Feuilletonbeilage der Deutschen Freiheit" Mittwoch, den 27. September 1933 Ereignisse und Geschichten
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Werner Hegemann , der Zerstörer der patriotischen Geschichtslegenden, dessen Schriften in den Fegfeuern Göbbels verbrannten, ist der Autor dieses Zwiegesprächs, das zuerst in Nr. 16 des Aufrufs", Streitschrift für Menschenrechte, erschien.
Bevor Herr Adolf Hitler Reichstanzler wurde, hat er sich vor der Büste des Philosophen Nießsche fotografieren lassen. Dieses Bild ließ er dann veröffentlichen mit der Unterschrift: " Der Führer an der Büste des deutschen Philosophen, dessen Jdeen zwei große Voitsbewegungen befruchteten: die nationalsozialistische Deutschlands und die faschistische Italiens ." ( Das Bild erschien in dem Buche Hitler, wie ihn keiner fennt". Reiner!)
Seitdem Herr Hitler Reichskanzler geworden ist, und seine große Judenverfolgung inszenierte, hat der Geist Nietzsches von ihm Notiz genommen. Dabet hat sich folgende Unterredung zwischen Niebsche und Herrn Hitler abgespielt.( Jedes Wort in Anführungsstrichen ist ein wörtliches Bitat aus Miebsches Schriften, zitiert nach den Oktav- Ausgaben.) Nietzsche : Wie kommen Sie dazu, sich meinen Schüler zu nennen, obgleich Sie fast immer das Gegenteil von dem tun, was ich gelehrt habe?
Adolf Hitler : Haben Sie etwa nicht den Ueber- und Führermenschen und meine Rassenpolitik angekündigt? Haben Sie nicht erklärt, daß das deutsche Blut Not hat...". Nietzsche : Sie stocken. Sie denken wohl an meinen AusSpruch aus„ Jenseits von Gut und Böse ", daß der deutsche Magen noch auf lange Not haben wird, um mit diesem Quantum Jude fertig zu werden so wie der Italiener , der Franzose, der Engländer fertig geworden sind, infolge einer träftigeren Verdauung: das ist die deutliche Aussage und Sprache eines allgemeinen Instinktes, auf welchen man hören, nach welchem man handeln muß". Ja, das habe ich gefagt.
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Adolf: Na also! Ich handle doch! Sie schrien geradezu nach meinem Programm. Bitte, lesen Sie selbst. Hier ist bie neueste Ausgabe des Programm der NSDAP. "- 475tes Tausend, Seite 80: Antisemitismus ist gewissermaßen der gefühlsmäßige Unterbau unserer Bewegung... Jeder Nationalsozialist ist Antisemit."
Niessche: Aber ich habe doch gerade im Hinblick auf Sie und Ihresgleichen ausdrücklich erklärt: Wieviel Verlogenheit und Sumpf gehört dazu, um im heutigen MischMasch- Europa Raffenfragen aufzuwerfen! Gesezt nämlich, daß man nicht seine Herkunft in Borneo oder Horneo hat." Ich habe es sogar sur Magime" erklärt:„ Mit feinem Menschen umgehn, der an dem verlogenen Rassenschwindel Anteil hat." Lesen Sie gefälligst selbst in meinem Band XIII, Seite 856. Trotzdem haben Sie die Keckheit, sich meinen Schüler zu nennen! Was fällt Ihnen ein?
Adolf : Dann haben Sie also augenscheinlich zum Thema Judenfrage sich selbst widersprochen. Daß so etwas auch Ihnen passieren kann, soll mich nur freuen. Meine Gegner meisen mir alle Tage nach, daß ich mir stets widerspreche und meine widerspruchsvollen Programmpunkte dann obendrein noch ins Gegenteil verkehre. In der Raffenfrage tönnte ich Ihnen um so wettgebendere Sugeständnisse machen, als darin auch mein preußischer Vorgänger Friedrich der Große , der erste Nationalsozialist", sehr tolerant war. Auch der große Röntg hat in seinem kleinen Preußen die Juden nur dann verfolgt, wenn sie arm waren. Im Jahre 1778 hat er, seinem eigenen Bericht zufolge, nachdem er gerabe Westpreußen und ben Korridor den Polen abgenommen hatte, 4000 arme Juden aus Westpreußen einfach über die Grenze nach Polen gejagt. Nietzsche : Hüten Sie sich! Meine Mutter hieß Dehler, meine Großmutter Krause. Aber:„ Meine Vorfahren waren polnische Edelleute." Ich werde unter Umständen dafür sorgen müssen, daß die Deutschen heute von der polnischen Regierung ebenso aus threm endlich zurückeroberten Westpreußen gejagt werden, wie seinerzeit die Juden durch Friedrich II , Haust du meinen Juden, hau ich deinen Juden. Das ist ein altes deutsches Fürstenwort.
Adolf: Aber Friedrich der Große ist doch gerade durch seine Toleranz berühmt geworden. So hat er die reichen Juden, namentlich Kriegsgewinnler wie Ephraim, in prächtigen Palästen wohnen lassen und ihnen Münzprivilegien und andere Vorteile gewährt. Darum habe ich auch bereits meinem Statthalter Göring erlaubt, sich mit jüdischen Ratgebern wie Staatssekretär Milch zu umgeben. Und ich denke ernsthaft daran, in meiner nationalsozialistischen Partei einen numerus clausus für Juden einzuführen, in den die bestzahlenden Juden aufgenommen werden können. Ich fürchte, ich habe mit meinen Judenverfolgungen eine folossale Dummheit begangen.
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Nietzsche: Diese Ihnen leider verspätet kommende Einsicht scheint nur eine entfernte Möglichkeit der Verständigung zu gewähren. Bitte nachlesen: Jenseits von Gut und Böse ", Abschnitt 251; dort schrieb ich also ganz im Sinne Fried richs des Großen: Man sollte den Juden mit aller Borsicht entgegenkommen, mit Auswahl; ungefähr so wie der eng lische Adel es tut. Es liegt auf der Hand, daß am unbedenklichsten noch sich die stärkeren und bereits fester geprägten Typen des nenen Deutschtums mit ihnen einlassen können, zum Beispiel der adelige Offizier aus der Mark: es wäre von vielfachem Interesse, au sehen, ob sich nicht zu der erblichen Kunst des Befehlens und Gehorchens- in beiden ist das be= zeichnete Land heute klassisch
das Genie des Geldes und der Geduld( und vor allem etwas Geistigkeit, woran es reichlich an der bezeichneten Stelle fehlt) hinzutun, hinzuzüchten ließe." Ich habe mit Vergnügen davon Kenntnis genommen, daß Bismarck die Kuppelung des germanischen Hengstes mit der jüdischen Stute empfahl.
Adolf : Was Sie da über die Offiziere fagen, gefällt mir gut. Einer meiner wichtigsten Stabsoffiziere ist der
fleine Göbbels; der also ganz unnötigerweise so große Anstrengungen gemacht, um nachzuweisen, daß seine reizende Frau gar keine Halbjüdin ist, sondern nur einen jüdischen Stiefvater hat.
Nietzsche :„ Die Schönheit der Jüdin ist die höchste." ( Ste finden diese wichtige, doch manchmal umstrittene Fest stellung in meinem Band XIII, Seite 381.) Ueberhaupt: Welche Wohltat ist ein Jude unter Deutschen ." Ich habe es oft gesagt. Lesen Sie, bitte, Band XIV, Seite 227, und Band XV, Seite 176. Auch sehe ich mit Vergnügen, daß Sie selbst nicht blond sind.
Adolf : Mein kleiner Göbbels auch nicht.
Niessche: Gott sei Dank! Ich kann die von mir zuviel gerühmten blonden Bestien oft ganz und gar nicht leiden... Wieviel Stumpfheit, wie flächsern der Kopf, wie blau das Auge; der Mangel an Esprit im Gesicht, Wort, Haltung; daß faule Sichstreden, das deutsche Erholungs- Bedürfnis usw." Lesen sie selbst: Band XV, Seite 176.
Abolf: Das ist alles höchst schmeichelhaft für mich.
Des Sommers Feste sind nun ausgefeiert; es naht die Zeit, da man die Oefen heizt; die Rednerhälse sind schon ausgeleiert, der Rehlkopf ist vom Lügen überreizt.
Der Wald wird braun, es blüht die Herbstzeitlose, und hinterm Ofen lockt die warme Bank, wenn man sie hat; das Volk sigt in der Sauce und fühlt sich unbequem und rheumakrank.
Die Konjunktur geht sachte in sie Brüche, es war ja ohnehin nicht viel damit; die Arbeitslosen murmeln stille Flüche und fassen schon zum Türenbetteln Tritt. Die Wirtschaftskurve legt sich grämlich sterben, indessen Göring eine Sprite nimmt und lächelnd denkt: von uns fann feiner erben, wir räumen ans, denn wir verstehn den Zimt. Und hinterm Berge wartet schon der Winter and flappert fröhlich mit dem Frostgebein; wieviele deutsche Väter, Mütter, Kinder holt er wohl diesmal ab und gräbt sie ein?
Max Bart5.
Niessche: Aber was Sie da vorbin über die Bider. Die Revolte gegen die Zivilisation
sprüche sagten, die man oft in meinen Schriften findet... Sie haben recht, ich habe mir viel widersprochen. Nur in der Judenfrage habe ich mir eigentlich unverhältnismäßig wenig widersprochen. Sie haben da nur sehr unaufmerksam ge= lesen und Säße aus dem Zusammenhang gerissen. Ich muß Ihnen leider wiederholen, was ich bereits in meiner„ Genea logie der Moral" gesagt habe: Ich mag sie nicht, die neuesten Spetulanten in Idealismus, die Antisemiten, welche heute ihre Augen christ= Itcharisch biebermännisch verdrehen und durch einen jede Geduld erschöpfenden Miß brauch des wohlfeilen Agitationsmittels, der moralischen Attitude, alle Hornvieh elemente des deutschen Volkes aufauregen versuchen."
Adolf: Aber Sie haben doch gesagt:„ Sich unterwerfen, folgen, öffentlich oder in der Verborgenheit, das ist deutsche
Tugend." Solche tugendhaften Menschen brauchen doch einen " Führer", und das darf doch kein Jude, kein Marg, kein Stahl sein! Soll ein Deutscher nicht schamrot darüber werden, daß selbst Bismarc- turz vor seiner Entlassung am 18. Mai 1889 noch bekennen mußte: Ich bin Mitglied der fonservativen Partei gewesen, als sie noch Fraktion Stahl hieß"? Stahl, der Begründer der preußischen Adelspartet, war fein Deutscher, sondern Jude? Ist das nicht schauberhaft?
Nietzsche : Ich bedauere, Ihnen wiederholen zu müffen: „ Einem Juden zu begegnen, ist eine Wohltat, gesetzt, daß man unter Deutschen lebt. Die Geschentheit der Juden hindert sie, auf unsere Weise närrisch zu werden, z. B. national". Lesen Sie gefälligst selbst nach: Band XIV, Seite 227. Ich habe in Jenseits von Gut und Böse ", Abschnitt 251, ausdrücklich erklärt,„ man solle dem Drang der Juden, endlich irgendwo fest, erlaubt, geachtet zu sein, entgegenkommen, wozu es vielleicht nüßlich und billig wäre, die antisemitischen Schreihälse des Landes zu verweisen". Verstehen Sie mich jetzt endlich? Schließlich möchte ich Ihnen noch eins sagen. Bei Ihrem ganzen politischen Gebaren denken Sie zu wenig an mein Wort: fuiüber die, welche sich jest audringlich der Masie als ihre Heilanbe anbieten!"
H. G. Wells über das ,, dritte Reich"
" Was heute in Deutschland geschieht, ist eine Revolte flegelhafter Schwachsinniger gegen die Zivilisation" erklärte der große englische Romancier H. G. Wells in einer Rede über die Intoleranz, die er bei einem Festeffen anläßlich seines 67. Geburtstages hielt.„ Die deutsche Revolution" fuhr er fort, richtet sich gegen das Denken, gegen den gesunden Menschenverstand und gegen die Bücher. Der flegelhafte Schwachsinn, seine stupiden Zeichen, verwendet seine alberne Grüße und begeht sein grausamen Jdiotien."" Man fann nicht Bitcher verbrennen, man kann nur Exemplare zera stören. Während sie einen Band ins Feuer werfen, erhebt sich das Funkeln gegen den Himmel, wo es wie ein Stern Teuchtet."
Pädagogische Sandsteinfassade
Haus der deutschen Erziehung "
Der Stadtrat von Bayreuth beschloß den Bau des Hauses der deutschen Erziehung". Der Monumentalbau wird mit seiner riesigen Sandsteinfassade das Stadtbild ungemein bereichern. In einer gewaltigen Säulenehrenhalle von 16 Meter Höhe mit Raum für 2000 Personen soll das symbolische Denkmal der deutschen Familie" zur Aufstellung gelangen. Das Gebäude wird Görsäle, eine Bibliothek und Unterkunftsräume für 60 Lehrer, einen groBen Lichthof für Kunstausstellungen und andere Räumlichfeiten enthalten.
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Im welchen Geist in diesem Sörsälen gelehrt werden wird, dafür ein Beispiel aus der Württembergischen Schulwarte" Nummer 7/8:„ Wer gegen das Blut sündigt, also z. B. eine Rassenmischung eingeht, die dem deutschen Wesen zuwider ist, versündigt sich an der Schöpfungsordnung". ( Studienrat G. Bader, Seminar Eßlingen.)
noch eine Zeitschrift gegen den Faschismus ,, Unsere Zeit"
Im Verlag Editions du Carsefour, Paris , erscheint die Mit diesen Worten verließ der Geist Nietzsches den Monatsschrift„ itnfere 3eit". Sie foftet 1,80 Fr. Herausdeutschen Reichskanzler. geber ist Willi Münzenberg .
Vordermann und Hintermann
Examen im Gleichschritt
Die zukünftigen deutschen Richter müssen jetzt ihre juristische Eignung auf dem Exerzierplas nachweisen. Alle links eingestellten", das heißt nichtnationalsozialistischen Studenten sind von den deutschen Universitäten verjagt worden, der beffere Teil der studierenden Jugend ist kaltgestellt, und was die lebriggebliebenen nicht im Kopf haben, müssen sie in den Beinen haben. Die angehenden Richter werden in Refe rendar Lagern zusammengefaßt und dort sechs Wochen lang gebimst, damit ste parteren lernen. Denn darauf wird es in ihrer richterlichen Zukunft ankommen: daß sie die Befehle der regierenden Sadisten ausführen, ohne mit der Wimper zu zucken. Manch einer unter diesen jungen Referendaren, der sich im blutvernebelten Deutschland klaren Kopf bewahrt hat, wird jest wohl schwere Konflikte in sich auszutragen, wird sich zu entscheiden haben, ob er auf Karriere verzichten oder sich an der deutschen Justiaschande mitschuldig machen will.
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Aber die meisten machen sich wohl keine Gedanken Korpsgeist" hat dafür gesorgt, daß es um die deutsche studierende Jugend schon vor dem dritten Reiche" geistig schlecht bestellt war die meisten fluchen höchstens über die Schanzerei und betrachten es im übrigen als Beleidigung, wenn ste, Hitlers getreue Knechte, etwa durch eine Prüfung rasseln. Wie in den Schulen schon jetzt die schlimmsten Dummköpfe versetzt werden, wenn sie die Uniform der Hitlerjugend tragen, so wird auch an den Universitäten jede Prüfung bald zur Farce werden. Die Prüfer, so melden gleichgeschaltete Blätter. haben schon jetzt nach der ersten Prüfung festgestellt, daß die Anwärter wenigstens in einer gewissen gehobenen Stimmung vor der Kommission erscheinen, so daß die hohe Kommission sie möglichst sämtlich durch die Prüfung
laffen möchte". Also gehobene Stimmung" ist für einen Richter des dritten Reiches" die Hauptsache.
Wenn wirklich mal ein Prüfling durchfällt, ists eine Schande nicht für den Referendar, sondern für die Profes soren, die noch immer wissenschaftliche Leistungen von den Kandidaten erwarten. So lautet ein Lied, das in cinem schlesischen Referendarslager gesungen wird.
„ Nach Groß- Berlin marschieren wir um den Assessor kämpfen wir,
die Kommission schlagt sie zu Brei,
Lehrgang marschiert, macht uns die Zukunft frei. So sangen wir vor Wochen drei. jetzt haben wir die Schweinerei. Allen Versprechungen zum Hohr beklagen wir vier Opfer schon. Justizminister, daß dus weißt,
der Commission erscheint der heilige Geist So geht das nicht mehr weiter fort, wir warnen hier am höchsten Ort.
Die ganze Geistlosigkeit des Komments gähnt aus den Versen. Ein anderes Sprüchlein heißt:
und fängt dann die mündliche Prüfung an da geht es im Gleichschritt hinein,
mit Richtung und Fühlung und Vordermann, da fällt schon so leicht feiner rein.
Auf Geist kommts nicht an. Mit Richtung und Fühlung und Vordermann so werden sie später auch auf Görings Befehl ein Todesurteil nach dem andere