbeiterklaffe zum Rampf mit allen Mitteln entschlossen sein, sie darf kein Opfer scheuen, um Angriffe des Faschismus abzuwehren.

Auch die kommunistischen   Arbeiter tönnen angesichts der blutigen Mißhandlungen und völligen Entrechtung der deut schen Arbeiterklasse durch die faschistische Diktatur nicht mehr verkennen, daß es für die Arbeiterklasse eines jeben Bandes lebensnotwendig ist, die demokratischen Einrichtungen als Bürgschaft ihrer Bewegungs- und Kampfesfreiheit zu ver teidigen.

Andererseits haben die deutschen   Ereignisse die sozialdemo fratischen Arbeiter in ihrer Ueberzeugung bestärkt, daß bort, wo die Bourgeoisie den Boden der Demokratie verlassen, sich dem Faschismus in die Arme geworfen und der Arbeiter­klaffe die demokratischen Rampfmittel entrissen hat, tein anderer Weg zur Befreiung führt als der des revolutionären Kampfes.

Angesichts der Erfahrungen in der Geschichte ist die Fort­dauer der Spaltung der Arbeiterklasse nicht au rechtfertigen. Die Sozialistische Arbeiter- Internationale lehnt daher alle Einheitsfrontmanöver ab, die nicht der internationalen Eini­gung, sondern nur dem Rampfe innerhalb der Arbeiterklasse dienen, sie erneuert jedoch die Erklärung ihres festen Wil­lens, alles, was in ihrer Macht ist, zu tun, um die zersplit­terten Kräfte der Arbeitermassen zusammenzuführen.

Amtlich!

,, Jüdische Geschäfte werden nicht zugelassen" Wir lesen in Mannheimer   Zeitungen:

Die Versteigerung der Verkaufsbuden auf der Verkaufs­messe am Adolf- Hitler- Ufer auf dem rechten Neckar  - Ufer für die vom 1. bis einschließlich 10. Oktober dauernde Spätfahrs­messe findet am Mittwoch, dem 20. September 1933, 9 Uhr, an Ort und Stelle statt. Der Steigpreis ist sofort au be zahlen.

Jüdische Geschäfte werden nicht zugelaffen. Mannheim  , den 14. August 1938.

Der Oberbürgermeister.

Nur bei der Steuererhebung weiß der Herr Oberbürger meister auch die Juden zu finden.

forderten. Diefe Richtung hat neuerdings Boben gewonnen, Christentum verboten!

nachdem außer der überwiegenden Mehrzahl der Arbeiter­partet auch die Radikalen und die Mehrheit der allgemeinen Bionisten für die Wiederberufung Weizmanns stimmen werden. Eine Mehrheit von mindestens 65 Stimmen( 190 gegen 125) wäre bereits jetzt gesichert, doch rechnet man da= mit, daß sich das Verhältnis zu Gunsten Weizmanns noch verbeffern wird Weizmann   hält sich dem Vernehmen nach in nächster Nähe Prags   auf. Im Falle seiner Wahl würde

er natürlich als alter Anhänger einer vorsichtigen diploma tischen Verhandlungsform aum minbesten mit schärffter Opposition der Revisionisten zu rechnen haben.

Dem Reichsbanner gestohlen! Der deutsche   Raubstaat

Der Regierungspräsident von Magdeburg  

Durch Verfügung des Hamburgischen Polizeiherrn ist auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten   vom 28. Februar die Freie Christengemeinde e. V." für das ham­burgische Staatsgebiet verboten und aufgelöst worden. Das, Vermögen der Freien Christengemeinde" wird beschlag­nahmt und eingezogen.

Auch da gehört er hin Hitlergruß beim Reichsgericht

Der Reichsiustizminister hat angeordnet, daß der deutsche Gruß durch Erheben des rechten Arms auch in den Sizungen des Reichsgerichts und des Reichspatentamts zur Anwendung gelangt.

gibt bekannt, daß das Resttaufgeld, das bas Reich 3 ban Lahusenprozeß am 29. August

ner Schwarz- Rot- Gold für den Verkauf zweier Grundstücke( Stadiongelände und Horst- Wessel- Haus) an die Stadt Magdeburg   in Höhe von 158 760 Wark zu beanspruchen hat, zu Gunsten bes preußischen Staats eingezogen wird. Diese Maßnahme gründet sich auf das Geseb über die Ein­ziehung volks. und staatsfeindlichen Vermögens.

Wegen illegaler Fortsetzung der APD. find 12 Stommus nisten in Arnstadt   verhaftet worden.

Der ehemalige Petriebsdirektor der städtischen Werke Eutin   wurde in Schußhaft genommen. Es wurden mehrere Korruptionsfälle au, zebeat, in die weitere marristische Parteibuchbeamte verwickelt find.( Selbverständlich Schwin Parteibuchbeamte verwidelt find.( Selbverständlich Schwin bel, aber aur Ablenkung von der eigenen Korruption aufs del, aber zur Ablenkung von der eigenen Korruption auf­gezogen.)

( Inpreß): Der Prozeß gegen die Gebrüder Lahusen, fri­here Geldgeber der nationalsozialistischen Partet, einer der größten Finanzskandalprozesse Deutschlands  , ist für den 29. August angesetzt worden.

Der Prozeß sollte bereits am 28. Februar stattfinden und wurde damals auf Anregung der Nationalsozialisten ver­schoben. Es schien dann eine Zeitlang, als würde das ganze Verfahren vergessen werden". Aber ein Teil der national sczialistischen Leitung hat das Verfahren wieder in Gang ge bracht, und zwar mit der ausgesprochenen Absicht, einige prominente Führer der Nationalsozialisten zu kompromit tieren. Man besinnt sich darauf, daß vor turzem der Ver­such gemacht wurde, die Akten des Konkursverfahrens der Nordwolle- Kämmereien der Gebrüder Lahusen zu ver

brennen.