Tod cincs Ruhmlosen

In Berlin   ist am 26. September der frühere Reichsinnen­minister Dr. Franz Bracht gestorben. Der Name weckt kaum mehr ein Echo. So sehr ist im rasenden Strom der Geschehnisse schon vergessen, wer dieser Bracht eigentlich war. Zunächst ein braver katholischer Regierungsbeamter, im Aufstieg gehemmt wie alle Katholiken in der Monarchie. Im Jahre 1911 wurde er Regierungsrat im Reichsversicherungs­amt. Das war nicht gerade ein Beginn, der große Karriere versprach. Erst nach der Revolution von 1918 begann der Aufstieg von Dr. Bracht. Er wurde unter Stegerwald Ministerialdirektor im Wohlfahrtsministerium und unter Dr. Mary Chef der Reichskanzlei. 1924 wurde er zum Oberbürgermeister von Essen   gewählt. Inzwischen hatte er die richtige Konjunkturwitterung bekommen. Der Günst­ling des Zentrums entwickelte sich nach rechts und suchte und fand gute Beziehungen zur Schwerindustrie und zu Herrn von Papen. Seine Stadt Essen   galt allgemein als gut verwaltet, so daß sich mehr und mehr die Blicke als einen zufünftigen Minister- oder gar Kanzlerkandidaten auf ihn richteten. Als Franz von Papen   durch eine lange Kette von Intriguen endlich an seinem Ziele war und zum Regenten Preußens ernannt wurde, berief er Bracht zu seinem Ge­hilfen und delegierte ihm wichtige Machtbefugnisse. Als Exekutivorgan des Reichskommissars und Reichskanzlers von Papen führte Dr. Bracht am 20. Juli die Amtsentsetzung der preußischen Minister durch. Der Bürokrat und Ober­bürgermeister schien zu einem Führer der hohen Politik ge­worden. Es wurde aber bald still um ihn. Einmal erregte er noch die Nation, aber nur zum Lachen, als er bei be­ginnendem Winter einen Sittlichkeitserlaß für die Bäder Herausgab. Dann wurde er im Dezember 1932 im Kabinett Schleicher Reichsinnenminister. Als Hitler   kam, warf er ihn ein wohlverdientes Schicksal hinaus. Seine Laufbahn endete, wie es immer bei Politikern geht, die sich als werk­zeug mißbrauchen lassen. Nun ist er tot. Am Tage seines Begräbnisses wird er vergessen sein.

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Ein Zufall will, daß just am Todestage Brachts der frühere Zentrumsminister Sirtsiefer in ein Konzen­trationslager verbracht worden ist. Bracht war einer der Bahnbrecher der Entwicklung, die das Zentrum zum schmach­vollen Untergang und hervorragende Zentrumsführer in die Erziehung der SA. gebracht hat. Hirtfiefer soll forrupt" sein. Wir wissen es nicht, glauben es aber nicht. Unter­suchungen und Urteile durch die Gerichte sind in dem neuen Deutschland  , das sich von jeder Objektivität frei gemacht hat, nicht mehr nötig. Die junge SA. entscheidet, und das Kon­sentrationslager öffnet sich für alle, die von ihr schuldig ge­sprochen werden.

Wo aber ist der Katholizismus? Wo sind die moralischen Kräfte, die einmal im politischen Ratholizismus zu leben schienen?

Die Fragen verhallen im Raum. Gott   schweigt, und ttef beugt sich die menschliche fetge Schwäche unter die herrschende Gemeinheit.

Beerdigung

als Nazi- Demonstration Nazitreiben im Saargebiet

Neunkirchen  , den 26. September 1988. Hier wurde heute nachmittag der in Notwehr erschossene Nationalsozialist Ernst Hemmer zu Grabe getragen. Die NSDAP  . besaß den Geschmack, diese Gesellschaft zu einer politischen Demonstration auszunüßen. Etwa 9000 Men schen aus allen Teilen des Saargebietes und des Reiches waren durch Befehl der Gauleitung zusammengetrommelt worden. Fahnen- und Kranzträger in offensichtlicher Uni­formierung( fchwarze Stiefel, schwarze Hose, weißes Hemd, schwarzer Binder) marschierten, von sivilen Hakenkreuzlern gefolgt, zur Geschäftsstelle der NSDAP., wo die Leiche seit gestern nachmittag aufgebahrt war.

Die ganze Aufmachung der Beiseßungs= feierlichkeiten erwedte das peinliche Ges fühl, daß der Tote nebensächlich sei, ia man fonnte den Eindrud gewinnen, daß Hemmer seiner Partei durch seinen Tod einen größeren Dienst als der Lebende erwiesen hat, dessen Tod der nationalsozialistischen Landesleitung so kurz nach der roten Demonstration in Neunkirchen   nicht ungelegen fam.

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Wer sich von dem nationalsozialistischen Kundgebungs­charakter dieser Beisezung nicht in Bann schlagen ließ und das waren viele unter denen, die zum großen Teil aus Neugierde die Straßen säumten, empfand selbstverständ­lich Mitgefühl mit den Angehörigen, die einen Menschen aus ihrer Mitte verloren haben als Opfer einer von Tag zu Tag ich steigernden Heße, die es versteht, die saardeutschen Menschen in zwei feindliche Lager zu spalten.

Der Grabredner der Partei, der den Toten mit Horft Wessel verglich, stellte die Behauptung auf, Hemmer sei er­schossen worden, weil er von links nach rechts gewechselt sei und weil er seine Heimat verteidigt habe.

Diese Darstellung hat bei allen, die die bekannten Zusam menhänge dieser doch höchst aufälligen betrunkenen Wirts hausauseinandersekung kennen, das Gefühl der Verbittes rung gegenüber der nationalsozialistischen verlogenen Phrasenhaftigkeit verstärkt und die Verachtung einer Be

wegung, die Menschenopfer glorifiziert und daraus poli:

tisches Kapital schlägt, vertieft.

Hemmer iſt letztlich ein Opfer der seit vierzehn Jahren be triebenen Hetze der nationalsozialistischen Führung, die mit einer beispiellosen Hemmungslosigkeit von München   aus den Bruderkampf ins Land trug und ihn heute auf dem letzten Stück freien deutschen   Bodens so unheilvoll fortsetzt.

Französischer Journalist beschimpit

Ein französischer Jouralist, ein Vertreter der Agence Havas" wurde von einer Gruppe gut gekleideter Lümmel mit provozieren­den Rebensarten bedacht. Oftentativ sich neben den Journalisten stellend, versuchte man ihn mit Redensarten herauszufordern. So sagten die Burschen n. a., daß heute ja noch Franzosen   an die Saar fommen könnten, nach 1935 werde das ja anders, wehe ihnen, wenn man dann einen erwische. Es war die Rede davon, daß jetzt wieder Lügenberichte" an die französische   Presse telegrafiert wit den und auch der interessante Ausdruck Franzosen­schweine" fiel.

Das beste Symbol

Die Budapester   Nationalsozialisten haben beschlossen, an­statt des in Ungarn   verbotenen Hakenkreuzes in Zukunft ein nenes Parteiabzeichen zu tragen, das ein blutiges

Schwert darstellt.

Richtiger fann die Mordbewegung nicht gekennzeichnet

werden.

Wird Genf   gesprengt?

Dic..Instruktionen" des Propaganda- Göbbels an die Presse

Wie aus Berlin   berichtet wird, hat der Propaganda Göbbels   gibt Festessen

minister Göbbels den Blätter Anweisungen zu publi­zistischen Behandlungen der Genfer   Verhandlungen erteilt, Für den Polen  die erkennen lassen, nach welcher Richtung die Hitler- Regie: rung die Abrüstungskonferenz dirigieren möchte.

In diesem Dokument, das als besonders wichtiges Material" gekennzeichnet wird, befindet sich folgende Paffis:

" Dieses Material eignet sich besonders als Gegenschlag gegen die von Frankreich   immer wieder ausgestreuten Be hauptungen von einer angeblichen deutschen   Aufrüftung und gewinnt Bedeutung im Hinblick auf die Schuld: frage bei einem etwaigen Scheitern der Abrüstungskonferenz.

Es ist dringend geboten, immer wieder diese Gedanken: gänge in der Presse, in Zeitschriften, in Vorträgen usw. zu behandeln."

Besonders charakteristisch ist das dritte Dokument. Am Schluß wird flar heraus ausgesprochen:

Die Zugeständnisse von deutscher   Seite sind erschöpft, jegt muß endlich Frankreich  Farbe bekennen: Abrüstungswillen zeigen oder die Schuld am Scheitern der Konfe renz auf die eigenen Schultern nehmen!" Unter Punkt 5: Was ist Ausrüstung"? heißt es: Aufrüstung sind die Rüstungen, die über das zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit Notwendige hinausgehen und einen Angriffstrieg ermöglichen.

Keine Aufrüstung ist die Herstellung des in Artikel 8 des Pattes festgestellten ver= traglichen Zustandes nationaler Sicher: heit, den Deutschland   durch Abrüstung der anderen und Gleichberechtigung mittels Rüstungsabgleichung erstrebt."

Unter Abschnitt 2( im einzelnen) interessiert Punkt 4 ( Wehrverbände). Dort heißt es:

" Deutsche Wehrverbände haben nur polis tischen, teinen militärischen Charter. Ihre Ausbildung erstreckt sich lediglich auf förperliche Ertüchtigung und Erziehung im nationalen Denken( Geländesport)..." Inwieweit der Geländesport", lies: Wehrsport, lies: militärische Ausbildung, die Erziehung im nationalen Denken bewirken soll, muß bis zur Beibringung geeigneter Beweise als ein Geheimnis der amtlichen dent schen Propaganda betrachtet werden, deren Minister Göbbels  ja auch den Redaktionen verboten hat, Bilder vom Gelände sport und überhaupt Nachrichten über Geländesport ohne feine vorherige Genehmigung zu publizieren.

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Die übrigen Pofitionen des Absages 2 sind hier ohne Inter­effe. Den deutschen   Zeitungen wird empfohlen, dafür einzu treten, daß Angriffswaffen abgeschafft und zerstört werden müßten, daß die Militärluftfahrt der anderen, natürlich, denn Deutschland   baut fa fieberhaft Kriegsmaschinen- verboten und völlig zerstört werden solle, und das insbesondere der chemische Krieg, ein: schließlich der Vorbereitungen dazu, allgemein zu verbieten fei.

Unter Abschnitt 8 gibt es dann noch eine Gegenüber stellung Französische Sicherheit Deutsche Unsicherheit", aus der Spaßes halber erwähnt werden soll, daß unter dem Rubrum Frankreichs   Sicherheit beruht darauf:" unter Punkten a- 1 die Faktoren der französischen   Sicherheit aufgezählt werden, und unter ihnen, wohlgemerkt als letzter Punkt 1" die friedfertigen wohlgemerkt als legter Punkt 1" die friedfertigen Erklärungen des deutschen   Reichskanzler".

Genf  , 26. September.  ( Eig. Ber.) Nazi Göbbels hatte heute ein Festessen veranstaltet zu Ehren des- polnischen Außenministers Be d. Früher, bevor die Nazis in der Regierung waren, hieß es bei ihnen immer:" Gen Oftland wollen wir reiten!" Jetzt, wo sie die Regierungsmacht allein in Händen haben, laden sie die Polen   zu Festessen ein! Arme betrogene Razigläubige! Argentinien   tritt wieder bei

Buenos Aires  , 26. Sept.( Havas.) Der argentinische Senat hat einstimmig den Beschluß ges faßt, den Beitritt Argentiniens   zum Völkers bund zu erklären. Hinsichtlich des auf die Mon­roe Doktrin bezüglichen Artikels 21 des Völkerbundss paktes wurde bei der Abstimmung ein Vorbehalt auss gesprochen.

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Paul- Boncour und Dollfuẞ

Paris, 27. Sept. Der Petit Parifien" läßt sich ans Genf   melden, daß bei der Unterredung Paul- Boncour- Doll= fuß dieser den Wunsch ausgesprochen habe, französisch- öster= reichischen Beziehungen möchten noch herzlicheren Charakter annehmen. Dollfuß   beabsichtige, den Unab hängigkeitswillen Desterreichs in einer Rede taktvoll und flar zu entwickeln, und zwar im Angesicht des Reichsaußen­ministers v. Neurath   und im Angesicht seines persönlichen Gegners Dr. Göbbels  , der seine Rundfunkangriffe gegen Desterreich fortsetze.

Saardelegationen

Die Freiheitfreunde

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und die andern

Saarbrüden, 27. Sept. 1938. Aus den nichtgleichgeschalteten Kreisen der Saarbevölke rung, die die Freiheit ihres Gebietes gegen den Terror Hit­ lers   verteidigen, und als Vertreter der Sozialdemokratischen Partei werden der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei und der Sozialdemokratischen Landesratsfraktion, Chefredakteur M. Braun, und der sozialdemokratische Landesratsabgeordnete Lieser nach Genf   fahren, um dort den Standpunkt der freiheitliebenden Saarbevölkerung zu vertreten.

Nach einer wtb.- Meldung ist auch eine Delegation der saar­ländischen Gleichgeschalteten nach Genf   abgereift, der außer den früheren Mitgliedern auch ie ein Vertreter der SNDAP. und der DNVP  . des Saargebietes" angehören. Wenn das so zutrifft, dann wären das nach Adam Riese   a cht Personen was so ungefähr der Vertretung einer Groß­macht in Genf   entspricht.

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Konflikt mit Sowjet- Rußland Pressevertreter sollen Deutschland   verlassen

Berlin  . Die Sowjetregierung will sämtliche Vertreter der Sowjetpresse binnen drei Tagen aus Deutschland   zurück: ziehen und hat den deutschen   Pressevertretern in Moskau  nahegelegt, die Sowjetunion   ebenfalls zu verlassen.

An der Schweizer   Grenze

Die Zusammenstöße mehren sich

Basel  , den 27. September 1988.( Insa.) Ein neuer Grenzzwischenfall, der an Schwere ienen von Ramsen noch übertrifft, hat sich in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag bei der Grenzstelle Otterbach ereignet. Von Basel   herkommend wollte ein von drei Reichsdeutschen besetztes Auto die deutsche Zollstelle nach Weil passieren; es entstanden Diffes renzen mit den Nazi- Beamten, die sofort nach Weil telefonierten. Innerhalb kurzer Zeit war ein Anto mit 10 schwerbewaffneten SA.- Lenten zur Stelle. Die deutschen   Automobilisten Flüchteten auf Schweizer   Gebiet zurück, die Nazis ihnen nach und holten sie ein. Es entspann sich zwischen den Flücht­lingen und den SA. ein heftiger Kampf. Die Automobilisten wurden schwer mißhandelt und dann von den Nazis über die deutsche Grenze verschleppt. Der schweizerische Grenzwächter, der allein Dienst tat, wollte vor: schriftsgemäß zur Abwehr des Nazi- leberfalles auf Schweizer   Gebiet vom Revolver Gebrauch machen, wurde aber von den Hitler  - Banditen daran verhindert, indem sie ihn zurüchielten.

Wie wir erfahren, wird sich der Bundesrat in seiner nächsten Sigung mit dieser nenen schweren Grenzverlegung befassen.

Beachtenswert ist, daß nach dem Ueberfall ein Auto aus Basel   tam, mit einem uniformierten SA.- Mann in voller Uniform, der nach Weil weiterfuhr, nachdem er sich beim deutschen   Grenzvosten über den Vorfall hatte unters richten lassen.

Reichswehr  : ,, Hell Hitler!" Gleichgeschaltet bis zum letzten Gemeinen

Der Reichswehrminister hat eine Verfügung erlassen, in der die bestehenden Bestimmungen über den Gruß der Wehr­machtangehörigen zusammengefaßt und ergänzt sind. Die Verfügung enthält folgende Anordnung:

1. Jm Dienst ändert sich an den alten militärischen Gruß­formen nichts, gleichgültig, ob die Soldaten in Uniform, im Sporthemd, mit oder ohne Kopfbedeckung sind.

2. Grußpflicht besteht zwischen der Wehrmacht und der Polizei und den Angehörigen der früheren Wehrmacht in Uniform.

3. Ein gegenseitiges Grußverhältnis verbindet die Wehr­macht mit den Angehörigen der nationalen Ver­bände. Es ist selbstverständliche Taktfrage, daß auch hierbei der Jüngere und im Dienstgrad Höhern den Gruß sofort erweist. Es ist Ehrensache des Soldaten, jeden Gruß sol­datisch stramm zu erweisen.

4. Die Fahnen der nationalen Verbände sind bei Auf märschen geschlossener Abteilungen oder öffentlichen natio­nalen Kundgebungen zu grüßen.

5. Der deutsche Gruß ist von Soldaten und Beamten in Uniform, wenn sie keine Kopfbedeckung tragen, in folgenden Fällen anzuwenden: a) beim Singen des Deutschlandlieds und des Horst- Wessel- Lieds, b) im außerdienstlichen Gruß­verkehr innerhalb und außerhalb der Wehrmacht,

Der einem Vorgesetzten zu erweisende Gruß ist immer eine dienstliche Ehrenbezeigung, die in militärischer Form geschieht.

6. Soldaten und Beamte in bürgerlicher Kleidung wenden ebenso wie die Angestellten und Arbeiter stets den deutschen Gruß an.

7. Soldaten, welche ein Hoch ausbringen, bedienen sich dabei wie bisher des alten Soldatenschlachtruss Hurra".

8. Im Schriftverkehr mit Behörden oder Einzelpersonen ist nichts dagegen einzuwenden, daß an Stelle langer Höflich­teitsformeln die immer mehr sich einbürgernde Form Mit Heil Hitler  !" Anwendung findet.

9. Als besondere Ehre, lediglich für die Person des Reichskanzlers Adolf Hitler  , wird bestimmt, daß er von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften, soweit sie nicht dienstlich eingetreten sind, mit dem deutschen Gruß be­grüßt wird. Dieser Fall tritt z. B. im Manövergelände bei der sich rührenden oder rastenden Truppe ein.

Eine deutsche Angelegenheit

Wie wir hören, waren Bestrebungen im Gange, jüdische Arbeitslager zu bilden. Die Reichsleitung des Arbeits­dienstes erklärt dazu, daß sie nichts mit derartigen Plänen

zu tun habe. Der Arbeitsdienst sei ausschließlich eine deutsche Angelegenheit,