Meister Göbbels und die Juden

Eine Antwort an den deutschen Lügenminister

Man schreibt uns von besonderer Seite:

Eine vollkommene Lüge ist ein selten Ding. Die Wahrheit gligert auch durch das kleinste Löchlein, und es müßte ein wunderbar feines Gewebe sein, das sie gänzlich verdecken Könnte. Wie schwer diese Werbekunst ist, das möge man an den Werken des großen Meisters Josef Göbbels erkennen. Nur einen harmlos klingenden Satz aus der langen Rede, bie er am Mittwoch in Genf vor der versammelten Presse ge­halten hat, wollen wir herausgreifen:

Wenn die deutsche Regierung die Auseinandersehung mit der Judenfrage auf gefeßmäßigem Wege vors nahm, so wählte sie damit die humansteund loyalste Methode."

Stellen wir fest, die deutsche Regierung stand vor einer Wahl! Sie mußte sich entscheiden, ob sie gesetzmäßig" oder anders handeln sollte. Erstaunlicherweise wählten die Männer, die sonst nicht genug Verachtung für jegliche Huma­nität aufbringen fönnen, die humanste Methode". Sie beanspruchen Dank für einen Entschluß, der ihnen schwer ge­fallen sein muß.

Gesetzmäßig" handelten sie also, um die Abwehr­aktion"( so drückte sich Josef Göbbels aus) gegen die Juden durchzuführen.

Was bedeutet gesetzmäßig" für die Männer der natio­nalen Revolution", die durch einen Ukas des Führers" er­öffnet und durch einen anderen Ufas abgeschlossen wurde. Jedenfalls handelte es sich nicht um die Anwendung des geltenden Rechts, denn Revolutionen werden ja gemacht, um sich von solchen lästigen Fesseln zu befreien. Josef Göbbels nennt also gesetzmäßig" den Zustand, daß von Staats wegen mit allen offiziellen und inoffizi­ellen Mitteln die Juden verfolgt und unterdrückt werden. Mit Gründlichkeit und juristischer Systematik zer­schneidet die Hitlerregierung die Wurzelfäden, welche bie Angehörigen der jüdischen Rasse mit der deutschen Wirt­fchaft, Politif, Kultur und Gesellschaft verbinden. Sie macht es ihnen unmöglich, auf eine anständige Weise ihren Lebensunterhalt zu verdienen. So wer­den sie aus Deutschland viel wirksamer herausgedrückt, als die angegebenen Uebergriffe unfontrollier barer Elemente" es vollbringen könnten. Und der naive Herr Propagandaminister meint noch, das Ausland dürfe der deutschen Regierung feine Vorwürfe machen, da es diese Zwangsemigration nur ungern oder gar nicht aufnehme. Auf diese dumme Frechheit gibt es nur eine Antwort! Als jüngst einige hundert polnische Arbeitslose deutscher Nationalität die Reichsgrenze überschritten, um unter ihren Volksgenossen Hilfe in der Not zu finden, da wurden die armen Menschen, welche auf die neue deutsche Brüderlichkeit gerechnet hatten, mit vielen bedauernden Worten nach Polen zurückkomplimentiert. Die deutsche Regierung wollte offenbar dem lieben östlichen Nachbarn die Sorge um seine Arbeitslosen nicht erleichtern, und die polnischen Staatsange­hörigen deutschen Geblüts wurden wieder abgeschoben.

Selbstverständlich ist die jüdische und marristische Emigra tion für die Nachbarländer zunächst kein Segen. Alle Staaten haben heute mit ihren eigenen Bürgern reichliche Sorge. Außerdem führt es immer zu Schwierigkeiten, eine Masse von Fremden in den nationalen Organismus einzuordnen. Die Vernichtung der jüdischen Existenzen in Deutschland ist also nicht nur eine scheußliche Brutalität, sondern auch eine Angelegenheit der internationalen Politit. Josef Göbbels wagt es, von Humanität und Loyalität zu

sprechen, vielleicht weil verschiedene Umstände verhindert haben, daß Massen von Juden hingeschlachtet worden sind. Anders können wir seine Worte nicht verstehen, die Reichs­regierung habe den nun einmal eingeschlagenen Weg der Judenpolitik als den humansten" gewählt. Aber es kommt durchaus nicht allein auf die Zahl der Prügel und Morde an, denn es gibt Beleidigungen, Mißhandlungen und

Unterdrückungen, die noch weit gemeiner und noch niederträchtiger sind, als körperliche An­

griffe.

Wenn Juden und Christen sich in Deutschland mit den Waffen in der Hand bekämpften, so wären die Verleum­Dungen, die täglich in nationalsozialistischen Zeitungen gelesen dungen, die täglich in nationalsozialistischen Zeitungen gelesen und vom deutschen Rundfunk gesendet werden, unerträg lich in ihrer schmußigen Böswilligkeit. Ganz offiziell wird der Umgang mit Juden als etwas Befleckendes hingestellt, und christliche Mädchen werden öffent lich angeprangert, wenn sie sich mit jüdischen Männern zeigen.

Diese Schmach und Schande, die Hitler über das deutsche Volt, nicht über die Juden, gebracht hat, erzeugt einen Haß, der in Jahrzehnten nicht erlöschen kann.

Das Problem besißt eine Seite, deren Betrachtung sich besonders lohnt. Die Nationalsozialisten haben eine be­stimmte Gruppe der bürgerlichen Klassen außerhalb des Gesezes gestellt. Durch maßlose Verleumdungen be­seitigen sie die moralischen Hemmungen, die den normalen Deutschen noch verhindert hätten, über den schußlosen Juden herzufallen. Mit aller List und Tücke erregen sie ata­vistische Jagd- und Beuteinstinkte, damit der Pöbel aller Schichten sich an einer lustigen Hazz er­freue. Das ist wirklich unterhaltsam und belustigend- man lese nur das Organ des Gauleiters Streicher, des per sönlichen Freundes Adolf Hitlers und beruhigt gerade die wüsteſten Schreier. Die Judenverfolgungen sind für Hitler, was der Zirkus für die römischen Kaiser war. Aber diese Spiele des neuen Deutschland sind sehr viel kost= spieliger, denn es wird nicht nur nationales Vermögen vertan, sondern auch Moral, Kul. tur und Autorität, furz, die ganze bürger­liche Ordnung, gehen zum Teufel.

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,, Den Juden geschicht nichts" Schutzhaft für gesellschaftlichen Verkehr mit Juden

Wie aus Dortmund gemeldet wird, hat die dortige Staatspolizeistelle nachstehende Bekanntmachung er­laffen:

In letzter Zeit ist es in Lokalen wiederholt zu Aus­einandersetzungen gekommen, weil Mädchen arischen Blutes sich von Juden hatten ausführen lassen oder mit Juden tanzten. Die übergroße Mehrzahl des Volkes hat Gott sei Dank die ungeheure Gefahr erkannt, die in einer weiteren Vermischung deutschen Blutes mit jüdischen Elementen liegt. Auch liefen bei der Staatspolizeistelle Beschwerden aus Elternfreisen ein, die sich darüber beklagten, daß ihre Söhne oder Töchter Verkehr mit Jüdinnen oder Juden pflegten. Es erhebt sich also wiederum die Gefahr, daß die weltanschauliche Geschlossenheit der deutschen Familie, die der siegreiche Durchbruch des nationalsozialistischen Gedankens endlich gewährleistet hat, erneut zerstört wird.

Die Staatspolizeistelle hat die Aufgabe, für Ruhe und Ordnung zu sorgen sowie über Wahrung und Weiterbildung der nationalsozialistischen Weltanschauung zu wachen. Sie ist deshalb nicht gewillt, den geschilderten Zuständen taten­los zuzusehen. Wer sich durch seine Handlungsweise an den Grundgesetzen vergeht, die der Nationalsozialismus als

Borausseßung zur Schaffung einer willensmäßigen Einheit des deutschen Volkes erkannt hat, muß mit staatlichen Wacht mitteln zu einem anderen Verhalten gezwungen werden. Die Staatspolizeistelle wird in Zukunft solche verantwortungs­losen Volksgenossen in Schutzhaft nehmen, um ihnen die Schwere ihres Vergehens gegen deutsches Volkstum zum Bewußtsein zu bringen."

Der Göbbelssche Friedensengel

nach

GENF

432

BERT

Schreckensjustiz

Sondergericht Stettin

Nails

h. b. Der Reisende Johann Dreesen aus Stettin hatte nach seinem Ausschluß aus der SA. noch einzelne Uniformstücke der NSDAP . als Kleidung verwertet. Dafür erhielt er einen Monat Gefängnis.

Die Arbeiter Kurt Krüger und Georg Schaffer hatten in einer Gastwirtschaft ihrer Meinung über das heutige Regime Ausdruck verliehen. Nach mehr als vierwöchiger Unter­suchungshaft wurde nunmehr gegen sie verhandelt. Krüger erhielt einen, Schaffer fünf Monate Gefängnis. Der sozialdemokratische Arbeiter Mar Röpfe aus Jarmen hatte bei einem Friseur Aeußerungen gegen die Reichsregie­rung gemacht. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Tischler Lehmann aus Finkenwalde versuchte in Ge­sprächen, Maßnahmen der Reichsregierung herabzu= würdigen".( Wörtlich! D. Red.) Das Urteil lautete auf acht Monate Gefängnis.

Der Zimmermann Karl Müller aus Bahn schädigte das Ansehen der SA. und der NSDAP . mit gemeinen, un­wahren Reden". Urteil: zwei Monate Gefängnis. Friseur Kirchenwitz aus Köslin wurde wegen Verbreitung unwahrer Nachrichten über die NSDAP . verhaftet. Seine Strafe be­trägt vier Monate Gefängnis.

Der litauische Staatsangehörige Sapiro erhielt wegen Verbreitung von Greuelnachrichten ein Jahr Gefäng­nis. Nach Verbüßung der Strafe wird er ausgewiesen. Braunschweiger Sondergericht

Das Gericht verhandelt und verurteilt in alter Weise. Auch das Schnellgericht tagt fast in Permanenz. Aber seit unserer letzten Veröffentlichung gelangen teine Berichte mehr in die Deffentlichkeit.

Sondergericht Berlin

Hier stand ein besonderer Fall zur Verhandlung. Der 54 Jahre alte Dachdecker Lent aus Havelberg hatte sich überwältigt von nationaler Begeisterung in einem offenen Ladengeschäft ein öffentlich vertriebenes Emaille­abzeichen gekauft, daß dem Parteiabzeichen der NSDAP . ähnlich war. Der Verkauf und Kauf dieses Abzeichens ist bis zum heutigen Tage nicht verboten. Trotzdem verurteilte das Gericht den begeisterten Dackdecker zu vier Monate it Gefängnis. Der Vorsitzende des Gerichts erklärte in seiner Urteilsbegründung: Die Tatsache, daß der freihändige Handel mit den fraglichen Abzeichen erlaubt sei, dürfe das Gericht nicht veranlassen, den Sünder freizusprechen. Im übrigen würde der Verkauf dieser Abzeichen sicher in Kürze verboten.

Hanseatisches Sondergericht

Sieben Arbeiter wurden wegen angeblicher Verabredung zur Teilnahme an einem Sprengstoffattentat zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt. Es erhielten: der Angeklagte Wickström 14 Jahre, die Angeklagten Dose und Flamme je 12 Jahre und der Hans Jabs 6 Jahre Zuchthaus.

Schleswig- Holsteinisches Sondergericht

Der 29jährige Arbeiter Karl Frobarth aus Altona soll eine verbotene Zeitung in Besitz gehabt und weitergegeben haben. Er behauptete, dieses Blatt vor dem Arbeitsamt ge= funden und ungelesen fortgegeben zu haben. Das Gegenteil fonnte ihm nicht bewiesen werden. Troßdem verurteilte ihn das Sondergericht zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.

Der fünfundzwanzigjährige Arbeiter Ostar König aus Neumünster machte gelegentlich einer Kneiperei gehässige Be­merkungen über Hitler . Er wurde dafür zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

Friedrich Bibom, Wächter, wohnhaft in Kiel , Alter 25 Jahre, unterhielt sich am 24. Juli mit Sportkameraden über die Arbeitsdienstlager. Ein junger Mann notierte sich seine Aeußerungen über unzureichende Beköstigung usw. und zeigte ihn hinterrücks an. Er erhielt vier Monate Gefängnis.

Freispruch

an der Saar

Ein Gotteslästererprozeß und sein Ende

Am 27. März brachte die Volksstimme" in Saarbrücken einen satirischen Artikel: Vaterunser im Zeichen der Zeit". In der bekannten Form des alten Gebets wurden die gegen wärtigen politischen Verhältnisse von Deutschland scharf und fritisch beleuchtet. Die Saarbrücker Staatsanwaltschaft erhob daraufhin Anklage gegen den verantwortlichen Redakteur Georg Schulte auf Grund des§ 166 des Strafgesetz­buches, in dem die Beschimpfung kirchlicher Einrichtungen unter Strafe gestellt wird. Die Saarbrücker Straffammer verurteilte Schulte zu einem Monat Gefängnis. In der Revisionsverhandlung vor dem Obersten Gerichts­ hof in Saarlouis wurde Schulte jedoch auf Kosten der Landeskasse freigesprochen, nach­dem der Oberstaatsanwalt selber in seinem Plädoyer mit einem Appell auf Freispruch geschlossen hatte. Das Gericht ließ sich auf Grund der eingehenden Darlegungen des Ange­klagten und seines Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Leh­mann, die beide sehr eindrucksvolles Material vorlegten, davon überzeugen, daß weder Gotteslästerung noch Be= schimpfung kirchlicher Einrichtungen vorläge. Es handelte sich so sagte der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes, um einen Artikel, der nur politisch zu bewerten sei.

" Politisch" ist wohl auch der bemerkenswerte Gegen­satz zu werten, der sich hier, nicht zum ersten Male, zwischen der Urteilsfällung der saarländischen Gerichte und derjenigen des Obersten Gerichtshofes auftut. Die Staatsanwaltschaft wäre gut beraten gewesen, wenn sie einer Anzeige gegen die Volksstimme", deren politische Hintergründe ihr unmöglich verschlossen geblieben waren, feine Folge gegeben hätte.

Wehrsport

Der Deutsche Schwimmverband wird auf Wehrsport um­gestellt. Zur Ableistung des Pflichtwehrjahres sind alle männlichen Mitglieder des Verbandes von 16-21 Jahren, alle Wettkämpfer von 21-23 Jahren verpflichtet." Aehnliche Richtlinien wurden für die Deutsche Turnerschaft" erlassen. Zum Wehrwart" der Deutschen Turnerschaft" wurde Major Brandt- München berufen. Die Mitglieder aller Jugend- und Sportverbände sind zwangsweise in einer Unfall- und Haft­pflichtversicherung. Darüber gibt es einen Erlaß des Herrn Rust( U. II Nr. 9810/17. 1 vom 7. August 1933). Die Ver­ficherungsgesellschaften weigerten sich, obwohl sie doch sonst Geschäften nicht aus dem Wege gehen, gerade dieses Geschäft abzuschließen. Aus zwei Gründen: 1. weil unter diesen Zwangsversicherten so viele Unfälle" vorkommen, daß sich das Geschäft nicht rentiert; 2. weil die Versicherungsgesell­schaften von den Nazis systematisch betrogen wurden. Erst als das Ministerium eine Erhöhung der Versicherungs­prämie zusagte und, bei Strafe des Verlustes der staatlichen Vereinsberhilfe, den Betrug verbot, fanden sich die Versiche= rungsge( schaften bereit, die Wehrsportler gegen ihre vielen " Unfälle zu versichern.