Das Düsseldorfer Sondergericht hat neun angebliche Kommunisten wegen Mordes und Mordversuches zum Tode verurteilt; sie werden also, da es Begnadigungen im erneuerten Deutschland nur noch in seltenen Fällen für gemeine Verbrecher, nicht aber für politische gibt, demnächst das Schafott besteigen. Allein die Vorstellung dieser MassenHinrichtung, der neun mit dem Beil abgeschlagenen Köpfe genügt, um die neudeutsche Rechtsprechung anschaulich in ihrem Blutdelirium zu zeigen.
Was aber hat es überhaupt mit diesem„ Mord" auf sich, den die neun Opfer der deutschen Blutjustiz begangen haben sollen? Nach der Darstellung in der Urteilsbegründung haben die Verurteilten als Racheaktion für einen Zusammenstoß- das heißt für einen Naziüberfall,
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am 20. Juni des vorigen Jahres, also zu Zeiten eines ganz Deutschland in Atem haltenden BürgerKleinkrieges, das SA.- Heim in Düsseldorf - Erkrath überfallen, und zwar planmäßig mit Pistolen, wobei dann zwei SA.- Leute getötet wurden. Nehmen wir selbst diesen Tatbestand an, wie ihn das Urteil schildert, so handelt es sich nach Sinn und Wortlaut des deutschen Strafgcseges allenfalls um vorsätzliche Tötung. Das Nazigericht hat aber gegen das Gesetz und gegen alle bisherige Praris ganz einfach die Ueberlegung der Mordabsicht vorausgesetzt; und auf dieser Voraussetzung beruhen die Todesurteile. Die zwei Getöteten hatten, nach dem Prozeßbericht reichsdeutscher Blätter, nur je eine Schußverletzung; verurteilt aber werden neun Menschen, von denen jeder einzelne als Mörder angesehen wird, von denen mindestens sieben ganz bestimmt unschuldig sein müssen! Bis zum Naziregime wurden Teilnehmer einer solchen Aktion, wenn nicht einwandfrei feststand, wer den tödlichen Schuß abgegeben hatte, stets nur wegen Landfriedensbruches bestraft.
Soweit die juristische Wandlung des neuen deutschen Blutracherechtes, das gleichzeitig alle Nazigewalttaten jener Epoche amnestierte und die Mörder von Potempa schleunigst aus dem Zuchthaus holte. Potempa ist übrigens ein sehr wertvoller Vergleich zu dem Düssel dorfer Urteil. Als dort unter dem Terrorgesetz der PapenRegierung Todesurteile gefällt wurden, heulte die ganze Nazipresse Deutschlands über das Blutverdikt, telegrafierte der heutige Reichskanzler an seine Kameraden( deren Anführer ehedem Landsknecht unter polnischer und französischer Flagge gewesen war). In Potempa überfielen bewaffnete und besoffene SA. - Leute, die eigens zu dieser„ Strafexpedition" geholt worden waren, den schlafenden Arbeiter Pietrzuch und trampelten ihn zu Tode, in Erkrath handelte es sich, selbst wenn man die Darstellung der Anklage zugrunde legt, allenfalls um einen„ Racheaft" gegen keines
IX TOD Qubord
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sie der Erde Schoß, aus dem sie zu unserem Unglück ents sproffen, zurückzugeben, daß auf ihrem Moder ein edlerer Same zum Heile des Volfes gedeihe".
Es ist ein Wettbewerb der Bestielität: neun Todesurteile an einem einzigen Tag und dieser Blutrausch der kalten Rache".
wegs friedliche und bestimmt bewaffnete Nazisoldaten. In Alfred Braun befördert!
Potempa protestierte Hitler gegen das ungeheuerliche Bluturteil", im Düsseldorfer Prozeß werden die wehrlosen Angeklagten, deren Verteidiger sich empört dagegen verwahrten, etwa mit früheren kommunistischen Rechtsberatern" auf eine Stufe gestellt zu werden, ganz selbstverständlich zum Tod verurteilt, und so unbestreitbar dokumentiert, daß nicht die Tötung, sondern die Uniform des Getöteten entscheidet.
War es ein SA.- Mann, so ist es Mord, werden neun für zwei aufs Schafott geschickt; war der Tote hingegen ein ,, Untermensch", ein Marrist ja dann besteht alle Aussicht, daß der Täter nicht nur Anerkennungstelegramme des Führers, wie die Mordgesellen von Potempa, sondern wie die Rathenau - Mörder in späteren Jahren auch eine Gedenktafel bekommen.
, Trieb der kalten Rache"
Dresden , 13. Sept. Zu den in Düsseldorf gefällten neun Todesurteilen schreibt der nationalsozialistische Freiheits: kampf": Es ist nicht der Trieb der kalten Rache allein, den neun Verurteilten die Köpfe abzuschlagen. Der Staat ist aus „ Gründen der Selbsterhaltung gezwungen, diese Pestträger der inneren Zerstörung aus seinem Fleische zu reißen und
Brief aus Baden
' Auszug nach Ottenhöfent
Die nationalsozialistischen Kreisleiter des badischen Muschterländles versammelten sich dieser Tage im schönen Schwarzwaldkurort Ottenhöfen . Die Wahl dieses etwas abseits in stiller Schwarzwald - Verträumtheit liegenden Kurstädtchens versuchte der Reichsstatthalter Robert Wagner ( früher Backfisch) seinen Getreuen und noch mehr der gesamten Oeffentlichkeit plausibel zu machen, indem er auf das Beispiel des" Führers" hinwies, der ebenfalls aus den Steinwüsten der Großstädte in die stille Bergeinsamkeit geflohen" sei. Der Führer" sei der Meinung, daß solche Tagungen den Blid weiteten und dazu führten, daß man alle Fragen der Gegenwart ruhiger und sicherer abseits der Großstädte beurteilen lerne. Wenn man im amtlichen Bericht, den die Nazipresse über diese Tagung veröffentlicht, herumstöbert, gelangt man allerdings zu der Ueberzeugung, daß den Naziführern ein geweiteter Blick" und eine„ ruhige" sowie sichere" Beurteilung der Fragen der Gegenwart nichts schaden könnte. Aber ob da Ottenhöfen hilft? Das Kurörtchen wird im allgemeinen nur von Nervenkranten aufgesucht. Unsere badischen Naziapostel sind mehr als nur nervenkrank! Unser hochverehrter Reichsstatthalter verkündete im übrigen während seiner Ansprache, daß die alte Schlagkraft und Organisation in der Partei wiederhergestellt werden müsse, wenn man die Schwierigkeiten des bevorstehenden Winters überwinden" wolle. Mit„ neuen Dienſtvorschriften", die demnächst herauskommen, will er den bösen Feind bändigen. Die Vorstellungswelt des ehemalinen Leutnants Back fisch, der nun die Ehre hat, wohlbestallter Reichsstatthalter zu sein, gründet fich auf Dienstvorschriften. Den badischen Arbeitslosen wäre Arbeit und Brot und politische Freiheit allerdings lieber! Luftschutz große Mode!
In allen Teilen des Landes arbeitet man fieberhaft an der praktischen Durchführung der Luftschußpläne, die von den verschiedenen amtlichen Stellen veröffentlicht wurden. In den Fabriken sind bereits gassichere Keller ausgebaut und nationalsozialistische Beamte sowie Arbeiter mit bestimmten Funktionen betraut worden. ' Amnestie für nationale Spitzbuben
Das Justizministerium bereitet ein Geses vor, das eine neue Amnestie vorsieht für Straftaten, die aus politischer Ueberzeugung im Kampf für das dritte Reich" begangen worden find. Nachdem man jünast schon allen Schulmeistern, die sich früher ihrer nationalsozialistischen Schnauze wegen einmal ein paar Mark Geldstrafe geholt haben, die Be träge wieder zurückgezahlt hat, soll also jetzt
Wir entnehmen„ Het Volk", dem holländischen Sozialisten.
blatt":
" Im Konzentrationslager Oranienburg sitzt eine Anzahl der meist gehaßten Sozialdemokraten, u. a. Heilmann, Künstler, Löbe, Westphal usw. Sie gehören zu den Zweiterrang- Gefangenen". Das bedeutet, daß sie nicht in Einzelzellen eingeschlossen sind, sondern sich tagsüber ,, frei" bewegen dürfen. Sie müssen arbeiten, und man hat die unangenehmsten Beschäftigungen für sie ausgesucht. Künstler reinigt die Toiletten; der Radioansager Alfred Braun scheuert die Gänge. Die Lagerleitung hat vor einigen Wochen für Alfred Braun , der in ganz Europa durch seine ausgezeichneten bunten Abende bekannt ist, eine besondere Strafe ausge dacht. Er mußte für die Gefangenen einen nationalen bunten Abend arrangieren. Die Lagerleitung hat ihre Freude dabei erlebt! Alfred Braun hat tatsächlich einen bunten Abend arrangiert, und Gefangene, die man inzwischen freigelassen hat, haben erzählt, daß sie dabei seit langer Zeit wieder einmal gelacht hätten. Wie raffiniert Braun die Nazis und die SA. dargestellt hat,
allen Nazis, die wegen verbrecherischer Handlungen bestraft wurden, Amnestie gewährt werden. In Zukunft will man dann alle Verfehlungen ohne Rücksicht auf die Person des Täters mit aller Schärfe" ahnden. Eine mannhafte Sprache. Tenkt man dabei vielleicht an die revoltierenden SA.- Leute von Freiburg ?
Wie die Nazizeitungen Abonnenten werben
Alle Zwangsmaßnahmen vermochten nicht die Abonnenten der verbotenen Arbeiterzeitungen den Nazizeitungen zuzuführen. Obwohl viele Fälle bekannt sind, in denen Beamte und Arbeiter, die im städtischen oder staatlichen Dienst stehen, gezwungen wurden, die nationalsozialistischen Zeitungen zu abonnieren, sträubten sich doch wieder viele im Privatdienst tätige Angestellte und Arbeiter, die Naziblätter zu bezahlen. Die noch erscheinenden bürgerlichen Zeitungen, deren Abonnenten ebenfalls unter Druck gesetzt wurden, mehrten sich durch Eingaben und Bittgesuche bei Regierungsstellen gegen diesen unlauteren Wettbewerb. Das„ Heidel= berger Tageblatt", eine der angesehensten bürgerlichen Zeitungen Süddeutschlands , brachte sogar den Mut auf, in einer recht scharf gehaltenen Erklärung gegen das unverschämte Treiben der Nazi- Abonnenten- Werber zu protestieren. Die Antwort darauf lautet:„ Das badische Ministe= rium des Innern hat das„ Heidelberger Tageblatt" auf Grund des Gesetzes vom 28. Februar zum Schuße von Volk und Staat auf vierzehn Tage verboten." Heller Jubel in der Nazipresse des ganzen Landes. Der badische Innenminister macht sich mit diesem Verbot zum amtlichen Abonnentenwerber für die Nazipresse. Statt aufzuhören, werden sich von nun an die Drangfalierungen, denen die Leser der bürgerlichen Presse ausgesetzt sind, nur noch mehren. Der Staat besorgt so die Geschäfte der Nazipresse, an der die Herren Minister immer nach dem Grundsatz: Gemeinnut geht vor Eigennut" meist sogar finanziell beteiligt sind.
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Wer Geld hat, wird aufgenommen!
Immer wieder liest man, daß die Nazipartei eine Mitgliedssperre angeordnet habe und bis auf weiteres niemand me enommen werde. In der Praxis wird diese Bestimmung so ausgelegt: Bei einem Geschäftsmann erscheinen zwei SA.- Männer. Sie bitten um eine Spende für irgendeinen Zweck. Zögert der Geschäftsmann, dann erklären ihm die beiden Helden, wenn er drei Mark spende, so werde er dadurch automatisch Mitglied der Partei. Für ihn gelte dann die allgemein angeordnete Sperre nicht. Nun weiß man wenigstens, warum die oberste Leitung Mitgliedssperre angeordnet hat. Nur Pg.'s bekommen Arbeit
Das Arbeitsamt Mannheim veröffentlicht in den Zeitungen mehrere Anzeigen, in denen Arbeiter aller Be
ist einfach nicht zu glauben. Und die SA.- Führer konnten nichts dagegen machen, weil er ihren Auftrag brav ausgeführt und keinerlei Anspielungen gemacht hatte. Ein Ding steht fest: Alfred Braun friegt nie wieder den Auftrag, einen bunten Abend zu arrangieren, und die Gefangenen bedauern das sehr. Troßdem ist Braun zum Schreiber befördert worden, und Heilmann muß die Gängescheuern!"
So sind sie
Deutschlands Führer im englischen Urteil
Der Korrespondent des„ Sunday Expreß " hatte auf dem Nürnberger Parteitag Gelegenheit, die Führer der Hitlerbewegung aus der Nähe zu betrachten. Ueber seinen Eindruck schreibt er:„ Zuerst Göring . Er ist von großer Statur mit einem hübschen und grausamen Gesicht. Er ist der Spielball wilder und unberechenbarer Leidenschaften. Er ist brutal und ohne Gleichgewicht. Die Menschen bewundern ihn wie einen Höhlenbewohner. Nach Göring : Göbbels . Göbbels , der kleine Vitriol- Intellektuelle, mit der Physiognomie eines Juden, sich stützend auf ein armseliges Studium der Ethnographie und irriger historischer Lektüre. Danach Röhm. Er ist der Typ des Gangsters: massig, entschlossen und bestialisch. Dann gibt es noch Heines. Er ist jung, er präsentiert sich geschickt; er ist ein Idealist und ein Mörder. Die Republik steckte ihn ins Gefängnis. Das neue Regime stellte ihn an die Spize der Polizei von Breslau . Schließlich Hitler . Er ist anders. Er ist Fanatiker. Er ist dumm, das ist kein Zweifel, aber er versteht, die Massen zu gewinnen.
rufe gesucht werden. Der Nachsatz ist gleichlautend bei allen Anzeigen folgender:" Bewerber müssen Pg. sein und erstklassige Facharbeiter". Damit auch selchen Bewerber, die etwas schwer von Begriff sind und immer noch nicht gemerkt haben, daß die ganze nationale Revolution nur ein groß angelegter Sturmangriff auf die Futterkrippe ist, allmählich ein Licht aufgeht, gibt das Arbeitsamt offiziell bekannt, daß als„ alte Parteigenossen" nur solche angesehen werden können, die bis zum 30. Januar 1933 der Partei beigetreten waren. Mitgliedsbuch ist Trumpf! Da aber trotz der überwältigenden Erfolge in der Arbeitsschlacht, noch nicht alle Pg.- Postenanwärter untergebracht werden konnten, schmeißt man jetzt auch aus den Privatbetrieben die„ marristisch verseuchten" Elemente hinaus. Fahrpreise herabgesetzt
Der Mannheimer Stadtrat beschloß dieser Tage, daß für uniformierte der Fahrpreis auf der Straßenbahn für alle Strecken nur noch zehn Pfennig beträgt. Als Uniformierte gelten: Angehörige der Reichswehr und der Marine, der SA. , der SS., des Stahlhelm, des Arbeitsdienstes, des Luftschutzes, Amtswalter und Mitglieder der freiwilligen Sanitätsfolonnen sowie der Hitlerjugend . Die Mitgliedschaft in der Hitlerpartei fängt an, sich zu rentieren. Vermutlich deckt Renninger der Oberbürgermeister von Mannheim , ein gewisser bankerotter Fabrikant das entstehende Defizit durch Erhöhung des Fahrpreises für " Bivilpersonen".
Neue Ehrenzeichen
Der Gauleiter und Reichsstatthalter erläßt eine Verordnung, nach der an alle Pgs., die vor dem 27. Oftober 1929 der Partei beigetreten sind, ein Ehrenzeichen verliehen wird, ebenso an alle Nazis, die schon vor dem 9. November 1923 durch Mitgliedsbuch legitimierte Hörige des Hitlerrauschgiftes waren. In der amtlichen Mitteilung wird allerdings nicht angegeben, in welcher Weise dieses Ehrenzeichen an den früheren badischen Reichstagsabgeordneten Lenz und späteren Gauleiter von Hessen ausgegeben wird, der sicherem Vernehmen nach in einem der vielen Konzentrationslager untergebracht wurde, weil ihn Hitlers Programmverrat zur Revolte gegen die Karlsruher Bonzen trieb.
Wir halten durch!
Während sich die Herren in Karlsruhe in schweren Krämpfen winden, die ihnen die Angst vor dem kommenden Winter besorgt, halten unsere Gesinnungsfreunde den Drangsalierungen des Systems wacker stand. In unserem Städtchen ist jedenfalls noch keiner der alten Freunde desertiert. Wir halten durch! Freiheit!
Euer alter Freund Hochwächter.