Demifare

11.02

Fredhei

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands  

Nummer 65-1. Jahrgang Saarbrücken  , Sonntag/ Montag, 3./4. Sept. 1933

Kein Präventivkricg!

Chefredakteur: M. Braun

Diplomatische Offensive gegen Deutschland   in Aussicht

Paris  , 2. Sept.( Eig. Draht.) In maßgebenden poli: tischen Kreisen hält man es für eine bewußte Herausforde: rung, daß der Reichskanzler als Parteiführer die glanzvoll ften Rundgebungen des Parteitages von Nürnberg   auf den Sedantag gelegt hat. Es sei kein Zweifel erlaubt, daß die Hitlerformationen, die nun alle wehrwilligen und wehrs fähigen deutschen   Jungmannschaften umfaßten, die Grund­Lage der Wiederaufrüftung Deutschlands   bildeten. Es seien die Kaders der deutschen   Miliz.

Ministerpräsident Daladier   hat in Saargemünd   hart an der deutscher   Grenze auf die gewaltigen nationalistischen Rundgebungen, die seit Monaten ganz Deutschland   übers fluten und die deutsche   Jugend in einen Rauschzustand vers fegen, ruhig und fest geantwortet, Frankreich   wolle nichts als seine Grenzen schützen. Das ist die Meinung aller fühs renden Politiker:

Nicht Präventivkrieg, sondern Präventive attion gegen den Krieg!

Der Wille zu dieser Präventiv- Friedensaktion ist aber fester, als man in Deutschland   bei der äußeren Ruhe des französ

weichen kann, auch noch die militärische hinzufügen will. An einen Sieg Deutschlands   glaubt kein Mensch. Man ist vielmehr fest davon überzeugt, daß Frankreichs Uebers legenheit durch seinen Rüstungsvorsprung und seine Bünd nisse bis auf weiteres vollkommen gesichert ist. Kommt es zum Krieg, so wird es danach ein deutsches Reich nicht mehr geben.

Das ungefähr sind die Meinungen, die man in Franks reich jetzt allenthalben aussprechen hört. Der Herbst droht mit Stürmen. Ob sie sich bald wieder in ein sanftes Säu­mit Stürmen. Ob sie sich bald wieder in ein sanftes Säu­seln verwandeln oder ob sie sich zu einem Orkan steigern werden, der vernichtend über Europa   hinwegfegen wird, vermag keiner vorauszusagen. Man sieht hier in hitler den Mann, der die ganze Welt gegen Deutschs  land geeinigt hat, und man fühlt sich stark gegen ihn. Gerade die extremsten Nationalisten bliden hoffnungsvoll in die Zukunft. Ihr Ziel ist Deutschlands   Unters gang und ihre Hoffnung heißt Hitler  .

fischen Volks und seiner ruhig amtierenden Regierung glans Frankreich   und Oesterreich

ben mag. Der Wille geht nur dahin, Deutschland   zur Res spektierung der bestehenden Verträge zu zwingen. Dabei hat Frankreich   die Weltmeinung geschlossen für sich, aber es will fich damit nicht begnügen, sondern es betreibt eine Außens politit, die auf gemeinsame diplomatische Aktio= nen gegen das jezige Deutschland   gerichtet ist. Allein wird Frankreich   nicht vorgehen. Es blickt gespannt auf England, und man ist hier überzeugt, daß die englische   Regierung ihre wohl berechnete Paffivität demnächst aufgeben und gemeins sam mit Frankreich   die diplomatische Offensive ergreifen wird. Man erwartet, daß England binnen kurzem gewillt ist, von Deutschland   die Einstellung der expansiven Politik gegen Desterreich und die Wiederabrüstung auf den vers tragsmäßigen Stand zu verlangen. Der diplomatische Stoß wird sich unmittelbar gegen die Wehrverbände der SA.  , der SS. und des Stahlhelms richten.

Man rechnet durchaus damit, daß die Annahme solcher Forderungen durch freundschaftliche Ermahnun­gen nicht zu erreichen ist. Nur wenn die Hitlers  regierung fürchten wird, das Reich könnte zu Bruch gehen und sie selbst könnte unter den Trümmern begraben wer= den, erst dann wird sie sich zur Annahme so schwerer Be­dingungen bequemen, deren innerpolitischen Folgen nicht abzusehen find.

Die Hitlerregierung wird vor die Entscheidung gestellt sein, ob sie der diplomatischen Niederlage, der sie nicht aus

Der französische   Minsterrat

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Jm Kabinettsrat- dem ersten seit den Parlamentsferien - gab Außenminister Paul Boncour   einen sehr aus­führlichen Bericht über die außenpolitischen Ereig= niffe. Der Außenminister gab eine Schilderung des Widerstandes des österreichischen Bundes­tanzlers gegen den Nationalsozialismus und die Unter­redung, die Dollfuß   in Riccione   mit Mussolini   hatte. Er teilte seinem Kollegen ferner in großen Zügen die öster­reichische Heeresreform mit, über die gegenwärtig die Verhandlungen zwischen den Unterzeichnern des Ver­trages von St. Germain noch andauern. Es machen sich Be­denken geltend, wie verhindert werden kann, daß die Erhöhung der österreichischen Heeres­stärke und die teilweise Einführung des Re­frutensystems als Präzedenzfall dienen kann. trutensystems als Präzedenz fall dienen kann. Nach kurzen Andeutungen über die Möglichkeiten einer so­fortigen wirtschaftlichen Hilfe für Oesterreich erstattete der Ackerbauminister Queuille und der Handels­minister Serre nähern Bericht über dieses Problem, wobei die Frage der österreichischen Holzeinfuhr nach Frankreich  eingehend diskutiert wurde. Ministerpräsident Daladier gab seine Eindrücke über seine Inspektionsreise an der französischen   Ostgrenze bekannt.

Nur ein Wunder

In einem Artikel mit der Ueberschrift Das große Hindernis der Rüstungsbeschränkungen" Schreibt die Newyork Evening Post":

Der hohe politische Jdealismus von Roosevelt   darf uns nicht hindern, die Lage so zu sehen, wie sie ist: Nur ein Wun­der kann die Abrüstungskonferenz retten. Jede wirksame Handlungsmöglichkeit in Genf   ist durch das Aufkommen des Nationalsozialismus in Deutschland   unmöglich geworden. Das Hauptproblem in Genf   war immer das der Abrüstung Frankreichs   und Deutschlands  , und dieses Problem hat sich als unlösbar erwiesen. Die politische Haltung der deutschen   Regierung hat nicht nur Frankreich   bewiesen, daß seine Weigerung abzurüsten, be­gründet und logisch war, sondern sie hat es auch in seiner Entscheidung bestärkt, dem englisch  - amerikanischen Druck, der in diesem Sinne ausgeübt wurde, nicht nachzugeben. Die Vereinigten Staaten sind heute weniger als jemals in der Lage, Frankreich   die Sicherheit zu garantieren, was immer die Bedingung einer Abrüstung gewesen war; ießt aber, wo Frankreich   sich dem dritten Reiche" gegenüber sieht, kann man unmöglich von ihm erwarten, daß es Kon=

Deutschlands   Absturz

London  , den 30. August 1933. Das britische   Handelsministerium veröffentlicht einen Be­richt über die wirtschaftliche Lage in Deutschland  . Dieser stellt fest, daß der Wert der englischen Ausfuhr nach Deutschland  im ersten Dritteljahr 1933 um 32 Prozent gefallen ist, wäh­rend die deutsche Einfuhr nach England sich um 41 Prozent vermindert hat.

Der Bericht führt auch aus, daß der deutsche   Welterport um 18 Prozent, der englische um 5 Prozent geringer gewor­

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sessionenm a cht, die es ablehnte, als die deutsche   Außen­politik noch von einem so hervorragenden Mann wie Strese­politik noch von einem so hervorragenden Mann wie Strese mann geführt wurde.

Uebrigens haben wir keinen gewichtigen Grund, von Frankreich   eine andere Handlungsweise zu verlangen. Man kann unmöglich die wohlbegründeten Ansichten Frankreichs  verkennen. Gleiches Recht auf Bewaffnung fäme nach der Meinung von Paris   einem militärischen Uebergewicht Deutschlands   gleich. Entweder muß Deutschland   gezwungen sein, die in dem Versailler Vertrag vorgesehenen Be­schränkungen zu beobachten, was vorläufig unmöglich ist oder man muß Frankreich   die Freiheit lassen, Deutschland   in der Organisation seiner Ver­teidigung voraus zu sein. Solange eine deutsche Republik bestand, die sich dafür verantwortlich fühlte, den europäischen   Frieden aufrecht zu erhalten, schien eine solche Haltung nicht zu verteidigen zu sein. Heute geben die einge­standenen Ziele des Nationalsozialismus der Sache ein ganz anderes Aussehen. Frankreich   hält den Schlüssel der Ab­rüstung in der Hand. Aber ihm gegenüber steht ein Hitler, der feierlich erklärt hat, niemals das Dasein einer anderen Macht in Europa   neben sich zu dulden.

den ist. Der Wert der deutschen   Einfuhr britischer und irischer Güter im Jahre 1932 betrug bereits nur 259 Millionen Mark gegen 453 Millionen im Jahre 1931 und die deutsche   Ausfuhr nach Großbritanien und Irland   ist in derselben Zeit von 1133,6 Millionen Mark auf 446 Millionen gesunken.

Nach einer Untersuchung der politischen Lage in Deutsch­ land   kommt der Bericht zu dem Schluß: Gegenwärtig ist Zu­rückhaltung der gesündeste Standpunkt und es ist ratsam, nicht davon abzuweichen, sondern abzuwarten, bis der neue Zustand, der fast gänzlich von neuen Männern geschaffen worden ist, sich bewährt hat.

Der Marxismus  , der jene Men­schen zum Schäumen brachte, war nichts Geringeres als der soziale Gedanke selbst. Mit jüdischem Geist aber meinte die nationalsozialistische Bewegung den Geist. Der Aufstand der weniger Gesitteten gegen die Vernunft und ihre Verteidiger, daraus besteht diese Bewegung ganz. Heinrich Mann  .

Nürnberg  

D. F. Jn zwei großen Rundgebungen hat der national sozialistische Parteiführer und deutsche   Reichskanzler am Freitag zu Nürnberg   zu seinen von Jubel berauschten Parteigenossen, zu dem viel kühleren deutschen   Volke und zur sehr kritischen Welt gesprochen. Es war viel von heroischer Weltanschauung die Rede, und dennoch war die Furcht vor einer ungewissen Zukunft ein immer wieder anklingender Grundakkord.

In der politischen Proklamation Adolf Hitlers  , die uns in diesem Aufsatz allein beschäftigt, haf er noch und wieder mal allen Gegnern des Nationalsozialismus un erbittlichen Rampf bis zu ihrer völligen Ver. nichtung und unterwerfung angesagt. Solche Worte könnten von innerer Kraft zeugen, wenn sich dieser Mann für sich und seine Taten dem Volksurteil wirklich stellen wollte. Er verkündet aber gleichzeitig, daß er Kritik, ja nicht einmal die öffentliche Erörterung der die Staatsführung beschäftigenden schwierigen Fragen zulassen will:

Es ist denkbar, daß auch sehr weise Männer über bes sonders schwierige Fragen zu keiner ganz vollkommenen Klarheit zu kommen vermögen. Allein es bedeutet die Kapitulation einer Führung an sich, wenn sie gerade solche Probleme dann der öffentlichen Behandlung und jeweiligen Stellungnahme übergibt. Denn fie mutet das durch der breiten Masse mehr Urteilskraft zu, als die Führung selbst besitzt..

In diesen breiten Massen, über die Hitler stets mit überheblicher Verachtung zu sprechen pflegt, stecken nach langer geschichtlicher Erfahrung die Kräfte, die dem Geist, der Technik und der Wirtschaft neue Bahnen brechen. Hitler   selbst konnte aus dieser Masse nur aufsteigen, meil eine furchtlose Staatsführung auch der Masse die Mitbestimmung zugestand. Es ist maßlose Ueberhebung, glauben machen zu wollen, daß nun ein Führer oder eine kleine Führergruppe allein zu bestimmen hätte und dauernd bestimmen könnte, mem die entscheidende Ur­teilskraft über die Schicksalsfragen der Nation zusteht. Hat nun der Mann irgendein großes Programm oder nur ein visionäres Zukunftsbild entworfen? Nein! Wohl sagte er, es sei gleichgültig, ob tausend Kritiker leben, wenn nur das Volk nicht besiegt und zugrunde­gerichtet werde, aber mehr als beschimpfende und ver­leumdende Kritik an seinen Vorgängern hat dieser Hitler auch diesmal nicht zu bieten vermocht. Da steht drängend und den Kanzler sichtbar ängstigend die Frage der Ueberwindung der Arbeitslosigkeit por uns. Nichts weiß der Kanzler darüber zu sagen, als daß die Arbeit ge streckt werden müsse. Das ist eine in der langen kapitalistischen   Krise immer wieder erhobene Forderung gewerkschaftlicher Vernunft und Solidarität. Wenn sie bisher nicht verwirklicht werden konnte, so des. halb, weil die Krupp und Thyssen und Bögler sie verhinderten, die jetzt allmächtige Ratgeber im Wirt schaftssenat des Reichskanzlers sind. Nichts ist aus der Rede des Führers der größten deutschen   Massenbewe gung davon zu hören und zu spüren, daß die Existenz der kapitalistischen   Wirtschaftsordnung in Frage gestellt ist. Nichts davon, daß jede schöpferische, politische und wirtschaftliche Kraft über die Desorganisation des jezigen Produktions- und Verteilungssystems hinaus weisen muß. Adolf Hitler   irrt in seiner abgrundtiefen Unwissenheit, die durch seinen Rassenfanatismus nur kümmerlich verdeckt wird, sich sehr, wenn er dem Marris­mus nur zersetzende Kritik zutraut. Gerade in der Unter­drückung, die den Marxisten aus jeder öffentlichen Be­tätigung und Verantwortung unseres Landes hinaus­gedrängt hat, wird die Besinnung und die Vertiefung wachsen, die zur konstruktiven Ueberwindung der faschi­stischen Konservierungsversuche einer überholten Wirts schafts- und Gesellschaftsordnung notwendig sind.

Hitler will aus dem deutschen   Volke den Geist des 3 weifels restlos austreiben. Schon dieses Wort ,, austreiben" kennzeichnet den Barbaren. Es ist der Un­geist eines Mannes, der innerlich nie über den Kasernen­hof hinausgewachsen ist. Das bleibt wahr, auch wenn ein Massenwahn, eine Psychose irren Glaubens diesen hohlen Rhetor noch so hoch erhebt. Aus Zweifel und Glauben, aus Kritik und Positivem ringt sich ewig der Fortschritt empor.

Stolz verkündet der deutsche Reichskanzler, daß die überwältigende Mehrheit des deutschen   Volkes in treuer Verbundenheit zu dem neuen Regiment stehe. Das emp­finde er als besonderes Glück.

Derselbe Mann aber und dieselbe Bewegung, die be­haupten, von der allgemeinen Volksliebe getragen zu merden, gestatten nicht einem einzigen Gegner das Wort. Keine Zeitung darf auch nur leiseste Mahnungen nach oben richten; sie wird verboten. Reine auch noch so kleine Versammlung darf Wünsche äußern; sie wird unterdrückt. Nicht einmal ein einzelner Mann oder eine einzelne Frau im Lande dürfen im vertrauten Gespräch ihre Not und ihre Sorge äußern. Sondergerichte werfen Verzweifelte jahrelang in die Kerker, wenn sie in die Begeisterung der Nuznießer des Staates nicht einstim