Pariser   Berichte

Interview mit Lambert

31400 Flüchtlinge in Paris  - Die Zukunftspläne

Bon unserem Pariser Rorrespondenten

Auf dem Briefbogen, auf dem der Generalsekretär Ram bert mich nach der Rue de la Durance einlud, sind die Namen der Führer des französischen   Hilfskomitees ange geben: als Vorsitzender Painleve  , der frühere Minister­präsident und hervorragende Gelehrte, als Beisitzer Her­ riot  , Großrabbiner Levi, Baron Edmond de Rottschild und andere bekannte Namen. Das Haus in

rinnen, Vertreter, Kellner. Einige Aussichten bestehen für besonders qualifizierte Facharbeiter und für die Landwirt­schaft. Im Sommer haben wir 91 Landarbeiter verschickt. Wir haben Delegierte in der Provinz und verhandeln mit dem Arbeitsministerium. Im übrigen haben wir die ganze Welt abgesucht. Die Hicem, die jüdische internationale Hilfs­organisation, hat auch in Brasilien  , Chile   und Uruguay  

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der Durance mit seinem Hof und den grauen Mauern ist vorgefübit, leider ohne viel Erfolg. Sur Zeit laufen drin- Der„ ,, Hitler- Komet"

allen Flüchtlingen bekannt. Ein Berliner   Rabbiner, den ich einmal dort getroffen habe, hat gesagt:„ Es ist ein Haus der Tränen" der Kummer, die Not, die die Opfer Hitlers   zerfleischt, stehen unsichtbar an den Wänden. Das Opfer Jsaacs, das Hitler in Deutschland   verboten hat, hier wird es gebracht...

Ich werde Ihnen ble genanem 8ablen geben," sagt Lambert. Der Strom der Flüchtlinge fließt stärker als je. Im Juli kamen 5800 zu uns, im Oktober waren es 9251. Jetzt ist das Brüsseler Komitee geschlossen worden, da sind wieder 400 Neue angemeldet, die ersten Tage brachten bereits 80. Aber nur noch ein Drittel der Flüchtlinge können wir versorgen. Die Mittel reichten nur für etwa 500 Familien mit 600 Kindern und 1500 einzeln Geflohene."

Und die Aussteuerung, die Polen  ?"

Im zweiten Quartal sind neue 2400 Opfer des Hitler­Terrors zu uns gekommen, davon nicht weniger als 1000 Polen  , Staatenlose und Nichtdeutsche. Im ganzen haben wir 31 400 Flüchtlinge eingeschrieben, davon aber nur 17 000 Deutsche  . Der Rest find 7000 Polen  , 6400 Staatenlose und 1100 Angehörige sonstiger Staaten."

Wie steht es mit der Unterbringung in den Rafernen, über die viel geredet wird?"

Die Lager find frühere Hospitäler und Helme, genau so, wie wenn französische   Arbeiter über Marseille  , Toul   oder Toulon   nach Corsika usw. geschickt werden, genau nach diesem Muster. Die Behauptungen in deutschen   Hitler­blättern, daß es sich um Konzentrationslager Handele, sind lächerlich. Wir haben die Familien im Hospital Andral am Boulevard Macdonald untergebracht, und sie haben es dort ganz wohnlich. Die vier Herbergen sind vom französischen  Kriegsministerium und vom Seine  - Präfekten   umsonst ge­stellt worden, auch ein Teil der Betten, der Lager- und Kücheneinrichtung wurde vom Staat gestiftet. Wir haben französische Kurse und Berufswerkstätten eingerichtet, in St. Maur   auch Stunden der Körperschulung. Aber unsere Mittel gehen zur Neige: außerhalb der Baracken können wir nur noch eine Eßkarte täglich ausgeben."

st eine nennenswerte Unterbringung im Arbeitsprozeß möglich, und wie sind die

Arbeitsbedingungen?"

Wir müssen die Angebote nehmen wie sie kommen. Nach genauer Kontrolle haben wir 885 Leute untergebracht. An erster Stelle 98 Mädchen für alles, dann 51 geeignete Kräfte als Gouvernanten, 17 Tippmädels, etwa ebensoviel Nähe

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gende Verhandlungen mit den britischen Kolonien und mit Washington  , um die harten Einwanderungsbestimmungen zu mildern. Sogar mit Persien   und mit China   stehen wir in Verhandlungen. 135 Fahrten nach Uebersee   haben wir be= werkstelligt."

Sagen Sie mir bitte noch etwas über die Psychologie der Flüchtlinge. Es wird vielfach über den Ton und die Behandlung geflagt."

„ Unsere Leute haben es besonders gegen gewisse Elemente sehr schwer. Es ist begreiflich, wenn sie bei dem starken Andrang täglich von 7 Uhr bis abends nervös werden. Im allgemeinen habe ich die Erfahrung gemacht: je weniger der Flüchtling ein politischer Fall ist, desto weniger zeigt er Schweigsamkeit. Je mehr einer früher gebettelt hat, desto herausfordernder tritt er hier auf. Solche Leute sind es, die die Hilfe als ihr Recht betrachten. Was soll ich sagen: lieber will ich doch, wenn es sein muß, 20 000 Menschen nur mit Kartoffeln ernähren als mit gar nichts. Wir suchen eben soviel wie möglich zu sparen, zu dehnen und zu leisten. Das Schicksal der Flüchtlinge liegt in der Hand der Flücht­linge selbst. Wenn einer etwas Unrechtes tut, heißt es gleich: alle sind schuld, so ist es nun mal überall im Ausland. Das Gute erzählt man nicht, leider."

„ Und das Wichtigste: was sind Ihre Pläne für die Zukunft?"

" Das Komitee hatte zunächst ein dreifaches Programm: 1. Rückwanderung eines Teils der Flücht­linge, besonders der aus Osteuropa   Stam­menden;

2. überseeische Auswanderung;

3. Ansiedlung derjenigen räfte, die positio die Produktionskräfte Frankreichs   heben fönnen.

Man nähert sich jetzt durch die Beschlüsse in Genf   der einzig möglichen Lösung durch internationale Zusammenarbeit. Die Verteilung der Flüchtlinge auf die Welt, etwa in der Art, daß Frankreich   einen bestimmten Prozentsatz der Zehn=

Wenn man im Pantheon  - Viertel durch die Rue Vaugirard  geht( nebenbei bemerkt: die jetzige Heimat Walter Mehrings) liegt in einiger Entfernung vom Luxembourg- Museum   die Wirtschaft zum Kometen von 1811, eine ausgezeichnete Kneipe. Der 1811er, das war der Komet des Napoleon­Sohnes, des Königs von Rom  , durch 101 Kanonenschüsse au­gekündigt, die längst vergangen sind. Uebrigens endet die Geschichte, wenn wir nicht irren, daß Marie Luise sich damals in Braunau   von ihrer Umgebung trennte, als sie dem Kaiser entgegenfuhr.

Aus dem Kometen von 1811 ist nicht viel geworden wird aus dem Sternschnuppen Hitlers   von 1933 mehr werden? Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn nicht der Sternenregen vom Oktober 1933 von den Staatschriften als besondere Offenbarung Gottes an seinen Sohn Adolf  ausgelegt würde.

Nach Beobachtungen der Straßburger Sternwarte ist der Sternregen der schönste seit 1885 gewesen. Die Erscheinung

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tausende behält, das ist das Richtige. Unser Siedlungsplan Wofinungen wird an maßgebenden Stellen besprochen. Am 29. Oktober findet in London   eine Konferenz aller jüdischen Wohlfahrts­fomitees statt, bei der ebenfalls der Genfer   Plan besprochen wird. Wir suchen inzwischen weitere Geldgeber, da der Moment jetzt psychologisch der richtige ist. Die wahre Hilfe für die Flüchtlinge, die thren ahasverischen Weg gehen, können nicht die Wohlfahrt und Almosen sein, sondern Siedlung und produktive Arbeit. Das ist es, ras das französische   Nationalkomitee von Genf   erwartet..."

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Pariser   Straßenkalender

Der Mörder des„ mondänen Tänzers", der Belgier  Deblauwe, wurde zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt.

Ein Juwelier in der Rue Peletier verlor, während er ein Rad seines Autos auswechselte, eine Tasche mit Schmucks stücken, Armbändern, Ringen, Ketten und Diamanten im Werte von 350 000 Franken.

Frankreich   hat nene 5- Franken- Stüde in Nickel   auss gegeben, die allmählich die 5- Franken- Scheine ersehen sollen.

Am Sonntag große Kundgebung gegen Faschismus und Leipziger- Prozeß in Livry- Gargan  . Autobus- Dienst der Federation de la Seine: von 12.15 bis 14 Uhr vom Rond Point de la Villette( Metro- Jaures) nach dem Bahnhof Gargan, zurück 17.30 bis 19 Uhr. Fahrtkosten hin und zurück 10 Franken.

7000 Schüler legten in Paris   die Prüfung des Baccalaus reat( die Abiturientenprüfung) ab.

Die größte Spionageaffäre seit dem Kriege

Die Spionagegeschichte der„ diden" oder„ schönen Sophie", die in St. Avold   einen Schnapsladen unterhielt, ist nach allem, was man hört, die fetteste Affäre dieser Art seit langem. Die Seele von diesem dunklen Spiel war„ Jupp", der Ehegemahl der neuen psündigeren Mata Hari  - mit richtigem Namen Joseph Drosch, ein deutscher   Hitlerspion aus dem Danziger Korridor, der sich seit fünf Jahren im Elsaß niedergelassen. Dieser Jupp ist ein großer, brutaler Kerl, der sich bei seinen Gästen durch mächtiges Trinken und Prahlen mit Geschichten- Erzählen als„ großer An­geber" einführte und die dicke Sophie gut dirigierte. Mittlerweile standen dann verschwiegene Autos nächtlicher­weise vor dem Cafe Jupps.

Jupp selbst ging, wenn irgend etwas zu erledigen war, im Heidi mit dem Motorrad über die Grenze. In Saar­ brücken   hatte er zahlreiche Freunde, die ihn liebevoll er­warteten. So geht das Jahrelang wunderbar", bis doch die Polizei in St. Avold   Wind von der Geschichte bekam und Jupp, aber wohl mehr von wegen der Moral und dem Schmuggel- Verdacht, vor knapp einem Jahr hochkantig hinausfensterte. Jupp selbst ist daraufhin mit seinem Aus­weisungsbefehl in Nichtung Grenze in Marsch, und Sophie blieb allein im Elsaß  , während Jupp in Saarbrücken   ihren Handel an geheimen Fäden leitete. Oft besuchte er sie kühn­lichst zu kurzen Stunden auf dem Motorrad, indem er über die Grenze paschte, wie das alter Hitlerbrauch.

Die schöne Sophie setzte sich einstweilen mit dem früheren französischen   Unteroffizier Alphonse Choppe in Verbin dung. Dieser Mann von 25 Jahren, den sie umgarnte, war nach seiner Entlassung vom Militär im Seftor von Coume als Lagerchef auf dem Bauplaz der Festungswerte be­

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schäftigt. Er stahl für sie drei geheime Pläne auf dem Büro.

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ging auf den periodischen Kometen zurück, der 1900 in Nizza  von Giacobini Zinner entdeckt wurde und der 6 Jahre Laufzeit hat. Schon vor dreizehn Jahren hatte der Eng­länder Denning Meteore von dem gleichen Ursprung vorausgesagt, aber niemand glaubte an einen Sternregen von solcher Ausdehnung. Auch von der Sternwarte in Lyon  , wo zehntausend Sterne beobachtet wurden, wird das Ueber­schreiten der Bahn des Kometen Giacobini Zinner durch die Erde als Ursache angegeben. Man sieht, Adolf Hitler   hat offenbar den Himmel gleichgeschaltet- wenn auch der Name Zinner vielleicht etwas jüdisch klingt.

Der König von Rom hat die Herrschaft seines Kometen nicht lange überdauert wird es mit dem Sternenschwanz von 1933 anders gehen?

Mit diesen Beutestücken fuhr er mit dem Motorrad nach BRIEFKASTEN

Saarbrücken, wo er die Dicke traf. Sie gingen zusammen zum deutschen   Spionagechef. Dieser ließ die Papiere erst prüfen, dann zahlte er 200 Mark in bar und 10000 Franken in einem Scheck. Bald darauf kam er wieder und erhielt abermals 10 000 Franken für neue Blätter. Dies­mal sagte der Spionagechef zu ihm:" Sehen Sie doch zu, ein tragbares Maschinengewehr zu erwischen, aber das Modell, das während der letzten Manöver verwendet wurde. Dafür zahle ich glatt 400 000 Franken."

Sophie Mitteilung von dieser Aussicht auf viel Geld, die Der Herr Lagerverwalter machte sofort der schönen sie blendete. Beide machten sich sofort ans Werk. Sophie kaperte sich den jungen berittenen Jäger Rene Plestau, Frei­willigen im 18. Regiment, der ihnen das Modell 1924 flaute und zusammen mit Sophie an der Grenze gefaßt wurde. Nach Mitteilungen in unterrichteten Kreisen ist diese Spio­nagegeschichte die größte seit dem Waffenstillstande. Man spricht von zahlreichen Verhaftungen, die erfolgt sind, min­destens von acht. Es handelt sich offenbar um eine ausge­dehnte Spionageorganisation längs der Grenze. Der Sig der Spionageorganisation befand sich das ist wohl das Un­erhörteste in einer Privatwohnung eines Gerichtsbeamten zu Saarbrücken  .

Die Aufdeckung der Affäre hat in Paris   das größte Auf­sehen geweckt. Die meisten Blätter haben Sonderforrespon­denten entsandt, der Intransigeant" veröffentlicht Artikel in Serien.

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Frau R. H. A., Wien  . Besten Dank! Wenn wir den Beitrag ab lehnen, so nur deshalb, weil schon zwei österreichische Mitarbeiter dieses Thema behandelt haben.

H. H.  , Zürich  . Ihre Zuschrift wird gedrudt. Der Fall Frankfurter Beitung" verdient eine besondere Bearbeitung.

Dresden  . Sie schicken uns einen Bericht über eine national­fezialistische Kulturtagung in Dresden  , mit einem Bericht der „ Dresdener Neuesten Nachrichten"( Nr. 236). Darin heißt es: reis­obmann Professor Dr. Israel eröffnet die Tagung und heißt die Teilnehmer willkommen. Adolf Hitler  , der größte Erzieher der Deutschen  , gebe das Relief für diese Tagung. Nach allen Mühen und Beschwerden seien heute die Widerstände gebrochen. Heute seien alle Schichten des Volkes von dem Neuen erfaßt. Diese Tagung solle ein Markstein in der Geschichte der gesamten Lehrerschaft Sachsens   sein."- Wieviel Atteste, so fragen wir, mußte Professor Jerael zum Nachweis seiner Reinrassigkeit beibringen? Immerhin: daß dieser sächsische Markstein im Namen Israels   in die Dresdener Heide gesetzt wurde, verheißt ihm ein besonders langes Leben angesichts der Sähigkeit, die die Israeliten in der Geschichte er­weisen.

Für den Gefamtinhalt verantwortlich: Johann Pit in Dud­ weiler  ; für Inserate: Otto Kuhn in Saarbrücken  . Rotationsdruc und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrüden 3, Schüßenstraße 5.

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