Deutsche Stimmen

Feuilletonbeilage der Deutschen Freiheit" Samstag, den 21. Oftober 1933* * Samstag, den 21. Oftober 1933* Ereignisse und Geschichten

Die braune Gretchenfrage

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,, nazi, wie hast du's mit der Religion?" Schall und Rauch zwischen positivem Christentum und germanischem Heidentum

Sie find sich noch keineswegs klar darüber, woran sie glauben sollen. Teils gestählte Standartenführer des posi­tiven Christentums mit Hitler als Gottes Sohn unserer Tage, teils SS. - Lente Wotans und Tors an der Eingangs= pforte Walhalls- so schwankten die Erneuerer der völkischen Religiosität hin und her.

kampf der Pflicht"( Kant ), der dem Kampf der Asen gegen die Riesen entspreche. Troß allem Anschein sei das Christen­tum nicht altruistisch, vielmehr tief egoistisch, denn es werde beherrscht von der Angst und Sorge um das persönliche ewige Heil oder die Hölle. Es habe den Egoismus teils erst gezüchtet, statt des Opferfinns für Volk und Sippe. ", er

Müller: nuc positives Christentum möglich Christentum und Nationalsozialismus ver­ Bei

einer Kundgebung während der Eisenacher Lutherwoche fagte der Reichsbischof Müller unter anderem: Es ist unverständlich, daß heute in manchen Kreisen unserer deutschen Freiheitsbewegung von Gefährdung des Staates durch kirchliche Aktivität gesprochen wird. Man malt sogar das Gespenst kirchlicher Bekämpfung der völkischen Erneue rung an die Wand und spricht von einer Germanenverfol gung. Solche Nachrichten sind irreführend, unwahr und ge­fährlich. Der Staat Adolf Hitlers steht auf dem Boden positiven Christentums. Er hat den Kirchen seinen Schuß versprochen, aber auch selbstverständlich verlangt, daß die Kirchen mithelfen am Aufbau von Volf und Vaterland. Wer der Ansicht ist, den Boden positiven

Christentums nicht betreten zu können, wird von unserer

Kirche auch dann sicher nicht belästigt und bestimmt nicht " verfolgt" werden. Wenn jemand von Christus nichts wissen will, so ist das in seinem eigenen Interesse sehr bedauerlich, und wenn er sich eine christuslose Weltanschauung aurechtlegt, wird er auf seine Weise erleben, wohin das innerlich führt."

Bergmann: Christentum und national­sozialismus unvereinbar

der

einen zu können glaubt, ist weder echter Christ noch echter Nationalsozialist"- nimmt Herr Professor Bergmann an.

Selbst die geschulten Rabulisten, die dem Nationalsozialis­mus ihre Federn zur Verfügung halten, werden nicht ge= ringe Mühe haben, die Front Müller mit der Front Berg­mann zu harmonisieren. Es erweist sich, daß eine brutale Herrschgewalt, die das Gesetz der Humanität mit Füßen tritt, sowohl von Christen wie von Heiden als Heilsbringer ge= priesen werden kann. Nach welchen Gesetzen sie sich dann gegenseitig den Rinnsteig streitig machen, um beim Heilrufen eine bessere Position zu haben, kann uns gleichgültig lassen.

Kleine Arabesken

Aus Religion und Kicche Gottes Sparsamkeit

W. Franke tritt in der Schrift Deutsches Christentum und Deutsche Reichskirche als Forderung der Gegenwart" bedingungs­los für die deutschen sogenannten Christen ein. Sein Buch gipfelt in dem Satz: Die Menschheit muß sich abfinden mit der Sparsamteit Gottes, der nicht jedem Volt seinen privaten Erlöser sendet."

,, Das Evangelium in die Fresse"

Ein Artikel des Berliner Protestantischen Blattes" gibt Auf­schluß über die Kämpfe innerhalb der evangelischen Kirche. Es schreibt, daß selbst anerkannte Naziblätter wie der Sturmtrupp"

des Reichsjugendführers Baldur von Schirach und der Reichs­wart" des Grafen Reventlow sich gegen den 3wang in Reli gionssachen, gegen Religionsbeuchelei", gegen. ,, Christentum auf Kommando" wenden. Heute werde von Naziseite erklärt, man müsse den Leuten das Evangelium in die Fresse schlagen", und wer nicht selig werden wolle, den müsse man mit den Fäusten der SA. dazu zwingen". Vollkommene Wirrnis

Rennbericht aus dem ,, deitten Reich"

Den deutschen Rennvereinen ist vom preußischen Innenministerium folgendes Schreiben zugegangen: " Ich ersuche, Nichtarier fünftig nicht mehr als Jockeis zuzulassen. Dagegen sind nichtarische Besitzer von Rennpferden in keiner Weise zu beschränken."

Wer sitzt in Deutschland auf dem hohen Roß? Arische Helden. Bunt ist ihr Gewand. Doch diese Ritter find, ach, Jodeis bloß. Jockeis find nie gewichtig, wie bekannt.

Sie haben Deutschland fest hineingeritten, Und sieht es aus, als lenkten sie es jetzt. Doch wird beim Ritt die Bahn nicht überschritten, Die ihre Herren fürs Rennen festgesetzt.

Die Herr'n( trog lautem Schlachtruf nicht verreckt), Sie gaben seinerzeit den Startschuß ab. Das Ziel der wilden Jagd hat abgeftedt Der, der dem Jodei seine Peitsche gab.

Göbbels , hoppauf!" Nur fest totalisieren!" " Göring gedopt!" Man hegt sie und sie hetzen Und beim Totalisator profitieren

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Die Herren, die auf bunte Jacken setzen.

Den Rothschild- Preis und auch den Krupp- Pokal Gewann Herr Hitler . Sind auch völkisch fremd Die Eigentümer von dem Rassestall, Was tut's sie zahlten wahrhaft fendal.

Das Publikum verlor das letzte Hemd.

Jura

England holt sich die Tüchtigen Deutsche Professoren in Manchester

Auf Grund der Tatsache, daß zahlreiche deutsche Professoren aus politischen oder Rassegründen Deutschland verlassen mußten, hat eine Gruppe Manchesterer Bürger der Univer­sität eine Unterschriftenliste überreicht, in der gebeten wird, den Opfern des Hitlerfaschismus eine Unterkunft zu be= willigen.

Die Universität Manchester hat zunächst fünf deutsche Ge­lehrte übernommen: die Professoren Martin Weine baum aus Berlin ( Historiker), David Katz aus Rostock , Professor der Psychologie, den Mathematiker R. Bär aus Halle, den Physiker Rudolf Peierle aus Leipzig und den Psychologen Walther Deutsch aus Düsseldorf .

Auch Stefan Zweig ?

Der Reichspresjeleiter der Deutschen Christen ", Herr Dr. Albert Der ,, Insel- Almanach" unter seiner Leitung

Freitag schreibt im Evangelium im dritten Reich über die Unruhe, die Graf Reventlow seit Monaten in die Reihen der Deutschen Christen " getragen habe. Wenn einer unserer Pfarrer in Führerstellung Kampf der Kirche gegen drei Fronten" fordert: Marxismus , Ultramontanismus und einen Herd neuer, völkischer, antichristlicher Religionsbildungen, so muß Graf Reventlow sich allerdings einmal fragen, wie weit er durch seine wiederholten verallgemeinernden aufreizenden An­griffe selbst den Anlaß zu jener Formulierung gegeben hat." Die Vorsehung für Deutschland

Professor Bergmann sprach auf Einladung Hermann- Wirth- Gesellschaft im Auditorium Maximum der Berliner Universität über Ehristentum und nordisch­germanischer Glaube". Professor Bergmann stellte ( nach einem Bericht des Reichsboten") die Behauptung auf, Christentum und Nationalsozialismus seien unvereinbare Gegenfäße. Das große Ziel für Deutsch­ land müsse sein: Ein Bolt, ein Reich, eine Religion, eine Kirche wobei sich dann wie von selber ergibt, daß diese Religion nur die nordisch- germanische sein könne. Die natio nalsozialistische Revolution müsse übergehen in eine heidnisch germanische Reformation, erst dann habe sie erreicht, was wir für Deutschland erhoffen". Es gehe heute um eine Ent­scheidung von grandioser Tragweite, da es nicht germanische Gläubigkeit und Christentum, sondern germanische Gläubigkeit oder Christentum heißen müsse. Das Christentum sei zunächst zeitfremd, denn es sei vor 2000 Jahren entstanden, in der Zeit des geistigen und materiellen Zusammenbruchs der antifen Mittelmeerwelt und unter semitischer Führung; heute brauchen wir eine Natur- und Bildungsreligion, einen bejahenden Wirklich keitsglauben, keine weltflüchtige Entsagungsreligion. Doch es sei uns ebenso artfremd; sein Schuld- und Erlösungs­glaube, die Messias- Idee, das Sühnopfer Christi, sein Pazi­fismus und Internationalismus seien durchaus germanisch. Das Christentum war noch nie so unzeitgemäß wie im dritten Reich"." Ethisch habe das Christentum zwar manches Gute( Nächstenliebe und Humanität), aber sein Sündenbegriff sei ungermanisch, und die Schlechtigkeit der Menschen beruhe vielfach auf der Arteigenes Christentum schlechten Ethif. Die größte Sünde ist der Sünden Ein Herr namens Baette meist in der Schrift Arteigene ger­glaube." Ebenso verwerflich sei die Absolution. manische Religion und Christentum" nach, daß gerade die Ger­Sünde vergibt, billigt sie," meint Professor Bergmann. Die menen als das Volk, das die Schicksalstragit am tiefsten gefühlt hat, als befonders prädispon für das Selbstung bleibe trotzdem; es bei der Riesen- Christentum" zu betrachten ist.

Wer

Deutsche und Fuden

In einem Buch Der Anti- Christus" führt P. Schütz aus, daß die Berufung Deutschlands wider den Antichrist mit dem deutschen Raum vorsehungsgemäß verbunden" sei.

Gott schadet nicht

Stefan 3 weig versucht den Weg zu beschreiten, der andere Schriftsteller vor ihm gegangen sind: er kriecht zu Hakenkreuze! Um so interessanter nimmt sich da der soeben erschienene Insel Almanach aus. Stefan Zweigs Verlag hat in seinem Almanach für 1934 einem seiner Haupt­autoren, eben Stefan Zweig , nicht eine 3eile ge gönnt. Nicht einmal im Verzeichnis der im Insel- Verlag erschienenen Bücher ist der Name Stefan Zweig zu finden. Der Versuch unpolitisch" zu sein, hilst also nichts. Uebrigens teilt Zweig das Schicksal nicht genannt zu werden, mit Heinrich Heine . Der Insel- Verlag hat die schönste Heine- Gesamt- Ausgabe herausgebracht; aber der Insel= Almanach 1934, der alle Gesamtausgaben des Verlages auf­

Im Sächsischen Kirchenblatt"( Sp. 338/351 stellt Herr Adolf zählt, läßt gerade die Heine- Ausgabe aus. Müller fest, Gott werde durch die w negung nicht seiner Kirche schaden".

ationale Be­

Von Heinrich Mann

Zu allem Ueberfluß ist Stefan 3 weig jetzt auch dem Beispiel Thomas Manns , Rene Schickele und Alfred Döblins gefolgt. Er rückt von der Amsterdamer Zeitschrift Die Sammlung" ab mit der Begründung, es sei ihm zu­gesichert worden, daß das Blatt einen gänzlich unpolitischen Charakter trage. Er hat jetzt dem Verleger mitgeteilt, daß er an der Zeitschrift keineswegs mitarbeiten werde und ihn gebeten, ihn, Stefan Zweig , von der Liste der Mitarbeiter zu streichen. Er fügt hinzu, daß es seit Weihnachten 1932 feine Zeile Manuskript aus der Hand gegeben habe. Das nennt man: um gut Wetter bitten.

Der Judenhaß ist in langjähriger, ungehemmter Propa- sobald der Anfall, der künstlich erzeugte Anfall von Barbarei Die Betorten ganda dem Volt aufgezwungen worden. Es hatte ihn gar nicht.

Diese Propaganda hat früher in der Provinz verfangen als in Berlin . Der Nationalsozialismus ist ein Aufstand der wenig vorgeschrittenen Bevölkerungsteile gegen die zivili­fierteren. Kein führender Nationalsozialist tommt aus Berlin .

Berlin hat die meisten Juden, hat sie sogar noch jetzt. Die Juden gehören dort zu den Trägern des Großstadtgeistes; aber sie tragen ihn nicht allein. Der Berliner Geist hatte sich nicht dem jüdischen, wohl aber dem Geist anderer Großstädte immer mehr angenähert. Die Verliner und die Pariser Geisteshaltungen waren eng verwandt, weil gleiche sozio­logische Bedingungen bestanden. Skepsis, Duldsamkeit und Ironie erleichtern das Leben in der Menge. Sie werden immer dort angenommen, wo hochzivilisierte Menschenmassen eng beisammenwohnen. Die Provinz hat das jüdisch genannt, weil sie Berlin nicht fennt. Berlin wird sehr groß und insgeheim sogar heute- mehr menschlich als nationalsozialistisch

nachläßt.

Die Zivilisation als Form des inneren Lebens ist auch in den Deutschen , wie in allen Europäern, zu stark befestigt, als daß die Anstrengungen von wahnsinnigen Dummköpfen sie herausreißen könnten. Sie besteht, ein bewundernswertestes Gebilde, aus Christentum und Antike, aus Mitleid und römischem Recht. Das bleibt; und für die Unglücklichen, die sich daran vergreifen wollen, werden schon die Irrenhäuser gebaut, in denen sie enden sollen.

Das Judentum ist als Vorgänger des Christentums in die Zivilisation mit eingeschlossen. Wer es hassen will, haßt darum äußersten Falles, nämlich heute, gleich die gesamte Zivilisation.

Aber die meisten, denen der Judenhaß mit allen Mitteln der Propaganda aufgedrängt worden ist, ahnen natürlich feine großen Zusammenhänge und freuen sich nur, die jüdische Konkurrenz los zu werden. Kapitalismus , ja. Freier Wettbewerb nach wie vor. Riesige Unterschiede im Besitz 17­gesichertheit und Eristenzangst für fast alle, daran wird nicht gerüttelt. Der Marrismus ist sogar ein Verbrechen 8.

,, uns so rein"

Im Westdeutschen Beobachter"( 15. Oktober) finden wir ein Gedicht: Wohl auf, Kameraden, die Schippe gepackt!" Es ist zu singen nach der bekannten Melodie: Wohl auf, Kameraden, aufs Pferd....", und verherrlicht den Freiwilligen" Arbeitsdienst mit folgenden Versen: Die schwielige Faust packt trußig au Das Werk, das uns ehrt, zu bezwingen. Und wird geschult für den Lebenskampf dann, Um den Siegerpreis zu erringen.

Unser Leben wir weihen dem Aufbau allein Und halten den Körper und den Geist uns so rein.

Freiwillig beugen wir uns Manneszucht, Freiwillig den kommandoworten. Kameradschaft bekämpfet die Eigensucht Und Dünkel, die einst uns betorten.(!)

So finden wir wieder die Wurzel der Kraft: gekommenen Wachthaber

haben die Berliner genötigt, bei einem Sonnwendfest" sich liner fortgefahren, ihre eigene, nicht sehr germanische Sprache zu gebrauchen. Sie besteht aus wißigen Wendungen, un manche sind jüdischer Herkunft.

Die Zivilisation als Form des äußeren Lebens wird sich Gewiß von Berlin aus wieder über Deutschland ausbreiten,

worden. Angewandt wird er trotzdem, und zwar in seine

äußersten Form, der bolschewistischen, gegen Juden außer em aber gegen Schriftsteller, Denter, gegen alle Wahrheits­

' iebenden. Eine solche Zusammenstellung der ver vigte. Renschenarten ist schme chelhaft für die Juden und kan

ihnen Hoffnung schenken für später.

Freiwillig geschlossene Arbeitsbrüderschaft.

M. I.

Wir bitten: nicht zu lächeln, nicht zu wizeln. In solchen vedichten, von denen die Nazipresse angefüllt ist, dokumen­ert sich das deutsche Spießerherz, das sein Sffaven­bewußtsein sangesfroh an die Schippe hängt. Es wird mar­schiert in jedem Falle: zum Aufbau" oder zum frisch­Die Wahrheit") fröhlichen Krieg, reinen Körpers und reinen Geistes.