Nummer 831. Jahrgang
24 September 1933,
Chefredakteur: M. Braun
In den Zeiten der Verwirrung
wirkt am rechten Platz ein kräftig Wort oft Wunder. Viele richten an der andern Mut sich selbst auf, und an einem festen Willen kräft'gen Hunderte den ihren.
Scheffel.
,, Deutsche Freiheit"
von der Saarregierung verboten!
Die gleichgeschaltete ,, Saarbrücker 3eitung" von Freitag, den 22. September, morgens 6 Uhr:
«
Was sie sich erlauben dürfen
Nur eine Feststellung
Wieweit die saarländischen Marristenblätter ihre Berun glimpfung führender deutscher Männer treiben dürfen, be= weist wiederum die Mittwochnummer der sogenannten " Deutschen Freiheit". Dort wird eine Karikatur veröffent= licht mit der Unterschrift:„ Es ging ein Mann durchs Syrer= land, führt ein Kamel am Halfterband!" Das Bild zeigt Adolf Hitler , wie er ein Kamel geleitet, dessen Kopf die Züge des Reichspräsidenten Hindenburg trägt. Die Nase ist von einem Ring durchbohrt, an welchem die Leine befestigt ist. Mit dieser Beschimpfung des greisen Reichsoberhauptes ist die marxistische Presse zu ihren früheren Methoden zurückgekehrt, hat sie doch Hindenburg schon vor Jahren als " massiven Hohlschädel mit dem Brett vor der Stirn" be: zeichnet. Und da wundern sich die Herrschaften, wenn die Saarbevölkerung gegenüber folchen Druckerzeugnissen zur Selbsthilfe greift. Die„ Karikatur" ist ein überzeugender Beitrag zu dem Einspruch der deutschen Saarpreffe in Genf .
b.-"
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Verfügung der Regierungskommission von Freitag, den 22. September, abends 6 Uhr:
Auf Grund des Artikels 12 in Verbindung mit Artikel 1 Ziffer 4 und des Artikels 14 der Verordnung vom 20. Mai 1938 zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicher: heit wird in Erwägung, daß die Deutsche Freiheit" vom 20. September 1933 Nr. 80 durch die bildliche Dar stellung mit der Unterschrift„ Es ging ein Mann durchs Syrerland, führt ein Kamel am Halfterband" den Tatbestand des Artikels 12 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Nr. 4 der Verordnung vom 20. Mai 1933 erfüllt, folgendes verfügt: Artikel 1
Die Tageszeitung„ Deutsche Freiheit" sowie die in dem selben Verlag erscheinenden Kopfblätter der Zeitung sowie jede angeblich neue Druckschrift, die sich amtlich als die alte darstellt oder als ihr Ersas anzusehen ist, wird mit sofortiger Wirkung im Saargebiet auf die Dauer von einer Woche verboten. Artikel 2
Der Direktor des Innern wird mit der Durchführung die= ser Verfügung beauftragt. Das Mitglied der Regierungskommission für die Angelegenheiten des Innern: i. V. gez.: v. Ehrnrooth."
Die betreffende Karikatur war uns vom„ Neuen Vorwärts", dem Zentralblatt der SPD. , zur Verfügung gestellt worden. Der Neue Vorwärts" erscheint bekanntlich in Prag , der Hauptstadt der Tschechoslowakei . Die tschechoslowakische Regierung, Mitglied des Völkerbundes und des Bölkerbundsrates, sah keinen stichhaltigen Grund, gegen die Karikatur einzuschreiten. Die Auslandsausgabe der Deutschen Freiheit" erscheint nach wie vor weiter und wird während der Verbotswoche im Ausland hergeste II t.
Die„ Saarbrücker Landeszeitung", ein 3entrums= blatt, schreibt:„ Die bekanntlich in Saarbrücken im VerTag der„ Volksstimme" erscheinende" Deutsche Freiheit" hatte in oben genannter Ausgabe eine Karikatur gebracht, die den Reichspräsidenten von Hindenburg als ein Kamel darstellt, was bei der gesamten deutschen Bevölkerung eine große Empörung hervorrufen mußte. Wie wir von unterrichteter Seite erfahren, ist das Verbot auf ernste Vorstellungen zurückzuführen, die Minister Koßmann bei zuständiger Stelle der Regierungskommission erhoben hat."
An unsere Leser!
Die kommunistische Arbeiter 3eitung" in Saarbrücken begrüßt das Verbot mit Jubelrufen und dem Appell:
,, Sozialdemokratische Arbeiter, macht Schluß mit der Partei des„ kleineren Uebels" und des Klassenverrats! Revolutionäre Einheitsfront mit der Kommunistischen Partei gegen alle Kapitalisten, für die soziale und natio: nale Befreiung!"
Falls durch das Verbot und die vorübergehende Verlegung des Druckortes eine Störung in der Zustellung eintreten sollte, bitten wir das gütigst zu entschuldigen.
Erstes Bild vom ersten Verhandlungstag.
Verlag und Redaktion der Deutschen Freiheit".
Der Hauptangeklagte, Marinus van der Lubbe ( X), bei der Aussage vor der Richterbank- ein schwerer Psychopath.
Gottes Werkzeug
D. F. Die Vernehmung des Hauptangeklagten vander Lubbe ist, soweit sein Vorleben in Betracht kommt, abgeschlossen. Man hat versucht, schon in diesen Anfängen des großen Prozesses Polemiken gegen das sogenannte ,, Braunbuch" einzuflechten, um dessen Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Insbesondere die Herren Fememörder Heines und Schulz haben in zunächst unverbindlichen Erklärungen ihr Alibi nachzuweisen versucht. Was uns betrifft, so haben wir nie geglaubt, daß die für den Brand Verantwortlichen mit Fackeln im Reichstag herumgelaufen sind, um als Minister und Polizeipräsident selbst die Brandherde zu entzünden. Das Wort„ Brandstifter" für die Herren Göring und Genossen ist in der ganzen Welt stets so verstanden worden, daß diese Herren den Brand aus politischen Hezgründen gewollt und ihn durch ihre Kreaturen veranlaßt haben. Die Herren Heines und Schulz haben, als sie noch mittellose Landsknechte waren, persönlich sich als Femeschlächter betätigt, haben eigenhändig ihre Opfer hingemordet, wie andre gewöhnliche Mörder auch. Jetzt, wo sie hohe und hochbezahlte Würdenträger des ,, dritten Reiches" sind, haben sie natürlich für das praktische Handwerk ihre Gehilfen und betätigen sich bei verbrecherischen Aktionen gegen ihre Volksgenossen nur ,, intellektuell".
Biel wichtiger als die Säuberungsversuche an den blutigen Herren Heines und Schulz ist die Tatsache, daß die eingehende Vernehmung des van der Lubbe in Leipzig vollkommen bestätigt, was der Untersuchungsausschuß fremder Juristen in Lon don festgestellt hat: van der Lubbe ist halbblind. Er ist schwankend und leicht beeinflußbar. Er war bis 1931 Mitglied der Kommunistischen Partei. Seitdem hatte er keinerlei Beziehungen mehr zu ihr. Im Gegenteil widersetzte er sich allen Arbeiterorganisationen, unterstützte faschistische Gedankengänge und trat für individuellen Terror ein. Er lebte in einem anarisch- homoseguellen Kreis und ist selber homosexuell. Wenn in Leipzig der eine oder andere Charakterzug des krankhaften zweifellos minderwertigen Menschen nicht so scharf in Erscheinung trat, so deshalb, weil man viel weniger gründlich gearbeitet hat, als der Londoner Untersuchungsaussch u ß. Dieser hat einen Unterausschuß nach Holland geschickt und dort 16 3eugen vernommen. Das Leipziger Gericht hat zu der sehr bedeutsamen Frage, wie van der Lubbe in Holland gelebt und sich betätigt hat, bisher nur den Kriminalkommissar Heisig gehört, als einen indirekten Zeugen, der nur Aussagen von ihm vernommener Leute in Holland wiedergeben konnte. Er hat sich mit wesentlich geringeren Nachforschungen begnügt als der erwähnte Unterausschuß. Trotzdem ist auch aus seinen Ermittelungen die politische Verworrenheit des van der Lubbe und sein lange zurückliegender Bruch mit der Kommunistischen Partei deutlich genug zu erkennen. Der Londoner Ausschuß hat also, wie jetzt schon erwiesen ist, in einem ersten wesentlichen Punkte wichtige und zuverlässige Arbeit geleistet.
Und nun, da schon in den ersten beiden Prozeßtagen sich ergibt, daß der Wirrkopf van der Lubbe seit Jahren von der Kommunistischen Partei geschieden ist, muß man sich dessen erinnern, was der deutsche Reichskanzler am 27. Februar unmittelbar nach dem Ausbruch des Brandes sagte, als er mit Göring und Göbbels an der Feuerstätte erschien. Sefton Delmar, der Berichterstatter des faschistischen„ Dally Expreß", ein Mann, der sich des besonderen Vertrauens Hitlers erfreut, schildert eine Szene, die sich etwa 20 bis 30 Minuten nach der Ent deckung des Brandes abgespielt hat. Hitler wandte sich an den Vizekanzler von Papen mit folgenden Worten: ,, Das ist ein von Gott gegebenes Zeichen. Niemand wird uns nun daran hindern, die Kommunisten mit eiserner Faust zu vernichten."
und
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Sie sind 3 e uge einer großen neuen Epoche in der deutschen Geschichte. Dieser Brand ist ihr Beginn. Also sprach der deutsche Reichskanzler! So beschwor er Gott und wies auf das sündige Werkzeug des Allmächtigen hin, den jetzt angeklagten van der Lubbe. Und nun vergleiche man mit den tönenden frömmelnden Phrasen des deutschen Reichskanzlers das Bild der Jämmerlichkeit und der Verkommenheit, das der Kronzeuge des deutschen Reichskanzler in Leipzig bietet. Selbst die gleichgeschaltete Vossische Zeitung" findet ihn geistig stumpf und völlig apathisch. Auf den Prozeßbildern sieht man den Menschen wie geprügelt in gebeugter willensschwacher Haltung dastehen. Verworren sind seine Aussagen. Nur wenn er gefragt wird, ob er Beziehungen zu Nationalsozialisten hatte, wird er bestimmt. Soviel weiß er natürlich, daß er seine Auftraggeber nicht preisgeben darf. Dem Verräter wäre der Tod gewiß. Ob dagegen dem verurteilten Angeklagten, ist mindestens sehr zweifelhaft. Hier lauern die Geheimnisse, die nicht dieser Prozeß, höchstens eine freiere Zu kunft enthüllen wird. ( Prozeßbericht Seite 3.)